6 vor 9

Gratistitel bewegen die Medienlandschaft
(Publicom AG, René Grossenbacher)
Der Vormarsch der Gratismedien ist nach Meinung der DELPHInarium-Experten unumkehrbar. Die Boulevardpresse und die regionalen Abonnementszeitungen sind vom Trend am stärksten betroffen. Leiden wird generell auch die journalistische Qualität. Die Lage ist aber nicht hoffnungslos: Für hochwertige Inhalte werden die Konsumenten auch in Zukunft Geld ausgeben.

Ein Versuch, Künstler vor Internetpiraten zu schützen
(Tages-Anzeiger Online, Verena Vonarburg)
Gratis Musik aus dem Internet herunterzuladen, ist erlaubt – aber nur, wenn man das Stück im privaten Kreis hört. So will es der Ständerat.

Neue Chefredaktion in der Netzeitung
(Netzeitung)
2007 beginnt für die Netzeitung mit einem Wechsel in der Chefredaktion. Michael Angele und Matthias Ehlert führen das Blatt künftig als Doppelspitze. Der bisherige Chefredakteur Maier kauft die «Readers Edition».

Max Schautzer gründet Senioren-Sender
(Handelsblatt.com, Hans-Peter Siebenhaar)
Der ehemalige ARD-Entertainer Max Schautzer hat für sich seine Zielgruppe identifiziert. Der Moderator will im nächsten Jahr mit einem neuen Sender für Zuschauer ab 50 Jahren in Deutschland auf Sendung gehen, sagte der 66-Jährige dem Handelsblatt exklusiv. Mit dem digitalen Sender könnte Schautzer bei seinem Publikum jedoch technische Schwierigkeiten haben.

Happy Campers – US-Import “Barcamp” mausert sich zur Alternativkonferenz
(Telepolis, Oliver Gassner)
Man könnte sagen, ein Barcamp sei ein Mix aus einem nicht endenden Strom von Kaffee, funktionierendem WLAN, Schlafsäcken, dem Mangel an Powerpointpräsentationen und freiem Zutritt für alle, die mitarbeiten. Das wäre zwar nicht ganz die offizielle Definition, würde aber die Sache ganz gut treffen.

Martin Hitz gründet konverMedia GmbH
(pho) Martin Hitz, u.a. Ex-Redaktionsleiter NZZ Online und Projektleiter beim Relaunch der Tagesschau und vielgelesener Schweizer Blogger mit medienspiegel.ch, hat sich selbstständig gemacht. In seiner eigenen Medienmitteilung schreibt er: «Jeder Medienmanager möchte eine Website wie die BBC oder einen Internetauftritt wie der Londoner Guardian oder die New York Times.» Aber dann geben sie es an die IT oder an eine Agentur, die natürlich alle keine Ahnung haben. :-) Bliebe zu erwähnen, dass auch nicht alle das Budget der BBC oder der New York Times haben.
Viel Erfolg, Martin!

6 vor 9

Der Boxer und der Papst
(Berliner Zeitung, Klaudia Wick)
Die zwölf Menschen des Fernsehjahres 2006.

SpiegelOnline und die Netzeitung erzählen recht unterschiedliche Geschichten über Henrico Frank:
Henrico, das Beck-Gespenst
(Spiegel Online, Björn Hengst und Carsten Volkery)
SPD-Chef Beck hat acht Jobs für den arbeitslosen Henrico Frank gefunden. Doch der zeigt sich nicht dankbar, sondern schwingt sich zum Anwalt aller Arbeitslosen auf. Wird der Hartz-IV-Empfänger zum Schreckgespenst für den rheinland-pfälzischen Regierungschef?
Wiesbaden droht Rasiertem mit ALG-II-Kürzung
(Netzeitung)
Mitarbeiter von SPD-Chef Beck haben dem arbeitslosen Frank acht Stellenangebote überbracht. Die Staatskanzlei erklärte den Fall damit für erledigt. Das Sozialamt ermahnte den berühmten Erwerbslosen indes.
Fest steht, wenn man das Foto bei SpOn sieht: Das Waschen und Rasieren hat nicht lange vorgehalten.

60 Jahre “Der Spiegel” – ein Gründungsmitglied erzählt
(Deutschlandfunk, Brigitte Baetz)
Leo Brawand ist der letzte lebende Gründungsredakteur des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel”, das in vierzehn Tagen seinen 60. Geburtstag feiern wird.

Hausfrauen ohne Werbepausen
(Der Tagesspiegel, Wilfried Urbe)
Von “24” zu “Stalingrad”: Der DVD-Verkauf wird für TV-Produzenten immer wichtiger.

Im neuen Kleid
(sueddeutsche.de, Hans-Jürgen Jakobs)
Das Re-Design eines der führenden Nachrichten-Portale im deutschsprachigen Netz ist Auftakt einer breiten redaktionellen Offensive. sueddeutsche.de wird von nun an stärker als bisher mit der Redaktion der Süddeutschen Zeitung zusammenarbeiten.
sueddeutsche.de ist neu – und hat wie Spiegel Online auch die linke Navigationsleiste abgeschafft.

Veranwortung der Medien bei der Suizid-Berichterstattung
(Chefredaktor-Blog, Ueli Haldimann)
“20 Minuten” und der “Tagesanzeiger” berichten ausführlich über Suizide, mit Nennung der geeigneten Orte.

Das beste Sauerland der Welt

Man könnte denken, dass jemand, der Artikel geschrieben hat wie “Lesbe (taubstumm) sticht Lesbe (taubstumm) nieder”, “Waldmensch metzelt Spaziergänger nieder” oder “Armer Mann mit Dauererektion: Droht jetzt sogar eine Amputation?” — dass so jemand schwer zu erschüttern ist. Aber so abgebrüht ist “Bild”-Reporter Sven Kuschel nicht. Die Meldung, dass vier nordrhein-westfälische Zweckverbände an einer Fusion arbeiten, hat ihn elektrisiert. In gewaltiger Größe verkündete er gestern in “Bild”-Westfalen diese frohe Botschaft:

Geheimer Politiker-Plan: Unser Sauerland wird Super-Nationalpark

Ein Wort für dieses Gebilde hat Kuschel auch schon gefunden: “Sauerstone”. In Anspielung auf den “weltberühmten Yellowstone-Nationalpark in den USA”, der auch nur knapp dreimal so groß sei wie der “Super-Nationalpark”, der da im Sauerland entstehe.

Blöd nur, dass im Sauerland gar kein Nationalpark entsteht, nicht mal ein Normal-Nationalpark. Entstehen könnte bestenfalls ein großer Naturpark — immerhin taucht dieses entscheidende Wort im “Bild”-Text auch mehrmals auf. Im Gegensatz zu den gesetzlich streng geschützten Nationalparks, Gebieten von “besonderer Eigenart”, in denen sich die Natur möglichst ungestört entwickeln soll, geht es bei Naturparks vor allem um Landschaften, die sich für Erholung und Tourismus eignen und entsprechend gepflegt, entwickelt und vermarktet werden sollen.

Wie wenig spektakulär der geplante Zusammenschluss von vier bestehenden Naturparks ist, ahnt man, wenn Theo Melcher, der Kreisdirektor von Olpe, in “Bild” sagt, es gehe um einen Abbau von Bürokratie und schnellere Planung und Umsetzung von Projekten. Wie auf diese Weise das Sauerland “zu einem der grünsten Punkte Deutschlands” wird, bleibt das Geheimnis von “Bild”-Mann Sven Kuschel.

Apropos: Der “Geheimplan”, den “Bild” da aufgetan hat, ist so geheim, dass Kreisdirektor Melcher ihn sechs Tage vor dem “Bild”-Bericht bereits gegenüber dem WDR bestätigt hat. Und zehn Tage vor dem “Bild”-Bericht bereits das Süderländer Tageblatt von einer Sitzung des Zweckverbandes Naturpark Ebbegebirge berichtete, auf der der Plan diskutiert und begrüßt wurde. Und diese Sitzung 23 Tage vor dem “Bild”-Bericht bereits von der “Siegener Zeitung” unter der Überschrift “Zweckverband spricht über Zusammenlegung” angekündigt wurde.

Aber, hey, die Sache mit Yellowstone und dem Super-Nationalpark hat “Bild” natürlich exklusiv.

Vielen Dank an Jörg W. für den sachdienlichen Hinweis!

Die Norbert

So steht es heute groß in der “Bild”-Zeitung:

"Nach Bruno, dem Bären - Alle jagen nandu Norbert"

Aha. Und die gute Nachricht vorweg: Der bereits seit geraumer Zeit frei umherstreunende Laufvogel wurde heute gegen 14 Uhr fachmännisch per Blasrohr betäubt und anschließend unbeschadet eingefangen.

Und jetzt die schlechte: “Bild” war mit ihrem “Norbert” wohl etwas voreilig. Es handelt sich bei dem Vogel nämlich nach Angaben der örtlichen Polizei um eine “Nandu-Dame”.

Mit Dank an Nicolas H. für den Hinweis.

Nachtrag, 19.12.2006: Heute berichtet nun auch “Bild” über das Ende der Nandu-Jagd (Überschrift: “Nandu Norbert bewusstlos geblasen”), nennt ihn weitere neun Mal “Norbert” — um den Artikel dann mit der Berichtigung mit den Worten zu beenden:

“In Wahrheit ist Nandu Norbert eine etwa 8 Monate alte Vogeldame. Jetzt freuen sich die Nandumännchen auf Norbert(a)…”

Und das sagt immerhin auch eine Menge über die Assoziationsreflexe in “Bild”-Mitarbeiterhirnen aus.

Kurz korrigiert (301)

Thurn und Taxis, Leutheusser-Schnarrenberger, Hagen Hagen, Gebrselassie, von Kotzebue Man glaubt ja gar nicht, wie der Mensch so alles heißen kann, gell?

Insofern haben sich die Bild.de-Mitarbeiter offenbar auch nix dabei gedacht, als ihnen auf der Suche nach den “schönsten Weihnachtsmännern und (-Frauen)” ein US-Agenturfoto von “Diane Busch of Jupiter” unterkam. Im Gegenteil: Eh sie sich versah, war sie auch schon “Weihnachtsmieze”:

Heiße Weihnachtsmieze: DIANE BUSCH OF JUPITER verdrehte den Weihnachtsmännern am 10. Dezember in Florida den Kopf – und eröffnete damit den 19. "Christmas Toys in the Sun Run" (Hervorhebung von uns.)

Zu dumm nur, dass die Frau gar nicht “Diane Busch of Jupiter”, sondern “Diane Busch of Jupiter, Fla.” (auf Deutsch also: Diane Busch aus Jupiter in Florida) ist.

Mit Dank an Valeri K. und Holger H. für den Hinweis.

Nachtrag, 19.12.2006: Bild.de hat’s offenbar kapiert und korrigiert.

Tolle Leistung!

Ist schon eine große Geschichte geworden, die “Bild” heute über Dietrich Grönemeyer im Blatt hat:

Die Geschichte wird ein wenig kleiner, wenn man all das wegstreicht, was zu Grönemeyer (mit zum Teil fast identischem Wortlaut) ursprünglich im aktuellen “Spiegel” steht, der in der viertletzten Zeile immerhin namentlich genannt wird:

Übrig bleiben dann:

  • (1) ein Absatz, der (mit fast identischem Wortlaut) aus einem älteren “Spiegel”-Artikel übernommen wurde — wobei “Bild” teilweise aus indirekter Rede ein wörtliches Zitat gemacht und auf eine Quellenangabe verzichtet hat
  • (2) die unbeantwortete Frage: “Wollte der Professor unbedingt berühmt werden?”
  • (3) der Satz: “Professor Grönemeyer war gestern nicht zu erreichen.”
  • (4) der Artikelanfang:

    Der große Bruder war schon lange berühmt: Herbert Grönemeyer (54), Schauspieler und Sänger. Der kleine Bruder ist in den letzten Jahren bekannt geworden: Professor Dr. Dietrich Grönemeyer (50)…

Doch weil in Wirklichkeit nicht Herbert “(54)” der große Bruder von Dietrich “(50)” ist, sondern umgekehrt Dietrich (54) der große Bruder vom Herbert (50), ist quasi die einzige journalistische Eigenleistung im gesamten “Bild”-Artikel…

… ein Fehler.

Mit Dank an Jörg L. für den Hinweis.

Kurz korrigiert (300)

Was für eine süße Geschichte gestern in der “BamS”:

"Sau-Warmer Herbst: Frühlings-Frischlinge schon da!"
Schade, dass sie nicht stimmt (obwohl auch auf wildtiere-live.de der Eindruck erweckt wird). Denn anders als die “BamS” schreibt, haben die “Frühlings-Frischlinge” mit dem “Sau-Warmen Herbst” nichts zu tun. Wildschweine tragen nämlich fast vier Monate. Die Frischlinge, die laut “BamS” vor zehn Tagen zur Welt kamen, sind also bereits im August gezeugt worden — mitten im Hochsommer.

Ungewöhnlich ist es natürlich trotzdem, dass Wildschweine Anfang Dezember werfen. Und die korrekte Erklärung dafür steht sogar auch im “BamS”-Text. Paul Müller vom Institut für Biogeografie der Uni Trier gibt sie:

“Viele Bachen, die bereits im Frühjahr geworfen hatten, verloren durch den unerwarteten Kälteeinbruch im März ihre Jungen, wurden durch die Wetterkapriolen ein zweites Mal trächtig.”

Aha, der Schweine-Kalte Frühling ist also Schuld.

Mit Dank an Georg G. für den sachdienlichen Hinweis.

Blättern:  1 ... 987 988 989 ... 1165