War die Korrekturspalte bloß im Türkei-Urlaub?

Der Unterschied zwischen der “Bild”-Korrekturspalte und dem “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich besteht ja darin, dass wir bei Tobias Fröhlich nicht immer gleich annehmen, dass er abgeschafft wurde, wenn wir länger nichts von ihm hören. Trotzdem war es quasi ein doppeltes Lebenszeichen, als wir heute früh nach vier Tagen und einer Nachfrage eine Mail von Herrn Fröhlich erhielten, in der er auf unsere Erkundigung, was aus der Korrekturspalte geworden ist, antwortete: “Die Korrekturspalte gibt es nach wie vor.”

Gut, heute hätten wir uns diese Antwort auch selbst geben können, weil die Rubrik nach Wochen erstmals wieder in der Zeitung war:

In der BILD vom 14. Juli schildern wir auf Seite 2 einen Dialog zwischen Tales von Milet, dem Vater der abendländischen Philosophie, und einem seiner Schüler. Als Antwortender steht "Milet" statt "Thales von Milet". Milet (Kleinasien) ist die Geburtsstadt des Thales.

Da sieht man auch, dass “Bild” sich nicht scheut, sogar die richtig schlimmen Fehler zu berichtigen, sogar wenn, wie in diesem Fall, die Korrektur länger ist als die Ursprungsnotiz. Der stand im immer samstags erscheinenden “Tagebuch” von Claus Jacobi:

Thales von Milet lehrte, der Tod unterscheide sich in keiner Hinsicht vom Leben. "Warum stirbst du dann nicht?", fragte einer seiner Schüler. "Weil es keinen Unterschied macht", antwortete Milet. - "Hübsche Beine", sagt Terry McComden, "sind die besten Freunde eines Mädchens. Aber auch die besten Freunde müssen sich einmal trennen."

Und nachdem das mit Thales von Milet geklärt ist, wüssten wir nur gern, wer eigentlich “Terry McComden” ist, von dem Jacobi diesen alten anzüglichen Witz gehört hat. Irgendwelche Vorschläge?

Totgesagte leben (noch) länger

Vor drei Monaten schrieben wir aus damals aktuellem Anlass:

Allerdings wird eine falsche Tatsachenbehauptung ja dadurch nicht weniger falsch, dass sie auch gestern schon in “Bild” stand (…).

Und aus aktuellem Anlass müssen wir uns wiederholen. Denn eine falsche Tatsachenbehauptung wird auch dadurch nicht weniger falsch, dass sie vor drei Monaten schon in “Bild” stand.

Damals, vor drei Monaten, hatte “Bild” an zwei aufeinanderfolgenden Tagen behauptet, ein Krokodil, das einem Tierarzt den Unterarm abgebissen hatte, sei “erschossen” worden — obwohl das gar nicht stimmte. Bei Bild.de (wo man die “Bild”-Version des erschossenen Krokodils zunächst übernommen hatte) verschwand die falsche Tatsachenbehauptung immerhin nachträglich (genauer: nachdem wir darauf hingewiesen hatten) aus dem Text.

Heute ist sie wieder da. Mit dem geradezu trotzig anmutenden Hinweis “(BILD berichtete)” heißt es in “Bild” und auf Bild.de*:

"Damals erschossen Tierpfleger das 200 Kilo schwere Krokodil (...)."

Der Artikel beginnt mit den Worten:

Dieses Happy End hätte niemand für möglich gehalten.

Mit Dank an Donas für den Hinweis.

*) Nachtrag, 14.30 Uhr: Wie schon vor drei Monaten hat Bild.de auch jetzt wieder die “Bild”-Meldung nachträglich korrigiert (und unter einer neuen URL veröffentlicht). Nun heißt es zumindest online: “Damals schossen Tierpfleger auf das 200 Kilo schwere Krokodil (…)”

6 vor 9

Das Netz der freien Worte
(dw-world.de, Aarni Kuoppamäki)
Die Zahl der Weblogs in Russland steigt rapide an. Wo die traditionellen Medien sich selbst zensieren, entsteht eine Plattform für freie Meinungsäußerung. Doch ob die Russen diese auch nutzen, ist umstritten.

Neue Messgeräte erkennen Werbemuffel
(welt.de, Tilmann P. Gangloff)
Kaum etwas ist für TV-Sender wichtiger als Einschaltquoten. Doch Zuschauer, die sich Sendungen auf ihrem Computermonitor ansehen, werden hierzulande bisher nicht gemessen. Neue Technik soll das nun können – und noch viel mehr.

Rupert Murdoch – Der Papiertiger
(faz.net, Harald Staun)
Der Medienunternehmer will das ?Wall Street Journal? kaufen und nur noch im Internet publizieren. Dass Murdoch im Kampf um die Leser der Zukunft nicht zu Sentimentalitäten neigt, weiß man. Aber dieser radikale Schritt erscheint wie das Symptom einer Aufmerksamkeitsdefizit-Störung.

Wachstum ohne Grenzen
(presseverein.ch)
Peter Wuffli ist Cover-Boy zweier Hochglanz-Postillen, die eine Woche nach seinen abrupten Abgang den gefällten Ex-UBS-Chef noch einmal als Muster-Manager präsentieren. Die Realsatire zeigt: Druckmaschinen drehen langsam.

“Es geht Ringier nicht darum, seinen Familienschmuck zu veräussern”
(persoenlich.com, David Vonplon)
Mit Daniel Pillard leitet seit Kurzem ein Journalist den Ringier Verlag Schweiz. Ein Signal dafür, dass publizistische Belange im Zürcher Medienhaus wieder mehr Gewicht erhalten sollen. “Wie unsere Produkte aussehen sollen, müssen wir Journalisten entscheiden” erklärt Pillard im Interview mit “persoenlich.com”. Er will Druck machen, dass bei Ringier endlich wichtige Entscheidungen wie die Besetzung des Blick-Chefredaktorenpostens gefällt werden.

Trash-Junkie
(youtube.com, Video, 3:43 Minuten)

Bei der “BamS” ist es immer 3 nach 12

“BamS”-Leser Hans P. aus S. hat in der “Bild am Sonntag” vom vergangenen Sonntag einen Fehler entdeckt (in einem Bericht über den Boxkampf Klitschko/Brewster hatte die “BamS” ein Foto falsch betextet) und einen Leserbrief geschrieben.

“BamS”-Chef Claus Strunz nutzt die Gelegenheit in seiner Kolumne “Der Chefredakteur antwortet” für eine “Pannenanalyse”:

"(...) Die Bildunterschrift, die nicht so recht zum Foto passt, wurde um 0.03 Uhr formuliert. Das Bild lag zu diesem Zeitpunkt erst wenige Minuten in der Redaktion vor -- und genau zwölf Minuten später ist die Seite in die Druckerei gesendet worden. Alle Kollegen wissen in solchen Situationen: Jede Minute früher bringt viele Tausend BamS-Exemplare mehr mit dem Box-Bericht. Da wird Schnelligkeit zum hohen Gut, nicht immer zugunsten der Genauigkeit. (...)"

Das solle “keine Ausrede für den Fehler sein”, aber “eine Erklärung, unter welchem Druck er entstanden ist”, so Strunz auf Seite 32.

41 Seiten später berichtet die heutige “BamS” über einen “Schock-Unfall”: Bei einer Leichtathletik-Veranstaltung in Rom wurde der Weitspringer Salim Sdiri gesternmittag versehentlich von einem weit abgedrifteten Speer verletzt — und die “Bild am Sonntag” schreibt:

Sdiri selbst sagt: “Zehn Zentimeter weiter links hätte er die Lunge getroffen. 20 Zentimeter höher den Hals. Ich habe Glück gehabt.”

Nun. Wie man in anderen Medien nachlesen kann, stammt das angebliche Sdiri-Zitat offensichtlich gar nicht von Salim Sdiri, sondern von Roman Sebrle, der im Januar ebenfalls von einem Speer verletzt worden war. Die Nachrichtenagentur sid verbreitete das Sebrle-Zitat bereits am Samstagmittag um 12.54 Uhr.

Aber “unter welchem Druck” daraus dennoch ein “BamS”-Fehler wurde, erklärt uns Rechenkünstler Geschichtenerzähler Chefredakteur Strunz bestimmt in der nächsten Ausgabe.

Mit Dank an Andreas B. für den Hinweis.

Nachtrag, 22.7.2007: Anders als in anderen, gravierenderen Fällen hat die “BamS” den Fehler in ihrer heutigen “Korrekturen”-Rubrik tatsächlich berichtigt: “Die Namen Sebrle und Sdiri wurden leider verwechselt und somit das Zitat aus einer Agenturmeldung fälschlicherweise Salim Sdiri zugeschrieben.” Auf eine “Pannenanalyse” wurde verzichtet.

Ulla!

Wir sind nicht allein. Auch die Münchner “Bild”-Redaktion hat offenbar ein Herz für die “Bild”-Korrekturspalte — und würdigt sie in ganz besonderer Form. Auf ihrer Titelseite schreibt sie heute:

Neuer Paukenschlag durch Fürths schöne Landrätin Gabriele Pauli (50): Die Stoiber-Kritikerin gab gestern bekannt, dass sie sich Ende September neben Bundes-Gesundheitsminister Horst Seehofer (57) und Bayerns Wirtschaftminister Erwin Huber (60) um den CSU-Vorsitz bewirbt.

Was für eine wunderbare Idee. So kann die “Bild”-Zeitung ihre Korrekturspalte morgen, rechtzeitig zum Jubiläum, zum ersten, zweiten, dritten Mal in diesem Jahr mit der Berichtigung füllen, dass Horst Seehofer nicht Gesundheitsminister ist, sondern “Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz”.

(Seehofer ist übrigens 58 Jahre alt.)

Vielen Dank an Thomas M. und Miriam S. (mit Hilfe von Dirk)!

Nachtrag, 14. Juli. Doch nicht. Keine Korrektur heute. Keine Korrekturspalte. Nichts.

Blut-Konserve

Im Iran habe ein Löwe in seinem Käfig einen Pfleger angegriffen und schwer verletzt. Der Mann habe einen Herzstillstand erlitten, sei jedoch wiederbelebt worden, nachdem es einem herbeieilenden Polizisten gelungen sei, den Löwen zu erschießen.

"Löwe zerfleischt Pfleger"Soweit die Geschichte in 35 Wörtern. “Bild” braucht 95, berichtet aber auf einer halben Zeitungsseite darüber (siehe Ausriss). Der weit überwiegende Teil davon besteht aus Bildern, die einem “Privatvideo” entnommen wurden. Die Bilder sind ebenso spektakulär wie blutig. Eines zeigt den auf dem Boden liegenden Pfleger mit weit aufgerissenen Augen.

Das ist an sich schon widerlich. Und wird noch widerlicher dadurch, dass das “Privatvideo” mindestens seit dem 19. April im Internet kursiert*. Der Unglücksfall dürfte fast drei Monate oder noch länger zurück liegen. Die Geschichte hat keinerlei Neuigkeitswert. Sie dient ausschließlich zur Befriedigung der Sensationslust der Leser.

*) Aus naheliegenden Gründen verzichten wir auf einen Link zum Video.

Mit Dank an Klaus, Peter N., Andreas und Markus F. für den Hinweis.

6 vor 9

Die Tagesshow
(dradio.de, Walter van Rossum)
Seit Jahrzehnten lassen sich Abend für Abend über zehn Millionen Menschen vor der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau nieder. Karl-Heinz Köpcke, lange Zeit Chefsprecher der Tagesschau, wurde sogar von vielen als eine Art Regierungssprecher wahrgenommen. Und tatsächlich gibt sich die Tagesschau äußerst “offiziös”. (Das Manuskript zur Sendung ist als pdf oder im barrierefreien Textformat verfügbar. Dazu das Blog der Tagesschau: “Das tut richtig weh” )

2.0 und dann? Journalismus im Wandel (+ + + +)
(newsaktuell.de, pdf, 427 kb)
Was Journalisten von den aktuellen Trends im Internet halten und wie sie die Zukunft der Medien sehen.

Zeitungen und Zeitschriften buhlen um die Gunst der Leserinnen (+)
(nzz.ch, Monika Joss)
Die Presse will sich herausputzen, um dem weiblichen Publikum besser zu gefallen. Magazinartig aufbereitete Stoffe kommen bei diesem gut an. Doch noch überwiegt das männliche Lesepublikum.

Wie wird eigentlich die Quote gemessen?
(welt.de, Kolja Langnese)
Das Fernsehen ist voller Rätsel. Wie bekommt man ein Quoten-Messgerät? Gibt es eine Entschädigung fürs Mitmachen? Reality-TV hat bei den Statistikern von der GfK nachgefragt. Und wähnte sich im Quoten-Himmel.

“Wir sind keine Hippies”
(zuender.zeit.de, Katharina Kehl)
Wie lässt sich Frieden im Nahen Osten erreichen? Welche Art der Demokratie brauchen wir? Fragen, die arabische Jugendliche auf mideastyouth.com täglich diskutieren. Anonym, versteht sich. Ein Interview mit der Gründerin Esra’a Al Shafei.

Der Info-Express
(merkur.de, Daniel Hildebrand)
Nach ?Tagesthemen? und ?heute-journal? schaut der RM diesmal die private Konkurrenz. Und stellt fest: Kommerzielle Nachrichten sind zwar bunter, aber besser als ihr Ruf.

Happy Birthday, Korrekturspalte!


Illustration: beetlebum.de

Es könnte eine einsame Party werden, wenn die kleine “Bild”-Korrekturspalte am Samstag die einzelne Kerze auf ihrer Geburtstagstorte auspustet. Still ist es um sie geworden. Die Aufmerksamkeit der anderen Medien hat schon kurz nach ihrer (Wieder-)Geburt nachgelassen. Und die “Bild”-Redaktion kümmert sich auch immer weniger um sie. Dabei hatte Chefredakteur Kai Diekmann vor einem Jahr gesagt: “Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler”, und versprochen, sie mit ihrer Hilfe “schnell und unkompliziert” zu berichtigen.

Seit drei Wochen ist sie gar nicht mehr erschienen. Eine Anfrage von uns beim Pressesprecher, ob die Rubrik eingestellt wurde oder “Bild” einfach keine berichtigenswerten Fehler mehr macht, blieb unbeantwortet.

Schaut man sich die Entwicklung des vergangenen Jahres an, kommt die gegenwärtige Vernachlässigung der Korrekturspalte nicht überraschend. Die Zeiten, als man noch einen gewissen Ehrgeiz der “Bild”-Redaktion ausmachen konnte, regelmäßig wenigstens ein paar kleine Fehler zu korrigieren sind lange vorbei: Im Juli 2006 korrigierte “Bild” noch fast in jeder Ausgabe einen Fehler, im Mai 2007 noch in jeder vierten Ausgabe, im Juni 2007 in jeder zwölften:

(Die Zahlen weichen teilweise von unserer Erhebung vor einem halben Jahr ab, weil wir damals die Korrekturen in der Ausgabe Berlin-Brandenburg zählten. Die aktuelle Statistik bezieht sich auf die “Bild”-Bundesausgabe.)

 

Liebe Korrekturspalte von “Bild”,

wir haben Dich dennoch nicht vergessen und gratulieren Dir mit unserer Top-10 der “Bild”-Korrekturen — natürlich in Form einer Bildergalerie:

Mehr dazu hier.

Geh mich weg mit die “Bild”

In großer Aufmachung steht es heute in der “Bild”-Ruhrgebiet:

"Sie machen einen ganzen Stadtteil platt"

Machen “sie” echt? “Bild” jedenfalls hört schon den “Klang des Niedergangs, der über Dorsten-Barkenberg liegt” — über dieser Mustersiedlung, die da in den 60er und 70er Jahren am Rande des Ruhrgebiets geplant und gebaut worden war für die Beschäftigten der nahegelegenen Zeche Wulfen und ihre Familien. Doch die Zeche ging nie richtig in Betrieb. Und in der Trabantenstadt, die mal für 60.000 Menschen geplant waren, leben zur Zeit etwa 9.500 Personen.

Deshalb wurde ein Teil Barkenbergs mit 3.600 Einwohnern zum “Stadtumbaugebiet” erklärt und vor kurzem mit dem Abriss von 244 Wohnungen begonnen — oder, wie “Bild” es formuliert:

"(...) nun mussten 3000 Menschen ihre Heimat verlassen"

“Bild” allein weiß, wie “3000 Menschen” in 244 Wohnungen passen, wenn, wie man uns bei der Stadt Dorsten berichtet, in einzelnen Wohnungen 12 bis 16 Personen lebten, die meisten aber Einpersonenhaushalte waren. Und auch die etwa 300 Menschen, die tatsächlich in diesen Wohnungen lebten, wollten und konnten mehrheitlich in Barkenberg bleiben — “ihre Heimat verlassen” mussten sie nicht.

Vielleicht sind sie auch deshalb gerne geblieben, weil sie wussten, dass sie auch weiterhin vor Ort einkaufen können. Denn anders als “Bild” behauptet (“auch Schule und Supermarkt kommen weg”), soll der Supermarkt laut Auskunft der Stadt Dorsten auf jeden Fall erhalten werden.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

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