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Für sie am Ball

Für diese Schlagzeile auf Bild.de gilt das gleiche wie für die Momente, in denen man unbekleidet vom eigenen Partner mit einer anderen Person im heimischen Schlafzimmer überrascht wird: Es ist nicht, wonach es aussieht.

Martin wollte Casillas-Freundin abschießen

Zum einen ist da der Vorwurf des “Abschießenwollens”, den Bild.de so beschreibt:

Vor dem Anstoß versuchte Marvin Martin (24) die spanische TV-Reporterin Sara Carbonero (28) abzuschießen.

Die Verlobte von Spaniens Torhüter Casillas moderierte gerade am Spielfeldrand, als Martin Maß nahm.

Warum er nur Auswechselspieler ist, bewies der Mittelfeldmann eindrucksvoll: Sein Schuss verfehlte die schöne Moderatorin.

Es bedarf schon einigen bösen Willens, in dieser Aktion Absicht zu erkennen — und nicht einfach ein verunglückte Volley-Annahme:

(Auch die Behauptung, Frau Carbonero habe “im letzten Moment zur Seite springen” können, dürfte angesichts des Videos leicht übertrieben wirken. Aber eine frontal getroffene Kamera ist offenbar nicht so spektakulär, wie eine beinahe getroffene “schöne Moderatorin”.)

Zum anderen lautete die Überschrift ursprünglich “Nasri wollte Casillas-Freundin abschießen”, weil die Sportexperten von “Bild” Marvin Martin zunächst für Samir Nasri gehalten hatten.

Nachdem einige Leser in den Kommentaren auf diese Verwechslung hingewiesen hatten, überarbeitete Bild.de unauffällig den gesamten Artikel — und sorgte dafür, dass die Kommentare unter dem Artikel nicht mehr angezeigt werden.

In der gedruckten “Bild” allerdings kann man die ursprüngliche Verwechslung noch in aller Pracht nachlesen:

Nasri wollte Casillas-Freundin abschießen

Mit Dank an Jan David Sch., Moritz S., Arno W., Thomas Sch. und S.K.

Bild  

Keine echte Überraschung

So richtig wollen es die Leute von “Bild” offenbar selbst nicht glauben:

Meister-Shirt schon aufgetaucht?

Der erste Absatz klingt noch ziemlich sicher:

Eigentlich will der BVB das große Geheimnis erst am 4. Juli lüften und sein neues Trikot für die Saison 2012/13 offiziell präsentieren. Dumm nur, dass es bereits jetzt in den ersten Geschäften verkauft wird…

Doch dann wird “Bild” ungewohnt zurückhaltend:

Hintergrund: Ausrüster Puma hat das Trikot offenbar schon ausliefern lassen, damit es passend zur Vorstellung in knapp zwei Wochen in den Läden vorrätig ist.

Allerdings mit der Verpflichtung, sie auf keinen Fall früher anzubieten. Doch an diese Vorgabe halten sich anscheinend längst nicht alle Einzelhändler.

Meister-Shirt schon aufgetaucht? Demnach ist es der Grundton komplett gelb, mit schwarzgelben Kragen und schwarzem Absatz an den Ärmeln. Sowie zwei Sternen über dem BVB-Logo auf der rechten Brust.

Schön, schlicht. Aber leider keine echte Überraschung mehr…

(Hervorhebungen von uns.)

Ja, dieses Trikot-Design ist “keine echte Überraschung mehr”: Der “Westen” hatte bereits vor über einem Monat ein Bild des neuen Dortmund-Trikots gezeigt, das vorher schon in verschiedenen Fanforen aufgetaucht war, und etwas nebulös hinzugefügt:

Aus BVB-Kreisen wurde bestätigt, dass dieses Fanforum bei der Abbildung des neuen Trikots einen Volltreffer gelandet habe.

Mit Dank an Ulas Y.

Bild  

Die Ente ist sicher

Wenn man es nicht ohnehin jeden Tag über “Bild” sagen könnte, würden wir sagen: Das, was da morgen millionenfach ungefragt unters Volk gebracht wird, ist doch keine Zeitung! Aktuelle Informationen wird die “Frei-BILD für alle” jedenfalls nicht enthalten. Die Produktion wurde schon vor Tagen abgeschlossen. Seit Mittwoch verteilt die Post das Papier intern über das Land.

Wann das zeitlose Printprodukt, mit dem sich “Bild” zum 60. Geburtstag gratuliert, tatsächlich entstanden ist, wissen wir nicht. Es könnte schon länger her sein. Auf der Titelseite jedenfalls ist Chefredakteur Kai Diekmann, über dessen neuen Kurzhaarschnitt die Medien vergangene Woche ernsthaft berichtet haben, noch mit alter Frisur abgebildet:

Es ist ein größerer logistischer Aufwand, den Springer betreibt, um sich morgen in rund 41 Millionen Briefkästen stecken zu lassen. Und der Aufwand wurde noch größer dadurch, dass mehr als 250.000 Menschen erklärt haben, keine “Bild” bekommen zu wollen — diesen Widerspruch muss “Bild” respektieren.

Für einen solchen Einspruch ist es jetzt zu spät, aber der Cartoonist Ralph Ruthe hat bei Facebook eine Druckvorlage veröffentlicht, die Sie morgen an Ihren Briefkasten kleben können:

Hier bitte keine BILD einwerfen

Die Deutsche Post AG schreibt in einer internen Mail:

Am morgigen Samstag stemmt der Brief-Bereich in der Zustellung das größte Einzelprojekt aller Zeiten

Die Bild-Zeitung feiert ihren 60. Geburtstag und bringt zu diesem Anlass eine Jubiläumsausgabe heraus. Jeder Haushalt in Deutschland soll eine gratis bekommen. 41 Millionen Exemplare müssen verteilt werden – eine Riesenaufgabe für unsere Zusteller. Axel Springer plant sogar, die Aktion ins Guinness Buch der Rekorde zu bringen.

(Link von uns)

Die Zeitungen wurden bereits seit vergangenen Mittwoch auf insgesamt 8.100 Paletten aus den dezentralen Lagern Zug um Zug an die Briefzentren geliefert. Dort werden die Sendungen kommissioniert und weiter an die Zustellstützpunkte transportiert.

Die Zusteller wurden in den Dienstunterrichten auf die Aktion vorbereitet. Über 53.000 von ihnen werden am Samstag fast zwei Millionen Kilometer zurücklegen, um die Bild zu allen Haushalten zu bringen. In Bonn wird ein zentrales Lagezentrum eingerichtet, von dem aus Kollegen für Nachfragen und bei Problemen zur Verfügung stehen. Alles ist bereit für den größten Pressepost-Versand, den es jemals in Deutschland gab.

In einem Interview gab Uwe Brinks, Produktionschef Deutschland bei der Deutschen Post, zu Protokoll:

Das ist eine große Herausforderung, auf die ich mich sehr freue. Gleichzeitig habe ich natürlich Respekt davor. Ich vertraue ganz auf unsere Mitarbeiter. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass viele Kollegen der Ehrgeiz gepackt hat. Für uns ist das eine tolle Chance zu beweisen, dass wir “die Post für Deutschland” und erste Wahl für unsere Kunden sind. Diese Aktion kann uns keiner nachmachen.

Die Zusteller, mit denen wir gesprochen haben, hat eher die Wut als der Ehrgeiz gepackt, aber bei einem solchen Projekt für Deutschland kann auf den Einzelnen natürlich keine Rücksicht genommen werden.

Und so wird sie aussehen, die meiste Zeitung aller Zeiten:

Frei-Bild für alle!

PS: BILDblog wird morgen übrigens wie üblich für sieben Milliarden Menschen produziert, die frei entscheiden können, ob sie uns lesen wollen.

Wir sind weiterhin jeden Tag kostenlos, freuen uns aber über finanzielle Unterstützung.

Fortuna Düsseldorf, Märkte, Demokrit

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Scheinheiligkeit à la Bild-Zeitung – der späte Umgang mit der ‘Schande von Düsseldorf'”
(sportsaal.de, Derhatschongelb)
Fußball: “Bild” kommentiert den definitiven Aufstieg von Fortuna Düsseldorf in die erste Bundesliga. “Liebe Bild, dieser Kommentar ist keine Wiedergutmachung für die öffentliche Hinrichtung des Vereins Fortuna Düsseldorf und seiner Fans. Er ist ein blanker Hohn.”

2. “‘Bild’ macht Leipziger SPD-Chef zum OBM-Kandidaten der CDU”
(l-iz.de, Ralf Julke)
“Bild Leipzig” druckt ein Foto von von Michael Clobes ab und beschreibt es mit “Volker Lux” und “Kandidat Nr.1”.

3. “Faule Griechen statt Rudi Dutschke”
(theeuropean.de, Jürgen Trittin)
Grünen-Politiker Jürgen Trittin schreibt über “Bild”: “Im Stil bleibt ‘Bild’ seinem Anspruch treu, Politik nicht nur journalistisch zu beobachten und zu kommentieren, sondern selbst zu gestalten. Als selbst ernanntes Sprachrohr eines vermeintlichen Mainstreams, das seiner daraus folgenden Verantwortung aber nicht nachkommt.” Weitere Texte hier.

4. “Mit eingezogenen Fühlern”
(vocer.org, Julia Friedrichs)
Eine Rede zur Lage des Journalismus von der 32-jährigen Journalistin Julia Friedrichs: “Wer immer und immer wieder hört: ‘Die See ist rau! Die Zeiten hart! Pass Dich an!’, dem wird es schwerfallen, die Ideale mit denen er mal gestartet ist, zu bewahren. Die Träume. Die Prinzipien. Das, was anständiger Journalismus auch braucht.”

5. “Märkte verschieben Untergang”
(taz.de, Deniz Yücel)
Deniz Yücel sammelt Überschriften aus Zeitungen, in denen die “Märkte” vorkommen.

6. “Demokrit sucht eine Lücke”
(umblaetterer.de, San Andreas, Videos)
Das Fußballspiel Deutschland gegen Griechenland aus der Sicht von Monty Python 1972.

“Bild” erzählt einen vom trojanischen Pferd

Sollte es in absehbarer Zeit zu einem Krieg zwischen Deutschland und Griechenland kommen, kann man den Leuten von “Bild” nicht vorwerfen, nicht alles dafür getan zu haben: Erst hetzen sie seit zwei Jahren gegen die “Pleite-Griechen”, jetzt haben sie sich auch noch auf ein Terrain vorgewagt, bei dem viele Menschen noch weniger Spaß verstehen als bei drohenden Staatspleiten — Fußball.

Der trojanische BILD-Reporter im Griechen-Hotel

Und so klingt es, wenn sich so ein “Bild”-Reporter in einem polnischen Hotel frei bewegt:

Ich fühle mich wie 007.

Ich, der BILD-Reporter, spioniere bei den Griechen, unseren Gegnern am Freitag.

Nein, wir wussten auch nicht, dass die Griechen am Freitag gegen die Redaktionsmannschaft von “Bild” spielen. Aber vielleicht ist das Gefühl, “ganz Deutschland” zu sein, bei “Bild”-Mitarbeitern genauso tief verwurzelt wie ihre Boshaftigkeit gegenüber den Griechen:

Am Dienstag ziehe ich ein. Mein Doppelzimmer kostet 93 Euro pro Nacht. Lobenswert sparsam, die Griechen.

Überhaupt wirkt der ganze Text wie eine traurige Mischung aus dem Worst-Of-Programm von Fips Asmussen und dem Aufsatz “Mein schönstes Ferienerlebnis” eines Grundschülers:

Am härtesten arbeitet bei den Griechen die Kaffeemaschine. Sie haben zwei davon in ihrem Bereich. Eine kann Cappuccino und Latte Macchiato, die andere normalen Kaffee. Sie arbeiten Vollzeit.

Ja, Kaffee wäre jetzt wirklich hilfreich, so unspannend wie die Erlebnisse aus dem Mannschaftshotel sind:

Ich sehe Theofanis Gekas (32), den Stürmer aus der Bundesliga (Bochum, Leverkusen, Hertha, Frankfurt). Gekas hat Kopfhörer in den Ohren, hört Musik über sein iPhone. Der singt sich schon heiß aufs Spiel.

Fast wäre beinahe etwas vielleicht passiert:

Mit meinem Handy mache ich Fotos. Plötzlich tippt mich der Barkeeper an. Er will wissen, wer ich bin. Ist meine Zahnarzt-Tarnung (weißes Hemd, weiße Hose, weiße Turnschuhe) aufgeflogen? Ich schwitze. Cool bleiben. Ich tue so, als sei ich aus Russland und murmele “nix kappitschi”. Der Barkeeper zieht Leine. Puh…

Dann aber doch noch etwas, das überraschend zum Skandal taugt:

Plötzlich schreit jemand im Hinterhof. Ich renne hin, schaue um die Ecke und sehe Georgios Karagounis. Der ist 35 und Kapitän der Griechen. Er schreit in Disco-Lautstärke in sein Handy. Jedes zweite Wort ist “Malaka”. Ein griechischer Freund bringt mir bei, dass “Malaka” auf Deutsch so etwas heißt wie “Leck mich am Arsch”.

Den Brüller sehen wir am Freitag nicht auf dem Platz. Malaka-Karagounis ist gesperrt.

Derlei schnarchige Belanglosigkeiten, bemüht aufgeregt erzählt, haben offenbar dennoch ausgereicht, dass einzelne griechische Medien über den “Bild”-Reporter im Mannschaftshotel berichten.

Oder, wie Bild.de es nennt:

Griechenland tobt!

Die Reaktionen scheinen aber vor allem einem Missverständnis geschuldet:

Auf der Homepage des griechischen TV-Senders “Star” steht: “Neue Provokation der BILD. BILD nennt Karagounis einen Malaka.”

In dem Bericht heißt es weiter: “Im Hotel der geliebten Nationalmannschaft ist ein deutscher Reporter der BILD eingedrungen und setzt seine Provokationen gegen das Spiel fort. Höhepunkt ist: Er nennt Karagounis einen Malaka – ein Arschloch.” Ein Missverständnis durch eine unglückliche Formulierung in BILD: Die Formulierung “Malaka-Karagounis” sollte keine Beleidigung des Griechen-Kapitäns sein (“Malaka” bedeutet unter anderem Wi…er)! Sondern ein Spitzname, weil Karagounis bei seinem Telefonat häufig “Malaka” sagte. BILD bedauert das Missverständnis.

Was halt so passiert, wenn skandalwillige Beinahe-Journalisten auf beiden Seiten mit erhöhtem Blutdruck mit Fremdsprachen hantieren.

Dieses internationale Doppelpass-Spiel könnte bis zum Viertelfinalspiel am morgigen Abend so weitergehen, wenn der “trojanische BILD-Spion”, dessen Gesicht die Zeitung verpixelt hat, nicht vorher auffliegt.

Nach unseren Informationen handelt es sich bei dem Mann um Jörg Weiler, der sonst bei Borussia Dortmund für “Bild” im Einsatz ist und dort unter anderem an der unrühmlichen Berichterstattung über einen im Stadion tödlich verunglückten Fan beteiligt war.

In Troja gewannen damals übrigens die Griechen, wie sogar “Bild” richtig erklärt.

Mit Dank auch an Martin E., Michael, Dietfried D. und Ernst R.

Gina-Lisa macht “solche Sachen” nicht

Wenn Sie sich nicht für Fußball interessieren, haben Sie’s gerade schwer genug. Wenn Sie sich nicht für das interessieren, was Fußballer außerhalb des Fußballplatzes so machen, wird’s jetzt richtig schlimm. Aber weil es Journalisten gibt, die sich genau dafür interessieren, müssen wir da jetzt gemeinsam durch:

Wenige Tage vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft kam es in einem Berliner Hotel zu einer nächtlichen Begegnung mit Folgen: Der deutsche Nationalspieler Jerome Boateng und die Boulevard-Prominente Gina-Lisa Lohfink trafen sich an der Hotelbar (“Sie trinkt Champagner, er trinkt Wasser”) und suchten später mit einer dritten Person ein Hotelzimmer auf (“Die TV-Blondine: ‘Wir haben uns nur unterhalten!'”).

Wenn Sie glauben, das sei die langweiligste Geschichte der Welt, haben Sie die Rechnung ohne die Boulevardpresse gemacht: Zufällig war auch ein Fotograf anwesend, grieselige Bilder erschienen in “Bild”. Und weil ein Nationalverteidiger, der zu spät ins Bett geht, ein Vorfall von nationaler Bedeutung ist, drehten die Medien an der Demarkationslinie von Boulevard und Sport über Tage frei.

Arthur Boka, Verteidiger beim VfB Stuttgart und Ex-Freund von Frau Lohfink, gab gegenüber der Münchner “tz” zu Protokoll:

“Ich bin mir sicher, dass Jerome in eine Falle gelockt wurde! Gina-Lisa macht solche Sachen immer wieder, um in den Schlagzeilen zu bleiben.”

Medien wie Eurosport oder “Welt Kompakt” (und damit auch welt.de und morgenpost.de) übernahmen die Informationen aus dem Boka-Interview gerne — und haben jetzt den Salat:

Gegendarstellung
Auf dem Online-Portal www.morgenpost.de wurde am 10.06.2012 unter der Überschrift “Jerome Boateng kämpft sich aus Frust aus der Luder-Falle” ein Artikel öffentlich zugänglich gemacht, der unwahre Tatsachenbehauptungen enthält, die ich wie folgt richtig stelle:

Es wird behauptet:

“Inszenierung mit Gina-Lisa

Es war offenbar eine Inszenierung, in die Boateng hineingeraten war. …

“Jerome wurde in eine Falle gelockt

Arthur Boka, … einst mit Lohfink liiert, erkannte das Muster: ‘Ich bin mir sicher, dass Jerome in eine Falle gelockt wurde’, … und beschrieb die Inszenierung so: ‘Ich glaube, dass der Fotograf in das Hotel bestellt wurde. Dann wurden die Bilder verkauft, und Gina-Lisa hat Geld dafür bekommen’, sagt: ‘So bekommt sie Aufmerksamkeit und bleibt im Gespräch.”

“Boateng ist in die Falle getappt.”

Hierzu stelle ich fest:

Diese Behauptungen sind unwahr. Weder habe ich einen Fotografen in das Hotel bestellt, noch habe ich Geld für den Verkauf der Bilder bekommen. Es handelte sich daher auch nicht um eine Inszenierung. Ich habe Herrn Boateng daher auch nicht in eine Falle gelockt und ich mache “solche Sachen” auch nicht immer wieder, um in den Schlagzeilen zu bleiben.

Köln, den 20.06.2012

für Gina-Lisa Lohfink

Heiko Klatt
Rechtsanwalt

Anmerkung der Redaktion: Frau Lohfink hat recht. Unser Artikel basierte auf Angaben ihres ehemaligen Lebensgefährten, der seine Aussagen mittlerweile zurückgezogen hat.

Tatsächlich ist der Originalartikel im Internetangebot der “tz” inzwischen offline, auch die Artikel bei Eurosport und welt.de sind verschwunden.

Ironie der Geschichte: Frau Lohfink ist mal wieder in den Schlagzeilen.

BILDblog sprach als erstes mit der Toten

Es ist eine Sache, wenn Boulevardjournalisten glauben, die neuesten Mord-und-Totschlag-Meldungen mit geklauten Fotos aus dem Internet bebildern zu müssen. Eine schlimme Sache.

Es ist aber noch mal etwas ganz anderes, wenn Boulevardjournalisten blind vor Sensationsgeilheit die falschen Fotos aus dem Internet klauen.

Am Samstag berichtete “Bild” über ein “blutiges Drama in der Studenten-WG”: Im Berliner Stadtteil Wedding soll ein Mann zunächst seine Mitbewohnerin getötet haben, ehe er selbst aus dem Fenster sprang. Und weil es den Leuten von “Bild” nicht reichte, Fotos zu zeigen, auf denen der schwer verletzte Mann und die tote Frau abtransportiert werden, haben sie sich ein bisschen im Internet umgesehen und ein Foto einer jungen Frau gefunden.

Angehörige und Bekannte der Abgebildeten waren schockiert, als sie die Frau auf der Startseite von Bild.de und in der Berliner Regionalausgabe von “Bild” als vermeintliches Mordopfer sahen. Doch Hannah W. lebt, das Mordopfer heißt Hanna K.

Im Eifer des Gefechts hatten die Fachleute für Leichenfledderei den Blog von Hannah W. aus Bremen gefunden und sich dort an einem Foto der jungen Frau bedient. Aus dem Impressum übernahmen sie Hannah W.s Studienfach und dichteten es der Toten an, obwohl aus dem selben Impressum klar hervorgeht, dass Hannah W. nicht Hanna K. heißt und 1985 geboren ist — das Mordopfer war 21.

Im Laufe des Samstags muss den Leuten bei Bild.de die Verwechslung dann doch irgendwie aufgefallen sein, jedenfalls nahmen sie das Foto von Hannah W. aus ihrer Bildergalerie und von der Startseite.

Heute nun erschien in “Bild” und auf Bild.de jeweils eine “Richtigstellung”:

Richtigstellung: In der BILD Berlin-Brandenburg vom 16.06.2012 haben wir unter der Überschrift "Mann tötet Mitbewohnerin und springt aus dem Fenster" ein Foto des angeblichen Mordopfers "Hannah K." veröffentlicht. Tatsächlich ist die Abgebildete nicht das Mordopfer. Wir bedauern die Fotoverwechslung. Die Redaktion

Hannah W. erklärte uns auf Anfrage, dass “Bild” bisher keinen persönlichen Kontakt zu ihr aufgenommen habe. Sie hat in ihrem Blog einen offenen Brief an “Bild” veröffentlicht und ihre Anwälte eingeschaltet.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber.

Bild  

Cristiano Ronaldos Lutschfinger

Aus dem Kunstunterricht kennen wir die sogenannten Vexierbilder: Bilder, die auf den ersten Blick etwas anderes zeigen als auf den zweiten.

Ein solches Bild ist auch entstanden, als der portugiesische Fußballer Cristiano Ronaldo am Sonntagabend sein Tor gegen die Niederlande bejubelte.

In der Montagsausgabe sah “Bild” darin einen “peinlichen Ego-Jubel”:

Ronaldo lutscht Holland weg — Tolle Tore, aber peinlicher Ego-Jubel

Die Kunsthistoriker aus der Sportredaktion hatten sich sogar an eine ausführliche Bildanalyse gewagt:

Portugal packt es als Gruppenzweiter ins Viertelfinale am Donnerstag gegen Tschechien. Dank Cristiano Ronaldo (27). Der trifft zweimal toll – aber jubelt wie ein Proll mit einer peinlichen Ego-Show. […]

28. Minute: Ronaldo frei vorm Tor. Diese Chancen hatte “CR7” bisher bei der EM versiebt. Diesmal nicht! Eiskalt knallt er rechts rein – 1:1! Sein Jubel sieht arrogant aus: Kühl winkt er alle zum Jubeln ran, schenkt seinen Kritikern mit Daumen im Mund die “Lutscher”-Geste direkt in die TV-Kamera.

So ein Jubel macht ihn nicht sympathischer…

Am heutigen Dienstag nun zeigt das Foto etwas ganz anderes:

Lutscher-Jubel für den Sohn (2): Millionen sahen am Sonntag den Lutscher-Jubel von Cristiano Ronalod (27) gegen Holland. Der Portugal-Star nuckelte nach seinem Tor zum 1:1 am Daumen. Der Grund ist sein Sohn! Cristiano Ronaldo junior wurde am Spieltag zwei Jahre alt! Ronaldo: "Ich widme dieses Tor meinem Sohn." Auf seinem T-Shirt stand: "Junior, Papa liebt dich! Glückwunsch!" Ronaldos Mama Dolores kümmert sich um den Mini-Ronaldo. Ronaldo selbst hält die Identität der Mutter geheim, soll für die Vormundschaft knapp 12 Mio gezahlt haben.

Mit Dank an Shahnawaz M., Shahzaib M., Pia B. und Florian P.

Leistungsschutzrecht, SEO, DJV

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Digital kastriert”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Der (der “Süddeutschen Zeitung” vorliegende!) Referentenentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage (PDF-Datei) bestätigt für Udo Vetter die schlimmsten Befürchtungen: “Das Papier ist ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte. Gleichzeitig ist es ein Kniefall vor der Verlegerlobby. (…) Fast überflüssig zu erwähnen, dass das Leistungsschutzrecht die neue Meinungsfreiheit bedroht.” Gegenteilig sieht das natürlich der prominenteste Verfechter dieses Verlegerrechts, Christoph Keese von Axel Springer, im Beitrag “Vier Gründe, warum Blogger das Leistungsschutzrecht nicht fürchten sollten”. Siehe dazu auch “Von Pressetexten sollten künftig besser alle die Finger lassen” (zeit.de, Kai Biermann).

2. “Ich breche eine Lanze für dieses Leistungsschutzrecht”
(ralfschwartz.typepad.com)
“Der deutschen Blogosphäre kann nichts Besseres passieren als das neue Leistungsschutzrecht. Hut ab vor den Verlagen und der Politik, die uns endlich zwingen, wenn wir es schon nicht freiwillig tun, innovativ, relevant, distinktiv und einzigartig zu werden.”

3. “Weit weit oben”
(journalist.de, K. Antonia Schäfer)
Wie viele Presseverlage mit hohem Aufwand und Tricks wie Republishing Suchmaschinenoptimierung betreiben, um noch mehr Besucher von Websites wie Google News erhalten. “Werden Journalisten beim Thema SEO an sich schon wortkarg, schließen sie, wenn die Rede aufs Republishing kommt, komplett die Schotten. Denn wer vorgibt, einen neuen Artikel vorweisen und ins Netz stellen zu können, tatsächlich aber nur altes Zeug aufwärmt, kann sich kritischen Fragen nach der Qualität nicht entziehen.”

4. “Oli Kahn, kein Twitter-Titan”
(stern.de, Christoph Fröhlich)
Im ZDF versucht man, zu twittern: “Jeannine Michaelsen erklärte das Prinzip Twitter so: ‘Wir folgen Harald Schmidt. Und deswegen kann Harald Schmidt jetzt auch lesen, was wir schreiben.’ Das ist doppelt falsch: Erstens können Leute, denen man folgt, die eigenen Postings nicht lesen. Und was noch viel peinlicher ist: Hinter dem angeblichen Harald Schmidt steckt nicht der ehemalige Sat1-Comedian, sondern der Internet-Showmaster Rob Vegas.” Siehe dazu auch “Der Twitter-Vorfall im ZDF deckt viel mehr auf als eine Accounteinrichtung” (kaithrun.de) und “Oli Kahns erstes Mal” (blog.zeit.de/sport-blog).

5. “Bite the hand that feeds you”
(juliane-wiedemeier.de)
Der Deutsche Journalistenverband DJV lädt ein nach Brüssel: “Zwei Nächte im Hotel, inklusive Frühstück, Transfers und ein lekker Mittagessen werden also bezahlt, und zwar, man ahnt es schon, nicht von einem der Verbände, die brauchen ihr Geld schließlich für wichtigere Dinge, sondern, das wird netter Weise immerhin dazugesagt: Von der EU-Kommission. Was sicherlich hervorragend mit dem Ziel der Reise einhergeht, ‘Sprechern oder Vertretern der Kommissare auf den Zahn (zu) fühlen’.”

6. “Uefa-Fehler führt Millionen in die Irre”
(stern.de, Katharina Miklis und Felix Haas)
Fußball: Eine vor dem EM-Spiel Niederlande gegen Deutschland aufgezeichnete und ins live übertragene Spiel hineingeschnittene Szene “beeinflusst die Wahrnehmung und verfälscht den Eindruck”.

Die Tote aus der Tiefkühltruhe

Ende Februar fand die Polizei in Spenge in Ostwestfalen durch Zufall eine Frauenleiche, die in einen Koffer gezwängt in einer Tiefkühltruhe lag. Ein Tatverdächtiger war schnell gefunden: Ein 42-Jähriger, gegen den bereits wegen Menschenhandels ermittelt wurde, und der die Garage angemietet hatte, in der die Tiefkühltruhe stand.

Die Identität des Opfers blieb jedoch zunächst unklar, weswegen sich die Polizei ein paar Tage später an die Presse wandte und Fotos der Leiche und ihrer Kleidungsstrücke veröffentlichte. Die Fotos erschienen in regionalen und überregionalen Medien, Zeugen identifizierten die Tote als Angestellte eines Herforder Bordells.

Noch bevor Polizei und Staatsanwaltschaft ihre gemeinsame Pressemitteilung veröffentlichten, konnten sie in “Bild” folgende Sätzen lesen:

Sie lag erdrosselt in einer Tiefkühltruhe. Weil niemand die Tote vermisste, suchte die Polizei mit Fotos der Leiche nach Zeugen. Jetzt die spektakuläre Wende in dem Fall.

Nach BILD-Informationen heißt die Tote Olga P., stammt aus der Ukraine und arbeitete in Deutschland als Prostituierte. Das erklärte ein Zeuge gestern beim Staatsanwalt.

(Inwiefern es eine “spektakuläre Wende” sein kann, wenn die Polizei eine erste Spur hat, weiß wohl auch nur “Bild” allein.)

Die mutmaßliche Identifizierung der Toten hielt “Bild” und Bild.de nicht davon ab, weiterhin das Foto der Leiche zu verbreiten, mit dem die Polizei nach Zeugen gesucht hatte. Mehr noch: Bild.de konnte das Foto jetzt (mehrfach) gemeinsam mit Bildern zeigen, die noch zu Lebzeiten der Frau entstanden waren:

Die Tote aus der Tiefkühltruhe: Der Bruder des Killers gab den entscheidenden Tipp.

Ein Leser beschwerte sich über diese Berichterstattung beim Deutschen Presserat, weil er darin eine unangemessen sensationelle Darstellung und einen Verstoß gegen die Menschenwürde der Toten sah.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Die Rechtsabteilung von Bild.de sah das wie üblich anders. In ihrer Stellungnahme erklärte sie, bei der Aufnahme der Leiche handele es sich um ein offizielles Foto, das Polizei und Staatsanwaltschaft zu Fahndungs- bzw. Ermittlungszwecken veröffentlicht hätten. Die Aufnahme sei in allen regionalen und überregionalen Zeitungen und Newsportalen erschienen. Sie sei presserechtlich und presseethisch zulässig.

Die Berichterstattung habe sich mit den laufenden Ermittlungen beschäftigt und über eine möglicherweise gelungene Identifizierung der Toten und einen ersten Verdacht bezüglich eines Täters berichtet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Ausnahmetatbestand, der die Veröffentlichung des Fahndungs- und Ermittlungsfotos rechtfertige, noch in vollem Umfang gegeben gewesen, denn die Fotoveröffentlichung habe weiterhin der Suche nach weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung gedient.

Der Beschwerdeausschuss des Presserats mochte sich dieser Einschätzung nicht anschließen:

Die Abbildung, insbesondere die Kombination des Fotos einer Lebenden mit dem Foto einer Leiche, berührt das Privatleben der Abgebildeten und ihrer Angehörigen in einem Maße, das nicht mehr vom öffentlichen Interesse gedeckt ist. Für das Verständnis der Tat ist das Wissen um die Identität des Opfers unerheblich. Besondere Begleitumstände, die eine Identifizierung rechtfertigen könnten, liegen hier ebenfalls nicht vor. Die Argumentation von BILD Online, das Foto diene zur abschließenden Aufklärung des Verbrechens, trägt nicht. Die Berichterstattung erweckt den Eindruck einer nahezu abgeschlossenen Ermittlung. Hierfür sprechen die Überschrift, sowie die ausführliche Beschreibung des Täters und der Ermittlungsergebnisse. Damit hat sich der Fahndungszweck, zu dem das Foto der Toten ursprünglich veröffentlicht wurde, erledigt.

Der Beschwerdeausschuss sah in der Berichterstattung einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Toten und damit einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex und sprach eine sogenannte “Missbilligung” aus.

Die Fotos der inzwischen zweifelsfrei identifizierten Leiche, die ja selbst laut Bild.de-Juristen nur “der Suche nach weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung” dienen sollten, sind bei Bild.de indes immer noch zu sehen. Dass “Bild” anschließend die Mutter der Toten in der Ukraine besucht und ihr eine ganze Reihe privater Fotos aus den Rippen geleiert hatte, ist eine andere Geschichte.

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