“Bild” macht Wessi aus Sandmännchen

Jürgen Helfricht, der Mann, der für “Bild” aus Katzen Benzin macht, kennt sich damit aus, anderen Sand in die Augen zu streuen.

Und so schrieb Helfricht gestern unter der (insbesondere in den ostdeutschen “Bild”-Ausgaben, in denen die folgende Geschichte ausschließlich zu lesen war) berückenden Überschrift…

"Sandmann in den Westen verkauft"

… dass “der Osten” ab 1. April “die Lizenz für seinen größten TV-Liebling” verliere:

Generationen von Kindern brachte Sandmännchen (…) seit 1959 ins Bett. Und bis heute schalten ihn täglich 1,5 Mio. Fans ein. Genauso erfolgreich ist der TV-Knirps als Märchenfigur auf den Bühnen zwischen Rügen und Fichtelberg.

Doch damit ist jetzt Schluss. Ausgerechnet zum 50. Sandmann-Geburtstag hat der RBB die Sandmann-Lizenz in den Westen verkauft. Und zwar an das Kölner Theater Cocomico.

(…) Der Vertrag läuft vorerst zwei Jahre. Danach können wir wieder auf unseren Sandmann hoffen!

Schnüff. Beziehungsweise so irreführend, dass der öffentlich-rechtliche RBB gestern bei Helfricht anrief, um ihn darauf hinzuweisen.

“Sächsische Zeitung” vom 21.2.2009:

“Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat die Lizenz an den Aufführungsrechten neu vergeben. (…) Die Ausstrahlung im Fernsehen bleibt von den Aufführungsrechten unbeeinflusst.”

Denn “verkauft” (im Sinne von neu vergeben) hat der Sender, wie uns heute ein RBB-Sprecher auf Anfrage sagt, “ausschließlich die Musical-Rechte” fürs Sandmännchen, mehr nicht. Für Figur, Sendung usw. bleibt alles wie gehabt – was, wie offenbar auch “Bild”-Mann Helfricht wusste, zwei Tage vor “Bild” auch schon in der “Sächsischen Zeitung” stand (siehe Kasten). Statt bislang jährlich 10 Sandmännchen-Aufführungen im Osten Deutschlands soll es ab August 60 Aufführungen in zwei Jahren geben – in Bonn und Bergisch Gladbach, aber auch in Potsdam, Berlin, Neubrandenburg, Frankfurt/Oder, Gera, Rostock, Schwerin, Dresden …

Genutzt hat der RBB-Anruf bei Helfricht wenig.

Denn heute berichtet er in “Bild” wieder über das Sandmännchen:

Der schnelle Verkauf unseres Sandmännchens in den Westen – Tausende Kinder zwischen Rügen und Fichtelberg sind traurig. (…) “Die Entscheidung, die Lizenz nach Köln zu geben, ist uns nicht leicht gefallen”, räumt RBB-Sprecher Ralph Kotsch (48) ein.

Letzteres sei übrigens, wie uns der RBB-Sprecher glaubhaft versichert, ein Satz, den “Bild”-Mann Helfricht “komplett frei erfunden” habe. Er selbst habe das “nie gesagt” – nicht zuletzt deshalb nicht, weil das Sandmännchen im Westen ohnehin längst so beliebt ist wie, ähm, “zwischen Rügen und Fichtelberg” und 20 Jahre nach dem Mauerfall eigentlich nicht zum Ost-West-Konflikt tauge.

Misteltherapien, Ackeret, Gewalt

1. “Die ARD wirbt wieder für Pharma-Unternehmen”
(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Stefan Niggemeier)
In der Telenovela “Sturm der Liebe” geht es auffällig oft um Mistelpräparate: “Alles, was sich ein Hersteller wünschen würde, ist vorhanden: Immer wieder, sogar in den Programmtexten, fällt der zentrale Begriff ‘Misteltherapie’. Empfohlen wird das Mittel von einem Krebskranken, der ihm die Verantwortung dafür gibt, überhaupt noch am Leben zu sein. Er demonstriert gleich, wie einfach das Präparat in der Apotheke zu bekommen ist. Später wird der betroffene Zuschauer fast unverhohlen dazu aufgefordert, im Internet nach vermeintlichen Beweisen für die Wirksamkeit zu suchen.”

2. “Auslandsberichterstattung durch Private Militärdienstleister?”
(heise.de/tp, Susanne Härpfer)
Die Auslandberichterstattung etablierter Journalisten nimmt ab, die Zahl privater Militärfirmen nimmt zu: “Private Militärdienstleister bringen gewissermaßen Auslandsberichterstattung für Abonnenten; Spezialdienste unter besonderem Blickwinkel.”

3. “Tschechien fesselt investigative Journalisten”
(dradio.de, Kilian Kirchgeßner)
Eine Neuerung im tschechischen Strafrecht vermindert journalistische Möglichkeiten. Journalistenvertreter sprechen von einer Beschneidung der Pressefreiheit durch die Hintertür: “Die schärfste Kritik richtet sich dabei gegen das neue Verbot, Protokolle von abgehörten Telefongesprächen zu veröffentlichen. In Tschechien ist das deshalb ein sensibles Thema, weil die Medien damit in der Vergangenheit kriminelle Verstrickungen von Spitzenpolitikern bewiesen haben.”

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Untergang, Feuchtfrisur, Sonneborn

1. “Der Untergang der alten Medien-Schweiz”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler erkennt in einem Leitartikel eine untergehende Medien-Schweiz: “Was man aus ökonomischer Sicht gelassen als Verdrängungswettbewerb bezeichnen kann, bedeutet in publizistischer Hinsicht: schmalbrüstige Redaktionen, schrumpfende Kompetenz bei der journalistischen Bewältigung der nahen und fernen Ereignisse, aggressivere Schlagzeilen als Folge wachsender Ahnungslosigkeit, Hysterien, Missachtungen der Unschuldsvermutung und mehr Übergriffe in die Privatsphäre, weil gerade dort attraktive Unterhaltungsstoffe zu holen sind.”

2. Im Newsroom der Frankfurter Rundschau
(fr-online.de, Uwe Vorkötter, mit Video)
Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, berichtet aus dem neu bezogenen Newsroom im Sachsenhäuser Depot: “Inzwischen ist dem größten Großverlag und dem kleinsten Kleinverlag klar, dass er das Internet braucht – nicht umgekehrt. Und unter Journalisten setzt sich die Erkenntnis durch, dass es auf den Inhalt der Geschichte ankommt, nicht auf den Verbreitungsweg: egal ob sie auf Papier gedruckt, online gesendet oder in absehbarer Zukunft auf ein elektronisches Lesegerät übertragen wird.”

3. “Eine Welt ohne Presse”
(spiegel.de, Konrad Lischka)
“Zeitschriften sterben, US-Zeitungshäuser beerdigen Regionalblätter – und die Zielgruppe lässt das völlig kalt. Viele Leser halten das Modell Presse für überholt. Aber wie würde eine Welt ohne Journalismus klassischer Prägung aussehen? Ein Szenario.”

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Bild.de lässt Atlantis-Ente nicht untergehen

Es ist 18.55 Uhr…

… und nach wie vor fragt Bild.de auf der Startseite ahnungslos:

Es ist derzeit Platz 2 der meistgelesenen Artikel.

Dabei ist Frage eigentlich schon seit ungefähr sechs Stunden (von Google) beantwortet. Wie? Na, wie wohl

Mit Dank auch an Jan, Günter F., Johannes R. und Marcus H.

Nachtrag, 21.2.2009: Inzwischen ist es auch Bild.de gelungen, die Google-Entkräftung der vermeintlichen Atlantis-Entdeckung nachzutragen – allerdings wie folgt:

Allerdings gibt es auch erhebliche Zweifel. (…) Selbst “Google” glaubt nicht an die Sensation. Sprecher Stefan Keuchel (39): “Wir sehen die Bewegung eines Bootes, das mit Sonartechnologie, also Schallmesstechnik, den Meeresboden vermessen hat.”

Das Rätsel geht weiter …

2. Nachtrag, 21.2.2009: Auch die gedruckete “Bild” wollte sich offenbar die dolle Atlantis-Geschichte nicht dadurch kaputtmachen lassen, dass sie (seit spätestens gestern mittag schon) keine mehr ist – und fragt heute naiv:

Der Fotobeweis?

… um dann ebenfalls damit zu schließen, dass Google nicht an die Sensation “glaubt”.

Jeder Pups von Hitler

Über Adolf Hitlers Verdauung muss man überhaupt erst einmal berichten wollen. Diverse Medien im In- und Ausland wollen – und auch Bild.de zitiert wie folgt aus den (offenbar jetzt aufgetauchten) Aufzeichnungen eines “hochrangigen Nazis” über Hitler:

"Er aß Unmengen von Kuchen, die zu einer leichten Verdauungsstörung und zum Einbau eines Erkerfensters führten"

Aus der “Daily Mail”:

“Hitler ate prodigious amounts of cake (this cake eating was responsible for a slight digestive disorder and the addition of a bay window to his already not too fortunate figure).”

Und wenn Sie jetzt denken: “Hä?! Das ergibt doch gar keinen Sinn!” – Doch, doch, für Bild.de schon. Steht so ja auch wort-wört-lich im englischen Original, aus dem Bild.de abgeschrieben hat (siehe Kasten). Mit dem Unterschied natürlich, dass die “addition of a bay window” nicht irgendwelche Umbaumaßnahmen im Führerbunker oder am Obersalzberg meint, sondern bloß Hitlers Plauze.

Mit Dank an Daniel W. und Pete!

Nachtrag, 14.39 Uhr: Bild.de hat Hitlers Erker wieder abgerissen ersatzlos gestrichen.

Krawalljournalisten, die Zeit, Gebühren

1. “Kartell der Krawalljournalisten”
(taz.de, Albrecht von Lucke)
“Kein führender Journalist hat die ökonomische Großkrise rechtzeitig erkannt. Trotzdem überbieten sich die breitbeinigen Meinungsmacher weiter in analytischer Haltlosigkeit.”

2. “Warum ist ‘Die Zeit’ nicht besser?”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier analysiert die Zeit-Titelgeschichte über Fernsehen und fragt sich, warum sie trotz umfangreichem Reiseetat nicht besser ist. Einen “Rüdiger Schawinski” gebe es nämlich keinen und dass erst seit den 80er-Jahren über die Quote geredet wird, stimme auch nicht.

3. “Brasilien übt mediale Selbstkritik”
(nzz.ch, K. H.)
Klaus Hart berichtet, dass im Fall Paula Oliveira gerade die sogenannt seriösen Medien viel zur Verbreitung der Falschmeldung beigetragen hätten: “In der Tat sind gerade Qualitätstitel, darunter Nachrichtenmagazine, die alle stark von Regierungs- und Staatsanzeigen profitieren, bei dem Fall erstaunlich weit gegangen. So wurde als geradezu unverschämt bewertet, dass die Behörden und auch die Medien der Schweiz nicht sofort bereit waren, den Darstellungen von Paula O. hundertprozentig Glauben zu schenken.”

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Sharks halten sich nicht an “Bild”-Wissen

"San José & Calgary kommen im Oktober nach Berlin"
NHL eröffnet die neue Saison in der O2 World

(…) BILD erfuhr: In der ersten Oktober-Woche soll in der O2 World ein Punktspiel zweier NHL-Mannschaften steigen. Dabei handelt es sich um die San José Sharks und die Calgary Flames.

Schon möglich, dass es im Oktober ein Eishockey-Spiel zweier NHL-Mannschaften in Berlin geben wird, wie “Bild” vorgestern schrieb. Wenn es dazu kommt, wird das allerdings, anders als “BILD erfuhr”, offenbar ohne die San José Sharks stattfinden, wie vorgestern “The Mercury News” (und anschließend auch deutsche Medien) berichteten.

Dass diese launischen Sportler aber auch so oft was ganz anderes tun, als das, was die Gerüchten zufolge stets gut informierte “Bild”-Sportredaktion immer so erfährt.

Mit Dank an Johannes G. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” stützt Althaus mit “raschen, festen Schritten”

“Mediale Kumpanei” – Unter diesem Titel fasst das NDR-Medienmagazin “Zapp” Merkwürdigkeiten in der “Bild”-Berichterstattung über den Thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus zusammen, der sich seit nunmehr sieben Wochen in einer Klinik von den Folgen eines schweren Skiunfalls erholt und dessen Vater kürzlich verstarb.

Von der Beerdigung des Vaters nämlich, zu der laut “Zapp” für die zahlreichen Journalisten ein “Fotoverbot” angeordnet worden war, berichtete “Bild”-Reporter Jan Wehmeyer über Althaus:

Ganz vorsichtige Schritte macht er, zu sehr geschwächt ist er nach seinem schweren Skiunfall (…). Gestützt von Ehefrau Katharina (47) nahm der Politiker auf der Bank Platz. Blasses Gesicht, die linke Hand ist verbunden. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP beschreibt, wie Althaus sich mehrfach nach vorne beugte, “als werde er vom Schmerz übermannt; auch musste er sich oft hinsetzen”. Bei Gesängen bewegte Althaus nur die Lippen. (…)

Und ähnlich war auch die quasi einhellige Einschätzung anderer Medien (die zudem vom Bruder des Ministerpräsidenten Bernd Uwe Althaus in einem ungewöhnlich ehrlich wirkenden MDR-Interview bestätigt wird).

Dennoch stand bereits einen Tag nach obigem “geschwächt”-Artikel etwas ganz anderes in “Bild”. Unter der Überschrift “Rückkehr! Althaus will Ministerpräsident in Thüringen bleiben” und illustriert mit einem Exklusiv-Foto am Grab seines Vaters (ohne Quellenangabe) schrieb wiederum “Bild”-Reporter Wehmeyer:

(…) Kurz darauf verlässt Althaus (schwarzer Wollmantel, breitkrempiger Hut) mit festen, raschen Schritten den Friedhof, wird wieder in die Reha-Klinik nach Allensbach zurückgefahren. Die Genesung des Ministerpräsidenten von seinem Schädel-Hirn-Trauma macht weiter Forschritte. (…) Mittlerweile ist klar: Dieter Althaus wird schon bald in die Politik zurückkehren. (…)

Laut “Zapp” ist das Exklusiv-Foto “offenbar kein heimlicher Schnappschuss”. So hält es ein Redakteur der “Thüringer Allgemeinen” für “sehr gut inszeniert”, und Christiane Kohl von der “Süddeutschen Zeitung” wiederholt noch einmal, was sie (wie auch “Spiegel Online”) bereits aufgeschrieben hatte: dass ihr nämlich aus CDU-Parteikreisen bestätigt wurde, Althaus habe das Foto in der “Bild”-Zeitung “bestellt”.

Déjà Vu?

Ob Althaus oder Schröder, Steinmeier oder Friedbert Pflüger, ob RWE, Lufthansa, E.on, McDonalds oder bloß (und immer) “Pop-Titan” Dieter Bohlen – es scheint, als bedeute “unabhängig” und “überparteilich” für die “Bild”-Zeitung nur, dass es ihr letztlich egal ist, für wessen Interessen sie sich einspannen lässt.

Bei entsprechender Gegenleistung ist “Bild” offenbar bereit, sogar die Beschreibung der Wirklichkeit entsprechend anzupassen – und sei es, wie im Fall Althaus, von einem Tag auf den anderen um 180 Grad.

Paula Oliveira, Bild, Vanity Fair, Pilet

1. “Fall Paula Oliveira – Protokolle einer Irreführung”
(weltwoche.ch, Alex Baur)
Die Weltwoche recherchiert die um die Welt gehende Horror-Nachricht nach und kommt zu folgendem Schluss: “Der fingierte ‘Skinhead-Überfall’ auf eine vermeintlich schwangere Brasilianerin war absichtsvoll geplant. Die Plattform Swissinfo spielte eine unrühmliche Rolle. Das falsche Opfer hatte durchaus handfeste Motive: Es winkten fette Genugtuungssummen.”

2. Blick am Abend schreibt aus dem Zeit Magazin ab
(wision.ch)
Die Gratiszeitung Blick am Abend druckt 15 Bürofloskeln ab. 11 erschienen zuvor gleich oder fast gleich im Zeit Magazin vom 12. Februar 2009.

3. “Journalisten inszenieren Enthüllungen über Ministerpräsident Althaus”
(ndr.de, Video, 7:35 Minuten)
Journalisten vermuten, dass ein in Bild erschienenes Foto von Dieter Althaus am Grab seines Vaters inszeniert war, also erst am Tag nach der Beerdigung aufgenommen wurde.

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