Es zeigt die Kreuzung der Friedrichstraße mit dem berühmten Prachtboulevard Unter den Linden — in Berlin.
Gut zu erkennen an dem Doppeldeckerbus rechts im Bild und der Fassade des Hotels “The Westin Grand” am linken Bildrand.
Das Foto zeigt aber nicht nur die falsche Stadt, es ist noch nicht einmal aktuell: Wie unser Berliner Büro berichtet, liegt in der ganzen Stadt Schnee. Vermutlich stammt das Bild aus der gleichen Serie wie einanderesWinter-Foto, das dpa kurz vor Weihnachten veröffentlichte.
Für zahlende Leser hält das Abendblatt.de, das nicht zum ersten Mal durch mangelnde Genauigkeit bei der Foto-Auswahl auffällt, übrigens eine 21-teilige Bildergalerie bereit:
Alle Fotos zeigen – soweit wir das überblicken können – Hamburg.
fragt Bild.de gewohnt investigativ und unterstreicht mit einer dreiteiligen Bildergalerie die Feststellung, dass Dieter Bohlen in der dritten Folge der aktuellen Staffel “Deutschland sucht den Superstar” bereits zum dritten Mal ein Polohemd von “Camp David” trug. Ironischerweise riecht die überaus schmeichelhafte Beschreibung des amerikanischen Modelabels durch “Bild” (“Laut Konzern ‘eine Marke für selbstbewusste Männer ab 25’ (Shirts rund 30 Euro)”) selbst schon ein wenig nach Schleichwerbung.
Den Beitrag schmücken zwei InText-Werbelinks zu einer Mode-Preisvergleichsseite und zwischen den zahlreichen Anzeigen für verschiedenste Online-Mode-Versandhäuser hat Bild.de ein mutmaßlich redaktionell gemeintes Video von Reuters eingebaut, in dem über die Modeschau eines Unterwäsche-Herstellers berichtet wird. Für Produktinformationen ist also ausreichend gesorgt.
Was jedoch komplett fehlt, ist die Antwort auf die ursprüngliche Frage, die wir gerne beantworten: Nein, Dieter Bohlen macht keine Schleichwerbung — sondern ganz offen Werbung für “Camp David”. Recherchefreudige Journalisten hätten dies leicht mit einem Besuch im Online-Shop der Marke herausfinden können:
Da grinst einen der Dieter nämlich die halbe Seite ausfüllend direkt an — und die Polohemden sind auch schon alle ausverkauft.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Big Brother, keiner braucht’s in Zeiten von Youporn” (welt.de, Johanna Merhof)
Niemand brauche die RTL2-Sendung “Big Brother”, die so zynisch sei, dass es beinahe weh tue, meint Johanna Merhof: “Und das nicht etwa, weil die Show so skandalös ist, sondern weil sie so unfassbar billig produziert ist. Es passierte – nichts.”
2. “Focus: Generalüberholung unter altem Chef” (sueddeutsche.de, Hans-Jürgen Jakobs)
Der neue “Focus”-Chefredakteur Wolfram Weimer darf das Blatt noch nicht von Helmut Marktwort übernehmen, die geplante Neuausrichtung soll aber so aussehen: “Er will das Magazin Focus, das in Politik und Wirtschaft wegen seines bemühten Verbraucherjournalismus nur müde belächelt wird, zum ernstzunehmenden Debattenheft machen. Das Kunststück soll mit bekannten Fremdautoren gelingen.”
3. “Kritik an Merkels Führungsstil: Warum erst jetzt?” (carta.info, Andreas Griess)
Andreas Griess fragt sich, warum die Medien erst jetzt, in der neuen Koalition, eine Führungsschwäche von Bundeskanzlerin Angela Merkel feststellen.
4. Interview mit Gabriele Fischer (innovativ-in.de, Elita Wiegand)
Über “Unternehmer, die gerne in brand eins über sich lesen würden”, sagt Chefredakteurin Gabriele Fischer: “Es gibt einige Unternehmen, die das gerne wollten und dann anschließend fassungslos darüber waren, dass ihnen kritische Fragen gestellt wurden.”
5. “Der ‘Spiegel’ geht googeln” (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
“Es gab mal eine Zeit, die Älteren werden sich erinnern, in der Deutschland als Land der Technik und der Innovation galt. ‘Made in Germany’ war eine Auszeichnung und verkaufte Produkte weltweit. Deutschland, das setzten viele auf dem Globus gleich mit ‘Fortschritt’. Heute ist in Deutschland Fortschritt dagegen pfuibah.”
6. “Tierquälerei bei Wiesenhof? Wie Hühner leiden müssen” (youtube.com, Video, 6:16 Minuten)
Der “Report Mainz” berichtet über die Tierhaltung in einem Betrieb der PHW-Gruppe, für deren Marke Wiesenhof Dieter Bohlen Werbung macht. Inzwischen hat Wiesenhof Strafanzeige gegen die “Betreiberin der Elterntierfarm in Twistringen” und auch gegen die Tierrechtsorganisation PETA gestellt.
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1. “Die 10 besten Texte aus den Feuilletons des vergangenen Jahres” (umblaetterer.de) Seit 2005 küren die Umblätterer die zehn besten Feuilleton-Texte des Jahres. Ausgezeichnet wurden diesmal Texte von Maxim Biller, Peter Richter, Henryk M. Broder, Wolfgang Büscher, Hans Ulrich Gumbrecht, Nora Reinhardt, Tom Kummer, Birk Meinhardt, Felicitas von Lovenberg und Dietmar Dath.
2. “Stuss und Stop-Motion” (gunnargeller.de)
Gunnar Geller stört eine (über einer Berichtigung erscheinende) Kurzmeldung im Feuilleton der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”: “Ein Zeichentrickfilm mit Schauspielern und Marionetten? Offensichtlicher Schwachsinn, diese Nachricht.”
5. “100 Jahre Ahnungslosigkeit – Journalisten und das Geschäftsmodell” (marian-semm.de)
Auch Marian Semm glaubt, dass es sich Journalisten nicht mehr leisten können, sich überhaupt nicht um Geschäftsmodelle zu kümmern: “Liebe Journalisten, 100 Jahre Ahnungslosigkeit sind genug, redet endlich mit beim Geschäftsmodell und übernehmt Verantwortung für Umsatz!”
6. “Welche Rolle spielt Jürgen Rüttgers bei der Entsorgung von kritischen Journalisten?” (wir-in-nrw-blog.de, Ariane Arnold)
Ariane Arnold spekuliert über die Gründe der Freistellung des “Focus”-Journalisten Karl-Heinz Steinkühler: “Unter den Düsseldorfer Kollegen gibt es kaum jemanden, der daran zweifelt, dass Rüttgers und seine Machterhaltungstruppe sich bei Markwort über den Mann beschwert und seine Ablösung verlangt haben, der ihnen so viel Ärger bereitet hat.” Im Juni 2009 beschwerte sich der NRW-Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter per Brief beim “Focus” über Karl-Heinz Steinkühler.
Nehmen wir mal für einen Moment an, 36,4 Prozent aller Fehler, die wir hier im BILDblog protokollieren, würden anschließend von den jeweiligen Medien korrigiert. Wenn dieser Sachverhalt anschließend in einem Artikel aufgegriffen und mit der Überschrift “Ein Drittel aller Berichte in deutschsprachigen Medien wird hinterher korrigiert” versehen würde — dann wäre das so falsch, dass wir schon wieder etwas zum Aufschreiben hätten.
Aber jetzt husch husch runter von dieser Meta-Ebene und hinein ins Gewühl: Das ARD-Magazin “Report Mainz” berichtet, dass “jeder dritte Widerspruch der Hartz-IV-Empfänger” erfolgreich war.
Oder, wie dpa den Sachverhalt richtig zusammenfasst:
Die Bundesagentur für Arbeit hat vergangenes Jahr rund 280 000 Hartz-IV-Bescheide nachbessern müssen. Von Januar bis November wurden bei der BA 766 700 Widersprüche bearbeitet. 36,4 Prozent davon wurden ganz oder teilweise stattgegeben, bestätigte die Nürnberger Behörde einen Bericht des ARD-Magazins “Report Mainz”.
Deutlich knackiger liest sich der Sachverhalt in der Überschrift diverserOnline–Medien:
Knackiger — aber falsch: Nicht ein Drittel der Bescheide war fehlerhaft. Ein Drittel der Bescheide, gegen die Widerspruch eingelegt wurde, war fehlerhaft. Ein gravierender Unterschied, den eine erschütternd große Zahl von Medien (anscheinend auf der Grundlage einer Meldung der Nachrichtenagentur APN*) nicht verstand:
Bei “Spiegel Online” war man ebenfalls erst auf dem Holzweg, hat sich aber inzwischen korrigiert:
*) APN ist das Kürzel des Deutschen Auslands-Depeschendienstes DAPD, der früher zu AP gehörte, jetzt zum ddp, und zwischenzeitlich auch “APD” abgekürzt wurde (vgl. hier).
Mit Dank an Stephan K. und Tim N.
Nachtrag, 11.20 Uhr: Inzwischen haben heute.de und “Focus online” ihre Überschriften und Einleitungen korrigiert und auf diesen Umstand hingewiesen.
2. Nachtrag, 18.25 Uhr: Die Nachrichtenagentur DAPD, die ihre Meldungen unter der Agenturkennung APN versendet, weist den Verdacht zurück, dass der Fehler bei ihr gelegen haben könnte. Ihre Meldung trug die korrekte Überschrift “Behörden mussten knapp 280.000 Hartz-IV-Bescheide korrigieren”.
Seit die “Tagesthemen” im Juni 2008 eine falsche Deutschlandfahne eingeblendet haben, hat “Bild” die Nachrichten der ARD genau im Auge — vielleicht sogar noch ein bisschen genauer, seit der Axel Springer Verlag sauer auf “ARD aktuell” ist.
Am Wochenende hatten die Beobachter von “Bild” endlich mal wieder was entdeckt, was sie der “Tagesschau” am Montag sofort aufs Brot schmieren konnten:
Ja, was für peinliche Volltrottel da bei der ARD sitzen. Wo doch jeder Depp weiß, dass die Hauptstadt Katars Doha heißt.
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1. “Als die Stasi uns benutzte” (taz.de, Jan Feddersen und Wolfgang Gast)
Die taz stellt fest, dass die 1987 in die Welt gesetzte These, das Aids-Virus sei in CIA-Labors gezüchtet worden, eine Stasi-Kampagne war. “Die Kampagne in Sachen Aids war geheimdienstlich seitens des sowjetischen KGB und der DDR-Stasi eingefädelt, koordiniert und global ausgestreut.”
2. “Zwanzig Zehn” (blog.kooptech.de, Lorenz Lorenz-Meyer)
Journalismus-Professor Lorenz Lorenz-Meyer wünscht sich 2010 “Journalismus, der Mut hat, Farbe zu bekennen und bestimmte Themen mit mehr Nachdruck zu verfolgen”: “Ich wünsche mir, dass 2010 das Jahr wird, in dem in Deutschland die Anfänge eines neuen politischen Journalismus Gestalt annehmen, der von Inhalten bestimmt und mutig ist, und der dabei kreativen Gebrauch von sozialen digitalen Medien macht.”
3. “Ein offener Brief an MTV” (netzfeuilleton.de, pelld)
Ein offener Brief an den ehemaligen Musiksender MTV, wo Sendungen vorherrschen, die “keinen Cent kosten und im Viacom Imperium herumgereicht werden wie die Ketchupflasche am Mittagstisch. Tragischer als ihre einfältige Vielfalt ist ihr fragiles Niveau, das sich mit der Zeit im ständigen Unterbietungskampf zu befinden scheint.”
4. “Die Handschrift ist eine unnatürliche Art zu schreiben” (nzz.ch, Anne Trubek)
College-Professorin Anne Trubek plädiert dafür, die Handschrift “auf den Müllhaufen der Geschichte” zu werfen und keine Kinder mehr damit zu behelligen. “Die Handschrift ist nur ein winziger Funke in der Geschichte des Schreibens, und es ist Zeit, diese unnatürliche Art, Buchstaben zu formen, endlich abzuschaffen wie zuvor die Tontafeln, die Rauchzeichen und andere obskure Techniken.”
6. “Ein einsamer Mann” (zeit.de, Stefan Willeke)
Stefan Willeke über den kürzlich in seinem Haus angegriffenen Zeichner Kurt Westergaard: “Für die Zeitung Jyllands-Posten zeichnet er im September 2005 eine Karikatur, die Mohammed mit einer Bombe als Turban zeigt. Monate vergehen, bis Westergaard die Folgen spürt.”
Fiese Freibiermentalität gefährdet nach Ansicht der Axel Springer AG einfach “jedes qualitativ anspruchsvolle Angebot im Netz”. “Abendblatt”-Vizechefredakteur Matthias Iken sang seinen Lesern Mitte Dezember das Klagelied vom bösen Kostenlosjournalismus vor. “Wer Qualitätsjournalismus zum Nulltarif will, will keinen Qualitätsjournalismus”, beschimpfte er das Publikum (und gab diese Woche ein herrliches Beispiel, wie bezahlter Qualitätsjournalismus auf abendblatt.de aussehen kann).
Wie dramatisch muss man sich dann erst die Lage beim (noch) kostenlosen Bild.de vorstellen?
Bei der völlig übertriebenen Panikmache von “Bild” vor einem angeblich drohenden Schneechaos am Wochenende darf online ein Rückblick auf die Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978/1979 nicht fehlen. Wo könnte man recherchieren? In einem Geschichtsbuch? In historischen Artikeln aus dem Redaktionsarchiv? Bei Meteorologen oder Zeitzeugen?
Doch warum einen solchen Aufwand für den Artikel betreiben? Das Volk will nicht für Inhalte bezahlen, also will es auch keinen Qualitätsjournalismus. Und zum Glück kann man sich ja bei anderer Leute Freibier bedienen. Also schnell zu Wikipedia.
Artikel auf bild.de
Eintrag bei de.wikipedia.org
In meterhohen Schneeverwehungen bleiben Hunderte Fahrzeuge auf Landstraßen und Autobahnen liegen, Orte sind von der Außenwelt abgeschnitten. Auf Rügen ist ein Zug fast 48 Stunden von der Außenwelt abgeschnitten.
Meterhohe Schneeverwehungen brachten den Straßen- und Eisenbahnverkehr zum Erliegen, viele Ortschaften und auch die ganze Insel Rügen, wo ein Eisenbahnzug mehr als 48 Stunden im Schnee steckte, waren von der Außenwelt abgeschnitten.
30 Zentimeter dicke Eispanzer legen sich um die Strom- und Telefonleitungen. Unter dem Gewicht brechen die Masten. Überall fallen die Strom- und Telefonnetze aus.
Vielerorts fielen Strom und Telefonnetze aus, da sich bis zu 30 cm dicke Eispanzer um die Leitungen legten und die Strom- und Telefonmasten unter dem Gewicht barsten.
Bundeswehr und NVA sowie die Rote Armee in der DDR müssen mit Panzern den Gemeinden zu Hilfe kommen, deren Räumfahrzeuge die Schneemassen nicht mehr bewältigen können.
Räumfahrzeuge der Gemeinden konnten die Schneemassen nicht mehr bewältigen, so dass die Bundeswehr, die NVA und die hier stationierte Rote Armee mit Panzern eingesetzt wurden, um zumindest liegen gebliebene Fahrzeuge und Züge zu erreichen.
Die Inseln an der deutschen Nordsee- und Ostseeküste sind nicht mehr erreichbar. Auf den Bauernhöfen gehen Kleinviehbestände zu Grunde. Örtliche Bäckereien fallen aus, es gibt kein frisches Brot mehr.
Ebenso waren die Inseln nicht mehr erreichbar und komplett auf sich selbst gestellt. Kleinviehbestände gingen zu Grunde, der Ausfall örtlicher Bäckereien führte zu Brotmangel.
Die Telefone waren ausgefallen, Gemeinden, Hilfsorganisationen, Bundeswehr, Stromversorger und Bundespost arbeiteten auf unterschiedlichen Funkfrequenzen. Die Bundeswehr stationierte Funkpanzer als Relaisstationen im Katastrophengebiet.
Eine Koordinierung der Hilfe war anfangs nicht möglich, da eine Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Hilfsorganisationen, Bundeswehr, Stromversorgern und Bundespost nie geplant worden war: es gab keine gemeinsamen Funkfrequenzen, auf denen man hätte kommunizieren können.
Funkamateure aus Schleswig-Holstein und Umgebung nahmen unmittelbar den Notfunkbetrieb auf.
Funkamateure aus Schleswig-Holstein und Umgebung nahmen unmittelbar den Notfunkbetrieb auf und ermöglichten somit eine Koordination der Hilfskräfte untereinander
Auch die Fahrzeuge der Rettungsdienste konnten auf den zugeschneiten Straßen nicht mehr fahren, so dass auch hier die Bundeswehr ihre teilweise eingemotteten geländegängigen Krankenwagen kurzfristig reaktivieren und den zivilen Rettungsbetrieb nahezu komplett übernehmen musste.
Auch die Fahrzeuge der Rettungsdienste konnten auf den zugeschneiten Straßen nicht mehr verkehren, so dass auch hier die Bundeswehr ihre teilweise eingemotteten geländegängigen Krankenwagen kurzfristig reaktivieren und den zivilen Rettungsbetrieb nahezu komplett übernehmen musste.
Mit Dank an Jens.
Nachtrag, 18.30 Uhr.
Auch abendblatt.de erinnert an die Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978/1979 — in den Genuss der handverlesenen Premium-Information kommen allerdings nur zahlende Leser. 7,95 Euro pro Monat kostet der Übertritt vom kostenlosen Journalismus-Jammertal in den Hamburger Qualitätshimmel.
Wer hinter der Bezahlschranke ein exklusives Hintergrundstück zum Schneechaos erwartet wird jedoch enttäuscht — auch die “Abendblatt”-Redakteure haben sich einfach großräumig in der “Wikipedia” bedient. Doch wenigstens geben die im Gegensatz zur hauseigenen Kostenlos-Konkurrenz offen zu, woher die Ware stammt, und nennen als Quelle “wikipedia”. Womöglich ist das der Qualitätsgewinn, den man als zahlender Kunde bei Springer bekommt.
Nachtrag, 21.30 Uhr.
Inzwischen hat die Redaktion von “abendblatt.de” den Artikel über die Schneekatastrophe 1978/1979, der in wesentlichen Teilen auf einem Wikipedia-Eintrag basierte, kommentarlos aus dem kostenpflichtigen Bereich gelöscht. Die Redaktion von “Bild.de” hat ihren Artikel währenddessen um einen Hinweis ergänzt (“Ein Rückblick auf den Horror-Winter vor 30 Jahren, wie er in Wikipedia („Schneekatastrophe in Norddeutschland“) und in den Artikeln von damals nachzulesen ist”).
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Rezept zum ‘Reichweite runterfahren’: Bezahlinhalte” (guenterbartsch.de, Video, 21:23 Minuten)
Günter Bartsch spricht mit dem Verleger von Jungfrauzeitung.ch, Urs Gossweiler, über Paid Content. Der Online-Pionier unter den deutschsprachigen Zeitungsverlegern glaubt, dass sich die Verleger mit der Einführung von Bezahlinhalten schaden, da sie ihre eigene Reichweite beschneiden. “In der Schweiz haben die Zeitungen in der gegenwärtigen Krise zwischen 20 und 30 Prozent Rückgang. Die Jungfrau-Zeitung hat im Moment, Stand Ende November, ein halbes Prozent Rückgang. Grund ist, dass wir unsere Anzeigen zu einem Fixpreis multimedial verkaufen.”
2. “ARAG-PR beim Hamburger Abendblatt jetzt kostenpflichtig” (finblog.de, Andreas Kunze)
Finanzjournalist Andreas Kunze findet eine PR-Mitteilung des Rechtsschutzversicherers ARAG unter den Abendblatt.de-Artikeln hinter der Bezahlschranke: “Das Hamburger Abendblatt hat diese Pressemitteilung online wörtlich übernommen – und möchte offenbar nun Geld dafür haben, dass sie den Text in eine sechsteilige Klickstrecke zerbröckelt hat.”
3. “Man darf ja wohl noch fragen dürfen” (freitag.de, Mikael Krogerus)
“Es gab eine Zeit in Deutschland, über die man in einigen Jahren vermutlich geflissentlich schweigen wird. Es war die Zeit, als die TV-Moderatoren Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner und der merkwürdigerweise von der Kritik verschonte Günther Jauch Woche für Woche aus nichtssagenden deutschen Promis und ‘betroffenen’ Arbeitslosen irgendeinen intimen Kokolores pressten und daraus die meistgesehenen Fernsehsendungen Deutschlands zimmerten.”
4. “Ab in die Wüste!” (blogs.taz.de/blogwart)
Der taz-Blogwart rechnet zusammen, was durch “die Bloggerei des Bild-Chefs” Kai Diekmann bisher an nicht geplanten Kosten aufgelaufen ist.
5. “Journalistenkrise ist nicht überstanden” (derstandard.at, Erich Félix Mautner)
“Der Standard” veröffentlicht eine Liste mit Journalisten, die “im vergangenen Jahr Konkurs anmelden” mussten. Viele dem Artikel folgende Kommentare sind damit nicht einverstanden.
Die Düsseldorfer Regionalausgabe von “Bild” ließ am Dienstag die Sektkorken knallen:
Für den Flughafen ist die Krise schon vorbei! Durch seinen Passagier-Rekord im zweiten Halbjahr 2009 landete der Airport mit insgesamt 18,1 Millionen Passagieren erneut auf der sensationellen Bestmarke von 2008 (Vorjahr 17,8 Millionen).
Überraschenderweise vermeldet der dpa-Ticker auf Bild.de (witzigerweise im Kölner Regionalteil) heute das exakte Gegenteil:
dpa hat die Zahlen vermutlich von der Pressestelle des Düsseldorfer Flughafens, die heute ihre offiziellen Zahlen veröffentlichte und dabei mitteilte:
Rund 17,8 Millionen Passagiere wurden 2009 am drittgrößten deutschen Airport gezählt […] . Dies entspricht einem leichten Rückgang von zwei Prozent bei den Passagierzahlen […] .
Die 17,8 Millionen Passagiere aus 2009 weisen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der “Bild”-Angabe “(Vorjahr 17,8 Millionen)” auf; die von “Bild” als “sensationelle Bestmarke” gefeierte Zahl von 18,1 Millionen taucht dagegen in der Verkehrsbilanz 2009 gar nicht auf.
Allerdings ist jetzt nicht mehr schwer zu erraten, woher die Zahl stammt:
18,1 Millionen Passagiere starteten und landeten 2008 am Flughafen Düsseldorf.
Die zwei “Bild”-Autoren haben es im Werberausch für den Flughafen geschafft, aus dem leichten Rückgang einen “neuen Rekord” zu machen — indem sie die Zahlen von 2008 und 2009 verwechselt haben und damit Rauf mit Runter.