Böcke schießen

Kai Diekmann hat das Watchbloggen für sich entdeckt.

Heute hat er in seinem Blog die Leute vom Fachdienst “Meedia” verdient dumm aussehen lassen, die die explodierten Zugriffszahlen der “News-Site” sueddeutsche.de feierten, ohne zu merken, dass das ausschließlich an den Online-Spielen des Portals lag. Und die “taz”, weil sie ein Foto, das im Hamburger Schanzenviertel entstand, als Dokument der Mai-Krawalle in Berlin-Kreuzberg ausgab.

Das ist als Fernbewerbung bei uns schon ganz vielversprechend, und doch gibt es gute Gründe, warum man sich gemeinhin nicht von Böcken was übers richtige Gärtnern erzählen lässt.

Nehmen wir den Fall mit der Kalaschnikow. Diekmann macht sich über die “taz” lustig, die heute fälschlicherweise behauptet, die RAF habe eine Kalaschnikow in ihrem Emblem getragen, und lässt unter der Überschrift “Fehlzündung” bloggen:

In der Tat: Andreas Baader fuhr nicht nur gern Porsche, sondern hatte auch ein Faible für edles deutsches Waffengut. Heckler & Koch musste es schon sein. Auch im Logo. Die dort abgebildete Maschinenpistole heißt übrigens MP5.

Liebe Genossen, Euren Pazifismus in Ehren – aber ein bisschen Ahnung solltet Ihr schon haben.

Dies hier ist übrigens gar keine Wumme:

Jahaha.

Die wortreiche Häme wäre allerdings noch überzeugender, wenn Diekmann nicht selbst eine Redaktion von Blinden anführen würde (vgl. z.B. hier).

Und wenn sich im Archiv der Zeitung, deren Chefredakteur Diekmann seit 2001 ist, nicht am 8. März 2003 folgender Artikel fände:

Ja. Und dies hier ist übrigens gar kein Schlagstock:

Mit Dank an Clarissa von A.! Foto: http://www.flickr.com/photos/alykat/

Netzeitung, Katzen, Schabowski

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Netzeitung, Aufstieg und Fall.”
(erratika.de, Peithenen)
Ein Beteiligter erzählt die Geschichte der “Netzeitung” in Kürze nach.

2. “Bild, Wikipedia und der mysteriöse Panther”
(beim-wort-genommen.de, Jonas Schaible)
Jonas Schaible zum bild.de-Artikel “Panther-Alarm in Deutschland”: “Ich bin nun kein Biologe oder ein Experte für Großkatzen. Aber selbst wenn man keine Ahnung von den Proportionen einer Hauskatze und eines Leoparden/Jaguars hat: Die Tatsache, dass das Tier über den Grünstreifen in der Mitte des Weges springt, sowie das Größenverhältnis zwischen Weg und Tier lassen jeden, der schon einmal einen Feldweg und eine Hauskatze gesehen hat, begründet vermuten, dass es sich hier um genau so eine Hauskatze handelt.”

3. “Bis einer zahlt”
(print-würgt.de, Michalis Pantelouris)
Bezahlinhalte: Michalis Pantelouris würde für einen “Back-Channel” bezahlen wollen. “Wenn ich als Leser mit meinem iPhone live einen Bild- (oder Welt-) Reporter ansetzen könnte auf die Frage, die mich zu einem Thema besonders interessiert, (…) dann wäre das nicht nur ein iPhone-App, sondern der erste Schritt in den neuen Journalismus.”

4. “Wie stehen Sie zu maskenhaftem Grinsen?”
(faz.net, Jürgen Kaube)
Jürgen Kaube über Journalisten, die Fragen stellen, die “nicht auf Information, sondern auf einen Selbstdarstellungstest” hinzielen. “Die Zuschauer kommen so in die Rolle von Testpsychologen, denen es im Grund völlig gleichgültig sein muss, worum es in Afghanistan geht, weil sie voll damit beschäftigt sind, die Reflexe der Testperson, ihr Mienenspiel, ihre Grammatikfehler und ihre Belastbarkeit zu beobachten.”

5. “Sexy Kater Yusuf löst Eisprung aus”
(klartext.ch, Nick Lüthi)
Welt.de schafft es, drei verschiedene Artikel gleichzeitig anzuzeigen.

6. “Berlin Wall Newscasts 20 Years Later”
(huffingtonpost.com, Videos, englisch)
Bilder von US-Fernsehsendern zum Mauerfall vor zwanzig Jahren. Unter anderem mit dabei: Ein Kurzinterview mit Günter Schabowski nach seiner folgenschweren Aussage an der Pressekonferenz.

Schweinegrippe: Arbeiten an der Hysterie

Die Schweinegrippe verkauft sich gut. In den vergangenen 27 Tagen haben “Bild” und “Bild am Sonntag” zwölfmal mit der Krankheit auf der Titelseite aufgemacht:

Um seriöse Information ging es dabei in den wenigsten Fällen. Wie “Bild” Panik schürt, um Auflage zu machen, lässt sich auch am heutigen Aufmacher zeigen:

Richtig ist, dass in Kassel am vergangenen Donnerstag ein 15-jähriges Mädchen gestorben ist, das mit dem H1N1-Virus infiziert war. Anders als “Bild” suggeriert, ist aber noch nicht ausgemacht, ob das “Killer-Virus” die Todesursache ist. Der Hessische Rundfunk berichtete gestern:

Das Mädchen sei an den Folgen einer Herzmuskelentzündung gestorben, teilte der behandelnde Oberarzt Thomas Fischer vom Klinikum in Kassel am Samstag mit. Diese Entzündung könne auch durch Grippeviren verursacht werden. Ob in dem Fall der verstorbenen Schülerin das H1N1-Virus für die Erkrankung verantwortlich sei, könne man noch nicht sagen.

Ein Sprecher der Stadt Kassel sagte, es gebe derzeit “keinen Hinweis darauf, dass die Schülerin an der Schweinegrippe gestorben ist”.

Auch aktuell ist die genaue Todesursache laut übereinstimmenden Agenturberichten noch ungeklärt. Möglicherweise habe die Herzerkrankung unabhängig von der Infektion zum Tod geführt, heißt es.

“Bild” aber will es besser, oder genauer: gar nicht wissen und spricht vom “Grippetod”.

PS: In Kassel ist nach dem Tod des Mädchens laut Gesundheitsamt eine “sehr, sehr große Hysterie” ausgebrochen.

(Mitarbeit: Ronnie Grob)

Symbolfoto zum Totlachen

Kurz gelacht - die Schmunzler der Woche: Tot und topfit
Sie sehen ganz richtig: Dieses Foto ist tatsächlich unter der Überschrift “Kurz gelacht – die Schmunzler der Woche” bei Stern.de abgebildet.

Zum Schmunzeln findet man bei Stern.de “ein [sic!] Probefahrt ganz besonderer Art” im Allgäu, deren Verlauf an “Alarm für Cobra 11” “erinnert”:

Der Ferrari fuhr auf eine Leitplanke auf und hob dadurch ab. Anschließend flog er über die Brücke eines Feldweges, streifte das Geländer und überschlug sich mehrfach.Der 40-jährige Verkäufer auf dem Beifahrersitz und der 45- jährige Fahrer wurden verletzt. An dem exklusiven Modell, von dem nur 499 Stück produziert werden sollen, entstand Totalschaden. Geschätzer Schaden: satte 300 000 Euro.

Diese Geschichte hat allerdings relativ wenig mit dem Foto daneben zu tun, wie Stern.de auch unumwunden zugibt:

Der Unfallwagen auf dem Bild wurde übrigens in Niedersachsen aufgenommen. Dort gab es bei Peine in dieser Woche ebenfalls einen Ferrari-Totalschaden

Über diesen “Ferrari-Totalschaden” in Niedersachsen, bei dem das Symbolfoto entstanden ist, berichten (übrigens) auch noch ein paar andere Medien — in diesem Auto kam nämlich der Volksmusikant Christian Dzida ums Leben.

Den Wagen, in dem er starb, zeigt Stern.de also unter der Überschrift:

Kurz gelacht - die Schmunzler der Woche: Tot und topfit

Mit Dank an Matthias H.

Nachtrag, 11. November: Offenbar seit gestern Nachmittag verwendet Stern.de ein anderes Symbolfoto und hat die Meldung mit einer Erklärung versehen:

link adr=”https://www.bildblog.de/13610/symbolfoto-zum-totlachen/”>Ja, an dieser Stelle hat bis vor kurzem ein anderes Symbolfoto gestanden. Auf ihm war der zertrümmerte Ferrari zu sehen, in dem Christian Dzida, ehemaliger Sänger und Keyboarder der “Zillertaler Schürzenjäger”, zutode gekommen ist. Wir bitten den Fehlgriff zu entschuldigen.

Bild  

Wenn Moslems töten

“Schöne Türkin vom Ehemann ermordet?” fragt die “Bild” heute.

Obwohl sie sich nicht sicher ist, dass Figen C. von ihrem Mann ermordet wurde, weiß sie bereits, warum er sie ermordete:

Bild vermutet Ehrenmord

Das Polizeipräsidium Südhessen erklärte auf Anfrage von BILDblog, zu den Motiven der Tat könnten noch keine Angaben gemacht werden. In der Vergangenheit habe es mehrere körperliche Übergriffe des Mannes auf seine Frau gegeben, die ihn verlassen wollte. Dass sie getötet wurde, weil sie “die westliche Lebensart mochte”, wie “Bild” schreibt, sei aber rein spekulativ. Deshalb könne auch nicht mit Sicherheit von einem “Ehrenmord” gesprochen werden.

Für “Bild” ist die Lage übersichtlicher: Wird eine Türkin von ihrem türkischen Ehemann ermordet, ist das ein Ehrenmord. Tötet ein deutscher Familienvater seine Frau, nennt man das eine Familientragödie.

Sweet Home Lammersdorf

Nein, diese Raubtiere. Halten sich einfach nicht an Ländergrenzen und sind aktuell mal wieder dabei, die deutschen Grenzen aufs Gröbste zu missachten.

Er hier, beispielsweise: Tigert schon die ganze Zeit irgendwo im deutsch-belgischen Grenzgebiet rum, nähert sich jetzt allmählich Aachen und wird immer öfter gesehen. Und dabei gefilmt. Bild.de fragt sich jetzt besorgt: “Sind das neue Bilder vom Panther?”, schreibt, dass immer häufiger Bilder auftauchen (wenngleich mit dem Zusatz: “Sind sie echt?”) und präsentiert die schwarze Gruselkatze dann dabei, wie sie sich Nähe von Lammersdorf heimtückisch einem Hirschen nähert:

Deutsch-Belgischer Hirsch bei Bild.de
…erst der noch nichts ahnende Hirsch.

Deutsch-Belgischer Panther bei Bild.de
…und dann: Raubkatze im Anmarsch.

Besorgniserregend, nicht wahr? Zumal man in den USA im Bundesstaat Alabama vor mindestens zweieinhalb Jahren Erfahrungen mit Raubkatzen und Hirschen gemacht hat, die verblüffend an den aktuellen Fall erinnern:

Amerikanischer Hirsch
…noch ahnt der Hirsch: nichts.

Amerikanischer Panther
…ehe dann: der Panther kommt.

Um also die Fragen von Bild.de zu beantworten: Echt sind die Bilder im Internet vielleicht schon (wobei auch in den USA heftig darüber diskutiert wurde, ob die abgebildete Großkatze wirklich ein Panther ist). Den deutsch-belgischen Panther zeigen sie allerdings sicher nicht.

Mit Dank an Sebastian G.

Netzeitung, Hirschmann, Hunziker

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Das Ende der Netzeitung ist hausgemacht”
(medienrauschen.de, Thomas Gigold)
“Wenn wenn man einmal ehrlich ist, so war die Idee einer reinen Net(z)-Zeitung zwar irgendwie wunderbar, charmant und neu. Aber so richtig toll umgesetzt war sie nie. Bis auf eine Blog-Kolumne gab es kaum exklusive Geschichten, erst recht keine die medial dem Internet gerecht aufgearbeitet waren.”

2. “Falscher Lula plauderte im Radio über Olympia”
(spiegel.de)
“Ein Stimmenimitator hat als ‘Präsident Luiz Inácio Lula da Silva’ in mehreren Ländern Radiointerviews gegeben.” Einige Radiosender wurden aufgrund der Stimmlage und der zweifelhaften Qualität der Aufnahme misstrauisch, andere Radios sendeten das per E-Mail angebotene Gespräch.

3. “Die Hirschmann-Quellen”
(klartext.ch, Reto Schlatter)
Der Millionenerbe Carl Hirschmann wurde in Zürich in Untersuchungshaft genommen. Da sich die Staatsanwaltschaft nicht zu den Haftgründen äusserte, spekulieren die Schweizer Medien wild und nennen dabei allerlei Quellen.

4. “Wie bei der NZZ die Mauer fiel”
(welt.de, Roger Köppel)
Am 9. November 1989 war Roger Köppel in der Sportredaktion der NZZ tätig, wo er folgenden Dialog von Redakteurskollegen mithörte: “Schorsch, die Mauer ist gefallen!” – “Ich weiß.” – “Aber du kannst doch diesen epochalen Vorgang nicht als Ciceromeldung auf 20 Zeilen einspaltig auf der Frontseite drucken.” – “Ich habe extra den Schriftgrad um einen Punkt erhöht, um die Bedeutung zu betonen.”

5. Interview mit Georg Mascolo
(faz.net, Michael Hanfeld)
Georg Mascolo war am Abend des Mauerfalls in Berlin und entschied sich dazu, nicht weiter in einer Hotelbar zu diskutieren und an einen Grenzübergang zu fahren. “Die Bilder, die er am Berliner Grenzübergang Bornholmer Straße machte, schrieben Geschichte.”

6. “die unerträgliche lachigkeit von ‘wetten dass?'”
(wirres.net, Video, 1:26 Minuten)
Michelle Hunziker, Moderatorin der Samstagabendshow “Wetten, dass..?”, sei zum “Giggel-Zombie” mutiert, schreibt welt.de. Ein Zusammenschnitt der Lacher der neusten Sendung.

Jeckes Jubiläum

Es hat ja fast etwas beruhigendes, wenn jemand trotz des momentanen medialen Overkills zum Thema nicht so genau weiß, in welchem Jahr eigentlich die Berliner Mauer gefallen ist.

Aber musste dieser Jemand ausgerechnet das große Special der “B.Z.” erstellen?

Der 9. November 1998

Lassen Sie sich nicht verwirren: Die Mauer fiel natürlich am 6. November 1989.

Mit Dank an Michael H.

Nachtrag, 7. November, 17:20 Uhr: Aaaaah:

Der 9. November 1989

Gericht kürzt Diekmanns Blog

Nachdem Jung-Blogger Kai Diekmann sich zu Beginn damit brüsten konnte, von der “taz” verklagt und von einer falschen Alice Schwarzer als “Sexist” beschimpft worden zu sein (BILDblog berichtete), kann er nun den neuesten Erfolg für sich reklamieren: Das Landgericht Berlin hat ihm auf Antrag des Kulturmagazins “Lettre International” offenkundig falsche Behauptungen untersagt, wie kress.de berichtet.

“Lettre International” hatte ein Interview mit dem Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin geführt, das bald darauf Aufsehen erregte. “Bild” hatte dieses Interview nahezu vollständig in seiner Printausgabe und bei Bild.de zitiert — ohne Einwilligung von “Lettre International”, wie deren Chefredakteur Frank Berberich sagte.

Kai Diekmann hielt in seinem Blog dagegen und behauptete, dass es “normal” sei, wenn eine “große Zeitung” eine “kleine Zeitschrift” “zitiert”. Dass “Bild” die Genehmigung für den Abdruck fast des gesamten Interviews hatte, meinte Diekmann sogar mit einem handschriftlichen Vermerk der “Lettre”-Redatktion belegen zu können:

Lieber Herr Berberich: Da müssen Sie etwas übersehen haben. Denn natürlich haben wir das Interview nicht geklaut, sondern uns vorher die Erlaubnis zur Veröffentlichung geholt. Mein Kollege Hans-Jörg Vehlewald aus der Politikredaktion bat dafür telefonisch in ihrem Büro um den kompletten Text, den er anschließend auch per Fax bekam - versehen mit dem handschriftlichen Vermerk: "z. Hd. Herrn Vehlewald, mit Nennung der Quelle: Lettre International" (siehe ganz unten).

Nun muss man BILD ja nicht mögen. Und man kann sich auch immer alles anders überlegen. Aber uns zuerst den Abdruck zu erlauben, und dann davon nichts mehr wissen zu wollen, finde ich…komisch.

“Komisch” dürften auch Nicht-Juristen Diekmanns Behauptung gefunden haben, dass aus den Worten

z. Hd. Herrn Vehlewald, mit Nennung der Quelle: Lettre International

die Genehmigung zu einem Komplettabdruck zu entnehmen sei.

Berberich blieb entsprechend bei seinen Vorwürfen, wie kress.de vergangene Woche meldete, und zog vor Gericht. Das entschied: Diekmann muss seine Behauptungen unterlassen. Außerdem muss er in seinem Blog eine Gegendarstellung veröffentlichen, in der “Lettre” wiederholt, “Bild” keine Genehmigung zum Komplettabdruck gegeben zu haben. Diese Gegendarstellung soll in gleicher Aufmachung wie der “Erlaubnis-Text” veröffentlicht werden und so lange dort abrufbar sein wie der beanstandete Eintrag.

Der allerdings ist seit heute um die zwei oben zitierten Absätze kürzer:

Hier stand ein Absatz, den wir aus rechtlichen Gründen nicht mehr veröffentlichen dürfen (raten Sie, wer das erwirkt hat…)

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