Es ist nur eine sehr kleine Meldung, heute auf der Titelseite von “Bild”:
Rekord bei Asylanträgen
Berlin – Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Asylbewerber auf ein neues Rekordniveau geklettert: 41332 Asylanträge wurden gestellt. Das waren 13683 mehr als 2009.
Die Zahlen stimmen, und doch ist die Meldung falschirreführend falsch: Einen “Rekord” stellen die 41.332 höchstens dar, wenn man lediglich die Zahlen nach 2003 betrachtet. Der echte Rekordwert für Asylanträge stammt aus dem Jahr 1992 (aus der Zeit vor dem sogenannten “Asylkompromiss”). Damals beantragten 438.191 Menschen in Deutschland Asyl — mehr als zehn Mal so viel wie im vergangenen Jahr.
Womöglich hatte “Bild” diese Fehlinformation vom Evangelischen Pressedienst (epd), der gestern getickert hatte:
Asylbewerberzahlen 2010 auf Rekordniveau
Berlin (epd). Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Asylbewerber auf ein neues Rekordniveau geklettert. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden 41.332 Asylanträge gestellt. Das waren 13.683 mehr als im Jahr 2009, teilte das Bundesinnenministerium am Montag in Berlin mit.
Anders falsch lag “Welt Kompakt”, wo über der Feststellung “das waren 49,5 Prozent mehr als 2009” folgende Überschrift prangt:
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Die Sau ist ein Huhn. Skandalöse Berichterstattung” (epd.de, Ellen Nebel)
Eine unaufgeregtere Berichterstattung würde “sogenannten Lebensmittelskandalen” gut tun, “zumal dioxinbelastete Futtermittel keineswegs eine neue Erscheinung” sind, findet Ellen Nebel. “Die Verbraucher reagieren seltsam abgestumpft: In einer Umfrage für den ARD-DeutschlandTrend erklärten nur vier Prozent der Befragten, dass sie wegen des sogenannten Dioxin-Skandals keine Eier mehr essen wollen.”
2. “Dem Boulevard mehr Ehre” (ad-sinistram.blogspot.com, Roberto J. De Lapuente)
Roberto J. De Lapuente glaubt, der Boulevard sei “ausschlaggebender als der seriöse Journalismus”: “Berichte über Florida-Rolfs polarisieren mehr als Statistiken zur Altersarmut – der reißerische Text zu einem Mann, der im Ausland Sozialhilfe bezieht, kann Gesetzeslagen ändern; Statistiken ändern bestenfalls ihre Erhebungsmodifikationen.”
3. “Reeder wagt den Tabubruch” (netzwertig.com, Martin Weigert)
Der RSS–FeedreaderReeder integriert eine Funktion, die es erlaubt, gekürzte RSS-Feeds vollständig zu lesen: “Reeders Readability-Implementation ist ein zweischneidiges Schwert. Sie verdeutlicht jedoch, wie leicht sich für digitalen Content definierte Nutzungseinschränkungen mit technischen Maßnahmen aushebeln lassen – eine Erkenntnis, die durchaus zu Überlegungen anregen sollte, wie sinnvoll und nachhaltig das Streben nach künstlicher Knappheit (z.B. ein beschnittener RSS-Feed) letztlich ist – egal ob man die Entwicklung nun gutheißt oder nicht.”
4. “Manchmal sind wir unbequem – auch für Kollegen” (medienkritik-schweiz.ch, Fabienne Huber)
Patrik Müller, Chefredakteur von “Der Sonntag”, begreift nicht, warum fast keine Schweizer Zeitung eine Medienseite hat, denn die Medien seien “bei den Leuten sehr wohl ein Gesprächsthema”. “Viele Medienhäuser sind sich nicht gewohnt, kritisiert zu werden. Das merken wir an den teils heftigen Reaktionen.”
5. “What would a Twitter correction function look like?” (regrettheerror.com, Craig Silverman, englisch)
Twitter könnte eine Korrekturfunktion vertragen, findet Craig Silverman und liefert gleich ein Konzept dazu: “In my vision, the Twitter correction function would let the owner of an account notify all retweeters that a corrected tweet has been issued.”
6. “Bundesregierung richtet Krisenstab ein, um ‘Stars’ aus dem Dschungel zu holen” (der-postillon.com)
“Ersten Ermittlungen zufolge befinden sich die Bundesbürger in der Hand einer militanten Gruppe namens ‘RTL’, die schon in der Vergangenheit durch die Entführung semiprominenter Bürger in den australischen Dschungel Schlagzeilen machte.”
Obwohl es mit Dschungelcamp, Hochwasser und Frau Sarrazin gerade eigentlich genug Themen gibt, macht “Bild” noch ein Fass auf: In der heutigen Ausgabe darf Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle vorschlagen, “Discounter wie ALDI und LIDL” sollten auch Kraftstoff anbieten:
Brüderle zu BILD: “Preise bilden sich am besten immer noch durch Wettbewerb. Wenn das Angebot steigt, sinkt der Preis. Ich freue mich deshalb über jeden zusätzlichen Wettbewerber und kann Unternehmen nur ermutigen, in den Benzinmarkt einzusteigen.” Hintergrund: In Österreich können Autofahrer bei der ALDI-Süd-Tochter Hofer deutlich billiger tanken.
Doch damit nicht genug: Ebenfalls in “Bild” (und sehr viel ausführlicher bei Bild.de) fordert ein weiterer Politiker energische Maßnahmen:
Unterdessen droht der erste Politiker den Multis mit staatlich festgelegten Höchstpreisen beim Benzin!
Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas zu BILD.de: “Sollten die Ölkonzerne weiter die Preisspirale willkürlich nach oben drehen, muss die Politik reagieren. Auch in Deutschland muss es dann nach dem Vorbild Luxemburgs möglich sein, staatliche Höchstpreise bei Benzin, Öl und Gas zu verhängen.” Luxemburg habe längst erkannt, dass die Energiepreise die “Brotpreise des 21. Jahrhunderts” seien.
Mit dem “ersten” Politiker hatte “Bild” offenbar Recht — das kennt man ja auch anders. Nur äußert Maas diese Forderung nicht zum ersten Mal:
Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas zu BILD: “Sollten die Ölkonzerne weiter die Preisspirale willkürlich nach oben drehen, muss die Politik reagieren. Auch in Deutschland muss es dann nach dem Vorbild Luxemburgs möglich sein, staatliche Höchstpreise bei Benzin, Öl und Gas zu verhängen!”
Den Nachrichtenagenturen dapd und AFP hielten es dennoch für eine Nachricht, weswegen Maas jetzt u.a. bei “RP Online”, “Focus Online” und “Der Westen” fordern darf.
Du stellst eine geöffnete Flasche Cola auf seinen Schreibtisch — in die Du vorher Abführmittel gekippt hast.
Du läufst gegen einen Pfosten und erzählst nachher, die blauen Flecken stammten von ihr!
Mit den meisten vorgestellten Formen der Rache hätte man sich strafbar gemacht (BILDblog berichtete).
Der Bauer-Verlag, in dem die “Bravo” erscheint, meint, dass die Zeitschrift die Rache-Ideen gar nicht empfiehlt, sondern im Gegenteil vor ihnen warnt. Es handele sich nämlich um Satire, teilte die Staabsstelle Medienrecht dem Presserat mit, der ihre Stellungnahme so zusammenfasst:
Bekanntermaßen geschehe bei Satire die Sichtbarmachung von Missständen (z.B. “Mein Partner trennt sich von mir”) durch Stilmittel, die eine Verfremdung zur Folge hätten, da der Text von dem normalerweise zu erwartenden abweiche. Folglich setze die Satire als Stilmittel unter anderem die Verdrehungen ein: Gefährliches werde als harmlos dargestellt.
Vor diesem Hintergrund mache die “Hot-List” deutlich, dass jemand, der von seinem Partner verlassen wird, eben gerade bestimmte Rachepläne nicht umsetzen sollte.
Der Beschwerdeausschuss des Presserates war nicht ganz überzeugt:
Mit einigen der Tipps [wie zum Beispiel den beiden oben zitierten] wird die Grenze zwischen einem noch zulässigen Streich hin zu einem Straftatbestand überschritten. Eine auch für die Leserinnen und Leser klar erkennbare satirische Diktion sah der Ausschuss nicht. Die Redaktion ist hier eindeutig zu weit gegangen. Insbesondere im Hinblick auf die jugendliche Leserschaft von BRAVO ist es ethisch nicht akzeptabel, wenn solche Empfehlungen gegeben werden.
Der Presserat urteilte (schon im vergangenen Herbst), “Bravo” habe gegen die Ziffer 11 des Pressekodex (Jugendschutz) verstoßen, und gab der Redaktion einen entsprechenden “Hinweis”.
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1. “Wieder mal … alle Horoskope falsch” (blog.gwup.net, Bernd Harder)
Bernd Hader schreibt zum “Astro-Schock” auf der Titelseite von “Bild”: “Natürlich sind “alle Horoskope falsch”. (…) Denn bekanntermaßen betrachten Astronomen die realen Sternbilder am Himmel, während Astrologen ihre Horoskope am Schreibtisch erstellen und dafür nur die Tierkreiszeichen ins Kalkül ziehen.”
2. “Der deutsche Michael Moore” (begleitschreiben.twoday.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig kritisiert die ARD-Dokumentationen “Der Drückerkönig und die Politik” und “Die kik-Story” von Christoph Lütgert: “Sie klären nicht auf, sondern wedeln immer schon mit ihrem Urteil, welches von Anfang an feststeht. Sie installieren eine saubere Unterteilung der Welt und Gut und Böse. In diesem offenen Meinungsjournalismus liegt mir zu viel Entmündigung des Zuschauers.”
3. “Populistisch, nicht einmal selbstkritisch” (dradio.de, Helmut Böttiger)
Helmut Böttiger findet, die Literaturkritik müsse sich um den einzelnen Leser kümmern, nicht um das große Lesepublikum: “Die selbsternannten ‘Medienexperten’ sind das eigentliche Unheil, wenn über Literatur und Kunst verhandelt wird. Sie gehen allen Ernstes davon aus, dass ein trendiger Lifestyle- und Magazin-Journalismus alles abdecken könnte.”
4. “Mit Bildern Effekte erzielen” (blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Die “taz” zeigt zu den aktuellen Konflikten in Tunesien das Bild eines Toten auf der Titelseite. Ausgehend von einer empörten Zuschrift einer Leserin und einer Antwort aus der taz-Fotoredaktion wird die Angemessenheit der Aktion im hauseigenen Blog kontrovers diskutiert.
6. “Wikipedia:Kuriositätenkabinett” (de.wikipedia.org)
Am Samstag wurde die Wikipedia zehn Jahre alt. Ein unterhaltsamer Einstieg ist das Kuriositätenkabinett. Wer einen Fehler findet, kann ihn korrigieren.
“Bild”-Leser kennen den “schillernden Multimillionär” Carsten Maschmeyer vor allem als – nach einer brisanten Schnurrbart-Optimierung – durchaus präsentables Anhängsel (“Jackpot des Herzens”) von Veronica Ferres.
Dass der Mann auch noch andere Facetten hat, sahen insgesamt 3,86 Millionen Zuschauer am Mittwoch bei der Sendung “ARD exclusiv – Der Drückerkönig und die Politik”. In der NDR-Doku setzt sich “Panorama”-Redakteur Christoph Lütgert kritisch mit den Methoden des Finanzdienstleisters AWD und den politischen Seilschaften von Carsten Maschmeyer auseinander. Matthias Prinz, der Anwalt des langjährigen Vorstandsvorsitzenden und Gründers von AWD, versuchte die Ausstrahlung des Films im Vorfeld mehrfachzu verhindern.
Neben Vorwürfen gegen Maschmeyer und AWD zieht sich noch etwas anderes wie ein roter Faden durch die Dokumentation: der ständige, jedoch vergebliche Versuch Lütgerts, Carsten Maschmeyer vor der Kamera damit zu konfrontieren, dass er und seine politischen Verbindungen mitverantwortlich dafür seien, dass AWD-Anleger aufgrund von Schrottimmobilien und hochriskanten Finanzprodukten ihre gesamten Ersparnisse verloren haben. Sämtliche Interviewanfragen – auch schriftliche – werden abgewiesen.
Maschmeyer hat dann doch noch Zeit für ein Interview gefunden — allerdings nicht mit Lütgert, sondern mit “Bild”. Das Interview in der Donnerstagsausgabe muss in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit geführt worden sein, wenn man bedenkt, dass der Inhalt der Sendung am Vortag kaum vor Redaktionsschluss bekannt sein konnte. Das sogenannte “Bild-Verhör” bot Carsten Maschmeyer dann auch eine bequeme Plattform mit einer ungleich höheren Reichweite von (angeblich) 12,53 Millionen Lesern, um allen in der Dokumentation erhobenen Vorwürfen zu widersprechen.
Zwar stellt “Bild” semikritische Fragen, doch mit dem Nachhaken ist es nicht weit her: Wenn Maschmeyer die “angesprochenen Vorgänge” als “ausnahmslos zehn Jahre alt” an sich abperlen lässt, hätte man ihn etwa auf die jüngste Sammelklage von 2.500 Betroffenen aus Österreich ansprechen können, denen AWD-Berater von Ende der 90er Jahre bis 2007 “immofinanz”- und “immoeast”-Aktien verkauft haben. Oder auf ein Urteil gegen AWD aus dem letzten Jahr, seit dem Finanzberater Kunden über die Höhe ihrer Provisionen aufklären müssen.
Dass “Bild” Maschmeyer eine derart günstige Gelegenheit bietet, sich von den Vorwürfen reinzuwaschen, verwundert nicht, denn die Zeitung, der Finanzunternehmer und sein ehemaliges Unternehmen stehen schon lange in einem ausgezeichneten Verhältnis zueinander: 2008 spendete Maschmeyer 1 Million Euro für “Ein Herz für Kinder”, im vergangenen Jahr kamen weitere 1,4 Millionen dazu. Vor einem Jahr hat AWD der Kinderhilfsorganisation von “Bild” Bandenwerbung im Wert von 500.000 Euro in den Stadien von Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen gesponsort. Dagegen wirken ein schmeichelhaftes Porträt oder – wie gerade jetzt – ein Interview zur rechten Zeit schon fast wie eine Selbstverständlichkeit. Zumal der heutige Kommunikations-Direktor von AWD, Béla Anda, bis 1998 bei “Bild” arbeitete, ehe er zunächst stellvertretender, dann erster Regierungssprecher von Bundeskanzler und Maschmeyer-Freund Gerhard Schröder wurde.
Eine Stelle aus dem “Bild”-Interview, pardon: -Verhör, scheint die “Panorama”-Redaktion aber besonders geärgert zu haben:
BILD: Warum hat der recherchierende Journalist kein Interview bekommen?
Maschmeyer: “Ich habe mehrfach ein Interview angeboten, aber darum gebeten, mir die konkreten Fragen vorab zu senden. Bei mehreren Millionen Kunden müssen für diese Einzelfälle nämlich zunächst die Beratungsunterlagen eingesehen und die Kunden um Genehmigung gebeten werden, ob zu deren Investitionsentscheidungen in den Medien Stellung genommen werden darf.”
Inzwischen hat “Panorama” reagiert und der Behauptung widersprochen:
Im Interview mit der BILD-Zeitung vom 13. Januar 2011 stellt Carsten Maschmeyer die Recherche von Panorama in Frage. Er behauptet, er habe “von den angeblichen Vorwürfen erst aus der Programmzeitschrift erfahren”. Außerdem habe er “mehrfach ein Interview angeboten”. Beide Behauptungen sind nachweislich falsch. Monatelang hat die Redaktion Panorama vergebens versucht, Carsten Maschmeyer für ein Interview zu gewinnen.
Zusätzlich hat “Panorama” eine dreimonatige Chronologie der vergeblichen Interviewanfragen nebst Original-E-Mail- und Briefverkehr ins Netz gestellt:
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen: Am Besten, wir legen alle zusammen und lassen mehrere Quadratmeter große Schilder in Signalfarben anfertigen, auf denen in großen Lettern “DER EUROPÄISCHE GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE (EGMR) IST KEIN EU-GERICHT!” steht. Diese Schilder hängen wir dann in den Redaktionsräumen deutscher Medien, in den Journalistenschulen und – je nachdem, wie viel Geld zusammenkommt – vor den Badezimmerspiegeln aller Journalisten auf.
Das klingt zwar wie ein geisteskranker Plan, aber alle bisherigenVersuche, diese schlichte Information in Journalistenhirne zu prügeln, haben ja nichts gebracht:
Der dpa-Landesdienst Baden-Württemberg behauptete gestern gleich in drei Überschriften über eine Entscheidung des EGMR:
EU-Gerichtshof rügt Sicherungsverwahrung in Deutschland
Wie begründet das der EU-Gerichtshof? “Die deutschen Gerichte hätten die Unterbringung der Strafgefangenen im Gefängnis zu Präventivzwecken nicht nachträglich anordnen dürfen.”
(“B.Z.”)
Mit Dank an Manuel.
Nachtrag, 20.02 Uhr: Folgendes veröffentlichte “Zeit Online” um 18.26 Uhr:
Mit Dank an Maximilian.
2. Nachtrag, 16. Januar: Von den oben verlinkten Medien haben die “Badische Zeitung” und die “Zeit” ihre Fehler korrigiert.
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1. “Liebe Journalisten, wir müssen reden” (haltungsturnen.de, Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach)
Das radikale Umdenken, das Miriam Meckel im Artikel “Journalisten an der Crowdsourcing-Front” von den Journalisten fordert, betreffe auch die Anonymisierung, die wegen der umfangreichen Recherchemöglichkeiten im Web schnell mal zur Farce werde, schreibt Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach anlässlich eines Artikels im “Hamburger Abendblatt”.
2. “‘Ich hasse Blogs!’, bloggt der Redakteur” (novo-argumente.com, Matthias Heitmann)
Matthias Heitmann kann nicht recht verstehen, warum sich Journalisten so aggressiv von Werbeschreibern, Lobbyisten und Hobbybloggern abgrenzen. Ein Journalist, der seine Fähigkeiten richtig einsetze, müsse sich “nicht davor fürchten, dass seine Informanten eine eigene Agenda verfolgen könnten”. “Warum unterlegene ‘Konkurrenten’ dafür kritisieren, dass sie unterlegen sind? Und vor allem: Warum sich von ihnen bedroht fühlen? Das wäre ungefähr so, als wenn der FC Bayern München in der zahlenmäßigen Überlegenheit unterklassiger Dorfvereine eine Gefahr für seine Einschaltquote wittern würde.”
3. “Striptease im Dunkeln” (fernsehkritik.tv, Fernsehkritiker)
Eine Casting-Agentur sucht für die RTL-Sendung “Dating im Dunkeln” neue Kandidatinnen und Kandidaten. “Neben der Angabe von Körpermaßen und natürlich der Abgabe eines Fotos” müssen insgesamt 47 Fragen beantwortet werden.
4. “Catalogue of legal pay-outs that shames Express Newspapers” (guardian.co.uk, Roy Greenslade, englisch)
Roy Greenslade listet Geldbeträge auf, zu denen die englischen Zeitungen “Daily Express” and “Daily Star” seit März 2008 (£550.000 an die Familie der verschwundenen Madeleine McCann) aufgrund ihrer Berichterstattung zu bezahlen gezwungen wurden: “Even I was surprised by the number of occasions on which EN has been forced to pay damages and issue apologies. It is, quite simply, scandalous.”
5. “Schubladen langweilen mich, da stecke ich schon ewig drin…” (derteilzeitblogger.wordpress.com)
Den Teilzeitblogger langweilen die Schubladen, in die er von anderen immer wieder gesteckt wird. “Diese Diskussion, wie Schwule sein müssen oder wie sie nicht sein sollten, weil sie dann zu sehr heteronormativ sind, kotzt mich an. Lasst die Leute doch so leben wie sie wollen!”
Nur selten hat Bild.de die Gelegenheit, ein Aufmerksamkeit erzeugendes Fotomotiv einigermaßen begründet mit einer trockenen Arbeitsrechts-Meldung zu kombinieren.
Da muss man den Redakteuren natürlich nachsehen, dass die Entscheidung, nach der Arbeitgeber ihren Angestellten die Farbe der Unterwäsche vorschreiben dürfen, nicht vom Bundesgerichtshof (BGH) gefällt wurde, sondern vom Landesarbeitsgericht (LAG) in Köln.
Ebenfalls hinnehmen muss der Leser wohl, dass die eingebaute Klickstrecke “Was darf der Arbeitgeber?” noch nicht an die neuesten Entwicklungen angepasst werden konnte. Auch wenn das jetzt ein bisschen blöd wirkt:
Mit Dank an josspam und Andreas R.
Nachtrag, 16.50 Uhr: Bild.de hat beide Fehler korrigiert, wobei der Text in der Klickstrecke offenbar mit der Streitaxt gekürzt wurde.
Die Antwort lautet jetzt jedenfalls:
Nein, auf keinen Fall. Das ist so eindeutig Privatsphäre.
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1. “Die Medien-Gier nach dem täglichen Skandal” (ndr.de, Video, 10:21 Minuten)
Die Medienkarawane skandalisiert Woche für Woche neue Themen, nur um sie gleich wieder zu vergessen. Nur wenige bleiben bis zum Ende dran und berichten, wie sich eine Sachlage entwickelt, wie eine Geschichte ausgeht, ob es sich nach Berücksichtigung aller Fakten überhaupt um einen Skandal handelt, wer wie verantwortlich ist, welche Konsequenzen daraus folgen.
2. “Die wütende Stimme Amerikas” (zeit.de, Heike Buchter, mit Videos) Fox News habe in den Vereinigten Staaten “zu einem Trend geführt, Inhalte mit einem bestimmten Dreh zu versehen”, schreibt Heike Buchter. “Das gilt nicht nur für die Art, wie Ereignisse eingeordnet und bewertet werden, sondern auch für die Themen, die aufgegriffen werden.”
3. “Sport Bild-Watch (11)” (el-futbol.de, Sidan)
Sidan fragt sich “ernsthaft und immer noch, was Sport Bild gegen Griechenland hat”. “Der Stachel aus dem Kleinkrieg mit Ioannis Amanatidis scheint doch ziemlich tief zu sitzen, anders kann man sich diese chronischen Kindergarten-Dissattacken auf Griechenland nicht erklären.”
4. “Verschwörungstheoretiker sind Menschen wie du und ich” (dradio.de, Matthias Hanselmann)
Matthias Hanselmann redet mit Michael Butter von der Uni Freiburg über Verschwörungstheoretiker: “Verschwörungstheorien füllen im Grunde eine Lücke, die durch Säkularisierung entsteht, wo aber das Bedürfnis noch da ist, den Zufall, das Chaos auszuschließen. Und deshalb ist es für Verschwörungstheoretiker vielleicht manchmal einfacher zu akzeptieren, dass es irgendwelche dunklen Gestalten gibt, die im Geheimen die Geschicke lenken, als einzugestehen, dass die Welt vielleicht chaotisch ist, Dinge durch Zufall passieren.”
5. “Die Sache mit den Fotos” (offensichtlich.wordpress.com, Daniela Warndorf)
Daniela Warndorf stört es, wenn sie an Anlässen ungefragt fotografiert wird und diese Fotos darauf im Web publiziert werden. “Ein ‘Ich möchte selber kontrollieren können, wann wo welche Bilder von mir im Netz stehen’, erntet meist nur mitleidige Blicke.”