KW 47/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Investigativ-Journalist Jens Weinreich über die FIFA & WM in Katar
(youtube.com, Jung & Naiv, Tilo Jung, Video: 3:49:56 Stunden)
Wer sich für die Abgründe des Sports interessiert, kommt nicht an Investigativ- und Sportpolitik-Journalist Jens Weinreich vorbei. Weinreich hat unter anderem von 13 Olympischen Spielen und drei Fußball-Weltmeisterschaften berichtet und recherchiert seit 20 Jahren auch zur Sportpolitik Katars. Mit Tilo Jung spricht er mehr als drei Stunden über das “mafiöse System FIFA” und den “Sportschurkenstaat” Katar.

2. Der Professor und der Wolf: Politik und Medien
(youtube.com, Peter Filzmaier & Armin Wolf, Video: 37:49 Minuten)
In der letzten Folge von “Der Professor und der Wolf” diskutieren ORF-Anchorman Armin Wolf und Politikprofessor Peter Filzmaier über das oft schwierige Verhältnis von Politik und Medien in Österreich: “Wer ist von wem abhängig – die Politik von den Medien, oder umgekehrt? Sind Politik und Medien in Österreich zu verhabert? Und warum ist die Medienlandschaft in Österreich so speziell?”

3. Cancel Culture: Mediengemachter Mythos?
(sueddeutsche.de, Nadia Zaboura & Nils Minkmar, Audio: 32:37 Minuten)
In der aktuellen Folge von “quoted” unterhalten sich Nadia Zaboura und Nils Minkmar mit Literaturprofessor Adrian Daub über “Cancel Culture”: Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Und welche Rolle spielen Medien in diesem Zusammenhang?

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4. Influencer: Ihr Erfolg bei jungen Menschen
(podcast.leibniz-hbi.de, Johanna Sebauer, Audio: 37:44 Minuten)
Im “Bredowcast”, dem Podcast des Leibniz-Instituts für Medienforschung, geht es um Influencerinnen und Influencer und die Frage, warum sie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen so gut ankommen. Leonie Wunderlich hat dazu eine Studie durchgeführt (PDF) und berichtet im Podcast von ihren Erkenntnissen. “Die Perspektive von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat einfach gefehlt im wissenschaftlichen Diskurs über diese Personengruppe”, so ihr Beweggrund für ihre Forschung.

5. Was brauchen gute Podcasts?
(deutschlandfunkkultur.de, Massimo Maio, Audio: 36:04 Minuten)
Die wachsende Popularität von Hör-Dokus beziehungsweise Doku-Podcasts ist das Thema im “Kompressor” von Deutschlandfunk Kultur: Was zeichnet eine gute Produktion aus? Darüber sprechen der SWR-Feature-Redakteur Michael Lissek, der erfolgreiche Podcast-Produzent Khesrau Behroz (“Cui bono”, “Noise”, “Legion”, “Drachenlord”) und der freie Feature-Autor und Podcast-Produzent Johannes Nichelmann.

6. Ferngespräche: Pakistan
(ardaudiothek.de, Holger Klein, Audio: 1:03:28 Stunden)
In den radioeins-“Ferngesprächen” lässt Holger Klein Korrespondentinnen und Korrespondenten zu ihrer jeweiligen Region zu Wort kommen. Diesmal hat er sich mit Peter Hornung zusammengeschaltet, dem Südasien-Korrespondenten der ARD und Leiter des ARD-Hörfunkstudios Neu-Delhi. Es geht um Pakistan mitsamt seiner “modernen Städte, unmodernen Provinzen und chaotischen Politik”.

“Bild” schrumpft sein TV-Angebot, KI-Pornos, “Mieses Medien-Spiel”

1. 80 Stellen betroffen: Bild TV stellt tägliche Live-Strecken ein
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Was sich vor zwei Wochen bereits abzeichnete (“Bild” will TV-Angebot schrumpfen, spiegel.de), werde nun laut dem Branchendienst “Medieninsider” (nur mit Abo lesbar) zur Gewissheit: Der Springer-Konzern verabschiedet sich anscheinend von seinem Plan, mit “Bild TV” einen Nachrichtensender zu etablieren. Der Ausstieg aus dem Live-Betrieb soll schätzungsweise 80 Personen und deren Stellen betreffen. Der Deutsche Journalisten-Verband hat bereits mit einer Pressemitteilung reagiert und fordert einen sozialverträglichen Stellenabbau: “Springer muss seiner Verantwortung als Arbeitgeber gerecht werden und den betroffenen Kolleginnen und Kollegen alternative Arbeitsplätze im Konzern anbieten”.

2. “Spiegel” nimmt mehrere Beiträge von der Webseite
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Der “Spiegel” habe nach eigenen Angaben mehrere Beiträge zum Todesfall eines fünfjährigen syrischen Flüchtlingsmädchens vorläufig von der eigenen Website entfernt. Stattdessen ist dort ein redaktioneller Hinweis zu lesen: “Mittlerweile gibt es Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse. Wir haben daher mehrere Beiträge zu diesem Thema vorläufig von unserer Website entfernt. Wir überprüfen unsere Berichterstattung und entscheiden nach Abschluss der Recherchen, ob die Beiträge gegebenenfalls in korrigierter und aktualisierter Form erneut veröffentlicht werden.”

3. Juso-Vorsitzende und weitere Politikerinnen fordern Vorgehen gegen KI-Pornos
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Deepfake-Pornografie ist laut Wikipedia ein “Pornografie-Segment, das das durch Computer berechnete Einfügen von Gesichtern realer Personen in pornografische Bilder oder Filme zum Inhalt hat”. Opfer von derartigen Videofälschungen sind oftmals Politikerinnen und Prominente. Wie Max Hoppenstedt berichtet, hätten sich Betroffene an Digitalminister Volker Wissing gewandt und Maßnahmen gegen die Fakes gefordert.

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4. Das miese Medien-Spiel mit der Fußball-WM
(georgstreiter.de)
“Zwölf Jahre nach der skandalösen Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft nach Katar am 2. Dezember 2010 entdecken die Medien, dass die Vergabe ein Skandal war. Dabei ist die Skandal-WM auch ein Medien-Skandal. Vor allem ein öffentlich-rechtlicher.” Georg Streiter über das “miese Medien-Spiel” mit der Fußball-WM.

5. Denkfabriken – nicht immer unabhängig
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 2:50 Minuten)
Denkfabriken beziehzungsweise Thinktanks werden in Medien überraschend oft als Quellen zitiert. Dabei bleibe oft unklar, wie neutral sie wirklich sind und vom wem sie finanziert werden. Es reiche daher nicht, den Namen einer Denkfabrik zu nennen. In der Berichterstattung müsse klar werden, für welche Interessengruppen die jeweilige Organisation stehe, so Annika Schneider im Deutschlandfunk.

6. Social-Media-Benimmkolumne: Wie man sich unmöglich macht – Nonmentions und Snitchtagging
(54books.de, Franziska Reuter)
Franziska Reuter erklärt zwei Kommunikationsphänomene, die typischerweise auf Social Media anzutreffen sind: Die sogenannten Nonmentions und das sogenannte Snitchtagging. Unterhaltsam, anschaulich und lehrreich beschrieben.

Das Schweigen der Fußballer, Generalamnestie?, Studien-Inflation

1. WM in Katar: Das Schweigen der Nationalmannschaft
(ndr.de, Fritz Lüders & Alexander Kobs, Video: 21:03 Minuten)
Fußball-Profis haben – auch dank ihrer Social-Media-Präsenz – einen enormen medialen Einfluss auf Millionen von Fans. In Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft in Katar seien die Erwartungen an die Spieler der deutschen Nationalmannschaft entsprechend hoch. Doch bislang hätten diese sich nur sehr verhalten geäußert. Das Medienmagazin “Zapp” hat sich auf die Suche nach den Gründen dafür gemacht und dabei auch Sponsoren und Verbände mit einbezogen.

2. Elon Musk lässt über »Generalamnestie« für gesperrte Accounts abstimmen
(spiegel.de)
Twitter kommt einfach nicht zur Ruhe. Nach dem inszenierten Einzug des Neu-Eigentümers Elon Musk ins Firmengebäude, einem radikalen Stellenabbau, allerlei Chaos um verifizierte Konten und weiteren Pleiten, Pech und Pannen habe Musk mal wieder eine Online-Umfrage gestartet. Nun wolle der Tech-Milliardär wissen, ob die Nutzer und Nutzerinnen für oder gegen eine “Generalamnestie für suspendierte Konten” seien. Zuvor hatte er bereits das gesperrte Konto von Donald Trump reaktivieren lassen.

3. Kampagne vor Gericht
(taz.de, Christian Rath)
Am heutigen Donnerstag verhandelt das Landgericht Frankfurt am Main über einen Eilantrag des Antisemitismusbeauftragten des Landes Baden-Württemberg gegen Twitter. Christian Rath erklärt die Hintergründe des Verfahrens, dessen Ausgang mit einiger Spannung erwartet wird.

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4. “Tagesspiegel” bekommt Haustarifvertrag
(verdi.de)
Nach langen Verhandlungen haben die Gewerkschaften ver.di und DJV einen Tarifvertrag für die etwa 600 Beschäftigten des Berliner “Tagesspiegel” unterschrieben: “Damit verpflichtet sich das Medienhaus, ab dem 1. Januar 2023, die Mantel- und Gehaltstarifverträge für Redaktion und Verlag sowie den Tarifvertrag über die Altersversorgung für Redakteur*innen an Tageszeitungen anzuwenden.”

5. Die inflationäre Verwendung des Begriffs “Studie”
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 2 Minuten)
Annika Schneider wünscht sich von Medien mehr Differenzierung. So sei nicht alles, was Redaktionen in ihrer Berichterstattung leichthin als “Studie” bezeichnen, auch tatsächlich eine: “Sobald zu einem Thema irgendwelche Auswertungen vorliegen, werden sie in manchen Medien zur ‘Studie’ geadelt – selbst wenn es nur Zahlen aus einer Online-Umfrage mit wenigen Hundert Teilnehmenden sind.”

6. Deckel
(journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl werfen im Rahmen ihres Projekts “Floskelwolke” einen sprach- und medienkritischen Blick auf vielbenutzte Formulierungen. Diesmal widmen sie sich dem Sprachbild des “Deckels”.

Springer meidet Prozess, Thema Queer, Versprechen mit Bundesadler

1. Axel Springer kann US-Prozess um Julian Reichelt vermeiden
(spiegel.de)
Eine ehemalige “Bild”-Mitarbeiterin hatte an einem kalifornischen Gericht Klage gegen “Bild” sowie gegen eine Tochterfirma des Axel-Springer-Verlags eingereicht. Unter anderem sei es darin um den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegangen (siehe die Berichterstattung des “Spiegel” aus dem Oktober 2021). Anscheinend wollte es der Konzern nicht auf einen Prozess ankommen lassen. Man habe sich für eine “einvernehmliche Lösung” entschieden, so ein Konzernsprecher.

2. Was (israelische) Journalisten bei der WM in Katar erleben
(stern.de, Christine Leitner)
Dass ausländische Journalisten und Journalistinnen in Katar nicht wirklich willkommen sind, sei keine Überraschung. Besonders gelte dies jedoch für Medienschaffende aus Israel, wie Christine Leitner im “Stern” schreibt und mit einigen Beispielen unterfüttert.
Weiterer Lesehinweis: Paradiesische Bedingungen für Sportjournalisten: “Vier Spiele pro Tag und beste Bedingungen für Sportjournalisten mit kurzen Wegen zu allen WM-Stadien. Die FIFA versucht, ihr Kernprodukt perfekt zu vermarkten, um politischen Themen den Raum zu nehmen.” (freitag.de, Günter Klein)
Und noch ein Hörtipp: Beim RBB geht es um die Frage: “Wie reden wir über diese kontroverse Fußball-WM?” Besprochen wird sie mit dem Investigativjournalisten Jens Weinreich (rbb-online.de, Audio: 7:01 Minuten).

3. Wann Medien über queere Themen berichten – und wann nicht
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Anlässlich des Gerangels um das Tragen einer Armbinde bei der Fußball-Weltmeisterschaft ist das Thema Queerfeindlichkeit in den medialen Fokus gerückt. Etwas, was sich Johannes Kram auch außerhalb von Sportevents wünschen würde: Es gebe auch in Deutschland dauernd Übergriffe auf LGBTQIA+-Personen, aber darüber werde nicht berichtet. “Wir haben ein Sicherheitsproblem, wir haben ein Problem am Arbeitsplatz. Es wird so getan, als ob wir in Deutschland schon alles erreicht hätten. Die Medien hätten die Aufgabe dort genauer hinzuschauen”, so Kram.

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4. Versprechen mit Bundesadler
(taz.de, Christian Rath)
Das für seine subversive Aktionskunst bekannte “Peng! Kollektiv” hat 2018 ein vermeintliches Video des Bundesinnenministeriums produziert und veröffentlicht (hier auf Facebook zu sehen), in dem die Aufnahme von Geflüchteten garantiert wird. Dagegen ging das Innenministerium vor und verlangte vom Plattformbetreiber Youtube die Löschung. Christian Rath erklärt die Argumentationslinien der beteiligten Parteien und die möglichen juristischen Aspekte.

5. Cem und die Tiere
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Ist Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister von den Grünen, vielleicht auch deshalb einer der beliebtesten Politiker des Landes, weil er Polizeipferde streichelt und Tierheime besucht? Anna Hunger hat ihren Text mit einigen Aufnahmen des Ministers unterlegt, für den Tierliebe anscheinend auch Teil seiner Medienarbeit ist.

6. Die reichsten Verleger 2022
(kress.de, Markus Wiegand)
Das Medienportal “kress” hat nachgeschaut, welche Medienunternehmer und -unternehmerinnen es in die Liste der 500 reichsten Deutschen des “Manager Magazins” (nur mit Abo lesbar) geschafft haben. Eine Sonderrolle spielt dabei der Koblenzer Medizinsoftware-Unternehmer Frank Gotthardt, der Medien als Nebengeschäft betreibe und als Finanzier von Ex-“Bild”-Chef Julian Reichelt gehandelt werde.

Umfrage-Chaos, Twitter-Chaos, Geschönte Bilder vom Eröffnungsspiel

1. Umfrage unter “Bild”-TV-Teilnehmern belegt: Keiner versteht was von Umfragen
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Bei “Bild TV” war man mit einer Umfrage aus dem aktuellen ZDF-“Politbarometer” unzufrieden, nach der Außenministerin Annalena Baerbock derzeit die beliebteste Politikerin des Landes sei, gefolgt von Wirtschaftsminister Robert Habeck, Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, zweifelte man pauschal die Umfrage samt ihrer Methodik an. Medienkritiker Stefan Niggemeier erklärt die Grundlagen der Meinungsforschung und schließt mit den Worten: “Man kann über den Sinn und die Methodik all dieser Umfragen streiten. Aber viel billiger und wirkungsvoller ist es natürlich, Leute einfach in ihrem Eindruck zu bestätigen, dass das ZDF irgendwelche hanebüchenen Zahlen veröffentlicht, die im Sinne der Bundesregierung sind und niemand nachvollziehen kann.”

2. Nicht anzusehen
(sueddeutsche.de, Harald Hordych)
Während des Auftaktspiels der Fußball-WM in Katar (Katar vs. Ecuador, Ergebnis: 0:2) verließen die Zuschauer und Zuschauerinnen in Scharen das Stadion. Die Fans der Heimmannschaft hatten offenbar keine Lust mehr auf das Spiel und wollten die Staus zu Spielende vermeiden. Fernsehbilder davon gab es jedoch nicht, dafür zahlreiche Aufnahmen von “siegestrunkenen Ecuadorianern und Jubel-Katarern”. Harald Hordych erklärt, woran das liegt, und welche organisatorische Konstruktion dem zugrunde liegt.

3. Twitter-Chaos: Copyright-geschützte Filme in voller Länge hochgeladen
(derstandard.de, Jonas Heitzer)
Die Massenentlassungen bei Twitter sorgen anscheinend dafür, dass auch das automatische Copyright-Schutzsystem der Plattform nicht mehr richtig funktioniert. Ein User habe den Film “The Fast and the Furious: Tokyo Drift” in voller Länge hochladen können, ohne dass die Videodateien automatisch offline genommen wurden. Der Film sei einen ganzen Tag online geblieben, bis der User – offenbar manuell – gesperrt worden sei.

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4. Woran liegt Journalismusmüdigkeit?
(de.ejo-online.eu, Marlis Prinzing)
Laut einer Studie scheinen junge Frauen nur halb so interessiert an Journalismus zu sein wie Männer. Das müsse Medien, Wissenschaft und Politik aufrütteln, findet Marlis Prinzing: “Gerade mal 5,4 Minuten täglich widmen sich Frauen im Alter von 19 bis 24 Jahren journalistischen Inhalten auf ihrem Smartphone, Männer immerhin fast doppelt so lange – 10,7 Minuten.” Wissenschaft und Medien sollten ergründen, wann die jüngere Generation wie und für welche Themen erreichbar ist, sich engagiert und Journalismus “cool” findet, so Prinzing.

5. “El País” wächst digital
(faz.net, Hans-Christian Rößler)
Die spanische Tageszeitung “El País” kann auf beeindruckende Wachstumszahlen im Digitalen verweisen, berichtet der in Madrid ansässige Auslandskorrespondent der “FAZ”, Hans-Christian Rößler. Einer der Gründe: “Bei ‘El País’ setzt man auf anspruchsvolle Berichterstattung mit einer Redaktion mit mehr als 400 Mitgliedern und einem Korrespondentennetz, das sich im Ukrainekrieg bewährte, in dem spanische Medien von Anfang an mehr Präsenz zeigten als die deutschen.”

6. “DB Mobil” erscheint ab 2023 nicht mehr gedruckt
(dwdl.de, Alexander Krei)
Nach über 20 Jahren verabschiedet sich “DB Mobil”, das Kundenmagazin der Deutschen Bahn, von der Papierform. Wie das Unternehmen mitgeteilt habe, soll “DB Mobil” ab 2023 ausschließlich digital weitergeführt werden.

Goldener Handschlag, Macht der Klischeebilder, Eingeknickter Podcast

1. Goldener Handschlag für Ex-Chefredakteur des rbb
(rbb24.de, Marcus Engert & René Althammer & Jo Goll)
Wie Recherchen von NDR und RBB sowie vertrauliche Dokumente zeigen, gab der RBB seinem scheidenden Chefredakteur Christoph Singelnstein ­einen gut dotierten Beratervertrag mit auf den Weg – zusätzlich zur gesetzlichen Rente und einem lebenslangen Anspruch auf ein jährliches Ruhegeld von mehr als 100.000 Euro. Ein Sprecher des RBB habe auf Anfrage erklärt, man könne sich “zu Vertragseinzelheiten aus vertragsrechtlichen Gründen (Verschwiegenheitsklausel) nicht äußern”.

2. Beschäftigte wehren sich juristisch gegen Kündigungen
(golem.de, Ingo Pakalski)
Alle Twitter-Beschäftigten in Deutschland, die von einer Kündigung durch den neuen Eigentümer Elon Musk betroffen sind, sollen in die Gewerkschaft eingetreten sein. Die Kündigungsschutzklagen würden sie nun mit gewerkschaftlicher Unterstützung führen. Außerdem solle ein Betriebsrat gegründet werden.

3. Wie Behörden, Medien und NGOs Mastodon für sich entdecken
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Twitter laufen die Nutzerinnen und Nutzer weg, und selbst Behörden, Medien und NGOs sehen sich nach Alternativen um. Als Ausweichmöglichkeit bietet sich derzeit Mastodon an. Sebastian Meineck erklärt, welche Politiker und Politikerinnen, Institutionen und Akteure der Zivilgesellschaft es bereits dorthin gezogen hat und was bei einem möglichen Umzug zu beachten ist.

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4. Böll-Stiftung nimmt Podcast vom Netz: Eingeknickt vor Anthroposophen
(volksverpetzer.de, Matthias Meisner)
Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung in Baden-Württemberg und ihre bayerische Schwesterorganisation Petra-Kelly-Stiftung haben einen etwa 45-minütigen Podcast zum Thema Anthroposophie offline genommen. Dem sei eine Intervention der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland vorausgegangen. Matthias Meisner führt aus, worum es bei der Auseinandersetzung im Einzelnen geht.

5. Massive Kritik an Einsparplänen bei der Ostsee-Zeitung
(verdi.de)
Wie die Gewerkschaft ver.di berichtet, soll es bei der “Ostsee-Zeitung” Pläne für größere Einsparungen geben. So soll zum Jahresende der “Ostsee-Anzeiger” eingestellt werden. Außerdem sähen die Sparpläne die Schließung des Druckstandortes, des Anzeigensatzes und der Bildbearbeitung vor. “Die Überrumpelungstaktik, mit der die Unternehmensführung die geplanten Maßnahmen kommuniziert hat, ist zeitlich wie inhaltlich unakzeptabel und wird von uns so nicht hingenommen”, so eine Gewerkschaftsvertreterin.

6. Die Macht der Klischeebilder
(deutschlandfunk.de, Sandro Schroeder, Audio: 28:44 Minuten)
Im Medienpodcast “Nach Redaktionsschluss” geht es um die oftmals klischeebehaftete Bebilderung von Themen wie Rente und Alter. Es diskutieren eine Hörerin des Deutschlandfunks (Dlf), Andi Weiland (freier Fotograf und Projektleiter beim Verein “Sozialhelden”) Tatjana Blobel (Redaktionsleiterin von “Brigitte Wir” und “Brigitte Woman”) und Sandro Schroeder aus der Dlf-Medienredaktion.

KW 46/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Chez Krömer – Zu Gast: Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt
(youtube.com, Kurt Krömer, Video: 29:51 Minuten)
Der Komiker Kurt Krömer begrüßt in der aktuellen Ausgabe von “Chez Krömer” Julian Reichelt. Passend zum Setting des kargen Verhörraums geht Krömer den ehemaligen “Bild”-Chefredakteur mit konfrontativer Schärfe an.
Lesetipp: Bei kress.de hat Marc Bartl einige Pressereaktionen des viel diskutierten Schlagabtauschs zusammengestellt: “Verbal-blutiger Gladiatorenkampf”: Was Medienprofis zum Krömer-Reichelt-Rededuell sagen. Außerdem hat “journalist”-Chefredakteur Matthias Daniel auf Twitter eine lesenswerte Einordnung veröffentlicht.

2. Iran-Proteste; Medienarbeit der Mullahs
(ndr.de, Zapp, Video: 30:53 Minuten)
Im Medienmagazin “Zapp” spricht Shahrzad Eden Osterer, Journalistin beim Bayerischen Rundfunk, über die Nachrichtenlage in Iran und die Rolle der Exil-Medien. Außerdem geht es in der Sendung um die “Medienarbeit der Mullahs”, die Social Media für Propagandazwecke nutzen.

3. Al Jazeera – katarisches Machtinstrument oder wichtige Stimme der arabischen Welt?
(br.de, Linus Lüring, Audio: 25:14 Minuten)
Al Jazeera ist ein Nachrichtensender mit Sitz in Doha, der Hauptstadt Katars, der bei vielen die Hoffnung auf einen neuen arabischen Journalismus auslöste. Manche sprachen in den Anfangsjahren von einer “journalistischen Revolution”. Doch wofür steht der Sender heute? Darüber spricht Linus Lüring mit Anne Allmeling (ARD-Korrespondentin Naher Osten), Carola Richter (Professorin für internationale Kommunikation an der FU Berlin) und Stephanie Doetzer (ehemalige Journalistin bei Al Jazeera).

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4. Melanie Amann, Leiterin des SPIEGEL Hauptstadtbüros
(ndr.de, Norbert Grundei, Audio: 59:27 Minuten)
Der Journalist und Medienmanager Norbert Grundei hat sich mit Melanie Amann unterhalten, die das “Spiegel”-Hauptstadtbüro leitet: “Wie lange hält die Koalition? Wie gut gehen Regierung und Opposition mit den vielen aktuellen Herausforderungen um? Wer kann gut mit wem in Berlin? Wie authentisch kann und sollte ein ein Politiker sein? Wie hat es sich angefühlt, mit Richard David Precht und Harald Welzer bei Markus Lanz über ihr Buch zum Thema Journalismus zu diskutieren?”

5. Elon Musks Twitterübernahme: Folgen für die Wissenschaft
(podcast.hans-bredow-institut.de, Johanna Sebauer, Audio: 43:27 Minuten)
Im “Bredowcast”, dem Podcast des Leibniz-Instituts für Medienforschung, geht es um Elon Musks Twitterübernahme und die daraus resultierenden Folgen für Wissenschaft und Medienforschung. Johanna Sebauer hat sich dazu den Medienforscher Jan-Hinrik Schmidt eingeladen. Twitter biete der Wissenschaft bislang großflächigen Zugang zu seinem bis ins Jahr 2006 zurückreichenden Archiv. Schmidt hofft, dass dies unter Musk weiterhin der Fall bleibt, wenn auch zu anderen Konditionen: “Plausibel erscheint mir, dass er die Wissenschaft zur Kasse bittet und den Zugang zum Archiv nur gegen Bezahlung gewährt.”

6. Ein Urteil des LG Frankfurt am Donnerstag könnte Twitter zwingen Recht zu beachten oder zu schließen
(youtube.com, Anwalt Jun, Video: 13:12 Minuten)
“Twitter ist kaum noch handlungsfähig. Ein Urteil des LG Frankfurt könnte die Betriebseinstellung bedeuten, wenn Programmierer die nötigen Auflagen nicht rechtzeitig umsetzen könnten.” Chan-jo Jun erklärt, warum eine Betriebseinstellung von Twitter nicht ausgeschlossen sei, egal, ob durch eine Verfügung eines deutschen Gerichts (“Ja, das ist nicht so sehr wahrscheinlich, das wäre eine Sensation. Aber gleichwohl juristisch ist das nicht völlig ausgeschlossen”) oder durch eine Verbraucherschutzbehörde in den USA initiiert.

Notfallplan, Sich blamierende Medien, Ausschuss zum RBB

1. Experten warnen: Twitter wird zum Sicherheitsrisiko
(br.de, Georg Schmalzried)
Experten sorgen sich um die Sicherheit bei Twitter. Nach den Massenentlassungen durch den neuen Chef Elon Musk könnte es bei Twitter zu Ausfällen und Datenlecks kommen, so die Befürchtung. In den vergangenen Tagen hatte es bereits einige technische Probleme bei der Plattform gegeben. “Es ist egal, ob ihr diese Seite verlasst oder nicht”, sagt Cybersicherheitsspezialist Ian Coldwater auf Twitter und empfiehlt: “Macht einen Notfallplan und kümmert euch um eure Kontakte, denn es kann gut sein, dass die Seite euch verlässt.”

2. Sorry, ich habe den dritten Weltkrieg ausgerufen
(spiegel.de, Sabine Rennefanz)
“Die Ereignisse vom Dienstagabend bestätigen mich darin, dass es sinnvoll ist, sich nicht nur in deutschen Medien über den Krieg zu informieren, und schon gar nicht auf Twitter. Englischsprachige Nachrichtenseiten wie die BBC oder Reuters oder die ‘New York Times’ berichten oft vorsichtiger, distanzierter, oft genauer.” Sabine Rennefanz kritisiert in ihrer “Spiegel”-Kolumne das Verhalten vieler Medien anlässlich des Raketeneinschlags auf polnischer Seite an der polnisch-ukrainischen Grenze (siehe dazu auch unseren Beitrag: “Bild” und “die unwahrscheinliche dritte Möglichkeit”).

3. Verzicht auf Vertrag und Ruhegeldanspruch
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Im Gespräch mit dem “Tagesspiegel” bestätigte Jan Schulte-Kellinghaus, dass er seinen Posten als Programmdirektor des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) aufgeben werde. Nun soll über den Preis verhandelt werden, und das könnte für den RBB sowie die Gebührenzahler, trotz eines möglichen Verzichts auf den Ruhegeldanspruch, teuer werden.

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4. Landtag setzt Untersuchungsausschuss zum RBB ein
(sueddeutsche.de)
Auf Betreiben der AfD-Fraktion hat der Brandenburger Landtag einen Untersuchungsausschuss zum RBB-Skandal eingesetzt. Für den Linken-Abgeordneten Thomas Domres komme dieser Ausschuss verfrüht, man hätte zunächst die die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft abwarten sollen.

5. Neues Satellitensystem für sicheres Internet
(tagesschau.de)
Die EU investiert einen Milliardenbetrag in den Aufbau eines neuen Satellitenverbundes für ein sicheres Internet: “Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten einigten sich auf den Aufbau einer sogenannten Satellitenkonstellation namens Iris² (Infrastructure for Resilience, Interconnection and Security by Satellites). Dafür sollen in den kommenden Jahren 2,4 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt kommen.”

6. ARD-Teamchef: “Keine einfache Aufgabe”
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider & Isabelle Klein)
Am Sonntag beginnt die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Für viele Zuschauerinnen und Zuschauer stellt sich damit die Frage: einschalten oder boykottieren? Die TV-Sender haben diese Frage für sich bereits beantwortet: Sie übertragen die Spiele, wollen aber auch kritisch berichten. Keine einfache Aufgabe, wie Harald Dietz, ARD-WM-Teamchef, im Deutschlandfunk ausführt.

“Tagesthemen Extra”, Wie Elon Musk Twitter ruiniert, Stille Post gone bad

1. Das “Tagesthemen Extra” war trotz unsicherer Nachrichtenlage richtig
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Trotz unsicherer Informationslage strahlte Das Erste am Dienstagabend eine außerplanmäßige “Tagesthemen”-Ausgabe zum Raketeneinschlag in Polen aus. Eine gute Entscheidung, findet Markus Ehrenberg: “Den öffentlich-rechtlichen Sendern wird öfters vorgeworfen, sich vor allen in ihrem Hauptprogrammen zu wenig auf ihre Nachrichten- und Informationskompetenz zu besinnen. Wenn es irgendwo auf der Welt brenzlig wird, laufen auch schon mal Quizshows, Krimis oder Krankenhausserien durch (oder man muss digital auf den Spartensender Tagesschau24 gehen). Das war am Dienstagabend nicht so. Und trotz der unsicheren Nachrichtenlage richtig.”

2. Wie Elon Musk Twitter ruiniert
(socialmediawatchblog.de)
Das “Social Media Watchblog” hat sich die Mühe gemacht, Elon Musks chaotisch wirkende Twitter-Entscheidungen zu sortieren und einzuordnen. Bei Musk sei es ähnlich wie bei Trump – er sei zu mächtig, um ihn zu ignorieren: “Er spuckt nicht nur große Töne, er handelt auch, und seine Entscheidungen haben reale Konsequenzen für eine Plattform, die trotz ihrer überschaubaren Größe politisch und gesellschaftlich wichtig ist.”
Weiterer Lesehinweis: Elon Musk stellt Twitter-Angestellten Ultimatum: “Bis Donnerstag um 17 Uhr sollen Twitters verbliebene Mitarbeiter erklären, ob sie für das Unternehmen extreme Belastungen auf sich nehmen wollen – oder kündigen. Das verlangt der Firmenchef in einer geleakten E-Mail.” (spiegel.de)

3. Stille Post gone bad: Wie Medien einen Fehler zu Elektroautos abschreiben
(kobuk.at, Thomas Pichler)
Dem österreichischen Medienwatchblog “Kobuk” ist eine fehlerhafte Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aufgefallen, die anscheinend ungeprüft von zahlreichen Redaktionen übernommen wurde: “Sämtliche Medien hätten diesen Fehler erkennen und korrigieren können, wenn sie sich die Grafik der Original-Quelle angeschaut hätten. Ein Aufwand von nicht einmal einer Minute. Augenscheinlich ist aber auch das schon zu viel verlangt.”

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4. Auskunftsanspruch gegen Verteidigungsministerium
(urheberrecht.org)
Laut einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen müsse das Verteidigungsministerium der Presse Auskunft geben zu Details eines Fotos, das den Sohn der Ministerin Christine Lambrecht in einem Hubschrauber der Bundeswehr zeigt. Das ist inzwischen passiert, eine Sprecherin des Ministeriums sagte gegenüber dem “Tagesspiegel”: Das Foto, um das es geht, habe Lambrecht selbst aufgenommen.

5. Jeder Artikel der SPIEGEL-Gruppe auch zum Hören
(devspiegel.medium.com)
Die “Spiegel”-Gruppe will ihre Inhalte “zugänglicher und alltagstauglicher” machen, dazu gehören auch Audioinhalte “zum barrierefreien Konsum von Nachrichten”. Im “Spiegel”-Entwicklerblog wird der Weg vom geschriebenen Artikel zum Audio erklärt, und der ist dank “Text-to-Speech”-Technologie überraschend kurz: “Der neue Prozess zur Vertonung ist vollautomatisiert. Von der Veröffentlichung des geschriebenen Artikels bis zur Einbindung des Audios im Artikel vergeht in der Regel weniger als eine Minute.”

6. Diese Katar-Dokus sollten Sie vor dem WM-Start gesehen haben
(dwdl.de, Alexander Krei)
Anlässlich der bald beginnenden Fußballweltmeisterschaft stellt Alexander Krei bei “DWDL” die seiner Ansicht nach besten Katar-Dokus vor. Darunter ist auch eine vor mehreren Jahren erschienene Reportage des inzwischen verstorbenen CDU-Politikers Norbert Blüm, die nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren habe.

“Bild” und “die unwahrscheinliche dritte Möglichkeit”

Die russische Armee hat Polen bombardiert!

So beginnt der Kommentar von “Bild”-Chefredakteur Johannes Boie, den man heute in der gedruckten “Bild” lesen kann und der bereits gestern Abend bei Bild.de erschienen ist. Überschrieben ist er mit “Putin spielt mit dem Weltkrieg”:

Ausriss Bild-Zeitung - Kommentar - Putin spielt mit dem Weltkrieg - von Johannes Boie

Auch die heutige “Bild”-Titelseite lässt wenig Zweifel am Ursprung der Rakete (oder Raketen), die gestern im polnischen Dorf Przewodów eingeschlagen ist und zwei Menschen getötet haben soll:

Ausriss Bild-Titelseite - Nach amerikanischen Angaben - Zwei Tote - Putin feuert Raketen nach Polen - Nationaler Sicherheitsrat einberufen

Genauso deutlich auf Seite 2:

Ausriss Bild-Zeitung - Gezielter Angriff oder verirrte Geschosse? Polen in höchster Alarmbereitschaft - Putin-Raketen auf Nato-Gebiet

Und bei Bild.de hieß es schon gestern Abend eindeutig:

Screenshot Bild.de - Nationaler Sicherheitsrat einberufen - Zwei Tote! Russen-Raketen in Polen eingeschlagen

Heute berichtet Bild.de:

Screenshot Bild.de - Nach Explosion in Polen - Hinweise auf ukrainische Flugabwehrrakete

Denn so klar, wie die “Bild”-Medien es erscheinen ließen, war die Lage gestern Abend nicht. Inzwischen sollen die USA davon ausgehen, dass die Rakete nicht von Russland aus gestartet wurde, sondern dass es sich um eine Flugabwehrrakete handelt, die ukrainische Soldaten abgefeuert haben. Gestern wurde die Ukraine erneut heftig von Russland mit Raketen beschossen. US-Präsident Joe Biden antwortete auf die Frage, ob es zu früh sei, um sagen zu können, ob die Rakete von Russland abgefeuert wurde, dass es vorläufige Informationen gebe, die dagegensprächen. In Anbetracht der Flugbahn der Rakete sei es unwahrscheinlich, dass sie von Russland abgefeuert wurde, so Biden. Der polnische Präsident Andrzej Duda sagte, es gebe keine Beweise dafür, dass die Rakete von Russland abgefeuert wurde. “Höchstwahrscheinlich” stamme sie von der ukrainischen Luftabwehr, so Duda, “absolut nichts deutet darauf hin, dass dies ein absichtlicher Angriff auf Polen war”. Und auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte heute in einer Pressekonferenz, dass die bisherigen Untersuchungen darauf hinweisen, dass es sich um eine Flugabwehrrakete der Ukraine gehandelt hat.

“Bild” und Johannes Boie meinten hingegen, mehr zu wissen.

Auf der heutigen Titelseite hat die Redaktion über ihrer riesigen Überschrift zwar noch klein “NACH AMERIKANISCHEN ANGABEN” geschrieben. Aber das ist ein etwas merkwürdiger Versuch, die Tatsachenbehauptung jemand anderem zuzuschreiben. Es gab durchaus eine Meldung der Nachrichtenagentur AP, in der ein um Anonymität bittender “U.S. official” von russischen Raketen spricht, die nach Polen geflogen seien. Es gab gestern Abend aber auch eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters, in der ein namentlich genannter Sprecher des Pentagon sagt, dass man bislang keine Informationen habe, mit denen man Medienberichte bestätigen könnte, dass es sich um Raketen Russlands handelt.

Einen Hinweis auf “die Nachrichtenagentur AP mit Berufung auf einen US-Geheimdienstbeamten” hat auch Chefredakteur Johannes Boie bei Bild.de noch nachträglich in seinen Kommentar geschrieben. Und nicht nur das. In der Ursprungsversion, die heute auch in der “Bild”-Zeitung zu lesen ist, legt Boie sich fest, dass es sich um “einen bewaffneten Angriff auf Nato-Territorium” handelt, erörtert die politischen Folgen, sollte es sich dabei um ein Versehen Russlands handeln, und schreibt anschließend:

Oder Putin hat die Nato mit Absicht angegriffen. Dann muss das Militärbündnis hart zurückschlagen. Denn die Nato kann ihr Territorium nicht einfach bombardieren lassen, ihre Bürger nicht im russischen Bombenhagel sterben lassen. Putin reagiert nur auf Gewalt.

Der irre Tyrann bringt uns immer näher an einen dritten Weltkrieg.

Inzwischen findet man bei Bild.de an dieser Stelle einen weiteren Absatz. Die Passage lautete nun:

Oder Putin hat die Nato mit Absicht angegriffen. Dann muss das Militärbündnis hart zurückschlagen. Denn die Nato kann ihr Territorium nicht einfach bombardieren lassen, ihre Bürger nicht im russischen Bombenhagel sterben lassen. Putin reagiert nur auf Gewalt.

Sollte die unwahrscheinliche dritte Möglichkeit zutreffen, dass die Explosion die Folge der ukrainischen Flugabwehr war, dann sind – tatsächlich – auch die Russen schuld. Denn sie spielen an der Nato-Grenze mit dem Feuer.

Der irre Tyrann bringt uns immer näher an einen dritten Weltkrieg.

In üblicher “Bild”-Manier fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass an dem Text nachträglich etwas verändert wurde.

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