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Jäger des vermuteten Schatzes

Fast zwei Wochen war “Bild” in Guatemala auf “Gold-Expedition”. Gemeinsam mit dem “Forscher” Joachim Rittstieg hoffte die Zeitung dort einen “Maya-Schatz” zu finden.

Das Expeditionsteam fand nichts, sorgte aber für einige Aufregung in dem zentralamerikanischen Land und in der Wissenschaftsgemeinde.

Daniel Schleusener vom Blog “The Complete Mesoamerica (and more)” hat die “Schatzsuche” von “Bild” die ganze Zeit über aufmerksam verfolgt und für uns einen Gastbeitrag verfasst:

Kepplinger, Liveticker, Hauptstadt-Magazin

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ein Teil der Medien instrumentalisiert Kernkraft, um Politik zu machen”
(derstandard.at, Doris Priesching)
Die Berichterstattung über das Erdbeben in Japan habe sich schnell vom zu beobachtenden Elend auf die Risiken der Kernkraft verlagert, stellt Hans Mathias Kepplinger fest – das tatsächliche Leid von hunderttausenden Menschen werde so über weite Strecken ausgeblendet. “Die Mehrheit der deutschen Journalisten ist gegen Atomkraft. Sie sehen ihre Chance, durch intensive Berichterstattung über Gefahren der Kernkraft ihre Sicht mitzuteilen.”

2. “Verloren im Stimmengewirr”
(nzz.ch, Florian Coulmas)
Florian Coulmas, Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio, stellt eine Sehnsucht fest nach “eindeutigen, zuverlässigen Aussagen, nach denen man sich richten kann”. “Eine Konsequenz der Internet-Revolution ist, dass man ausserhalb des Erdbebengebiets viel mehr weiss und vermeint zu wissen als dortselbst; denn die Infrastruktur ist dort völlig zusammengebrochen. Während man sich in Zürich, Houston und Nairobi Bilder von dem weggeschwemmten Flughafen von Sendai betrachtet, weiss man davon zehn Kilometer weiter noch nichts.”

3. “Japan-News: der Boom der Live-Ticker”
(meedia.de, Alexander Becker)
Alexander Becker fragt bei Online-Portalen zu den vermehrt für alle möglichen Themen verwendeten Livetickern nach: “Sowohl Plöchinger wie auch Böcking widersprechen dem Gerücht, dass Ticker zudem den wirtschaftlichen Vorteil hätten, dass sie helfen, redaktionelle Manpower einzusparen.” Zum Thema schreibt auch Alexander Kissler auf “The European”.

4. “Kuhn-Interview sorgt für viel Aufregung”
(20min.ch, Daniela Gigor)
Ein vom Zürcher “Hauptstadt-Magazin” veröffentlichtes Interview mit René Kuhn, Autor des Buchs “Zurück zur Frau: Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen”, ist frei erfunden. Auf seiner Website nimmt Kuhn dazu ausführlich Stellung.

5. “Grosse Jagd auf kleine Fehler”
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Nick Lüthi stellt das Blog fehler.li vor, das sich um Fehler in Schweizer Medien kümmert.

6. “Gloves Off in German Media Scramble”
(nytimes.com, Eric Pfanner, englisch)
Die Beziehung zwischen “Bild” und “Spiegel” aus US-amerikanischer Sicht.

taz.de  

Nochmal Schwein gehabt

Reiner Metzger hat auf taz.de seiner Wut auf die Informationspolitik der Atomlobby freien Lauf gelassen:

Dieses Vertuschen und Verzögern ist ein unfassbarer Skandal: Die Methoden der Atomlobby KOMMENTAR VON REINER METZGER

Verglichen mit einem japanischen Kernreaktor scheint sich das Gemüt eines stellvertretenden Chefredakteurs der “taz” jedoch einigermaßen leicht abkühlen zu lassen. Denn wie man an der URL erkennen kann, war die Überschrift bei Veröffentlichung des Artikels noch deutlich deftiger:

die-dreckschweine-von-der-atomlobby

Es ist vielleicht ganz gut, dass die “taz” den ursprünglichen Titel geändert hat, denn wer andere Menschen als “Dreckschweine” bezeichnet, befindet sich in schlechter Gesellschaft.

Mit Dank auch an den Hinweisgeber.

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Besoffenheitsjournalismus (2)

Alle Jahre wieder wird “Bild” zur meistzitierten Tageszeitung Deutschlands erklärt. Das hat nur bedingt mit Qualität zu tun und liegt unter anderem daran, dass “Bild” schneller als andere Medien ungeprüfte Informationen als Tatsachen ausgibt.

Als etwa am Rosenmontag in Bonn ein Fahrzeug vom obersten Deck eines Parkhauses stürzte, glaubt “Bild” schon bald darauf zu wissen:

Beifahrer (19) tot 16-Jährige raste betrunken vom Parkhaus

Und im Text heißt es:

Nach BILD-Informationen waren beide Jugendlichen betrunken.

Davon, dass die beiden Jugendlichen betrunken gewesen sein sollen, berichteten dann auch die Bonner Lokalzeitung “General-Anzeiger” und das Nachrichtenportal von t-online — beide unter Berufung auf “Bild”.

Wie zuverlässig “BILD-Informationen” letztlich sind, zeigte sich einen Tag später, als sich Fred Apostel, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, gegenüber der “Rhein-Zeitung” zu dem Unglück äußerte:

Spekulationen einer Boulevardzeitung, wonach die Fahrerin nach Informationen des Blattes betrunken unterwegs gewesen ist, widersprach Apostel energisch: “Das jetzt vorliegende Ergebnis der Blutprobe sagt eindeutig, dass das Mädchen mit 0,0 Promille voll nüchtern war.”

Vielleicht wäre “Bild” nicht mehr die meistzitierte Tageszeitung, wenn andere Medien darauf verzichteten, genau solche “Spekulationen einer Boulevardzeitung” weiterzuverbreiten.

Mit Dank an Tobias G.

Tim K., Gefechte, Yokoso News

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der doppelte Tim K.”
(taz.de, Julia Walker)
Tim K. aus Bremen wurde am 11. März 2009 von vielen als der Amokläufer von Winnenden angesehen. “Wer kommt eigentlich auf die Idee, dass jemand aus Bremen über 600 Kilometer nach Stuttgart fährt, um dort an einer Schule Amok zu laufen?”

2. “USA – Australien – Bild.de”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com)
Thomas spürt der Herkunft des von “Bild” beschriebenen Supermonds nach.

3. “Inszenierte Gefechte?”
(sueddeutsche.de, Christina Maria Berr)
Wie realistisch ist die von Helmut Scheben auf journal21.ch aufgeworfene Behauptung, die meisten Bilder von Kampfhandlungen seien gestellt? Christina Maria Berr fragt in der Medienbranche nach.

4. “Betr. Erdbebenkatastrophe als geschmackloses ZDF-‘Musikvideo'”
(carta.info, Martin Oetting)
Martin Oetting schreibt an das ZDF, weil das “heute-journal” Bilder vom Erdbeben in Japan musikalisch unterlegt. “Dass Sie nicht davor zurückschrecken, diese schlimmen Bilder zum Rhythmus von Musik zu schneiden, also daraus sozusagen eine Unterhaltungsshow zu formen, ist aus meiner Sicht schockierend.”

5. “Die Unerträglichkeit von Twitter”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert erlebt Twitter am Wochenende als “als Hort von Desinformation und Panikmache”.

6. “Katz Ueno: Das Ein-Mann-Katastrophen-Social-Media-TV”
(fastvoice.net, Wolfgang Messer)
Wolfgang Messer stellt den Livestream von Yokoso News vor.

Indizien-Express

Es ist immer das Gleiche: Eine Zeitung behauptet, ein Fußballspieler stehe vor einem Vereinswechsel, und der Spieler dementiert. Erst im Nachhinein lässt sich sagen, wer recht hatte — das Verhältnis dürfte etwa bei 50:50 liegen.

Insofern ist es mit Vorsicht zu genießen, wenn Marco Reus von Borussia Mönchengladbach heute auf der Vereins-Website beteuert, er habe keinerlei Wechsel-Ambitionen, die ihm der “Express” für den Fall des Abstiegs aus der ersten Bundesliga unterstellt hatte.

Doch der “Express” hatte noch mehr geschrieben:

Sein neuer Audi Q 5, mit dem er am Dienstag zum Gladbacher Training erschien, hat bereits ein Dortmunder Kennzeichen…

Der 21-jährige gebürtige Dortmunder hat dafür eine recht einleuchtende Erklärung:

Und zu der Sache mit dem Nummernschild: Meine Eltern leben in Dortmund, deshalb das Dortmunder Kennzeichen, und das nicht neuerdings, sondern schon lange.

Mit Dank an Marcus M. und Lukas K.

Zensoren unter sich

Das ganz große Fass der von der prothesenproduziernden Industrie gesponserten Vergleiche hat Bild.de aufgemacht:

Zensur wie in China! Berliner Stadtbibliothek sperrt Bild.de

In einer Stadtteilbibliothek in Steglitz hatte ein “Bild”-Leser festgestellt, dass Bild.de auf den dortigen Internet-PCs nicht aufgerufen werden kann.

Die Bibliothek, die die Sperre mit Filtersoftware aus dem Ausland begründet, verhält sich nach Ansicht von Bild.de also wie die chinesische Regierung — oder eben wie Bild.de, das seine eigene Website für iPad-Nutzer sperrt, damit diese die kostenpflichtige “Bild”-App nutzen.

Leserkommentare, die auf die iPad-Geschichte hinwiesen oder den China-Vergleich als übertrieben kritisierten, hat Bild.de gelöscht und die Kommentarfunktion abgeschaltet. Eben Zensur wie in China der Stadtbibliothek.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Wie man Luft erwärmt

Im Allgemeinen hält Bild.de klassische Bildung ja eher für überflüssig — es sei denn, man kann damit jemanden anschwärzen. Einen weiteren Grund gibt es aber doch:

Mit diesem Wissen können Sie richtig angeben

Da Wissen nicht auf Bäumen wächst, haben die Bild.de-Redakteure einfach in dem Buch “Physik für Eierköpfe” des britischen Wissenschaftlers Brian Clegg geblättert und daraus zehn “kuriose Fakten” abgeschrieben. Das heißt: fast abgeschrieben. Denn obwohl Clegg in jedem Mini-Kapitel ein paar mundgerecht aufbereitete “Fakten zum Angeben” auflistet, schafft es Bild.de, trotzdem noch Fehler einzubauen.

BILD.de stellt hier die zehn kuriosesten Fakten der Physik vor: 1. Fällt Schweres wirklich schneller als Leichtes?  Der griechische Philosoph Aristoteles behauptete genau das. Macht ja auch Sinn, wenn man gleichzeitig Hammer und Feder fallen lässt. Da er als der Mann in der Physik überhaupt galt, zweifelte niemand an seiner Theorie, bis Apollo-15-Kommandant Dave Scott kam. 1972 führte er das Experiment auf dem Mond durch. Und siehe da: Ohne Luftwiderstand erreichten beide Gegenstände gleichzeitig den Boden.

Aristoteles hatte zwar einigen Einfluss, aber Galileo Galilei hatte bereits 1604 festgehalten, dass Gegenstände unabhängig vom Gewicht von ihrer Masse gleich schnell fallen, wenn der Luftwiderstand keine Rolle spielt — über 350 Jahre vor den Mondmissionen. Das steht im übrigen auch in Brian Cleggs Buch und sollte eigentlich jedem bekannt sein, der im Physikunterricht nicht geschlafen hat. Und wer es nicht weiß, kann es sich von Dave Scott selbst erklären lassen.

Doch dann wagt sich Bild.de auch noch an die Relativitätstheorie heran:

3. Der einfachste Trick, um Einsteins Relativitätstheorie zu kapieren  Wenn man einem Objekt Energie zuführt, vergrößern wir dessen Masse. Heißt: es wird schwerer. Eine Tasse heißer Kaffee wiegt daher mehr als eine Tasse kalter Kaffee.

Das ist zwar hypothetisch richtig: Wie Einstein in seiner Relativitätstheorie festgestellt hat, besteht ein Zusammenhang zwischen Energie und Masse. Der Effekt bei der Erwärmung einer Tasse Kaffee wäre aber so gering, dass er sich nicht messen lässt. Gleichzeitig dehnt sich Kaffee bei der Erwärmung aus, die Flüssigkeit wird also im Verhältnis zum Volumen leichter. Außerdem nimmt seine Masse durch Verdunstung ab. Der erwärmte Kaffee ist also in der Realität eher leichter als zuvor.

Wer also – wie von Bild.de vorgeschlagen – beim “Smalltalk im Aufzug oder bei einem wichtigen Geschäftsessen” mit der Kaffee-Version von Einsteins Relativitätstheorie aufwarten will, kann nur darauf hoffen, dass sein Gegenüber noch weniger Ahnung von Physik hat als er selbst (oder als Bild.de).

Mit Dank auch an Markus K.

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Das Comeback der Eva Braun (2)

Das war ja zu erwarten gewesen: Nachdem Bild.de gestern ein Foto von Eva Braun, das vor 64 Jahren im Magazin “Time” zu sehen gewesen war und im Laufe der Jahrzehnte immer mal wieder in Büchern und Zeitschriften veröffentlicht wurde, als “neu” und “jetzt aufgetaucht” bezeichnet hatte, ist die Geschichte heute auch in der gedruckten “Bild” angekommen.

Hitlers Geliebte Eva Braun: Privat-Fotos aufgetaucht! Sie verkleidete sich gerne: Eva Braun imitiert den farbigen amerikanischen Jazz-Sänger Al Jolson (1937).

Anders als “Bild” behauptet, war der Sänger Al Jolson, als der sich Eva Braun verkleidet hat, auch nicht “farbig”, sondern praktizierte das rassistische “Blackface”, bei dem ein Weißer, als Schwarzer auftritt.

Dem “Berliner Kurier”, der Jolson ebenfalls für “schwarz” hält, war das vermeintlich “geheime” Foto sogar eine Platzierung auf der Titelseite wert:

Hitlers Geliebte Eva Braun: Das geheime Foto-Album

Mit Dank an Jürgen H. und Eva.

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Schuld sind immer die Griechen

Am Dienstag teilte die Bundesbank mit, sie habe 2,2 Milliarden Euro Überschuss im Jahr 2010 erwirtschaftet. Der Gewinn, der vollständig in den Bundeshaushalt fließt, liegt damit 800 Millionen unter den 3 Milliarden Euro, die das Finanzministerium eigentlich eingeplant hatte, woraus folgt, dass das fehlende Geld im Haushalt andersweitig beglichen oder eingespart werden muss.

Für “Bild” ist dies ein willkommener Anlass, ein offenbar liebgewonnenes Feindbild zu pflegen:

Pleite-Griechen: Krise kostet uns schon 800 Mio. Euro

Triumphierend verkündet Redakteur Jan W. Schäfer:

Die Schuldenkrise Griechenlands kommt die Steuerzahler nun DOCH teuer zu stehen!

Wie immer ist die Realität weitaus komplizierter. Immerhin räumt Schäfer ein:

Grund ist die Schuldenexplosion in Griechenland und anderen Euro-Staaten, die den Bundesbank-Gewinn drastisch geschmälert hat.

Und damit sind wir auch schon bei einem wichtigen Punkt angelangt: Nicht nur die “Pleite-Griechen”, sondern auch die Schuldenkrisen in Portugal und Irland haben Einfluss auf die Bilanz der Bundesbank. Die oben genannten 800 Millionen Euro sind zudem nicht einfach weg, wie “Bild” seine Leser glauben macht, sondern bleiben der Bank zur Risikoabsicherung erhalten.

In einer dpa-Meldung heißt es:

Die Notenbank erhöhte ihre Risikovorsorge für “allgemeine Wagnisse” um 1,6 Milliarden Euro auf 3,6 Milliarden Euro.

Dort steht außerdem, dass die Bundesbank auf einem ganz anderen Feld einen tatsächlichen Verlust von immerhin 600 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen musste:

Auch die Zinserträge als wichtigste Quelle für den Gewinn der Bundesbank gingen 2010 erneut zurück: Der Nettozinsertrag sank von 4,2 Milliarden Euro auf 3,6 Milliarden Euro. (…) Bundesbank-Vorstandsmitglied Rudolf Böhmler erklärte: “Ursächlich für den anhaltenden Rückgang der Zinserträge sind die weiterhin historisch niedrigen Leitzinsen des Eurosystems.”

Für den niedrigen Leitzins kann Griechenland jedoch nichts. Er wurde ab 2008 im Zuge der Finanzkrise schrittweise auf das heutige Niveau gesenkt, das seit Mai 2009 bei 1,0 Prozent liegt.

Überhaupt profitierte die Bundesbank im letzten Jahr nicht zuletzt von der Krise in Ländern wie Griechenland, die mitverantwortlich dafür war, dass die Goldpreise kräftig anzogen.

dpa berichtet:

Zum Jahresende stand in der Bilanz ein Goldwert von 115 Milliarden Euro nach 84 Milliarden Euro ein Jahr zuvor – dank des Höhenflugs bei dem Edelmetall.

Von diesen 31 Milliarden Euro, gegen die die 800 Millionen fast schon wie Peanuts wirken, erhält das Finanzministerium jedoch nichts:

Der Bewertungsgewinne bei Goldreserven wurden beim Bundesbank-Gewinn nicht eingerechnet

Genauso leer – allerdings an Informationen – gehen die “Bild”-Leser aus. Sie werden in gewohnter Manier aufgehetzt.

Weil die griechische Regierung auch noch gewagt hatte, um längere Tilgungfristen zu bitten, schreibt Schäfer:

Und die Griechen? Sie fordern auch noch Entlastungen!

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