KW 45/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Warum wird Klima oft als politisches Thema missverstanden, Sara Schurmann?
(newsfluence.podigee.io, Eva-Maria Schmidt, Audio: 31:30 Minuten)
Die freie Journalistin Sara Schurmann hat sich vor zwei Jahren mit einem offenen Brief an ihre Kollegen und Kolleginnen gewandt. Ihr Appell: Medienschaffende sollten bei jeder Berichterstattung die Auswirkungen auf das Klima mitdenken (hier die Dokumentation des Briefs). Im “Newsfluence”-Podcast erklärt Schurmann, weshalb konstruktiver Journalismus aus ihrer Sicht wichtig ist und wie Klimaberichterstattung aussehen sollte. Außerdem verrät sie, wem man auf Twitter folgen kann und auf welche Plattform sie selbst vielleicht bald wechselt.

2. Wie wird die WM in Katar den Sportjournalismus verändern?
(br.de, Linus Lüring, Audio: 23:14 Minuten)
In einer Woche beginnt die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Wie werden die Bedingungen vor Ort für Journalistinnen und Journalisten sein? Und wie wird diese WM die Sportberichterstattung verändern? Im BR24-Medienmagazin spricht Linus Lüring mit Sportreporterin Julia Metzner, Investigativjournalist Benjamin Best, Christopher Resch von Reporter ohne Grenzen und Ex-Nationalspieler Timo Hildebrand.

3. Die Twitter-Konferenz
(deutschlandfunkkultur.de, Christine Watty, Audio: 39:15 Minuten)
Seit der Twitter-Übernahme durch den Tech-Milliardär Elon Musk geht es auf der Plattform noch lebhafter zu als sowieso schon. Jeden Tag scheint Musk sich etwas Neues auszudenken, was jedoch oft wenig Bestand hat und kurze Zeit später wieder einkassiert wird. Deutschlandfunk Kultur hat sich mit drei Twitter-Größen über das derzeitige Chaos unterhalten: der Journalistin Nicole Diekmann, dem Satiriker Dax Werner und dem Literaturwissenschaftler und Autor Johannes Franzen.

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4. Warum sollte es einen überhaupt kümmern, was da gerade bei Twitter passiert?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 33:12 Minuten)
Auch im “Übermedien”-Podcast “Holger ruft an” geht es um den aktuellen Wirbel bei Twitter. “Übermedien”-Mitgründer Stefan Niggemeier erklärt, warum er Twitter nach wie vor für sehr bedeutend hält: “Er findet, dass Twitter ‘ein toller Ort für Kommunikation’ sei. Und deshalb wichtig. Allgemein, aber auch ihm ganz persönlich. Weil er das ‘Megaphon’, das er da hat, nicht einfach so abgeben will.”

5. Buhrow privat zur ARD-Reform und Twitter unter Musk
(wdr.de, Steffi Orbach, Audio: 43:36 Minuten)
Im WDR5-Medienmagazin “Töne, Texte, Bilder” gibt es ein buntes Themenangebot: Es geht um die debattenauslösende Wirkung der letzten Rede des ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow, um Geschichtsvermittlung in neuen Medien, um die Proteste im Iran und deren mediale Verbreitung sowie um katholische Medienarbeit.

6. Hauptsache Reichweite: Sind Influencer die neuen Journalisten?
(ndr.de, Zapp Medienmagazin, Video: 22:52 Minuten)
Influencerinnen und Influencer übernehmen immer öfter klassische Journalistenjobs und das teilweise sogar unter dem Dach des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch nicht nur sie übertreten die Grenze zum Journalismus, dies passiere auch in die andere Richtung. “Zapp” fragt: “Ist es ein Problem, dass die Grenzen verschwimmen?”

Bild.de lässt mögliche Täter-Uhr stehen bleiben

In der Nacht auf den 3. Oktober ist im bayerischen Hohenaschau eine 23-jährige Frau getötet worden. Etwa um 2:30 Uhr soll sie einen Club verlassen und sich auf den Heimweg gemacht haben. Bereits kurz darauf, spätestens um 3 Uhr, soll es zu dem Verbrechen gekommen sein. Die Polizei sucht noch nach Tatverdächtigen und setzt dabei auch auf eine Armbanduhr: Die Beamten fanden ein markantes, überwiegend aus Holz gefertigtes Modell am mutmaßlichen Tatort, das Armband aufgerissen. Ganz in der Nähe lag auch ein Ring, den das Opfer am Abend noch getragen hatte. Ob die Uhr mit der Tat in Verbindung steht, ist nicht klar. Die Polizei sucht aber nach dem Besitzer.

Am Mittwoch waren Fall und Uhr auch Thema in der ZDF-Sendung “Aktenzeichen XY… Ungelöst”. Hans-Peter Butz, Leiter der eingesetzten Sonderkommission, war zu Gast im Studio.

Und dann konnte Bild.de gestern auch noch berichten:

Screenshot Bild.de - Mordfall Hanna bei Aktenzeichen XY ungelöst - Um 2:39 Uhr blieb diese Uhr stehen - Sie wurde in der Nähe des Tatorts gefunden
(Unkenntlichmachung durch uns.)

“Bild”-Reporter Jörg Völkerling schreibt:

Butz im Gespräch mit XY-Moderator Rudi Cerne: “Es ist möglich, dass die Uhr beim Kampf mit dem Täter abgerissen wurde.” Auffällig: Die Zeiger blieben bei 2.39 Uhr stehen!

Das lässt den Zusammenhang von Uhr und Tat noch klarer erscheinen: Die Tatzeit liegt zwischen 2:30 Uhr und 3 Uhr, die Zeiger der gefundenen Armbanduhr sollen laut Bild.de um 2:39 Uhr stehen geblieben sein – Treffer!

Das Problem dabei: Die Uhr ist, anders als von Völkerling behauptet, gar nicht stehen geblieben. Schon in der ZDF-Sendung konnte man auf zwei verschiedenen, eingeblendeten Fotos erkennen, dass sich der Sekundenzeiger zwischen beiden Aufnahmen bewegt hat:

Screenshot Aktenzeichen XY ungelöst - Zu sehen sind zwei verschiedene Fotos der Uhr, auf denen der Sekundenzeiger unterschiedliche Stellungen hat

Auf Nachfrage bestätigte uns ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern Süd:

Die Stellung der Zeiger der Uhr spielt, wie wir bereits bei Veröffentlichung der Fotos erwähnt haben, keine Rolle. Die Uhr war zum Zeitpunkt des Fundes funktionstüchtig, lief also. Das Foto entstand am Tag nach dem Fund der Uhr, zufällig zu einer Zeit, die mit der – von Medienvertretern vermuteten – Tatzeit übereinstimmen könnte.

(Hervorhebungen im Original.)

Oder anders gesagt: Die “Bild”-Redaktion stiftet bei einen Verbrechen, bei dem sowieso noch vieles geklärt werden muss, zusätzliche Verwirrung.

Mit Dank an Stefan für den Hinweis!

Konflikte im WDR, Mögliche Twitter-Pleite, “Goldene Kartoffel”

1. Konflikte im WDR: Es geht auch um eine Viertelmilliarde Euro für das Filmhaus in Köln
(correctiv.org, Annika Joeres & Frederik Richter & Anne Burgmer)
Beim WDR rumort es, dementsprechend könnte am heutigen Freitag eine sehr schwierige Betriebsversammlung bevorstehen. “Correctiv” hat die zahlreichen Konfliktthemen zusammengefasst, die von Einzelfragen bis zu allgemeinen Überlegungen reichen. Und natürlich werde es auch um den kostspieligen Umbau des Filmhauses gehen, dessen Kalkulation derzeit vom Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen überprüft werde.

2. Hochrangige Mitarbeiter verlassen Twitter – Musk schließt Pleite nicht aus
(tagesspiegel.de)
Tech-Milliardär Elon Musk sorgt im Zuge seiner Twitter-Übernahme für weiteres Chaos und soll inzwischen auch eine etwaige Insolvenz des Unternehmens nicht ausschließen. Die US-Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission macht sich unterdessen Sorgen, dass Twitter gegen eine Übereinkunft mit der Behörde in Sachen Datensicherheit und Datenschutz verstoßen könnte, was Strafen in Millionenhöhe nach sich zöge: “Kein Geschäftsführer oder Unternehmen steht über dem Gesetz.”

3. “Goldene Kartoffel” für SWR-Dokumentation
(verdi.de)
Der von den “Neuen deutschen Medienmacher*innen” verliehene Negativpreis “Goldene Kartoffel” geht dieses Jahr stellvertretend an eine SWR-Doku: “Die Dokumentation ‘Russlanddeutsche – unsere fremden Nachbarn?’ erhebt den Anspruch, einen differenzierteren Blick auf die Gruppe zu werfen – löst dies aber nicht ein. Die Doku zeichnet ein tendenziöses, stigmatisierendes und verzerrtes Bild.”

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4. 57 Millionen Menschen sind täglich im Internet
(tagesschau.de)
Laut der neuesten “ARD/ZDF-Onlinestudie” sind vier von fünf Menschen in Deutschland täglich online: “In Deutschland nutzen 2022 fast 57 Millionen Menschen täglich das Internet. Das entspricht 80 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren und damit dem höchsten jemals gemessenen Wert in der seit 1997 erhobenen ARD/ZDF-Onlinestudie.”

5. Vollbrecht-Tweet darf als Leugnung von NS-Verbrechen bezeichnet werden
(spiegel.de)
Das Landgericht Köln hat in einem Urteil festgestellt, dass ein Tweet der Berliner Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht “als Leugnen von NS-Verbrechen gewertet werden” könne. Vollbrecht müsse “einprägsame, auch starke Formulierungen” ihrer Kritikerinnen und Kritiker ertragen, da sie sich selbst “in der Öffentlichkeit äußerst plakativ und provokant zu Wort gemeldet” habe, so das Urteil. Marie-Luise Vollbrecht habe jedoch angedeutet, dass sie womöglich gegen das Urteil in Berufung gehen werde.

6. “Mit dem Image des manchmal arroganten Oberlehrers konnte ich gut leben”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Mehr als zwei Jahrzehnte hat sich Frank Plasberg mit seiner Sendung “Hart aber fair” dem Polittalk gewidmet. Nun verlässt er die TV-Bühne. Bei “DWDL” spricht Plasberg über seinen selbstgewählten Rückzug, seinen Nachfolger und die gesellschaftliche Situation in Deutschland, die bisweilen schon US-amerikanische Züge trage.
Weiterer Hinweis: Das letzte Mal “Hart aber fair” mit Frank Plasberg gibt es am kommenden Montag, 14. November. Das Thema wird dann sein: Ab in die Wüste – wer freut sich auf die WM in Katar? Ab dem 9. Januar 2023 gehe es dann mit Louis Klamroth als neuen Moderator weiter.

Rotstift bei “Bild TV”, “Edition F” bleibt, “Medienwoche” geht

1. »Bild« will TV-Angebot schrumpfen
(spiegel.de, Anton Rainer & Alexander Kühn)
Nach “Spiegel”-Informationen setzt der Axel-Springer-Verlag bei seinem Bewegtbildangebot “Bild TV” den Rotstift an. Der Sendebetrieb verschlinge offenbar zu viel Geld bei zu geringen Werbeeinnahmen. Künftig solle “Bild TV” deshalb nur noch auf Sparflamme weiterlaufen: “Das zentrale Programmangebot des Senders”, die werktägliche Live-Schiene, könnte verschwinden, berichten Anton Rainer und Alexander Kühn.

2. Doch noch voller Erfolg gegen Hass-Kom­men­tare
(lto.de, Annelie Kaufmann)
Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat einen Jahre andauernden Rechtsstreit gewonnen: Das Kammergericht in Berlin entschied, dass die hasserfüllten Reaktionen auf einen ihrer Facebook-Posts nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt waren. Facebook müsse jetzt die Daten der postenden Nutzer und Nutzerinnen herausgeben.

3. Streiktag in der ARD: Mit viel Wut im Bauch
(verdi.de)
Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di sind gestern an vielen ARD-Standorten hunderte Beschäftigte in den Warnstreik getreten, “mit Entschlossenheit und einer gehörigen Portion Wut”. In vielen Programmen sei es zu Ausfällen gekommen. Natürlich geht es bei dem Ausstand ums Geld: “ver.di fordert durchschnittlich Gehalts- und Honorarerhöhungen um sechs Prozent und stärkere Steigerungen besonders für Berufseinsteiger*innen und niedrige bis mittlere Entgelte. Außerdem sollten die Laufzeiten der Tarifabschlüsse auf zwölf Monate begrenzt werden.”
Weiterer Lesetipp: Deutschlandradio-Vorgesetzter rät seinen Mitarbeitern vom Streik ab (übermedien.de, Boris Rosenkranz).

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4. Gegen das “rote Zeckenparadies”
(taz.de, Ralf Leonhard)
In Österreich wurden zwei namhafte Chefredakteure wegen kompromittierender Chats freigestellt. Ralf Leonhard, Österreichkorrespondent der “taz”, ordnet den Fall und die Reaktionen darauf ein.

5. MEDIENWOCHE stellt Betrieb ein
(medienwoche.ch, Thomas Paszti)
Eine bedauernswerte Nachricht aus der Schweiz: Zwölf Jahre nach ihrer Gründung werde die “Medienwoche”, die wir auch gerne hier in den “6 vor 9” verlinken, Ende dieses Jahres eingestellt. In seinem Abschiedsbrief begründet “Medienwoche”-Gründer Thomas Paszti den Schritt: “Im Hinblick auf einen längerfristigen Weiterbetrieb in neuen Händen und ohne Quersubventionierung hat es die MEDIENWOCHE nicht geschafft, ausreichend Einnahmen aus dem Werbe- und Lesermarkt zu generieren.”

6. Ein neues Zuhause für EDITION F
(editionf.com)
Vor wenigen Wochen hatte “Edition F”, ein Onlinemagazin für Frauen, Insolvenz angemeldet, das Ende des Portals schien besiegelt. Doch nun die Wende – es könne weitergehen: “Edition F wird zukünftig ein Teil von Funke sein. Das heißt, es wird weiter wichtigen Content zu feministischen Themen in unserem Magazin, auf unseren Social Media Kanälen und in unseren Newslettern geben.”

Streik-Tag, Kindernachrichten für Erwachsene, Twitter-Chaos

1. ARD steht am Mittwoch bundesweiter Streik-Tag bevor
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Dem Mediendienst “DWDL” zufolge hat die Gewerkschaft ver.di in allen ARD-Anstalten für den heutigen Mittwoch zum Streik aufgerufen. Damit reagiere man auf die “festgefahrenen Verhandlungsstände” in der aktuell laufenden Tarif-Auseinandersetzung. Die Forderungen von ver.di sollen sich auf Gehalts- und Honorarerhöhungen von durchschnittlich sechs Prozent belaufen.

2. Katarischer WM-Botschafter nennt Homosexualität “geistigen Schaden”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
In der ZDF-Doku “Geheimsache Katar” hat sich der katarische WM-Botschafter herablassend über Homosexualität geäußert und sie als “geistigen Schaden” bezeichnet. Das Interview sei sofort durch den Pressesprecher des WM-Organisationskomitees abgebrochen worden. Diese Sequenz sei jedoch nicht die einzig bemerkenswerte während der 45 Minuten, findet “Tagesspiegel”-Redakteur Joachim Huber.

3. Die beste Kindernachrichtensendung für Erwachsene
(uebermedien.de, Katrin Wilkens)
Katrin Wilkens hat sich die Kindernachrichtensendung “Logo” angeschaut, die sie für die “beste Kindernachrichtensendung für Erwachsene” hält. Sie fragt sich: “Infantilisiert ‘Logo’ die herkömmlichen Nachrichtensendungen oder profitieren die von manchem jungen Zuschauer, der die ‘Tagesschau’ um 20 Uhr nicht mehr als Abendritual anerkennen mag?”

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4. Bei Twitter regiert das Chaos
(taz.de, Volkan Ağar)
Volkan Ağar kommentiert die Twitter-Übernahme durch Elon Musk und die zweifelhaften und chaotisch anmutenden Entscheidungen des neuen Eigentümers: “Musk beklagte am Freitag auf einer Investorenkonferenz einen ‘massiven Rückgang der Erlöse’ und beschuldigte ‘Aktivistengruppen’, Anzeigenpartner unter Druck zu setzen. Wenn er das Unternehmen nicht abschließend gegen die Wand fahren möchte, sollte Musk sein Verwirrspiel also lieber beenden. Aber vielleicht möchte er das auch gar nicht.”

5. Julia Jäkels Ruf aus der Gated Community
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer ärgert sich über einen Artikel, den die ehemalige Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel anlässlich der Twitter-Übernahme durch Elon Musk geschrieben hat (nur mit Abo lesbar): “Ganz, ganz viel in Julia Jäkels Text ist geprägt von einer Weltsicht, wie sie in der Filterblase der MedienentscheiderInnen vorherrscht. Man sieht sich als Verfechter der Demokratie, dämonisiert digitale Technik und das, obwohl ein selbstkritischer Blick auf das eigene Tun zur Erkenntnis führen könnte, dass man Teil des Problems ist und nicht Teil der Lösung.”

6. Deutschlands erster Journalismus-Sessel
(journalist.de, Martin Tege)
Radio Euskirchen und das “Innovationslabor für neuen Journalismus” tactile.news haben drei Tage einen “Journalismus-Sessel”, die sogenannte Dialogbox, durch die Stadt gerollt, um Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern einzufangen. Martin Tege berichtet über einen ungewöhnlichen Versuch, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.

Katar-Berichterstattung, Zu nah an den Mächtigen?, Freie Lizenzen

1. “Der Fußball-Fan in mir ist ziemlich sauer”
( faz.net, Martina Keller)
In Interview mit der “FAZ” äußert sich Journalist und Sportmoderator Jochen Breyer zu den schwierigen Arbeitsbedingungen für Medienschaffende rund um die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Er wünscht sich von seinen Kollegen und Kolleginnen dennoch eine kritische Berichterstattung: “Wir Journalisten werden dafür verantwortlich sein, uns nicht vom rollenden Ball ablenken zu lassen. Es wird so wichtig wie wahrscheinlich noch nie, auch das zu beleuchten, was außerhalb des Spielfelds passiert.” Breyer hat zusammen mit Julia Friedrichs die Doku “Geheimsache Katar” gedreht, die heute Abend im ZDF läuft und vorab, heute ab 12 Uhr, in der Mediathek zu sehen ist.

2. Zu nah an den politisch Mächtigen?
(sueddeutsche.de, Cathrin Kahlweit)
In Österreich lassen zwei führende Journalisten gezwungenermaßen vorerst ihre Jobs ruhen: Rainer Nowak, Chefredakteur und Co-Geschäftsführer der Zeitung “Die Presse”, und ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom. In beiden Fällen gehe es um die mangelnde Abgrenzung zu den politisch Mächtigen (sogenannte “Verhaberung”, siehe dazu auch die “6 vor 9” von gestern).

3. Reform von ARD & Co. – Vorschläge: jetzt!
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
“Tagesspiegel”-Medienredakteur Joachim Huber erkennt dringenden Gesprächs- und Reformbedarf bei den Öffentlich-Rechtlichen und sieht dabei vornehmlich die Führungsspitzen in der Pflicht. Hubers Vorschlag: “Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow formuliert bei seiner nächsten Rede nicht Fragen an die öffentlich-rechtliche Zukunft, sondern er liefert Antworten.”

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4. Twitter will laut Bericht entlassene Mitarbeiter zurückholen
(zeit.de)
Die große Kündigungswelle bei Twitter hat anscheinend auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwischt, die von dem Unternehmen eigentlich dringend benötigt werden. Nun bitte Twitter einem Medienbericht zufolge einen Teil der am vergangenen Freitag Entlassenen um Rückkehr an ihren alten Arbeitsplatz.

5. Es wird Zeit für freie Lizenzen bei Öffentlich-Rechtlichen
(netzpolitik.org, Jan-David Franke)
Auf netzpolitik.org setzt sich Wikimedia-Projektmanager Jan-David Franke für freie Lizenzen bei den Öffentlich-Rechtlichen ein: “Die Entscheider*innen in den Anstalten sollten freie Lizenzen endlich nicht länger als Wagnis, sondern als Chance begreifen. Gerade in Zeiten, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer stärker unter Druck gerät, kann ein klares Bekenntnis zu einer grundlegenden Freigabepraxis für Wissens- und Bildungsinhalte auch ein Befreiungsschlag sein.”

6. Der Bilder-Zwang auf LinkedIn und der Druck zu liefern
(meedia.de, Sabrina Harper)
Sabrina Harper klagt in ihrer “Meedia”-Kolumne über den LinkedIn-Algorithmus, der Posts mit mehrheitsfähigen Bildern bevorzuge: “Die starke Fokussierung auf das Medium Bild schränkt uns alle ein und ist irgendwie auch sinnlos. Es mag sein, dass in einer Printzeitschrift ein gutes Aufmacherbild den Weg in einen Artikel weist. In einem schnelllebigen Onlinenetzwerk würde ich lieber auf einen Blick wissen, was durch meinen Feed wabert.”

Das Ruhegeld der RBB-Spitzen, Übernahme mit Haken, Verhaberung

1. Über 1.100 RBB-Beschäftigte fordern Verzicht auf Ruhegeld
(dwdl.de, Alexander Krei)
Wie “DWDL” berichtet, haben über 1.100 Beschäftigte des öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) die Mitglieder der Geschäftsleitung in einer Protesterklärung aufgefordert, auf ihre nachvertraglichen Ruhegelder zu verzichten: “Der Anspruch auf eine lebenslange Absicherung, sobald die Tätigkeit für den RBB beendet wird, ist nicht nur moralisch schwer erträglich, sondern bedeutet eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für den RBB.”

2. Eine Übernahme mit Haken
(profil.at, Ingrid Brodnig)
“Man muss die Frage stellen, ob Elon Musk Twitter jetzt einfach kaputtmacht.” Die österreichische Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig stellt fünf Thesen zu Elon Musk und dessen Twitter-Kauf auf. Ohne zu viel zu verraten zu wollen: All zu positiv fällt Brodnigs Einschätzung nicht aus.
Weiterer Lesehinweis: Nachdem Musk anscheinend alle Ethik-Expertinnen und -Experten bei Twitter entlassen hat, hat sich Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, mit einem offenen Brief an den Tech-Milliardär gewandt: “Twitter ist Teil einer globalen Revolution, die unsere Kommunikation revolutioniert hat. Aber ich schreibe mit Sorge und Unbehagen über unsere digitale Öffentlichkeit und die Rolle, die Twitter darin spielt”.

3. “Whistleblowing stärkt den demokratischen Diskurs”
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Kosmas Zittel vom “Whistleblower-Netzwerk” ist unzufrieden mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz. Im Interview mit netzpolitik.org macht er deutlich, an welchen Stellen es seiner Ansicht nach knrischt – und das sind einige: Weder schütze das geplante Gesetz in ausreichender Weise, noch gehe es weit genug.

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4. Verhaberung behindert kritischen Journalismus
(sueddeutsche.de, Alexandra Föderl-Schmid)
Die vorwiegend in Österreich verwendete Vokabel “Verhaberung” ist eine abwertend gemeinte Beschreibung einer Verbrüderung zum Zwecke der gegenseitigen Begünstigung (auch “Freunderlwirtschaft” genannt). In Österreich scheint dieses Phänomen besonders im symbiotischen Verhältnis zwischen Journalismus und Politik zutage zu treten. Alexandra Föderl-Schmid erklärt diese spezielle Art der “Beziehungspflege”.

5. SLAPP – ein Schlag gegen die Pressefreiheit
(br.de, Ingo Lierheimer, Audio: 23:05 Minuten)
“SLAPP” ist die englische Abkürzung für strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (Strategic Lawsuits Against Public Participation). Sie dienen dazu, Medienschaffende sowie Aktivistinnen und Aktivisten einzuschüchtern und von deren Arbeit abzuhalten. Das BR24-Medienmagazin war auf einer Anti-“SLAPP”-Konferenz in Straßburg und hat von dort einige Stimmen mitgebracht.

6. Nach Kritik auf Twitter: ARD entschuldigt sich für “Ratten”-Wortwahl auf “tagesschau.de”
(tagesspiegel.de)
Mit deutlichen Worten hatte ARD-Korrespondent Nils Dampz die Twitter-Übernahme durch Elon Musk kommentiert und dabei auch von “rassistischen oder verschwörerische Ratten” gesprochen. Diese Wortwahl wurde von vielen kritisiert. Daraufhin hat tagesschau.de die entsprechende Textstelle geändert und den Begriff gestrichen: “Wir bitten um Entschuldigung für die Wortwahl. Es war nie das Ziel, jemanden zu entmenschlichen.”

KW 44/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. ZDF Magazin Royale vom 4. November 2022
(zdf.de, Video: 32:58 Minuten)
Im “ZDF Magazin Royale” rechnet Jan Böhmermann mit seinem Arbeitgeber ab: dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es geht um “falsche Verteilung von Geldern, schlechte Arbeitsbedingungen und veraltete Strukturen in den Gremien”.

2. Was sind das für Abwahl-Anzeigen in den Zeitungen in Frankfurt am Main?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 15:47 Minuten)
Am heutigen Sonntag entscheidet sich in Frankfurt am Main, ob der umstrittene Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) weiterhin im Amt bleibt. In einer großen Kampagne hatten Parteien und Bündnisse zur Abwahl Feldmanns aufgerufen. In den Frankfurter Zeitungen seien ganzseitige Anzeigen gegen Feldmann erschienen, die von den Verlagen mit stolzen 90 Prozent Rabatt angeboten worden seien. “Ich würde das einen Medienskandal nennen”, sagt “taz”-Korrespondent Christoph Schmidt-Lunau.

3. Vassili Golod – Von Kinderspielplätzen im Krieg
(hr2.de, Jagoda Marinić, Audio: 1:40:48 Stunden)
Vassili Golod ist ARD-Korrespondent und berichtet seit dem Kriegsbeginn regelmäßig über die Ukraine. Bei “Freiheit deluxe” spricht er mit Jagoda Marinić über seine Arbeit als Journalist, seine ukrainisch-russischen Wurzeln und erzählt, wie er den Krieg erlebt.

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4. Iran-Berichterstattung – Zwischen Protesten, Internetzensur und Propaganda
(deutschlandfunk.de, Anh Tran, Audio: 35:25 Minuten)
Eine Deutschlandfunk-Hörerin meint bei der Iran-Berichterstattung ein Übergewicht regimenaher Stimmen festgestellt haben. Von den Medien wünscht sie sich mehr Einordnung – und diskutiert darüber mit der Korrespondentin Karin Senz, der freien Journalistin Gilda Sahebi und Anh Tran aus der Dlf-Medienredaktion.

5. Mit “RUMS” in die Zukunft: Innovativer Lokaljournalismus
(seitenwaelzer.de, Charlotte Möller, Audio: 1:12:57 Stunden)
Der Journalist Marc-Stefan Andres hat Anfang 2020 gemeinsam mit Diplomkaufmann Götz Grommek das lokaljournalistische Projekt “RUMS” für Münster gegründet. Im “Seitenwälzer”-Podcast erzählt Andres, wie es zu der Gründung kam, wie bei “RUMS” zusammengearbeitet wird, und was er sich für den Journalismus der Zukunft wünscht.

6. Was eine Ex-Tagesschau-Sprecherin nicht mehr aushält – mit Linda Zervakis
(die-zeitraffer.podigee.io, Richard Gutjahr, Audio: 36:48 Minuten)
In der aktuellen Folge des “Zeitraffer”-Podcasts unterhält sich Richard Gutjahr mit der ehemaligen “Tagesschau”-Sprecherin und jetzigen ProSieben-Moderatorin Linda Zervakis: Warum kehrte sie der “Tagesschau” den Rücken? Was vermisste sie bei ihrer Arbeit in der ARD? Und was reizte Zervakis am Privatfernsehen?

“Bild” packt auch die Bundespolizei-Zahlen auf den Tisch, die laut Bundespolizei gar nicht von der Bundespolizei stammen

“Alle Zahlen auf den Tisch!”, forderte gestern “Bild”-Autor Frank Schneider in seinem Kommentar. Es geht ihm um die Zahlen der illegalen Einreisen nach Deutschland, und Schneider meint, dass das Bundesinnenministerium und Ministerin Nancy Faeser versuchen, “Zahlen zu schönen, zu verschleiern. Oder kleinzurechnen.”

Ja, “alle Zahlen auf den Tisch” ist tatsächlich eine gute Idee im Sinne der Transparenz und Aufklärung, wenn man vorher nicht Statistiken durcheinander mischt, die nicht vergleichbar sind, unergründliche Zahlen dazwischenwirft und das fehlerhafte Ergebnis dann der eigenen Leserschaft als potenziellen Skandal verkauft:

Ausriss Bild-Titelseite - Rund 40000 illegale Einreisende weggeschummelt? Frau Faeser, erklären Sie uns das bitte mal!
Ausriss Bild-Zeitung - Statistik der Ministerin weist zehntausende Migranten zu wenig aus - Schummelt Faeser sich die Flüchtlings-Zahlen schön?

Das ist die “Bild”-Berichterstattung, die gestern neben Schneiders Kommentar erschienen ist. Zusammen mit Zara Riffler und Peter Tiede schreibt Schneider:

Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, rast seit Monaten rauf! […]

Doch die zuständige Innenministerin ignoriert die hohen Zahlen der Bundespolizei offenbar. BILD erfuhr: Nancy Faeser (52, SPD) weist intern viel weniger aufgegriffene illegal-eingereiste Migranten aus.

► Laut “Migrationsanalyse-Bericht” ihres Ressorts wurden im September 12 701 illegal Eingereiste von Bundespolizisten aufgegriffen. Die Bundespolizei hat dagegen andere Zahlen: 20 000. […]

Fest steht: Seit Januar sind laut Faeser-Statistik insgesamt rund 57 000 Migranten eingereist. Laut Bundespolizei gut 100 000. Beim zuständigen Flüchtlingsamt BAMF stellten bis Ende September offiziell sogar 154 557 Personen einen Asylantrag.

Es handelt sich also um drei verschiedene Statistiken, die “Bild” nennt: Da wäre einmal eine aus Nancy Faesers Innenministerium, eine, die von der Bundespolizei stammen soll, und eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). “Bild” verrührt alle zu einem schnaubenden Aufreger.

Am ehesten passen noch die Statistiken zusammen, die “Bild” dem Innenministerium und der Bundespolizei zuschreibt. In beiden soll es um von der Bundespolizei aufgegriffene illegal Eingereiste gehen. Schneider, Riffler und Tiede nehmen sich schlicht die eine und die andere Zahl und rechnen sie gegeneinander auf: Statistik der Bundespolizei (“gut 100 000”) minus Statistik des Innenministeriums (“57 000”) gleich “Bild”-Schlagzeile (“Rund 40 000 illegale Einreisende weggeschummelt?”).

Das Problem dabei: Die Zahlen, die “Bild” der Bundespolizei zuschreibt, sollen nicht von der Bundespolizei stammen. Eine Sprecherin des Innenministeriums, dem die Bundespolizei untergeordnet ist, teilte uns gestern auf Nachfrage mit:

Die heute von der BILD-Zeitung genannten Zahlen, welche dort der Bundespolizei zugeordnet werden, stammen nicht von der Bundespolizei und sind nicht nachvollziehbar. Wir können diese Zahlen ausdrücklich nicht bestätigen.

57.647 sei die korrekte von der Bundespolizei festgestellte Gesamtzahl unerlaubter Einreisen von Januar bis einschließlich September 2022, so die Sprecherin.

Die Bundespolizei sah sich gestern genötigt, eine Pressemitteilung mit der Überschrift “Unerlaubte Einreisen – Bundespolizei ordnet öffentlich kursierende Zahlenangaben ein” zu veröffentlichten. Auch sie nennt 57.647 illegale Einreisen von Januar bis September 2022 (beziehungsweise 71.011, wenn man die gerade veröffentlichte, aber noch nicht qualitätsgesicherte Zahl aus dem Oktober dieses Jahres hinzunimmt). Bundespolizeipräsident Dieter Romann sagt in der Mitteilung mit Blick auf die Arbeit der Beamtinnen und Beamten:

Nicht dienlich ist dabei, die Lauterkeit und Transparenz ihrer Arbeit in Zweifel zu ziehen. Auch die Zahlentransparenz bleibt selbstverständlich unverändert bestehen.

Nur, um das noch einmal zu verdeutlichen: “Die hohen Zahlen der Bundespolizei”, die Innenministerin Nancy Faeser laut “Bild”-Artikel “offenbar” ignoriere und die sie laut “Bild”-Kommentator Frank Schneider schöne, verschleiere oder kleinrechne, stammen laut Bundespolizei gar nicht von der Bundpolizei.

Aber woher dann? Woher haben Schneider, Riffler und Tiede die Zahlen? Unsere Anfrage dazu beim “Bild”-Sprecher blieb bislang unbeantwortet.*

Was im Zusammenhang mit den Zahlen zu illegal Eingereisten übrigens nicht unwesentlich ist: 1. Menschen können illegal nach Deutschland einreisen, von der Polizei aufgegriffen werden und damit in die Statistik eingehen, ohne die Absicht zu haben, einen Asylantrag zu stellen. 2. Kann es zu einer Mehrfachersfassung derselben illegal eingereisten Person kommen, weil die entsprechende Polizei-Statistik keine personenbezogenen Daten umfasst. Aber das nur nebenbei.

Es gibt dann ja noch eine weitere Statistik, die der “Bild”-Artikel ins Verwirrspiel bringt:

Beim zuständigen Flüchtlingsamt BAMF stellten bis Ende September offiziell sogar 154 557 Personen einen Asylantrag.

Diese Zahl ist im Zusammenhang mit der illegalen Einreise nach Deutschland ziemlich ungeeignet. Zuallererst ist sie zu hoch, wenn es um Personen gehen soll, die dieses Jahr nach Deutschland gekommen sind: Bei den 154.557 Anträgen 2022 handelt es sich nämlich um Erst- und Folgeanträge. Nimmt man nur die Erstanträge in diesem Jahr (bis einschließlich September), sind es laut BAMF 134.908 (PDF). Was “Bild” darüber hinaus nicht erläutert: Auch Menschen, die legal nach Deutschland eingereist sind, können einen Asylantrag stellen und damit in der Statistik landen. Und: Bekommt eine Asylbewerberin in Deutschland ein Kind, landet auch dieses mit einem Asylantrag in der Statistik – ganz ohne legale oder illegale Einreise. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schreibt dazu:

Reist ein minderjähriges lediges Kind nachträglich ins Bundesgebiet ein oder wird es nach der Asylantragstellung der Eltern hier geboren, haben die Eltern, von denen noch mindestens ein Elternteil im Asylverfahren ist, oder die Ausländerbehörde das Bundesamt von der Geburt zu informieren. Damit gilt der Asylantrag des Kindes ebenfalls als gestellt. […]

Ist der Antrag der Eltern bereits entschieden, wenn ihr Kind geboren wird oder nachträglich einreist, müssen sie für das Kind einen gesonderten Asylantrag stellen.

Das Durcheinanderwerfen von Statistiken, das Hinzuziehen von Zahlen, bei denen niemand weiß, woher sie stammen, das falsche Skandalisieren zeigt Wirkung. Gestern Nachmittag schrieb die AfD bei Twitter:

#Faeser rechnet sich die alarmierenden Zahlen der nach #Deutschland strömenden #Zuwanderer schön. So gibt ihr Ministerium viel geringere Zahlen an, als tatsächlich gezählt werden.

Die “Bild”-Redaktion hat mit ihrem Artikel offenbar die Zielgruppe erreicht.

*Nachtrag, 18:40 Uhr: Der “Bild”-Sprecher hat inzwischen auf unsere Anfrage, woher die Zahlen stammen, geantwortet:

Es handelt sich bei den von BILD genannten Vergleichszahlen um Daten der Bundespolizei. Diese hat BILD unter Beachtung des Quellenschutzes öffentlich gemacht. Diese beinhalten nicht nur die offiziell genannten Zahlen der Bundespolizeiinspektionen direkt an der Grenze, sondern auch die illegalen Migranten, die später in den Zügen und/oder im Inland aufgegriffen werden. Die offizielle Meldung der Bundespolizei wie auch die offiziellen Zahlen des BAMF bestätigen diese kleingerechnete Diskrepanz nur.

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Schwarzer Twitter-Freitag, Feel-Good-Movie?, “Spiegel”-Kampagne

1. Twitter beginnt heute mit Massenentlassungen
(br.de, Marcus Schuler)
Für viele der rund 7.500 Twitter-Beschäftigten dürfte der heutige Freitag ein rabenschwarzer Tag werden. Denn heute sollen sie erfahren, ob sie ihren Job verlieren oder behalten. Die Maßnahme sei notwendig, “um den Erfolg des Unternehmens auch in Zukunft sicherzustellen”, so ein firmeninternes Memo. Das Firmengebäude von Twitter am Hauptsitz in San Francisco sei heute geschlossen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien aufgefordert worden, nicht ins Büro zu kommen, die Firmenausweise hätten ihre Gültigkeit verloren.

2. “Falter” legte Hellers Anwälten die Recherchen vorab vor
(derstandard.at)
Diese Woche berichtete der österreichische “Falter” über einen Kunstskandal der besonderen Art: Eine Wiener Galerie habe einen drei Millionen Dollar teuren Rahmen des berühmten Künstlers Jean-Michel Basquiat angeboten. Bei dem Verkäufer habe es sich um den bekannten Allround-Künstler André Heller gehandelt. Doch eben jener Heller soll das angebliche Basquiat-Werk selbst zusammengebastelt haben. Nun schließt sich eine Diskussion an, ob die “Falter”-Redaktion den Anwälten Hellers im Vorfeld der Artikel-Veröffentlichung zu weit entgegengekommen ist.

3. “Bei der sechsten Mail-Anfrage kommt die Depression”
(journalist.de, Annkathrin Weis)
Larena Klöckner wusste bereits vor ihrem Einstieg in die Ausbildung zur Journalistin, dass sie Depressionen hat, und hat sich trotzdem für den Beruf entschieden. Im Interview mit dem “journalist” erzählt sie von den Auswirkungen auf ihren Arbeitsalltag und der Resonanz auf ihren Beitrag bei “Übermedien”, in dem sie erstmals von ihren Depressionen berichtet hatte.
Hinweis: Solltest Du Depressionen oder Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222) erreichen kannst.

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4. Himmler will 100 Millionen Euro im Programm umschichten
(dwdl.de, Alexander Krei)
ZDF-Intendant Norbert Himmler hat auf die jüngsten Äußerungen von ARD-Chef Tom Buhrow reagiert. Dieser hatte kürzlich eine Reform der Öffentlich-Rechtlichen gefordert und die Existenz der zwei Sender infrage gestellt. Beim Pressegespräch in Berlin habe es vom ZDF-Intendanten nun Contra für den ARD-Chef gegeben.

5. Ein Feel-Good-Movie für serbische Nationalisten
(hessenschau.de, Danijel Majić)
Dem serbischen Regisseur Boris Malagurski wird vorgeworfen, in seinem bisherigen Werk nationalistische Propaganda verbreitet und den Völkermord in Srebrenica verharmlost zu haben. Daher regte sich gegen seinen neuesten Film (“Republika Srpska – Kampf für die Freiheit”) Widerstand. Europweit hätten Kinos den Film aus dem Programm genommen. In Frankfurt sei er dennoch zu sehen gewesen. Danijel Majić schildert die Hintergründe und ordnet den Fall sowie Malagurskis neuen Film ein.

6. Sagen, was nicht ist
(uebermedien.de, Olivia Samnick)
Der “Spiegel” hat eine neue Werbeaktion gestartet, in der Falschausssagen plakativ hervorgehoben werden. Olivia Samnick hält diese offensichtlich provokativ gemeinte Plakatkampagne für bedenklich: “Falschaussagen wirken – auch dann, wenn man ihnen widerspricht. Sie setzen sich in unseren Köpfen fest. Fake News haben eine brachiale Kraft und sind, wenn sie einmal im Umlauf sind, kaum zu stoppen. Wie schwer sich eine Richtigstellung nach einer Falschinformation tut, sollte den meisten Medien mittlerweile bekannt sein – gerade im Social Web, wo die ‘Spiegel’-Kampagne auch ihre Kreise ziehen wird.”

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