Hausarbeit, Weltwoche, der Leser

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Was nicht passt, wird passend gemacht. BILD, deutsche Männer und der liebe Haushalt”
(sexismus-stinkt.de, youngrapunzel)
Die gestrige “Bild”-Titelschlagzeile “Die Hausarbeits-Lüge!”: “Bild bezieht sich hier nicht auf eine wissenschaftliche Studie. Auch nicht auf eine neue, repräsentative Umfrage. Bild bezieht sich auf ein Experiment in einer RTL-Show, das in einer einzigen (!) Familie durchgeführt wurde!”

2. “Kurze Theorie der Leser, dieser Bastarde”
(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Journalist Constantin Seibt kümmert sich um den Leser: “Der Leser war ein seltsam doppeltes Wesen: Einerseits dumm wie die Nacht – sobald es nur etwas ironisch oder komplex wurde, verstand er angeblich nicht. Andererseits war er findig wie ein Affe: Sobald etwas um drei Ecken möglicherweise ärgern konnte, strich man es. Kein Wunder, hassten wir diesen stumpfen, spitzfindigen Bastard.”

3. “Spiegel, wir müssen reden”
(kessel.tv, Thorsten W.)
Thorsten W. reflektiert seine Beziehung zum “Spiegel”: “Es waren schon immer die Kleinigkeiten, die mich an dir gestört haben. Aber es sind ja immer die Kleinigkeiten. Die kleinen, schlechten Angewohnheiten. Die Sache mit Hitler auf dem Cover. Dein Kulturteil, der immer soo hochnäsig war. Diese latente Arroganz. Alles immer kritisch sehen und Scheiße finden müssen, auch wenn das Leben halt nicht immer Scheiße ist. Diese mit Stolz vor dir hergetragene Nicht-Ahnung von Computer- und Internetthemen.”

4. “Tanz auf zwei Hochzeiten – kein Konflikt?”
(de.ejo-online.eu, Fabio Baranzini)
Eine Studie zeigt, dass 40 Prozent der freien Journalisten in Deutschland auch im PR-Bereich tätig sind.

5. “Der Monster-Prozess”
(journalist.de, Michael Kraske)
Michael Kraske schreibt zum NSU-Prozess: “Es ist absehbar, dass die Medien der Versuchung erliegen werden, den NSU-Komplex auf wenige Hauptdarsteller zu vereinfachen. Dass viele allein das menschliche Drama erzählen werden, weil die ganze Geschichte zu kompliziert ist. Die Medien haben bei der Mordserie versagt, indem auch sie das Offensichtliche nicht erkennen konnten. Am NSU-Prozess könnten sie erneut scheitern.”

6. “Das grosse ‘Weltwoche’-Theater”
(nzz.ch, Urs Bühler)
In den “Zürcher Prozessen” im Theater am Neumarkt wurde das Wochenmagazin “Weltwoche” wegen Schreckung der Bevölkerung, Rassendiskriminierung und Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung angeklagt. “6 der 7 Geschworenen folgten dem Antrag der Verteidigung und beschlossen den Freispruch, was ein Grossteil des Publikums konsterniert aufzunehmen schien.” Alle drei Prozesstage zum Nachschauen auf srf.ch.

NSU-Prozess, Brigitte, Generation Greenpeace

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1. “Der NSU-Prozess: Offener Brief aus der Provinz gegen die hochmütige FAZ”
(journalismus-handbuch.de, Paul-Josef Raue)
Paul-Josef Raue schreibt an Albert Schäffer von der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”, der sich seinerseits an Manfred Götzl, den Vorsitzenden Richter im NSU-Prozess wendet: “Wie soll Öffentlichkeit in einem Verfahren, in dem die Grundfeste unseres Gemeinwesens verhandelt werden, anders hergestellt werden als durch eine Berichterstattung in überregionalen Tageszeitungen und Wochenzeitungen?”

2. “NSU-Prozess: Brigitte, pack den Reporter aus!”
(novo-argumente.com, Matthias Heitmann)
Matthias Heitmann kommentiert die Aufregung einiger Medien zum Losentscheid der Journalisten-Akkreditierungen im NSU-Prozess: “Ginge es nicht um so etwas Ernsthaftes wie einen Mordprozess mit rassistischem Hintergrund, man könnte die Reaktionen auf den Losentscheid zu Kindergarten-Lehrfilmen mit Titeln wie ‘Im Glücksspiel gibt’s auch Pech’ oder ‘Erst nachdenken, dann mitmachen’ zusammenschneiden.”

3. “I read Brigitte and all I got was schlechte Laune”
(sanczny.wordpress.com)
Der Zeitschrift “Brigitte” wurde im NSU-Prozess ein Platz zugeteilt, was hämische Reaktionen hervorrief und darauf Gegenstimmen. “Allein von der Menge her wirkt die politische Berichterstattung in der Brigitte doch etwas wie ein Feigenblatt. (…) Die Frage ist darum für mich nicht, ob politische Berichterstattung in der Brigitte von ausreichender Qualität sein wird, sondern: Durch wieviel Hetero-/Sexismus muss ich blättern, um zu den 5-10 vielleicht okayen Seiten vorzudringen?

4. “Hoeneß – Ein Zwischenruf”
(kiezneurotiker.blogspot.ch)
Der Kiezneurotiker meint in der “Berichterstattung des Mainstreams über Uli Hoeneß” System erkennen zu können: “Jeder Hartz-IV-Empfänger, der im Stützeformular bescheißt, eine geschenkte Zahnbürste verschweigt oder den alten Sparstrumpf von Omma selig unterschlägt, jede Schlecker-Frau, die nicht schnell mal umgeschult als Erzieherin arbeiten möchte, jede Kassiererin, die einen Pfandbon einsteckt, wird durch den medialen Schlamm gezogen – ohne sich danach reinwaschen zu dürfen.”

5. “Die ‘Generation G’ unterhöhlt die Innere Pressefreiheit”
(cicero.de, Wolfgang Bok)
Die Freiheit der Meinungsbildung sei auch in Deutschland bedroht, und zwar durch die “Generation Greenpeace”, die “in den Verlagshäusern und Rundfunkanstalten” “derzeit die Alt- und Jung-68er” ablöst: “Diese Generation, die mittlerweile in vielen Redaktionen das Sagen hat, ist sich ihrer eingeschränkten Wahrnehmung gar nicht mehr bewusst. Sie denkt vornehmlich in Freund-Feind-Kategorien und teilt die Welt am liebsten in Gut und Böse ein.”

6. “Der letzte Unzähmbare”
(dasmagazin.ch, Mathias Ninck)
Ein Interview mit Martin Vollenwyder, der als Stadtrat der Stadt Zürich abtritt: “Nehmen Sie den Buben, der in einer städtischen Krippe in Wollishofen mit einem Rutschauto umgefallen ist. Ein völlig normaler Vorgang, der jeden Tag passiert. (…) Man fällt um, hat ein Loch im Kopf. Aber da, in der Krippe, geht die Mutter zur Verwaltung und behauptet, die Leiter hätten ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllt, und sie geht dann in die Medien mit der Geschichte. Die Medien greifen das auf. Und es gibt Druck, also braucht es künftig Helme für Rutschautos. Kein Politiker wird den Unsinn je infrage stellen, weil er bei einem nächsten Unfall die Schlagzeile riskiert: ‘XY war gegen Helmpflicht!'”

Verliebt, verlobt, vertan

Am Sonntag veröffentlichte “Spiegel Online” eine Vorab-Meldung aus dem gedruckten “Spiegel”:

Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion und stellvertretende Generalsekretärin der CSU, Dorothee Bär, hat ihren jetzigen Ehemann vor der Heirat nach Informationen des SPIEGEL über Jahre als wissenschaftlichen Mitarbeiter in ihrem Berliner Abgeordnetenbüro beschäftigt. Bärs Ehemann Oliver ist promovierter Jurist.

Damit könnte Bär gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen haben. Dieses verbietet den Parlamentariern, Arbeitskosten für Verwandte, Ehe- oder Lebenspartner abzurechnen. Dasselbe gilt auch für Verlobte.

Der letzte Satz ist der Entscheidende, wie wir gleich noch sehen werden.

Am Dienstag veröffentlichte Dorothee Bär auf ihrer Webseite nämlich ein Schreiben (PDF) von Bundestagspräsident Norbert Lammert, den sie um Prüfung gebeten hatte.

Darin erklärt Lammert, dass Frau Bär nicht gegen die entsprechende Passage im “Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages” verstoßen habe: Ihr späterer Ehemann sei bis zum 31. Januar 2006 beschäftigt gewesen, geheiratet habe sie ihn am 12. Februar 2006.

Die Behauptung “Dasselbe gilt auch für Verlobte” von “Spiegel und “Spiegel Online” wäre demnach unzutreffend.

In §12, Absatz 3 des AbgG heißt es:

Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages.

In seinem Schreiben stellt Lammert auch klar, dass mit “Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern” von Abgeordneten “nur solche gleichen Geschlechts zu verstehen sind”.

Tatsächlich wurde der betreffende Satz im Jahr 2001 in den Gesetzestext eingefügt, um dem zeitgleich in Kraft tretenden Lebenspartnerschaftsgesetz gerecht zu werden. Weil Schwule und Lesben nicht “heiraten” dürfen, brauchte es diese zusätzliche Formulierung.

Auf unsere Frage, ob “Spiegel Online” nach der Veröffentlichung von Lammerts Schreiben den entsprechenden Artikel überarbeiten wird, erklärte uns Chefredakteur Rüdiger Ditz, die Redaktion bleibe bei ihrer Darstellung. Sie habe im Vorfeld der Veröffentlichung eigene Informationen bei der Bundestagsverwaltung eingeholt, die anders ausgefallen seien als die jetzt veröffentlichte Feststellung des Bundestagspräsidenten.

Bild  

Gerüchte mit erstaunlicher Haltbarkeit

Die BVB-Profis Neven Subotic und Mats Hummels haben der “Bild”-Zeitung ein Exklusiv-Interview gegeben. Darin kommen die Fußballer unter anderem darauf zu sprechen, dass “manche Leute bei Facebook, Twitter und Co. es mittlerweile echt schaffen, aus total wilden Phantasien Gerüchte mit erstaunlicher Haltbarkeit zu machen!” Da muss ein “Bild”-Redakteur natürlich sofort nachhaken:

BILD: Welche [Geschichten] gab’s denn noch?​

Hummels (lacht): “Inzwischen erzählt sich ja die halbe Fußball-Republik, dass Neven ein Verhältnis mit meiner Freundin Cathy hat. Aber pssst..!”

Subotic (lacht): “Ich wollt’s dir noch erzählen, Mats. Aber jetzt mal im Ernst: Das ist natürlich totaler Quatsch! Mats und ich sind miteinander befreundet und beide glücklich vergeben.”​

Es folgt eine klassische Sportreporter-Frage:

BILD: Wie sehr nervt Sie das Gerede?​

Hummels: “Es ist schon befremdlich, wenn man sieht, wie leicht sich so eine Lüge verselbstständigt und die Leute meinen, über dein Privatleben Bescheid zu wissen. Aber wir kennen uns so gut, dass wir alle echt darüber schmunzeln können.”

Subotic (grinst): “Müssen wir ja auch. Inzwischen spricht uns doch jeder Taxifahrer und jeder Friseur drauf an. Na ja, nach diesem Interview vielleicht nicht mehr. (…)”

Da sind wir uns ehrlich gesagt nicht so sicher.

Denn das haben die Leute von “Bild” aus diesem Interview auf der Titelseite gemacht:
BVB-Stars wehren sich gegen Fremdgeh-Gerüchte - Es geht um Subotic, Hummels und dessen Freundin Cathy

Krisenkommunikation, Lutz Marmor, Netflix

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1. “Hoeneß’ großer Coup”
(wiwo.de, Ferdinand Knauß)
Das “Zeit”-Interview mit Uli Hoeneß sei ein “Lehrstück der professionellen Krisenkommunikation”, schreibt Ferdinand Knauß: “Hoeneß exerziert meisterhaft vor, was ein skandalisierter, gefallener Held in so einer Situation tun muss: Ein öffentliches Umdeutungsmanöver ist notwendig, um aus dem für seine Taten selbst verantwortlichen Sünder ein Opfer der Umstände zu machen. Die Zeitredakteure geben ihm dafür die perfekte Vorlage: ‘Halten Sie sich eigentlich für süchtig?’.”

2. “Herr Marmor, Sie als alter Rocker …”
(journalist.de, Hans Hoff)
Ein Interview. Lutz Marmor: “Ein Intendant ist ein Möglichmacher.” Hans Hoff: “Och, echt?” Marmor: “Doch, genau das ist meine Funktion. Ich muss Freiräume schaffen, rechtliche, kreative und journalistische.” Hoff: “Das Zitat hängen sich jetzt ganz viele Redakteure in ihre Büros und gucken immer wieder drauf, weil sie es nicht glauben können.”

3. “Ha, ha, Haltung”
(zeit.de, Tina Hildebrandt)
Ein Besuch bei der ZDF-“Heute-Show”: “In den USA informieren sich viele Zuschauer, vor allem jüngere, längst nicht mehr über die Nachrichten, sondern nur noch durch die Daily Show, eines der Vorbilder der heute-show. In Deutschland ist das inzwischen ähnlich. Auf Partys kann man Dialoge hören wie: ‘Hast du das mit Nordkorea mitbekommen? Ja, ich hab’s in der heute-show gesehen.'”

4. “Wie Internet und US-Serien die Fernsehgewohnheiten ändern”
(tagesspiegel.de, Bodo Mrozek)
US-Serien haben “die Sehgewohnheiten des Publikums nachhaltig verändert”, schreibt Bodo Mrozek: “Psychologische Konzeptionen lösen die einfache Zuordnung in ein moralisierendes Gut-Böse-Schema ab.”

5. “Comeback mit Online-Serien: Netflix ist wieder obenauf”
(blogs.faz.net, Roland Lindner)
Der Gründer von Netflix, Reed Hastings: “Die Idee für Netflix entstand aus einem Alltagsärgernis. Hastings musste 40 Dollar Säumnisgebühr zahlen, weil er den Film ‘Apollo 13’ zu spät in eine Videothek zurückgebracht hatte. Er fragte sich, ob es kundenfreundlichere Wege des Filmverleihs geben könnte. 1997 rief er Netflix zunächst als Versanddienst ins Leben, der Kunden gegen monatliche Gebühr DVDs per Post nach Hause lieferte, die sie beliebig lange behalten konnten – Porto inklusive, ohne jegliche Strafgebühren.”

6. “I’m still here: back online after a year without the internet”
(theverge.com, Paul Miller, englisch)

Bild  

Auf links gedreht

Anfang der Woche hat das Bundesinnenministerium neue Zahlen zur “politisch motivierten Kriminalität” (PDF) in Deutschland veröffentlicht.

So berichteten deutsche Medien über die Studie:

epd:
Zahl rechtsextremer Straftaten steigt

“Focus Online”:
Zentralrat der Juden besorgt - Rechte Gewalt nimmt in Deutschland zu

Die Welt:
Extremismus - Mehr rechtsextreme Gewalttaten in Deutschland

Auch die Texte von dpa und AFP sowie die Online-Auftritte von “taz”, “Stern”, der “Augsburger Allgemeinen” oder dem “Tagesspiegel” haben ähnliche Überschriften.

Nur die “Bild”-Zeitung setzt einen etwas anderen Schwerpunkt:

Linke Gewalt - Weniger Fälle, aber immer brutaler

Die Zahl links motivierter Straftaten ist 2012 im Vergleich zum Vorjahr (2011) deutlich gesunken. Aber mehr als jede zweite Straftat richtete sich mittlerweile gegen “Leib und Leben” der Betroffenen. Zugleich hat die politisch rechts motivierte Kriminalität 2012 zugenommen, von 16 873 (2011) auf 17 616 Straftaten (plus 4,4 %). (…)

Die Zahl links motivierter Straftaten ist demnach von 8687 (2011) auf 6191 gesunken (minus 28,7 %).

“Bild” schreibt also, “mehr als jede zweite” von diesen knapp 6.000 linksmotivierten Straftaten habe sich gegen “Leib und Leben” von jemandem gerichtet. Das würde bedeuten: Im vergangenen Jahr haben linke Gewalttäter mehr als 3.000 Mal Menschen attackiert oder umgebracht. Doch damit liegt “Bild” ein ganzes Stück daneben: Es waren nicht 3.000 solcher Taten, sondern “nur” etwa 700.

Der Fehler ist simpel: Das Blatt hat die Straftaten mit den Gewalttaten verwechselt. Von den 6.000 Straftaten der Linken werden nämlich “nur” knapp 1.200 als “Gewalttaten” eingestuft — und davon etwa die Hälfte als Angriffe auf Leib und Leben. Der Rest besteht hauptsächlich aus Propagandadelikten (“d.h. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen”) und Sachbeschädigungen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Leute von “Bild” bei der Analyse einer solchen Studie fast ausschließlich nach links schauen. Aber wenigstens haben sie die Gewalt der Rechten diesmal nicht komplett verschwiegen.

Mit Dank an Matthias P.

Bilder, die wütend machen

Bei Bild.de sind sie – wieder mal – entsetzt:

Es sind Bilder, die traurig machen – und zugleich wütend: Südafrikas Nationalheld Nelson Mandela (94), ein hilflos wirkender alter Mann mit Decke auf dem Schoß, der ins Leere starrt. Neben ihm Südafrikas Präsident Jacob Zuma (71), der sich lachend mit dem Friedensnobelpreisträger filmen und fotografieren ließ.

Es geht um Bilder, die “wirken, als konnte sich der greise Mandela gar nicht gegen den Besuch wehren” und auf denen er “alles andere als zufrieden” aussieht.

Und die Redaktion gerät regelrecht in Rage: Obwohl bekannt sei, dass Mandela ein Augenleiden hat, habe sein Enkel “ein Blitzlichtgewitter über seinen Großvater ergehen” lassen:

Nelson Mandela kniff dabei die Augen zusammen und verzog den Mund. Millionen Südafrikaner sahen dem Besuch der Politiker im Staatsfernsehen zu. Der 94 Jahre alte Mandela konnte dabei offenbar nicht mal mehr den Kopf zur Seite wenden, um Zuma anzublicken.

Nicht nur Bild.de findet das alles furchtbar:

“Nach allem, was der Mann für uns getan hat, behandeln wir ihn auf diese Weise. Wie ein Tier im Zoo. Wir sollten uns schämen”, twitterte der südafrikanische User Brent Lindque. Ein weiterer Kommentator meint, kein alter Mensch verdiene einen solchen Auftritt.

Zwar kommen auch Mandelas Partei ANC und ein “unabhängiger Kommentator” zu Wort (“Vor dem Video wollten wir alle sehen, wie es Madiba geht. Aber sein Gesundheitszustand hat uns in schreiende Babys verwandelt, die nicht mehr wissen, was sie wollen.”), aber im Grunde lässt Bild.de keinen Zweifel daran, dass es dieses Video nicht geben sollte.

Oder, präziser: DIESES Video!

ERSCHÜTTERNDE AUFNAHMEN: Empörung über DIESES Mandela-Video

Mehr als eine Minute des Videos zeigt Bild.de — unkommentiert und nach 20 Sekunden sogar ganz ohne Ton.

Mit Dank an Sebastian D.

Computerspiele, Kontrollgremien, Hintern

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1. “Vorsichtige Transparenz – ARD und ihre Kontrollgremien”
(ndr.de, Video, 7:03 Minuten)
Die ARD und ihre Kontrollgremien haben offensichtlich Schwierigkeiten, transparent zu agieren. “Mehrere Arbeitsgruppen sind in Sachen Transparenz am Werk. Im Sommer sollen erste Ergebnisse präsentiert werden.”

2. “‘Presse-Klagen halte ich für aussichtslos'”
(meedia.de, Alexander Becker)
Ein Interview mit Medienanwalt Ralf Höcker zur Vergabepraxis der Presseplätze am NSU-Prozess: “Rechtlich gesehen gibt es nun mal keine ‘Alpha-Journalisten’, die qua Amt wichtiger sind als Brigitte-Redakteurinnen. Da nehmen sich jetzt einige ein bisschen zu wichtig.”

3. “Hintern statt Hirn und voll für’n Arsch”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Bild.de berichtet über eine “Ent(b)rüstung” über eine “Nackt-Talkshow”, in der Männer “Brüste, Hintern & Co. von Frauen” bewerten.

4. “30 Days Of Sexism”
(kotaku.com.au, Alanah Pearce, englisch)
Videospiel-Journalistin Alanah Pearce hält einen Monat lang Leserkommentare fest: “I make news videos, review videos, I host events, I interview developers and I really, really love what I do. I also happen to be female.”

5. “As One German Weekly Falters, Another Celebrates Big Gains”
(nytimes.com, Eric Pfanner, englisch)
Eric Pfanner vergleicht den “Spiegel” mit der “Zeit”: “Mr. Esser said there was another factor behind the success of Die Zeit. While many newspapers and magazines have been cutting jobs to cope with the crisis in print journalism, Die Zeit has invested heavily. Over the past decade, the editorial staff has grown to 200 from 120.”

6. “What happens when pirates play a game development simulator and then go bankrupt because of piracy?”
(greenheartgames.com, englisch)

Drittliga-Journalismus

Die UEFA muss verrückt geworden sein:

Drittliga-Schiri pfeift Dortmunds Halbfinale

Na gut, ein paar höherklassige Spiele hat Howard Webb aus England auch schon gepfiffen, wie auch Bild.de zugeben muss:

Der Unparteiische wurde berühmt-berüchtigt, weil er im WM-Finale 2010 in Südafrika einen brutalen Kung-Fu-Tritt des Holländers Nigel de Jong gegen Xabi Alonso nur mit Gelb bestrafte. Später räumte er ein: “Das war eine Rote Karte.”

Aber in letzter Zeit lief es bei ihm offenbar nicht so gut:

Seltsam: Webb wurde in der vorletzten Woche in England in der Premier League wegen schlechter Leistungen in die 3. Liga versetzt – aber Champions League darf er pfeifen.​

Der Einsatz in der Champions League wird vielleicht ein weniger “seltsam”, wenn man weiß, dass Webb nach seiner “Strafversetzung” in die 3. Liga am vorletzten Wochenende an diesem Samstag noch das Spiel zwischen Manchester City und West Ham United gepfiffen hat — in der Premier League, der ersten englischen Liga.

Und das scheint nicht unüblich zu sein: Der deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark, der bei der WM in Südafrika immerhin auch drei Spiele gepfiffen hatte, hat in dieser Saison sogar ein Spiel in der Regionalliga Bayern geleitet. Was ihn nach der Logik von Bild.de zum “Viertliga-Schiri” machen würde.

Mit Dank an Marcus H.

NSU-Prozess, Hugo Müller-Vogg, Papier

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1. “Unsägliches Schauspiel in München”
(zeit.de, Karsten Polke-Majewski)
Die “Zeit” (nicht erfolgreich bei der Auslosung) fordert vom Gesetzgeber eine Videoübertragung des NSU-Prozesses: “Wochen schon währt nun dieses unsägliche Schauspiel. Am kommenden Montag soll der Prozess eröffnet werden. Bleibt zu hoffen, dass das Gericht in der Sache, um die es tatsächlich geht, mehr Weitsicht und Souveränität zeigt.”

2. “Das Los hat entschieden”
(dradio.de/dlf, Michael Watzke)
Der Deutschlandfunk (erfolgreich bei der Auslosung) weist darauf hin, dass es beim NSU-Prozess nicht um die Journalisten geht: “Wir sind Berichterstatter. Fünfzig von uns im Gerichtssaal sollten reichen, um der Öffentlichkeit Bericht zu erstatten.”

3. “Borderline-Journalismus: Wie ich einmal beinahe die schönste Frau der Welt traf …”
(oliver-flesch.com)
Oliver Flesch arbeitet einen 1998 für die “Neue Revue” geschriebenen Artikel auf: “In Wahrheit habe ich Liv Tyler nie getroffen. Unser Korrespondent in Los Angeles traf sie. Doch der bekam von ihr nur zu hören, wie ach so toll die Zusammenarbeit mit dem aktuellen Regisseur und Filmpartner war. Es lag also an mir aus ihren langweiligen Antworten ein lesbares Kurzportrait zu basteln. Ich stahl aus großen US-Blättern ein paar knackige Zitate, den Rest erfand ich. So etwas musste ich in fast jeder Ausgabe machen. Hach, wen ich damals nicht alles getroffen habe! Laetitia Casta, Sharon Stone, Pamela Anderson. Klar, ein paar Hollywoodstars traf ich tatsächlich – Kevin Coster, George Clooney und Mark Wahlberg zum Beispiel.”

4. “‘Solange sich niemand wehrt, passiert auch nichts'”
(topfvollgold.de)
Ein Interview mit Medienrechtler Udo Branahl zur Regenbogenpresse: “Also ich vermute, dass in den Redaktionen vorab eine Risikoabschätzung vorgenommen wird: Dass die sich nicht für die Frage interessieren, ob ihr Beitrag rechtmäßig ist oder nicht, sondern sich fragen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Betroffenen sich dagegen zur Wehr setzen? Also: Wie risikoreich ist die Veröffentlichung? Und dass sie dann abwägen zwischen den zu erwarteten Einnahmen und dem Risiko, dass es Geld kostet. Und wenn sie zu dem Ergebnis kommen: Wahrscheinlich sind die Einnahmen höher als die entstehenden Schäden – dann drucken sie das.”

5. “Das muss doch mal gesagt werden”
(ad-sinistram.blogspot.de, Roberto De Lapuente)
Wie oft Hugo Müller-Vogg findet, etwas müsse doch mal gesagt werden.

6. “Der holprige Weg zum papierlosen Büro”
(wiwo.de, Sebastian Matthes)
“Wirtschaftswoche”-Redakteur Sebastian Matthes versucht, papierlos zu arbeiten.

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