“Bild” schummelt beim Schwanzvergleich

Seit einer Weile feiert sich DAS multimediale Leidmedium in Deutschland mit dieser Grafik:

Nur leider ist die Marketingabteilung der “Bild”-Zeitung offenbar genauso unfähig im Diagrammebasteln wie die Redaktion. Oder genauso geschickt im Fälschen. Mit korrekten Proportionen sehen die Balken nämlich so aus, wie hier in Grün dargestellt:

“Bild” hat sich also einfach 30 Prozent größer gemacht.

“Bild”-Chef Kai Diekmann twitterte vor einigen Wochen eine ganz ähnliche Grafik:

Doch auch die ist falsch. Richtig sähe sie so aus:

Bleibt immerhin eins: Das bringt nur “Bild”.

Mit Dank an @matthiasquenzer und Hippo.

Inszenierung bei FIFA-Festnahmen, Frauke Petry, detektor.fm

1. Es ist die Inszenierung, die stört
(nzz.ch, Daniel Gerny)
Die Art und Weise der Berichterstattung über die neuesten Festnahmen im FIFA-Skandal findet Daniel Gerny aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch: “Szenen, bei denen Verdächtige vor laufender Kamera unter Getöse von Live-Tickern und sozialen Netzwerken verhaftet werden, ritzen die Unschuldsvermutung und untergraben so unser nüchterneres Verständnis von verfahrensrechtlicher Fairness.”

2. Wie berichten über den “Islamischen Staat”?
(mediendienst-integration.de, Carsten Janke)
Es beginnt schon beim Namen: “sogenannter Islamischer Staat”, “IS”, “ISIS”, “ISIL” oder “Daesh”? Auch bei anderen Begrifflichkeiten ist Vorsicht geboten: Wann ist ein Attentat “islamistisch”? Waren die Täter wirklich “Dschihadisten” oder “radikale Muslime”? Carsten Janke gibt Tipps, wie Journalisten über dieses Thema berichten sollten und appelliert, nicht unnötig Panik zu schüren, sich andererseits aber auch nicht zum Sprachrohr der Teorroristen machen zu lassen, indem man deren Bild- und Videomaterial weiterverbreitet.

3. Die sechs Rhetoriktricks der Frauke Petry
(opinion-club.com, Falk Heunemann)
Sind es die Argumente, die die AfD-Vorsitzende Frauke Petry bei ihren Talkshowteilnahmen oft triumphieren lassen? Mitnichten, meint Falk Heunemann. Die “alternativdeutsche Sächsin” habe sich zahlreiche Ausweichtricks zurechtgelegt — von “Reden, reden reden, bis das Thema stimmt” bis “Niederbrüllen”. Am Beispiel von Petrys “Hart aber fair”-Auftritt am vergangenen Montag erklärt er, warum andere Diskussionsteilnehmer kaum gegen sie ankommen.

4. Verstaatlicht den Journalismus! Sofort!
(jensrehlaender.com)
“Staatlich subventionierter Journalismus geht gar nicht! Das wäre ja das Ende der unabhängigen Berichterstattung!” Jens Rehländer hält diese Skepsis mit Blick auf das seiner Meinung nach funktionierende System der öffentlich-rechtlichen Medien für unangebracht. Er ist überzeugt, dass “nur Staatsknete (…) den Qualitätsjournalismus retten” könne und fordert: “Verstaatlicht die Verlage!”

5. “Ein viel zu ähnlicher Blick auf die Welt”
(journalist.de)
Regelmäßig veröffentlicht die “Initiative Nachrichtenaufklärung” (“INA”) eine “Top Ten der vernachlässigten Themen”, die in der medialen Berichterstattung zu kurz gekommen sind. Hektor Haarkötter, Leiter der “INA”, erklärt, wie die Auswahl zustande kommt und warum es manche Themen partout nicht in die Medien schaffen.

6. “Nach oben ist wirklich noch viel Luft”: Wie geht es dem Internet-Sender zum 6. Geburtstag?
(daniel-bouhs.de)
Daniel Bouhs spricht mit Christian Bollert und Marcus Engert, die bei detektor.fm die Geschäfte beziehungsweise die Redaktion leiten. Das junge Team aus Leipzig befindet sich bei seiner Crowdfunding-Kampagne für eine Vormittagssendung aktuell auf der Zielgeraden.

Rechtspopulismus der AfD, 15-Seiten-Vertrag, “SZ”-Karikaturen

1. Lügt die Presse? So erkennen Sie es.
(krautreporter.de, Rico Grimm)
Als Journalist bekommt Rico Grimm von Freunden und “Krautreporter”-Lesern immer wieder eine Frage gestellt: “Welchen Zeitungen, Foren usw. kann man überhaupt noch was glauben?” Deshalb gibt er Einblick in sein Vorgehen “als ‘Recherche-Profi'” und zehn Ratschläge, wie man ohne viel Aufwand die Glaubwürdigkeit von Quellen überprüfen kann. Kein Geheimwissen und erst recht keine Raketenwissenschaft, aber gerade deswegen für viele sicher hilfreich.

2. SWR — ganz elastisch
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Mit einer internen Mail hat der SWR seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu aufgefordert, die AfD in den Nachrichten künftig nicht mehr als “rechtspopulistisch” zu bezeichnen. Die Partei sei “mittlerweile bekannt genug”, sodass der “erklärende, aber auch wertende Zusatz” weggelassen werden könne. Bei der CDU werde schließlich auch kein “konservativ” angehängt, die FDP werde nicht ständig als “liberal” bezeichnet. Diesen Vergleich kritisiert Liane Bednarz. Sie fordert den SWR auf, sich damit zu beschäftigen, was andere Parteien von der AfD unterscheidet, und liefert zehn Belege für den Rechtspopulismus der AfD.

3. Hohe Medienkonzentration, geringe Transparenz
(reporter-ohne-grenzen.de)
Vier Mediengruppen teilen sich 83 Prozent des Marktes, die meisten Eigentümer haben enge Verbindungen zur Regierung — die Voraussetzungen für kritischen Journalismus und Meinungspluralismus sind in Kambodscha nicht gerade ideal. Eine Studie von “Reporter ohne Grenzen” und einer örtlichen Organisation verdeutlicht die problematischen Besitzverhältnisse im südostasiatischen Land. Im “Media Ownership Monitor” untersuchen die “Reporter ohne Grenzen” regelmäßig die Medienkonzentration in verschiedenen Ländern. In der ersten Veröffentlichung ging es um Kolumbien.

4. Warum ich Prince Charles nicht interviewe
(facebook.com, Armin Wolf)
Der “Independent” berichtet, dass Prince Charles deutliche Regeln für Interviews vorgebe. Die Journalisten müssten einen 15-seitigen Vertrag unterschreiben. Jede Frage müsse vorab bekannt und abgesegnet sein. Dem österreichischen Moderator Armin Wolf ist es “schleierhaft, wie ein ernstzunehmendes Medienunternehmen einen solchen Vertrag unterschreiben kann.”

5. Übersetzungshilfe für eine Fintech-Pressemitteilung
(handelsblatt.com, Martin Dowideit)
Viele Fintechs, die Start-ups in der Finanzbranche, machen wenig Umsatz, haben aber große Ambitionen. Deshalb verschicken sie gern verschleiernde Pressemitteilung an Redaktionen. Martin Dowideit decodiert fürs “Handelsblatt” eine typische PR-Meldung und entlarvt den Werbesprech.

6. TITANIC-Redakteure beschreiben SZ-Karikaturen
(titanic-magazin.de, Torsten Gaitzsch, Audio, 1:23 Minuten)

Bild.de-Chef lässt BILDblog Seite an Seite mit “Pegida” marschieren

Vor ein paar Tagen hat “Pegida”-Chef Lutz Bachmann zwei Screenshots von Bild.de getwittert, um den in rechten Kreisen so beliebten “Lügenpresse”-Vorwurf zu untermauern:

Allerdings: Die Artikel widersprechen sich in Wahrheit gar nicht. Denn die linke Schlagzeile (“kaum gestiegen”) bezieht sich auf Deutschland, die rechte (“stark gestiegen”) auf Baden-Württemberg. Als wir seinen Tweet heute entdeckten, antworteten wir:

Und schoben noch einen Screenshot samt Link eines Artikels des SWR hinterher, in dem die Situation in Baden-Württemberg genauer erläutert wird:

Also noch einmal zusammengefasst: Bachmann und seine Jünger nutzen die Bild.de-Schlagzeilen, um ihr Weltbild der lügenden Medien zu belegen, und wir sagen: Bullshit.

Im Grunde haben wir also sogar Bild.de in Schutz genommen. Doch nur einer versteht das nicht — oder will es einfach nicht verstehen: Bild.de-Chef Julian Reichelt.

Und noch mal:

Und noch mal:

Julian Reichelt wirft uns gerne vor, wir seien ideologische Betonköpfe, weil wir hier im BILDblog nur nach einer Maxime arbeiteten: Hauptsache gegen “Bild”. Den Spiegeltest würde er wohl nicht bestehen.

Nachtrag, 22.25 Uhr: Er ist dreiviertel zurückgerudert.

Türkische Journalisten, Zensur in Thailand, Pelzig verabschiedet sich

1. Drei weitere türkische Reporter vor Gericht
(dw.com)
Im Februar bezeichnete die türkische Tageszeitung “Birgün” Präsident Recep Tayyip Erdoğan als “Dieb” und “Mörder”. Gestern begann der Prozess “gegen drei leitende Redakteure des Blattes.” Seit Erdoğans Amtsantritt im vergangenen Jahr habe es gegen kritische Journalisten “mehr als hundert Verfahren dieser Art gegeben”, schreibt faz.net. Auch die beiden “Cumhuriyet”-Journalisten Can Dündar und Erdem Gül befinden sich weiter in Haft (siehe Link Nummer 1). “Frontal21” hatte erst vor Kurzem mit Dündar gesprochen. Die “Reporter ohne Grenzen” haben eine Petition gestartet, in der sie Erdoğan auffordern, Dündar und Gül freizulassen.

2. “Traurige Gefasstheit” beim “Spiegel”
(ndr.de, Daniel Bouhs und Annette Leiterer)
Die “Agenda 2018” solle dem “Spiegel” dabei helfen, mindestens 15 Millionen Euro einzusparen. Dafür würden 149 Stellen abgebaut, darunter 35 in der Redaktion. Der verantwortliche Geschäftsführer Thomas Hass spricht von “trauriger Gefasstheit” als Reaktion auf die Sparmaßnahmen. Die “Welt” dokumentiert seine Rede auf der Mitarbeiterversammlung und analysiert das Programm in einem weiteren Text. Demnach gebe es verlagsintern Widerstand: “Die Frage, welcher Gesellschafter nicht für die ‘Agenda 2018’ gestimmt hat, lässt sich eindeutig beantworten. Da von ihrer Zustimmung oder Ablehnung nichts abhängt, war es die Erbengemeinschaft der Augsteins.”

3. Gestatten, ARD — Rundfunk für “besorgte Bürger”
(starke-meinungen.de, Christoph Giesa)
Einige TV-Sendungen “entwickeln sich (…) zu Steigbügelhaltern von AfD, Pegida und Reichsbürgern.” Das meint jedenfalls Christoph Giesa und fragt: “Schielt man bei Plasberg, Jauch und Co eher auf die Quote als auf den eigentlichen Auftrag?” Unsere Gesellschaft werde “gerade nicht nur von Islamisten, sondern auch von der rechten Szene unter Beschuss genommen”, und man werde dieses Phänomen nicht in den Griff bekommen, “indem man auf die Quoten schielend deren Ikonen Raum gibt.”

4. Wozu noch Medienkritik?
(evangelisch.de, Tilo Jung und Stefan Schulz)
Claus Kleber sieht große Teile der Gesellschaft “unversorgt von einer, wie wir sagen würden, anständigen Nachrichtenversorgung”. Peter Frey, ZDF-Chef und damit Klebers Vorgesetzter, spricht dagegen von einer “Renaissance der Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Nachrichten”. Und der Intendant Thomas Bellut erkennt “keinen Hinweis für eine grundlegende Glaubwürdigkeitskrise”. Der ZDF-interne Konflikt steht stellvertretend für den Kampf um die Deutungshoheit innerhalb der gesamten Branche. Stefan Schulz meint deshalb: “Es tobt ein sehr schädlicher Medienkrieg.”

5. Zensur in Thailand: “New York Times” erscheint mit weissem Fleck auf dem Titel
(watson.ch)
Auf der gestrigen Titelseite der “International New York Times” gab es einen kritischen Artikel über die Situation in Thailand. Überschrift: “Thailands Stimmung und Wirtschaft im Sinkflug”. Nur nicht in Thailand. Da war auf einer großen weißen Fläche zu lesen: “Der Artikel, der hier stand, wurde von unserer Druckerei in Thailand entfernt. Die ‘International New York Times’ und ihre Belegschaft spielten keine Rolle bei dieser Entfernung.”

6. “Wer unmodisch bleibt, eilt voraus”
(taz.de, Johannes Gernert und Peter Unfried)
Gestern Abend sendete das ZDF die letzte Folge von “Pelzig hält sich”. Johannes Gernert und Peter Unfried haben mit Frank-Markus Barwasser über seinen freiwilligen Abgang gesprochen.

Rügenritt in Sternchenjeans

Dürfen wir vorstellen:

„Georgie“ ist die Kinder-Rubrik der Reitsport-Zeitschrift „St. Georg“ — normalerweise nicht ganz unser Beritt, aber wenn mit einer Redaktion dermaßen die Pferde durchg… okay, zur Sache.

Doch in Wahrheit waren es nicht “Georgie” und die Redaktion von „St. Georg“, die das “herausgefunden” haben, sondern: HKM Sports Equipment.

Denn die Outfits, die Bibi und ihre Freundin Tina im Film tragen, wurden von HKM Sports Equipment gestellt und inzwischen könnt auch ihr euch in Bibi und Tina und eure Pferde in Amadeus und Sabrina verwandeln. Aber wie entsteht eigentlich so eine Kollektion? HKM Sports Equipment erklärt es euch.

Vor allem erklärt HKM Sports Equipment aber, wie umwerfend HKM Sports Equipment doch ist — vier Seiten lang:


Im Laufe des letzten Jahres konnte das HKM-Team immer wieder Einblicke in die Filmwelt erhaschen. Die Darstellerinnen von Bibi & Tina, Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll, haben sogar mal ganz liebe Grüße direkt vom Filmset geschickt. Echt aufregend.

Au ja. Aber der Höhepunkt kommt erst noch.

Im Dezember war es dann so weit: Weltpremiere in Berlin und das Team HKM war mit zwölf Mädels live dabei. Das war mal etwas ganz Besonderes, denn bei der Premiere ebenfalls anwesend waren Schauspieler wie Heino Ferch oder Max von der Groeben. Und die HKMs mitten drin. Während des Films haben sie natürlich immer wieder geschaut, wo Produkte von ihnen verwendet wurden und klar, da waren sie schon ziemlich stolz, als sie die vielen Produkte entdeckt haben.

Auch Teil der Premiere: Die Präsentation der HKM by Bibi & Tina Reitsportkollektion. Das war natürlich ganz besonders aufregend für die HKM-Mannschaft und eigentlich beinahe der wichtigste Teil – ähnlich wie die entscheidende Germany‘s Next Topmodel-Frage, ob Heidi ein Foto für die Kandidatin hat. Hier stellte sich die Frage: Wie kommt die Kollektion bei den kleinen Reiterinnen an? Hat sich die monatelange Arbeit und das Herzblut gelohnt, das hineingesteckt wurde? Gefallen Sternchenjeans in blau und Oversizeblouson in knallrot den Bibi & Tina Fans?

Antwort: Ja, HKM, wir haben ein Foto für Dich! Da waren Freude und Erleichterung bei allen Beteiligten natürlich groß.

Und was noch toller ist: Auch in jenen Ländern, in denen Bibi & Tina gar nicht jeder kennt (stellt euch vor, das gibt‘s!), HKM aber viele Kunden hat, kommt die Kollektion toll an. Und wer freut sich nicht über zufriedene Kunden?!

Übrigens apropos Inspiration – die Begeisterung für das „voll verhexte“ Bibi & Tina Outfit hat Desginchef Stefan und sein Team zur Entwicklung von „Little Sister“ inspiriert, einer neuen Kollektion für die kleine Reiterin, die ab Herbst 2015 erhältlich sein wird.

Übrigens apropos Begeisterung. Der Deutsche Presserat zeigte sich weniger angetan von dieser Schleichwerbung und sprach eine Rüge gegen „St. Georg“ aus.

Es war bei Weitem nicht der einzige Schleichwerbetext, der vom Presserat gerügt wurde. Wir sind zwar etwas spät dran (die Sitzung fand im September statt), wollen uns die Geschichten aber trotzdem noch etwas genauer anschauen.

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Da wäre zunächst dieser Artikel, erschienen in der “Rheinischen Post”:

Eine Bank, die Kredite vergibt? Hammer!

Das Kleveblog (das uns freundlicherweise auch das Foto zur Verfügung gestellt hat) schreibt dazu:

Im Text, Bestandteil des redaktionellen Angebots und nicht als Anzeige gekennzeichnet, heißt es: „DieVolksbank Kleverland stellt ihren Kunden Kunden [sic!] für private Anschaffungen schnell und unkompliziert Darlehen zur Verfügung. Der Wunschbetrag kann dabei bis 75000 Euro betragen.“ Kundenberater Benjamin Brüschke sagt: „Wofür der Kunde den Kredit braucht, spielt dabei gar keine Rolle“. Hey, it’s so easy, nehmt die Kohle! Der junge Mann posiert auch für das Foto, vor einem üppigen Mercedes und mit einem Easy-Credit-Plakat in der Hand, das ein Pärchen zeigt, welches fröhlich verkündet: „Unser Kredit, so individuell wie wir“.

Diese „ausschließlich positive und völlig unkritische“ Berichterstattung der „Rheinischen Post“ sei „nicht von öffentlichem Interesse“ gewesen und habe „deutlich die Grenze zur Schleichwerbung“ überschritten, urteilte auch der Presserat und sprach eine Rüge aus.

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Gerügt wurden auch die „Westfälischen Nachrichten“. Die Zeitung hatte im Rahmen einer „Medienpartnerschaft“ drei redaktionelle Beiträge über Unternehmen und ihr Angebot veröffentlicht. Beigestellt waren den Artikeln Anzeigen der Unternehmen. Auch hier erkannte der Presserat Schleichwerbung.

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Die „Leipziger Volkszeitung“ wurde gerügt, weil sie auf der Titelseite auf eine werbliche Veröffentlichung im Innenteil hingewiesen hatte (es ging um Navigationsgeräte). „Ein solcher Querverweis ist mit der erforderlichen klaren Trennung von Redaktion und Werbung nicht vereinbar“, befand der Presserat.

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Ebenfalls wegen Schleichwerbung gerügt wurde „Sonntag Aktuell“. Das Blatt hatte, so der Presserat, „25 ausgewählte Urlaubshotels vorgestellt und dabei auch werbliche Formulierungen verwendet. Im Umfeld der Artikel wurden zudem zwei redaktionell gestaltete Anzeigen veröffentlicht, die mit ‘Sonderveröffentlichung’ gekennzeichnet waren. Dieser Begriff ist jedoch nicht geeignet, die Werbung für den Leser klar als solche erkennbar zu machen”.

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Eine Rüge ging auch an „L.A. Multimedia“. Die „Zeitschrift für den Einsatz von Multimedia, EDV, IT und Kommunikationstechnologien in Schulen“ (Eigenbeschreibung) hatte „unter anderem in werblicher Sprache über IT-Produkte berichtet und dabei jeweils einen bestimmten Hersteller bzw. Anbieter hervorgehoben“, wie der Presserat schreibt. „Zudem enthielten die Artikel Hinweise auf die Web-Seiten der Unternehmen. Einer der Artikel war sogar von einem leitenden Mitarbeiter eines Herstellerunternehmens verfasst worden.“ Der Presserat beurteilte auch diese Artikel als Schleichwerbung.

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Auch Bild.de bekam eine Rüge. Nicht wegen Schleichwerbung, sondern “wegen einer unangemessen sensationellen Darstellung eines grausamen Unfalls”. Der Presserat schreibt:

Die Redaktion hatte ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie Sportler der European Games von einem Bus angefahren werden. Sie erlitten zum Teil schwere Verletzungen.

Im Video wird mehrfach der Moment des Aufpralls gezeigt. Diese Wiederholung des Unfallmoments geht über ein öffentliches Interesse hinaus, die Grenze zur Sensationsberichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex wird überschritten, bewertete der Presserat.

Inzwischen hat Bild.de das Video geändert; jetzt ist der Aufprall nur noch einmal zu sehen. Natürlich mit vorgeschalteter Werbung.

***

Negativer Spitzenreiter war diesmal allerdings „Focus Online“, das gleich drei Rügen kassierte. Einen für diesen Artikel:

„Man fühlt sich nicht wie beim Einkaufen, sondern wie bei Freunden.“ So oder so ähnlich beschreiben viele Frauen die angenehme Einkaufsatmosphäre, für die schon einmal extra Meilen zurückgelegt werden. Statt vollgestopften Regalschluchten in irrgartenartigen Minifilialen sind alle dm-Läden stets aufgeräumt sowie hell und freundlich gestaltet.

In den breiten Gängen kann man mühelos mit dem Einkaufs- oder Kinderwagen manövrieren. Gerade junge Mütter wissen diese Breite des Raumes zu schätzen, auch weil der Nachwuchs mit seinem eigenen Kindereinkaufswagen nicht alle drei Sekunden irgendwo anstößt.

Ein weiterer Pluspunkt: die schräg stehenden, niedrigen Regale ermöglichen selbst kleinen Frauen einen guten (Über-) Blick auf die Produkte.

Toll. Und das war erst Punkt 1 („Die Atmosphäre“). Es folgen acht weitere Lobeshymnen — „Das Lebensgefühl“, „Das Personal“, „Die Beratung“, „Das Angebot“, „Die Eigenmarken“, „Die Transparenz“, „Die Nachhaltigkeit“, „Die Ideologie“ — und nicht ein einziges kritisches Tönchen.

„Focus Online“ argumentierte zwar, „es handle sich zwar um einem wohlwollenden, aber keinen werblichen Beitrag, da keinerlei Vergünstigung für die Redaktion daraus entstand“, dem folgte der Presserat allerdings nicht.

Die zweite Rüge bekam „Focus Online“ für einen Artikel mit der Überschrift:

Dahinter verbarg sich dieses Video (BILDblog berichtete):

„Focus Online“ schrieb:

Eine ganz normale Straßensperre in Russland: Ein Auto wird aufgehalten, weil es nur einen funktionierenden Scheinwerfer hat. Während der Polizist noch mit dem Fahrer redet, taucht plötzlich ein Rudel Wölfe aus dem nichts auf. Gerade noch kann sich der Polizist retten.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Was die Redaktion nicht erwähnte: Das Video ist ein vier Jahre alter Fake und wurde als Teil einer Wodka-Werbekampagne verbreitet.

Darin sah der Presserat „einen schwerwiegenden Verstoß gegen das in Ziffer 1 des Pressekodex festgeschriebene Gebot zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit.“

Eine dritte Rüge bekam „Focus Online“, weil das Portal über den Suizid eines Mädchens berichtet und dabei den vollen Namen genannt und ein Foto des Mädchens gezeigt hatte. Die Rüge bezieht sich dabei explizit nur auf den Facebook-Auftritt von „Focus Online“ (vermutlich, weil nur dazu – und nicht zum Artikel selbst – eine Beschwerde eingegangen war). Der Presserat schreibt: „Die in Richtlinie 8.7 geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötung wurde hier grob missachtet.“

***

Neben den zehn Rügen sprach der Presserat auch 19 Missbilligungen aus. Sechs davon gingen an Bild.de.

In diesem Fall hatte “Bild”, wie so häufig, wenn es von grausamen Unfällen keine grausamen Fotos gibt, eine grausame Zeichnung anfertigen lassen — und verstieß damit gegen Ziffer 11 des Pressekodex (“Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid”).

So auch in diesem Fall:


Für beide Zeichnungen erhielt Bild.de Missbilligungen; die mit der Straßenbahn wurde inzwischen gelöscht, die mit der Statue ist weiterhin online.

Eine weitere Missbilligung gab es für diesen Artikel:

(Unkenntlichmachung der Frau von uns.)

Bild.de hatte das Gesicht der Frau nicht verpixelt — ein Verstoß gegen Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit). Das Foto ist übrigens immer noch unverändert online.

Ebenfalls missbilligt wurde dieser Artikel:

Darin zeigt Bild.de mehrere (Agentur-)Fotos der Opfer ohne jede Unkenntlichmachung. Auch hier erkannte der Presserat einen Verstoß gegen Ziffer 8. Und auch diese Fotos sind immer noch online.

Auch dafür gab es eine Missbilligung. Das Foto verstoße gegen die Ziffern 1 (Achtung der Menschenwürde) und 11 (Sensationsberichterstattung).

Missbilligt wurde schließlich auch dieser Artikel:

Darin zeigt Bild.de ein Video (auch das ist nach wie vor online), auf dem ein hilfloser Mann immer wieder getreten und geschlagen wird. Damit verstößt das Portal nach Auffassung des Presserats gegen Ziffer 11, weil der Leser die Möglichkeit habe, unmittelbar bei der Gewalttat dabei zu sein. Außerdem erhöhe dies das Risiko von Nachahmungen.

Darüber hinaus sprach der Presserat auch zwei “Hinweise” gegen “Bild” bzw. Bild.de aus. Einen wegen des (inzwischen entfernten) Emotions-Tools, mit dem die Online-Leser auch bei den unpassendsten Gelegenheiten “Lachen” konnten:

Der Presserat erklärte, es schade dem Ansehen der Presse, “wenn ein Medium bei einem Beitrag, der sich mit einer Gewalttat gegen einen Menschen beschäftigt, den Usern die Möglichkeit eröffnet, den Artikel mit einer Emotion wie ‘Lachen’ zu bewerten” (siehe dazu auch hier und hier).

Der zweite Hinweis ging an die gedruckte “Bild”-Zeitung, weil sie ein Mädchen, das zunächst vermisst worden aber dann wieder aufgetaucht war, auch nach dem Auftauchen unverpixelt gezeigt hatte:

Eine Rüge, sechs Missbilligungen, zwei Hinweise — da können die Leute von “Bild” ja wieder richtig stolz auf sich sein.

“Bild”-Montage, Olympia, sonntägliche Einschlafprobleme

1. Die etwas andere “Bild”-Montage
(tagesspiegel.de, Robert Klages)
Das “Erzgebirgsbad” in Thalheim wurde zu einer Unterkunft für Geflüchtete umgebaut. Um zu verdeutlichen, wie es dort aussieht, zeigt die “Bild”-Zeitung betende Muslime in der ehemaligen Sauna und überschreibt ihren Artikel mit “Gebetsraum in der 90-Grad-Sauna”. Das Foto ist allerdings eine Montage — und werde von rechtsradikalen Medien dankend aufgegriffen, schreibt Robert Klages.

2. Das plumpe Hurra-Kostüm zieht nicht
(taz.de, Jürn Kruse)
Wenn “die ARD ihre Berichterstattung nach einer Bundestagswahl aus dem Konrad-Adenauer-Haus übertragen” würde, dürfte das Erstaunen groß sein. Wenn der NDR seine Sondersendung zum Volksentscheid live aus der Hamburger “Barclaycard-Arena” sendet, wo die Befürworter der Olympiabewerbung feiern wollten, dann stört das nur wenige. Einer davon ist “taz”-Redakteur Jürn Kruse, der den Medien zum Olympia-Referendum eine plumpe Pro-Hamburg-Kampagne attestiert.

3. Wer uns totschiesst, den schweigen wir tot
(nzz.ch, Stephan Klapproth)
Nach den Attentaten in Paris beobachtete Stephan Klapproth, dass die vielen Live-Berichte und dramatischen Überschriften eine “falsche Gesamtgeschichte” erzählten und die Terroristen größer machten als sie tatsächlich waren. In einem Gastkommentar denkt er daher über eine “Pressefreiheit 2.0” nach: “Die Medien geben sich die Freiheit, ihr aufklärerisches Recht zu nutzen nach einer Verantwortungsethik, die nach dem Resultat fragt, und nicht nach einer Gesinnungsethik, die auf einem abstrakten Prinzip beharrt.”

4. “The Hunger For Good Journalism Is Not Dead” — What’s Getting Shared Online?
(newswhip.com, Liam Corcoran)
Der Forscher Satu Vasantola hat für das “Reuters Institute” untersucht, welche Inhalte online geteilt werden: “One of the most striking features was the absence of news. News is not that widely shared, unless in breaking news situations.” Ebenfalls interessant: “The vast majority of the most shared BBC headlines were traditional fact-based news headlines. They told what happened to whom, where and when.”

5. Entdecke Neues und rede darüber
(de.ejo-online.eu, Stephan Russ-Mohl)
Universitäten bauen ihre Kommunikationsabteilungen aus, Stiftungen finanzieren die Wissenschaftsberichterstattung von Gratisblättern — Stephan Russ-Mohl über die Situation der Wissenschaftskommunikation an Unis und des Wissenschaftsjournalismus in Medien in der Schweiz.

6. Nach Jauch-Aus: Millionen Deutsche befürchten Einschlafprobleme am Sonntagabend
(der-postillon.com)

Gegen Recht und Ordner

In Deggendorf steht seit heute eine 47-jährige Frau vor Gericht, weil sie ihren Mann wenige Monate nach der Hochzeit erstochen haben soll. Viele Medien berichten über den Prozess. Bebildert sind die Artikel in den meisten Fällen so:


(br.de)


(welt.de)


(pnp.de)

Voll gemein mit diesem Aktenordner. Da hat man ja kaum eine Chance, die Persönlichkeitsrechte der Frau zu verletzen!

Doch zum Glück war “Bild”-Reporter Jörg Völkerling zur richtigen Zeit in der richtigen Position:

(Unkenntlichmachung von uns.)

Mit Dank an Boris R.

Nachtrag, 1. Dezember: In der Print-Ausgabe hat “Bild” der Frau einen schwarzen Augenbalken spendiert.

Nachtrag, 4. Dezember: … und online ist sie nun doch verpixelt.

n24.de  

Mehr Fiction als Science

Bei N24 finden sie diese “Aufnahmen aus dem Weltall”, die die Nasa veröffentlicht haben soll, wohl so “spektakulär”, dass sie auf der Startseite aktuell gleich zweimal auf ihren Artikel verlinken:

Also, draufgeklickt — und schon erzählt einem der Sprecher:

Diese spektaklären Weltraumaufnahmen der Nasa zeigen ein äußerst seltenes Phänomen. Zu sehen ist zunächst ein sogenanntes Schwarzes Loch. Wie ein Phantom schwebt es durchs All. Plötzlich taucht ein sonnenähnlicher Stern auf. Er wird vom Schwarzen Loch angezogen. Bei diesem Schauspiel herschen enorme …

… und so weiter.

Erstmal: Das 1:02-Minuten-Video hat das “Goddard Space Flight Center” der Nasa (GSFC) bereits vor über einem Monat bei Youtube hochgeladen. Vor allem aber trifft es der Sprecher schon ganz gut mit dem “Schauspiel”, von dem er spricht. Denn bei diesem Schwarzes-Loch-Stern-Krimi handelt es sich keineswegs um “Aufnahmen aus dem Weltall”, sondern um Aufnahmen aus einem Computer. Es ist eine Animation.

Oder wie das GSFC selbst schreibt:

This artist’s rendering illustrates new findings about a star shredded by a black hole.

Das ist offenbar auch einigen Lesern aufgefallen. Allerdings:

Da scheint ein Schwarzes Loch durch den N24-Kommentarbereich gezogen zu sein.

Mit Dank an Markus K.!

Nachtrag, 1. Dezember: Inzwischen schreibt N24 nur noch, dass es sich um “Aufnahmen” handele (statt “Aufnahmen aus dem Weltall”). Und auch der Sprecher des Videos redet nun von einer “Animation der Nasa”.

“Bild” und die gefühlte Wahrheit über Mats Hummels

Der “Kicker” hat heute ein großes Interview mit BVB-Fußballer Mats Hummels veröffentlicht. Darin findet sich auch folgende Passage:

Kicker: Sie sollen aus Ärger über interne Meinungsverschiedenheiten gesagt haben: „Ich bin mit der Borussia nicht verheiratet.“

Hummels: Das ist eine Geschichte, die mir wirklich am Herzen liegt! Diesen Satz habe ich im Leben noch NIE benutzt! Und ich habe ganz ehrlich ein Problem damit, dass so etwas einfach erfunden wird und jeder vom anderen abschreibt. Es ist traurig, dass das heute so funktioniert und zur gefühlten Wahrheit wird.

Und wer hat’s erfunden? Genau:

[Hummels’] Verhältnis zu Trainer Thomas Tuchel (42) ist nicht (immer) das Beste. Nach dem Last-Minute-Ausgleich gegen Darmstadt (2:2/7. Spieltag) hatte Hummels gewütet: „Das ist keine Verteidigung.“

Danach musste er sich wegen seiner Kollegen-Schelte deutliche Worte von Tuchel anhören.

Hummels soll sich angeblich nicht gerade einsichtig gezeigt haben und gekontert haben: „Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet!“

Erschienen vor fünf Tagen auf Bild.de und in der Ruhrgebiets-Ausgabe der „Bild“-Zeitung – und von dort herumgereicht in der Fußballmedienwelt:

Hummels soll sich aber angeblich nicht gerade einsichtig gezeigt und laut Bild gekontert haben: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet!”

(fussballnews.de)

(…) soll der Nationalspieler demnach entgegnet haben: „Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet.

(transfermarkt.de)

“Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet”, soll Hummels geäußert haben.

(news.de)

Die BILD berichtet, dass eine Trennung möglich sei. Interpretieren tut sie das aus dem angeblichen Satz: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet”, den Hummels seinem Coach Tuchel gegenüber gesagt haben soll.

(spox.com)

Darauf solll [sic] dieser erwidert haben: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet.”

(sport1.de)

Die “Bild”-Zeitung berichtet auf ihrer Online-Seite heute auch über das „Kicker“-Interview. Die Stelle mit dem erfundenen Satz erwähnt sie dabei natürlich nicht.

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