Vollkommen normale Katastrophen

Mal angenommen, man würde einen ziemlich spektakulären Betrug planen. Wie ginge man vor?

Am wichtigsten wäre wohl, dass man nicht auffällt. Man müsste wie jemand erscheinen, der in ganz normaler Absicht ganz normale Dinge erledigt. Man müsste sich perfekt an die Umgebung anpassen, wie ein Schauspieler in eine Rolle schlüpfen und sich mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit so verhalten, dass der Betrogene keine Chance hat, auch nur irgendeinen Verdacht zu schöpfen.

Ralf Heimann hat vor ein paar Jahren aus Versehen einen Zeitungsbericht über einen umgefallenen Blumenkübel berühmt gemacht. Seitdem lassen ihn abseitige Meldungen nicht mehr los. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt zusammen mit Jörg Homering-Elsner “Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst — Perlen des Lokaljournalismus”. Im August erscheint von Daniel Wichmann und ihm “Hier ist alles Banane — Erich Honeckers geheime Tagebücher 1994 – 2015”. Fürs BILDblog kümmert er sich um all die unwichtigen Dinge, die in Deutschland und auf der Welt so passieren.
(Foto: Jean-Marie Tronquet)

In Amberg in der Oberpfalz ist ein 43-jähriger Mann am vergangenen Freitag in eine Bank gegangen, hat einen Barscheck über 150 Millionen Euro auf den Tisch gelegt und den Bankangestellten angewiesen, das Geld auf mehrere Konten im Ausland zu verteilen.

Als wäre das nicht schon genug, standen auf dem Scheck laut “Mittelbayerischer Zeitung” auch noch die gefälschten Unterschriften zweier Vorstände der Deutschen Bank. Man hätte von fast 82 Millionen Menschen in Deutschland einen beliebigen fragen können, wie dieser Fall ausgehen wird, und alle hätte richtig gelegen. Nur dieser eine Mann nicht. Und ausgerechnet der hatte den Scheck dabei.

Aber es ist ja nicht nur bei Betrügereien, sondern eigentlich immer sehr wichtig, dass man den Anschein von Normalität erweckt. Sonst können schlimme Dinge passieren. Diese Annahme ist jedenfalls weit verbreitet.

Ich weiß nicht genau, was Pressesprecher in ihrer Ausbildung lernen, aber ich stelle mir vor, dass in jeder Pressesprecher-Ausbildung irgendwann auch Situationen auf dem Lehrplan stehen, in denen man einfach nicht mehr weiter weiß. Irgendwas ist schiefgelaufen, das nicht nur auf den ersten Blick nach heilloser Trotteligkeit aussieht. Jemand aus der Belegschaft hat etwas von großer öffentlicher Wirkung angestellt, das schon im eigenen Laden niemand versteht. Oder ganz allgemein: Es ist etwas passiert, das kein Mensch, schon gar nicht man selbst erklären kann.

In diesen Situationen gibt es immer noch eine letzte Rettung. Dann sagt man einfach: “Es handelt sich um einen ganz normalen Vorgang.”

In Erharting sollten in dieser Woche zwei Polizisten einen Pflegeheim-Besucher begleiten. Letztlich haben sie ihn erschossen. Der “Münchner Merkur” zitiert den Polizei-Sprecher mit dem Satz:

Das Zitat bezieht sich darauf, dass die Staatsanwaltschaft nun prüft, ob die Polizisten richtig gehandelt haben.* Es können die größten Katastrophen passieren, trotzdem geht alles unbeirrbar seinen ganz normalen Gang. Außerirdische landen am Brandenburger Tor? Dass die Polizei da mal vorbeifährt, ist ja wohl ein ganz normaler Vorgang.

Die Formulierung ist so etwas wie das “Bitte gehen Sie weiter”-Schild der Kommunikationsbranche. Sie ist mittlerweile sehr populär, auch jenseits von Pressestellen.

Wenn ein Trainer nach zwei gewonnenen Spielen zurücktritt, Archäologen in einem Neubaugebiet auf ein 7000 Jahre altes Haus stoßen, oder Polizisten bei einem Kollegen 25.000 Kinderporno-Bilder finden, kann man sich ziemlich sicher sein, dass das alles letztlich nur Folge eines ganz normalen Vorgangs ist.

Deswegen habe ich mich auch sehr gewundert, dass die Formulierung fehlte, als am Montag die Meldung von dem Chinesen die Runde machte, der angeblich nur einen Diebstahl melden wollte, aber aus Versehen einen Asylantrag unterschrieb.

Es ist ja nicht das erste Mal, dass jemand Dokumente ungelesen unterzeichnet und sich nachher wundert, was er damit angerichtet hat. Ging Franz Beckenbauer damals wahrscheinlich ganz ähnlich. Plötzlich hat man die WM im eigenen Land.

Jetzt habe ich gerade mal gesucht. Und tatsächlich:

“Damals war das für uns ein ganz normaler Vorgang, weil wir dieses Konto von der Firma genannt bekommen haben, die damals das Ticketbüro der Fifa betrieb”, sagte der frühere DFB-Generalsekretär der Deutschen Presse-Agentur.

Aber noch mal zu dem Chinesen. Wer schon die Geschichte selbst unglaublich fand, hat die Bebilderung bei “Focus Online” wahrscheinlich noch nicht gesehen:

Schade eigentlich, dass die Leute bei “Focus Online” so wenig auf Zack sind. Mit dem Bild hätte sich aus der Story ja noch viel mehr machen lassen: Schnell alternder Chinese (31) unterschreibt aus Versehen Asylantrag und flüchtet auf fahrendem Koffer aus Flüchtlingsheim.

Das klingt doch gleich noch besser. Vielleicht hätte der Sachverhalt dann auch endlich alle Voraussetzungen erfüllt, um als ganz normaler Vorgang abgestempelt zu werden.

Diese Chance ist wohl vertan. Aber ich hätte hier noch was anderes. Das klingt jetzt wahrscheinlich weit hergeholt, aber haben Sie schon mal einen Seehund gefunden? Einen jungen Seehund?

Man weiß ja gar nicht, wie man sich verhalten soll, wenn so ein hilfloses Tier vor einem auf dem Boden liegt. Muss man es mitnehmen? Verhungert es sonst? Was, wenn die Mutter zurückkommt? So ein Seehund kann ja recht groß werden und ist wahrscheinlich auch nicht ungefährlich, wenn es um den Nachwuchs geht.

Aber das Baby einfach liegen lassen? Kann man das machen? Auf Anhieb schwer zu sagen. Doch keine Sorge. Die Polizeidirektion Osnabrück hat dazu am Montag eine Pressemitteilung herausgegeben:

Es ist natürlich alles ganz einfach. Fassen Sie den Seehund nicht an. Wählen Sie die Nummer der Seehundstation, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob er Hilfe braucht, aber auf keinen Fall den Notruf, denn dazu gibt es keinen Anlass. Höchstwahrscheinlich ist alles in Ordnung. Vermutlich ist die Mutter nur schnell was zu essen holen und wird bald mit frischem Fisch zurück sein. Um es in den Worten der Osnabrücker Polizei zu sagen: “Es ist ein ganz normaler Vorgang”.

*Korrektur: Ursprünglich stand im Text, das Zitat des Polizeisprechers aus dem “Münchner Merkur” (“Ein ganz normaler Vorgang in einem solchen Fall”) beziehe sich darauf, dass die Polizisten sich gewehrt und geschossen haben. Es bezieht sich allerdings darauf, dass die Staatsanwaltschaft den Fall nun untersucht. Wir haben das korrigiert. Pardon für den Fehler!

Heinz Buschkowsky und das falsche “Pokémon”-No-Go im Islam

Jeden Mittwoch darf Heinz Buschkowsky “Klartext” reden. Immer wieder geht es in seiner Kolumne in der Berlin-Brandenburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung um Zuwanderung, genauer: um die negativen Aspekte der Zuwanderung. Darin ist der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln schließlich selbsternannter Experte.

In seinem aktuellen Text aber behandelt Buschkowsky ein ganz anderes Thema:

Bei Bild.de wird in der leicht abgewandelten Überschrift auch direkt klar, welche “Monster” er genau meint:

Auch nach mehrfachem Lesen seines Textes und entgegen dem Titel seiner Kolumne wird nicht ganz klar, wofür Buschkowsky nun eigentlich plädiert: mehr Spielhallen, weniger “Pokémon”? Mehr Monster, weniger Glücksspiel? Immerhin einen seiner Gedanken umreißt er eindeutig: Für Muslime sei “Pokémon Go” ein — Achtung, Wortspiel — No-Go.

Junge und Mittelalte starren auf ihr Handy und rennen scheinbar ziellos durch die Gegend. Autofahrer kümmert ihr Handy mehr als die Ampel, es werden Partys gefeiert oder mit Taschenlampen bis morgens um 5 Uhr Grünanlagen durchstöbert.

Das ist ziemlich irre, bringt Menschen aber in Bewegung. Die israelische Marine soll damit Soldaten anwerben, im Islam ist das Spiel bereits mit einer Fatwa verboten worden, weil die Figuren auf der Evolutionstheorie basieren.

War ja klar, der Islam wieder, ein weiteres Lieblingsthema von Buschkowsky.

Einziges Problem: Heinz Buschkowsky schreibt Quatsch. Nicht “im Islam” ist “Pokémon Go” per Fatwa verboten worden, sondern in Saudi-Arabien. Und das auch nicht erst gerade, sondern bereits vor 15 Jahren. Um die Jahrtausendwende gab es schon einmal einen “Pokémon”-Hype. Die Fatwa von damals wurde in Saudi-Arabien nun für “Pokémon Go” erneuert.

Die “Deutsche Welle” schreibt dazu:

Der Rechtsgelehrte Scheich Saleh al-Fausan erklärte Medienberichten zufolge, das neue Spiel sei grundsätzlich wie das alte. In der Fatwa von 2001 wird Pokémon mit einem Glücksspiel verglichen. Weiter heißt es, die Figuren schienen auf der Evolutionslehre von Charles Darwin zu basieren. Beides wird vom Islam abgelehnt.

Der Islam in Saudi-Arabien, der Islam weltweit — solche Feinheiten interessieren Heinz Buschkowsky nicht, wenn er in “Bild” so richtig “Klartext” dampfplaudert.

Mit Dank an Martin für den Hinweis!

Nachtrag, 16:05 Uhr: Am vergangenen Samstag wurde “Pokémon Go” auch im Iran verboten, einen Tag zuvor hatten “Malaysias oberste islamische Autoritäten den Muslimen ihres südostasiatischen Landes das beliebte Handyspiel verboten”, schreibt heise.de. Sofern Heinz Buschkowsky nicht über seherische Fähigkeiten verfügt, konnte er davon aber nichts wissen — sein Text erschien am Mittwoch vergangener Woche.

Olympia-Gigantismus, Echtzeit-News, Anzeigenschwund

1. Das teuerste Nischenprogramm aller Zeiten
(faz.net, Frank Lübberding)
Der Journalist Frank Lübberding ächzt in seiner TV-Olympia-Kritik über die Rund-um-die Uhr-Berichterstattung von ARD und ZDF. Zu viel, zu pausenlos, zu hektisch. Und wer schaut eigentlich das Nachtprogramm? Lübberding schlägt einen Reset vor: “Da wäre es durchaus eine interessante Überlegung, wenn bei den nächsten Spielen ein Nischensender wie Eurosport aus Tokio berichten würde. Es wäre ein wirkungsvoller Beitrag, um die Olympischen Spiele von ihrem derzeitigen Gigantismus befreien, der in dieser Form der grenzenlosen Berichterstattung seinen öffentlich-rechtlichen Ausdruck findet.”

2. Britische Zeitungen: Gemeinsam gegen Facebook
(spiegel.de)
Seit Jahren verlieren Zeitungen Anzeigenkunden an Internetunternehmen wie Google und Facebook. In Großbritannien wollen sich nun Medienhäuser verbünden, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein haben: Die Zeitungen “The Sun”, ” The Guardian”, “The Daily Mail” und “The Times” wollen in einer “Machbarkeitsstudie” herausfinden, wie man das schrumpfende Anzeigengeschäft beleben kann.

3. Was immer geschieht, Sie sind live dabei
(faz.net, Fabienne Hurst)
Für den französischen Nachrichtensender “BFM TV” ist Schnelligkeit alles. Der private Nachrichtenkanal hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr der Echtzeit-Berichterstattung verschrieben und nimmt dabei in Kauf, auch falsche Informationen zu verbreiten. Fabienne Hurst hat sich für die “FAZ” den erfolgreichen, aber umstrittenen Kanal näher angeschaut und lässt u.a. Mitarbeiter und Verantwortliche zu Wort kommen.

4. Der albanische Medienmarkt: Zu klein zum Überleben?
(de.ejo-online.eu, Rrapo Zguri)
Albanien hat nur um die drei Millionen Einwohner, verfügt aber über eine relativ hohe Anzahl an Medienunternehmen: Mit 22 überregionalen Tageszeitungen wies das Land bis vor kurzem eine der höchsten Zeitungsdichten in der Region auf. Nun mache die Wirtschaftskrise den Medien jedoch schwer zu schaffen. In den vergangenen Monaten seien einige große Zeitungen und Fernsehsender eingestellt worden, so Rrapo Zguri in seinem Bericht über die derzeitige Lage der Medien in seinem Heimatland.

5. Olympische Medien-Spiele: Innovatives Storytelling zu #Rio2016
(medium.com, Frederic Huwendiek)
In Zeiten von Olympischen Spielen drehen die Medien besonders hochtourig und versuchen mit kreativen Innovationen zu glänzen. Frederic Huwendiek berichtet in seinem fortlaufend aktualisierten Beitrag über spannende neue Ansätze des Storytellings, von 360-Grad-Video bis Roboterjournalismus.

6. Last Week Tonight with John Oliver: Journalism (HBO)
(youtube.com, Video, 19:22 Min.)
In dieser Ausgabe der US-amerikanischen satirische Late-Night-Show “Last Week Tonight” nimmt sich John Oliver den Journalismus, insbesondere den Lokaljournalismus vor. Dem CEO der “Newspaper Association of America” David Chavern gefällt Olivers satirisch überspitzte Sichtweise ganz und gar nicht, wie seiner Stellungnahme zu entnehmen ist. Die Kolumnistin der “New York Times” Margaret Sullivan kommentiert dies wie folgt: “And I, in turn, have a suggestion for Mr. Chavern. When someone hilariously and poignantly celebrates the industry that you are paid to defend and protect, you ought to laugh at the funny parts and then simply say “thank you.” Or maybe nothing at all.”

Überschriften sind kein Kinderspiel

Der “Steiner Anzeiger” ist eine kleine Wochenzeitung aus der Schweiz, die Auflage liegt bei knapp über 1000, einmal im Monat, wenn die “Großauflage” ansteht, sogar bei über 4000. Als “amtliches Publikationsorgan der Gemeinde Stein am Rhein” spiegele das Blatt “das facettenreiche Leben im ‘Städtli’ und in den umliegenden Gemeinden” wider: Meldungen aus den Vereinen, Ankündigungen für Festivitäten, Berichte über die Lokalpolitik, sowas halt.

Neulich ging es in einem kurzen Text um einen größeren Einsatz der Polizei im angrenzenden Gailingen:

Am vergangenen Mittwoch hatte eine Anruferin der Polizei gemeldet, dass vor der Asylunterkunft in Gailingen 12 bis 15 Personen mit Pistolen rumliefen. Eine hätte sogar auf sie gezielt. Daraufhin rückten 20 Polizisten aus, welche mit Schutzausrüstung die Unterkunft durchsuchten. Dabei fanden sie fünf kleine Softairpistolen, welche frei verkäufliche Spielzeugwaffen sind. Zudem ergaben Ermittlungen, dass Kinder der Asylunterkunft mit den Spielzeugwaffen vor dem Gebäude gespielt hatten.

20 Polizisten, voll ausgerüstet, Durchsuchung — klar, dass der “Steiner Anzeiger” da berichtet.

Fehlt nur noch eine Überschrift, die den Fehlalarm gut wiedergibt …

Mit Dank an @gabrielvetter für den Screenshot!

Für Sie geklickt (4)

Wir haben mal wieder für Sie geklickt. So sparen Sie Lebenszeit und Gehirnzellen.

Heute: das zurückliegende Wochenende auf der Facebookseite der “Bravo”.

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Schwarz.

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Luftkuss, Handkuss, Wangenkuss, Eskimokuss, Fehlkuss, Knabberkuss, Zungenkuss.

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Wenn man mit seinen Eltern gesprochen hat, und sie nichts dagegen haben.

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“Dieser Grund” sind eigentlich acht:
1. Man ist nie allein.
2. Zusammenhalt.
3. Sie kann einen trösten.
4. Geteiltes Leid bei peinlichen Eltern.
5. Sie ist Tag und Nacht für einen da.
6. Man kann sich gegenseitig die Schuld zuschieben — keine Chance für die Eltern.
7. Sie ist eine Seelenverwandte.
8. Zu zweit ist alles schöner.

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Lachs, Walnüsse oder Mandeln und Spinat oder Grünkohl.

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Farid Bang, weil er schon für die vergangene Staffel angefragt wurde, aber abgesagt hatte.

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Rauchen.

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Fischig.

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Man kann auch fett (so: *BILDblog*) und kursiv (_BILDblog_) schreiben und Textteile durchstreichen (~”Bild”~).

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“ENTHÜLLT” hat das “Spotify”:
1. The XX — Intro
2. Hozier — From Eden
3. The 1975 — Menswear
4. Coldplay — Magic
5. Disclosure — You & Me (Flume Remix)
6. Zella Day — Sweet Ophelia
7. Dylan Gardner — Let’s Get Started
8. LP — Night Like This
9. Chet Faker — Talk Is Cheap
10. Fou De Toi — Deams

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Iris-Scanner.

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1. Sie lächelt.
2. Sie stelle ihm ihre BFF vor.
3. Ihr fehlen die Worte.
4. Sie wird kitschig.
5. Sie küsst ihn.

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1. Er schreibt ihr.
2. Er stellt sie vor.
3. Er sieht sie an.
4. Er ist aufmerksam.
5. Er kann die Finger nicht von ihr lassen.

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Sich nach dem Duschen für einige Zeit nackt im Spiegel anschauen.

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Vaiana.

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Einen Abwasch-Schwamm statt Lockenstab oder Glätteisen benutzen.

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Man kam “SOFORT ins Gespräch”, er stellte einige Fragen, und sie fand ihn dann ziemlich blöd.

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Wenn man erreichbar sein will, wenn man den Weg nicht kennt, wenn einem langweilig ist, wenn man mit Freunden weltweit in Kontakt bleiben will, wenn man schöne Momente festhalten will.

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Weil er im Ausland auf Jagd gegangen ist, und die Roaming-Gebühren so hoch waren. Aber: Die 4500 Euro muss er jetzt doch nicht mehr bezahlen — der Provider nahm die Rechnungskosten zurück.

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Lederjacken haben einen “Rockstar-Ruf”, Jeansjacken den “lässigen Everyday-Style”.

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Nein.

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Bitte. Keine Ursache.

Terror, Öffentlich-rechtliche Simplifizierung, Sportfalle

1. Warum sich die Berichterstattung über Terror ändern muss
(sueddeutsche.de, Georg Mascolo & Peter Neumann)
Peter Neumann, Experte für islamistischen Terror und Professor am Londoner King’s College und Georg Mascolo, ehemaliger “Spiegel”-Chef und jetziger Leiter des Rechercheverbunds von “NDR”, “WDR” und “Süddeutscher Zeitung” über den medialen Umgang mit Terroranschlägen. Eine Betrachtung, die historische Vorfälle miteinbezieht und bis in die Jetztzeit reicht. Verschweigen sei keine Lösung, aber die neue Bedrohung erfordere neue Regeln.

2. Öffentlich-rechtliche Sender: Reflexionsniveau einer Streichholzschachtel
(spiegel.de, Georg Diez)
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sei zur “Simplifizierungsmaschine” verkommen. Es müsse sich grundlegend wandeln, wenn es der komplexen Gegenwart gerecht werden wolle, so Georg Diez in seiner neuen “Spiegel”-Kolumne: “Wenn es die Sender nicht schaffen, sich eine wirkliche inhaltliche Berechtigung zu verschaffen, die Automatismen und Abläufe entscheidend zu verändern, die Herausforderung der überbordenden Rentenrechnungen zu meistern – dann werden sie irgendwann dem Druck der Verhältnisse nicht länger standhalten.”

3. Technisch hat der IS zehn Jahre Vorsprung
(faz.net, Jonas Jansen)
Jonas Jansen hat sich die aktuelle Ausgabe des dschihadistischen Magazins „Dabiq“ und Propagandavideos des „Islamischen Staates“ angesehen. Die Medienmaschine des IS laufe effizient und professionell. Die Hoheit im Netz sei ihm nur schwer streitig zu machen. Doch es gäbe Hoffnung, den Terroristen den ideologischen Nährboden zu nehmen. Wissenschaftler und Islamgelehrte würden daran arbeiten, die IS-Propaganda theologisch zu widerlegen: “Denn wenn den Terroristen der ideologische Nährboden weggenommen wird, sind die Chiffren und Codes nicht mehr so attraktiv für ziellose Jugendliche, die sonst vom IS angelockt werden.”

4. Fünf Fragen zur angemessenen Smartphone-Nutzung
(dirkvongehlen.de)
Der “Spiegel” ist augenscheinlich genervt von Handys: Diese Woche macht das Nachrichtenmagazin mit einer entsprechenden Titelstory auf: “Legt doch mal das Ding weg! Wie man sein Smartphone beherrscht – und Ruhe findet”. Auf die um sich greifende Smartphone-Angst reagiert Dirk von Gehlen mit einer “kulturpragmatischen Antwort”, in der er die wichtigsten Kritikpunkte aufgreift, Gegenfragen stellt und zu weiteren Gedanken anregt.

5. Kritik als Krawall
(dirkhansen.net)
Vor einigen Tagen bekam das Journalistenkollektiv “Correctiv” ungebetenen Besuch von zwei aggressiv auftretenden, filmenden Kritikern bzw. Gegnern. Dirk Hansen hat sich über diese Form krawalliger Auseinandersetzung Gedanken gemacht: “Ich fürchte, ignorieren reicht nicht mehr. (Was man ja schon an diesem Blogbeitrag erkennen kann.) Wir sollten derlei aggressive Störfälle sehr sorgfältig registrieren. Wo es journalistische Fehler gibt, kann man diese ja diskutieren. Publizistische Kommandoaktionen ala Graham und Six gilt es öffentlich zu brandmarken. Denn sie verhindern zuverlässig jene Phase der Beruhigung, die der Auf- und Abregung im Meinungsstreit eigentlich folgen müsste.”

6. Video: Die Story im Ersten: Die Sportfalle
(daserste.de, Video, 44:58 Min.)
Die ARD-Reportage “Die Sportfalle” – nur noch heute online zu sehen! Der Film zeigt, “wie Olympia und Co. bisher der Demokratie schaden, die Steuerzahler betrügen, den lokalen Sport ausbremsen und die Volkswirtschaft beschädigen. Und welche Visionen diejenigen haben, die das ändern wollen. Olympische Spiele in Rio – bei den Bürgern herrscht keine große Feierlaune. Die Brasilianer leiden unter einer Staats- und Wirtschaftskrise.”

“500 Euro Bild-Zeitung-Leserreporter? Hör auf jetzt!”

Im Verfahren gegen Gina-Lisa Lohfink könnte das Gericht morgen ein Urteil fällen. Dabei geht es um die Frage, ob das Model die zwei Männer Pardis F. und Sebastian C. fälschlicherweise beschuldigt hat, sie vergewaltigt zu haben.

Jahrelang kursierten Videos im Internet, die Lohfink, F. und C. zeigen — ob beim einvernehmlichen Sex oder bei einer Vergewaltigung, wird rund um das laufende Verfahren weiterhin diskutiert.* In den Videos soll Lohfink auch immer wieder eindeutig “Hört auf!” sagen. Der Fall hat zur aktuellen Debatte beigetragen, wann es sich um eine Vergewaltigung handelt und wann nicht.

Inzwischen sollen die Videos aus dem Internet gelöscht worden sein. Damit sich ihre Leser aber dennoch so richtig aufgeilen ein besseres Bild machen können, haben “Bild” und Bild.de neun der zwölf Videos transkribiert und diese Verschriftlichung gestern veröffentlicht:


Dieses Transkript beweist nichts — außer der Tatsache, wie unendlich schwierig es selbst bei Vorliegen von Video-Material sein kann, im Bereich des Sexualstrafrechts Recht zu sprechen. Das Protokoll ermöglicht jedoch eine bessere Meinungsbildung als die bisher ins Internet gestellten Video-Sequenzen, die die Debatte prägten.

“Bessere Meinungsbildung” klingt erstmal gut. Nun haben sich die “Bild”-Medien in ihrem aufklärerischen Eifer (wohlgemerkt: Eine bessere Meinung dürfen sich natürlich nur zahlende Zeitungs- oder “Bild-plus”-Kunden bilden) aber nicht nur auf Szenen beschränkt, die für die Vergewaltigungsfrage relevant sein könnten. Sie schildern beispielsweise auch explizit, an welchen Körperstellen bei Gina-Lisa Lohfink “eine weiße Flüssigkeit”, “vermutlich Sperma” zu sehen ist.

Eine Passage des Transkripts fanden wir dann aber tatsächlich ganz interessant (zum besseren Verständnis: Sebastian P. will in dieser Situation den Song “Carmen” von Sido hören):

Gina-Lisa: “Hör auf jetzt, gib Handy!”

Sebastian P.: “Ja, ich will kurz Carmen hören!”

Gina-Lisa: “Halt’s Maul, Paul! Gib Handy jetzt!”

Sebastian P.: “Hey, fang mal …, mach mal Handy weg.”

Pardis F.: “Mach mal aus, Mann.”

Sebastian P.: “Ja, ist doch schon aus.”

Pardis F.: “Mach doch aus.”

Sebastian P.: “Ist doch schon aus.”

Gina-Lisa: “Wie kann man nur die ganze Zeit filmen? Warum? Brauchst du Geld, oder was?”

Sebastian P.: “Alter, für dich das Lied.”

Gina-Lisa: “500 Euro Bild-Zeitung*-Leserreporter? Hör auf jetzt!”

Das haben die “Bild”-Medien mit ihrer Leser-Reporter-Aktion also inzwischen erreicht: Wenn eine Person in einer delikaten Situation ungewollt gefilmt oder fotografiert wird, denkt sie mit als erstes an die Möglichkeit, dass diese Aufnahme zu Geld gemacht werden soll und bei “Bild” landet.

Mit dem Sternchen hinter “Bild-Zeitung” verweist das Blatt übrigens auf diesen Absatz:

*BILD wurden — wie anderen Medien auch — mehrfach Videos aus der Nacht angeboten. Die Redaktion hat Kauf und Veröffentlichung stets abgelehnt.

*Korrektur, 12. August: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, “die Frage des laufenden Verfahrens” sei, ob es sich um einvernehmlichen Sex oder um eine Vergewaltigung gehandelt habe.

Wolf, Du hast die Gans gestohlen

Liebe “Bild Hamburg”,

zu Deiner Schlagzeile “Erster Wolf 30 km vor dem Gänsemarkt!” fallen uns gleich mehrere Fragen ein:

1.) Warum gerade vor dem “Gänsemarkt” in Hamburg und nicht vor Rathaus, Alster oder Michel? Weil der Gänsemarkt nur 500 Meter von Eurem Büro am “Axel-Springer-Platz” entfernt ist und ihr dort mittags beim Italiener einkehrt? Oder weil neben dem Wolf noch ein anderes Tier in der Schlagzeile vorkommen sollte? (Dann vielleicht ein kleiner Tipp: Das Lied heißt “FUCHS, Du hast die Gans gestohlen”.)

2.) Ihr gebt die Entfernung mit “nur rund 30 Kilometer Luftlinie” an:

Euch ist schon bewusst, dass Wölfe laut “Brehms Tierleben” und im Gegensatz zu beispielsweise Möwen vier Beine haben und sich nicht fliegenderweise fortbewegen, oder? (Powertipp fürs Ermitteln der korrekten Distanz “Wolf — Gänsemarkt”: Google Routenplaner, Einstellung “Fußgänger”.)

Und wo wir gerade beim Thema Entfernungen sind: Warum gebt Ihr die Entfernung in Eurer gedruckten Version mit 30 Kilometern und online mit 36 Kilometern an? Weil Eure Onliner ein Herz für Tiere haben und noch einen 6-Kilometer-Umweg für ‘nen Besuch beim Futtermitteldiscounter eingerechnet haben?

3.) Wie kommt man damit klar, seinen Lesern mittels alarmistischer Überschrift Angst vor dem bösen Wolf zu machen, wenn man im (dünnen) Artikel einen Experten zu Wort kommen lässt, der keinerlei Bedrohungslage sieht:

Wölfe bald auch in Hamburg? Glaubt Schmidt nicht: “Die Tiere sind scheu und meiden Menschen.”

Okay, das war vielleicht etwas naiv … wir ziehen die Frage zurück.

Als Bonus hier noch ein paar Vorschläge für weitere, alarmgetriebene Schlagzeilen:

  • Erstes Krokodil x Kilometer vor Alster-Schwimmhalle
  • Erster Tiger x Kilometer vor Kindertagesstätte
  • Erstes Faultier x Kilometer vor Axel-Springer-Büro Hamburg

Den Ausgangspunkt haben wir Euch schon mal markiert. Wie man die Kilometer misst, haben wir Euch ja bereits weiter oben erklärt.

Mit Dank an Thorsten H.!

Gipfeltreffen, Digitalradio, Fußball

1. Wer kümmert sich eigentlich um die tausenden Userkommentare, die Medien täglich bekommen?
(zeit.de, Mohamed Amjahid & Matthias Stolz)
Bei “zeit.de” haben sich drei Community- / Social-Media-Redakteure zum Gespräch getroffen: Torsten Beeck von “Spiegel Online”, David Schmidt von der “Zeit” und Niddal Salah-Eldin vom “Welt-Social-Team”. Wie hält man die tägliche Arbeit an der Kommentarfront aus? Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um Social-Media-Redakteur zu werden? Und bei welchen Themen melden sich die meisten User zu Wort? Ohne zu viel verraten zu wollen: Der Job scheint anstrengend zu sein, aber auch viel Spaß zu machen.

2. Der Amoklauf von München – ein Rückblick
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Die Berichterstattung der ARD zum Amoklauf in München war nicht unumstritten. Der verantwortliche Chefredakteur von ARD-aktuell, Tagesschau und Tagesthemen Kai Gniffke rechtfertigt das Vorgehen in einem “Rückblick”.

3. In sieben Jahren schalten wir einfach ab
(faz.net, Jürgen Bischoff)
“Die Geschichte des Digitalradios in Deutschland ist keine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen, sondern eine von Murks und Unvermögen, ein an sich sinnvolles System in den Markt zu bringen.”, lässt Jürgen Bischoff seinen Artikel über die Zukunft des Digitalradios beginnen. Die Politik solle sich nicht von den Privatsendern kirre machen lassen. Es sei sinnvoll, auf das Digitalradio zu setzen. Man müsse es nur wollen und notfalls erzwingen, so seine Kernbotschaft.

4. Internationales Bündnis gegen neues BND-Gesetz
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” hat gemeinsam mit einem internationalen Bündnis von Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbänden eine globale Kampagne gestartet, um ausländische Journalisten außerhalb der EU vor Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst zu schützen. Ziel sei es, eine entsprechende Schutzklausel in der Neufassung des BND-Gesetzes durchzusetzen, über die der Bundestag derzeit berate.

5. Unter verschärfter Beobachtung
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Der Streit zwischen den Zeitungsverlegern und der ARD um die Smartphone-App der „Tagesschau“ geht in eine neue Runde. Das Oberlandesgericht Köln muss nach einer Vorgabe durch den BGH erneut entscheiden. Im Kern geht es um die Frage, ob die Anwendung zu textlastig und damit “presseähnlich” ist, was vom Rundfunkstaatsvertrag untersagt sei. Kurt Sagatz zweifelt mit guten Argumenten die Aussagekraft der erwarteten Entscheidung an: “Grundsätzlich stellt sich die Frage, welche Aussagekraft eine juristische Entscheidung haben kann, die auf der inhaltlichen Bewertung einer fünf Jahre zurückliegenden Ausgabe einer Nachrichten-App beruht. In der „Tagesschau“-App von diesem Donnerstag wird beinahe jeder Beitrag entweder durch einen Hörfunk- oder TV-Beitrag ergänzt, im Fall der Messerattacke von London sogar durch beides. Zugleich haben sich in den zurückliegenden fünf Jahren auch die Webseiten der Zeitungshäuser verändert und enthalten ebenfalls verstärkt Audio- und Videoinhalte.”

6. Fußball als komplexer Sport
(120minuten.net, Lukas Tank)
Lukas Tank mit einem Debattenbeitrag zum Thema Fußball und Sportberichterstattung: “Tagtäglich liefert uns die Sportberichterstattung Antwort auf die Frage, warum Mannschaft X gegen Mannschaft Y gewonnen hat und warum jener Spieler besser oder schlechter ist als ein anderer. Bei der Ursachenforschung gehen die Meinungen auseinander. Gibt es noch die einfachen Erklärungen? Oder ist Fußball eine hochkomplexe Angelegenheit, bei der man den Spielausgang nicht mit einem schnöden „Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen“ abtun kann?”

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