Merkel-Interview, Bilderstreit der Fotodienste, Verkaufte Seele

1. “Waren ja Ihre Fragen, ne?”
(tagesschau.de, Julian Heißler)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gleich vier Youtubern auf einmal ein Interview gegeben. Der Neuigkeitswert des Gesprächs habe sich in Grenzen gehalten, doch darum sei es auch nicht gegangen. Von Merkels Seite hätte man schlicht auf die drei Millionen Abonnenten gezielt, ein überwiegend junges Publikum, das man sonst nicht so ohne weiteres erreicht hätte.
Die “FAZ” bescheinigt dem Gesprächstermin insgesamt gute Noten: “Die Resonanz war bescheiden, die Interviews der vier Youtuber mit der Bundeskanzlerin aber waren vielleicht sogar besser als Vergleichbares im Fernsehen.” Jörg Schieb sieht im WDR-Blog wenig Profiteure außerhalb von Veranstalter und Beteiligten: “Im Grunde alles nur eine große Inszenierung – ohne jeden echten Erkenntnisgewinn.” Die “Süddeutsche” hat zwei der vier Youtuber interviewt und sie unter anderem nach ihrer Vorbereitung gefragt.
Der Journalist Stefan Fries kritisiert auf seinem Blog eine Umfrage, die auch im Merkel-Interview eine Rolle spielte. Auf Twitter wurde lapidar gefragt: “Habt Ihr Angst vor einem Krieg?”, was etwa die Hälfte der Befragten bejahte. Die Umfrage sei jedoch nicht repräsentativ und die Antworten verzerrt. Außerdem sei die Frage viel zu unspezifisch und die Fehlertoleranz werde ignoriert. Fries findet die Umfrage geradezu unverantwortlich und schließt mit den Worten: “100 Prozent der Autoren dieses Blogs kriegen bei solchen Umfragen zuviel.”

2. Streit um freie Bilder: Fotodienste Unsplash und Pixabay stören sich an Copycats
(irights.info, Henry Steinhau & David Pachali)
Wer keinen Etat für Bildrechte hat, freut sich über Datenbanken wie “Pixabay” und “Unsplash”. Dort liegen Bilder, die für die Verwendung im privaten und kommerziellen Umfeld freigegeben wurden und kostenlos verwendet werden dürfen. Kürzlich gab es bei den Plattformen ein Hin und Her um die Formulierung der Lizenztexte. Hintergrund: Beide Seiten stören sich an Dritt-Anbietern, die ihre Kataloge nutzen und damit eigene, funktional und gestalterisch oft ähnliche Dienste aufbauen. “Pixabay” sei jedoch mittlerweile zur bisherigen CC0-Freigabe zurückgekehrt, die man lediglich um Nutzungsbedingungen erweitert habe. “Unsplash” habe eine neue Lizenzform eingeführt, die vom “Creative Commons”-Chef kritisiert wird.

3. Wie SPIEGEL ONLINE arbeitet
(spiegel.de, Barbara Hans)
“Spiegel Online”-Chefredakteurin Barbara Hans stellt die neue Rubrik “Backstage” vor: “Dort erklären wir, welchen Weg ein Artikel nimmt, bevor er veröffentlicht wird. Wie wir digitalen Journalismus verstehen. Warum sich häufig die Meldungen verschiedener Nachrichtenseiten gleichen und welche Rolle Nachrichtenagenturen spielen. Wir sprechen über peinliche Fehler und wie die Kollegen der Dokumentation uns täglich dabei helfen, sie zu vermeiden. Auch können Sie dort lesen, wie wir uns und unsere Arbeit – das heißt mehr als 120 veröffentlichte Artikel am Tag – finanzieren: über Werbung.”

4. Seele verkauft
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Dem “Stuttgarter Wochenende” lag als Beilage auch der rechte “Deutschland-Kurier” bei. Für Anna Hunger stellt sich die Frage, wo die Grenze liegt zwischen verlegerischer Verantwortung und Fahrlässigkeit. Die Reaktionen der Medienbranche sind eher ablehnend, wobei meist die Legalität der Aktion betont wird. Das eigentlich Tragische an der Sache läge laut Hunger jedoch an anderer Stelle: Durch die Verteilung der rechten Postille torpediere das Stuttgarter Medienhaus die Bemühungen der Zivilgesellschaft, gegen Rassismus und Nationalismus Stellung zu beziehen.

5. Getarnte Werbung
(edito.ch, Nina Fargahi)
Im Schweizer Medienmagazin “Edito” diskutiert Nina Fargahi das sogenannte “Native Advertisement”, eine Werbeform, die sich als redaktioneller Inhalt tarnt. Das Dilemma sei kaum aufzulösen: “Werbeinhalte sollen absichtlich in einer journalistischen Aufmachung zur Verfügung gestellt werden, weil die seriöse Erscheinung die Glaubwürdigkeit und damit auch die Aufmerksamkeit bei den Mediennutzern steigert. Doch je deutlicher deklariert wird, dass es sich bei einem bestimmten Inhalt um Werbung handelt, desto leichter ist er als solche erkennbar und somit für den Mediennutzer wohl weniger relevant. Zu viel Transparenz unterläuft den Zweck einer Werbeform. Umgekehrt fühlen sich die Mediennutzer veräppelt, wenn sie dahinterkommen, dass sie gerade etwas gelesen haben, das Werbung ist, aber nicht deutlich genug als solche ausgewiesen ist.”

6. DAS ist die ungewöhnliche Methode, mit nur 3 Schritten mehr KLICKS zu bekommen
(volkerkoenig.de)
Was braucht man für erfolgreiches Klickbaiting? Blogger Volker König lüftet das streng gehütete Geheimnis, das sonst nur Industriemagnaten, Wirtschaftsbosse und Illuminaten kennen. (oder so ähnlich…)

“Bild” befördert Gerhard Schröder ins falsche Rosneft-Gremium

Altkanzler Gerhard Schröder hat sich über “Bild” beschwert. Ein Bericht des Boulevardblatts zu seinem wohl bevorstehenden Engagement beim russischen Öl-Konzern Rosneft sei falsch. “Ich habe den Eindruck, das hat weniger mit meiner Tätigkeit zu tun als vielmehr mit dem Wahlkampf. Hier soll offenbar Frau Merkel geholfen werden”, sagte Schröder dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (“RND”). Das ist wiederum eine recht steile These. Was aber feststeht: “Bild” verbreitet ziemlichen Unsinn über Schröders möglichen Job bei Rosneft.

Gestern erschien in “Bild” und bei Bild.de ein Text über Gerhard Schröders Zukunft bei dem russischen Unternehmen, das zu großen Teilen dem russischen Staat gehört:

Ausriss Bild.de - Riesen-Streit um Russland-Job - Lässt die SPD Schröder Fallen?

Autor Filipp Piatov schreibt dort:

Nun wird die Kritik am Altkanzler immer lauter — im Herbst soll er in den Vorstand des Öl-Giganten Rosneft berufen werden.

Seit 2005 steht Schröder bereits im Dienst von Gazprom, kümmert sich seit 2016 als Verwaltungsrat um das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Doch der Aufstieg in den Rosneft-Vorstand ist keine einfache Beförderung. Es ist eine Adelung Schröders, seine Aufnahme in Putins innersten Kreis der Macht.

Die Überwindung moralischer Hindernisse lassen sich die Vorstände des Öl-Riesen fürstlich vergüten. Aus dem Geschäftsbericht von 2016 geht hervor, dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen zahlte. Das sind fast sechs Millionen Euro pro Person.

Die in der “Bild”-Zeitung genannten Summen seien völlig absurd, sagt Schröder. Für die für ihn vorgesehene Rolle werde er weniger als ein Zehntel der von “Bild” genannten “sechs Millionen Euro” bekommen, vorausgesetzt er werde überhaupt in das Gremium gewählt.

Nun behaupten “Bild” und Piatov nirgendwo direkt, dass Gerhard Schröder sechs Millionen Euro pro Jahr bekommen solle. Der Dreischritt aus “in den Vorstand des Öl-Giganten Rosneft berufen werden”, “der Aufstieg in den Rosneft-Vorstand” und “dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen zahlte” könnte bei der Leserschaft aber durchaus den Eindruck erwecken, dass Schröder eine derartige Summe bekommen könnte.

“Bild”-Chefchef Julian Reichelt sieht das naturgemäß anders. Nachdem Andreas Niesmann vom “RND” ihn bei Twitter auf die entsprechende Stelle in Piatovs Artikel hingewiesen hatte …

… twitterte Reichelt:

1) Wir haben große Zweifel, dass der durchschnittliche “Bild”-Leser, bei dem selbst die “Bild”-Redaktion es regelmäßig für notwendig hält, ihm eine Lesehilfe für das Wort “Bachelor” an die Hand zu geben, ohne Weiteres die feinen Unterschiede zwischen “Vorstand wird” und “in den Vorstand berufen wird” erkennt.

2) Im Text von Filipp Piatov steht tatsächlich nicht, dass Gerhard Schröder “Vorstand wird”. Drei Tage zuvor titelte Bild.de allerdings:

Ausriss Bild.de - Russischer Öl-Konzern - Gerhard Schröder wird Vorstand von Rosneft

3) Es ist völlig egal, ob da nun steht, dass Gerhard Schröder “Vorstand wird” oder “in den Vorstand berufen wird” — beides ist falsch. Schröder steht für das Aufsichtsgremium von Rosneft zur Wahl, den sogenannten “Rat der Direktoren”. Bei einer deutschen Aktiengesellschaft wäre das Pendant wohl der Aufsichtsrat. Das mag Schröders Verhalten nicht weniger fragwürdig erscheinen lassen, es handelt sich aber um einen anderen Posten als von “Bild” behauptet.

Auf der Rosneft-Website sind das “Management board”, in etwa der Vorstand, und das “Board of Directors” aufgelistet. Schröder ist einer von mehreren Kandidaten für das “Board of Directors”. Im anglo-amerikanischen Raum vereint das “Board of Directors” laut “Wikipedia” zwar die Funktionen von Aufsichtsrat und Vorstand; im selben “Wikipedia”-Artikel steht aber auch, dass in Russland “statt des Vorstandes der Aufsichtsrat als ‘Rat der Direktoren'” bezeichnet werde.

Der frühere Bundeskanzler wird also kein Vorstandsgehalt bei dem russischen Öl-Konzern bekommen, sondern ein Aufsichtsratsgehalt. Im Rosneft-Jahresbericht für 2016 (PDF, Seite 202) steht, dass die Mitglieder des “Board of Directors” im vergangenen Jahr jeweils zwischen 550.000 und 580.000 US-Dollar erhalten haben. Den neun elf* Mitgliedern des “Management board” zahlte Rosneft 2016 insgesamt 3.726.609.809 Rubel (Seite 203), was, je nach Wechselkurs, den von Filipp Piatov erwähnten 52 Millionen Euro entspricht. Die Summe, die die Mitglieder des “Board of Directors” bekommen haben und die für die Berichterstattung über Gerhard Schröder relevant wäre, erwähnt Piatov nicht. Entweder kannte er sie nicht oder er wollte sie nicht kennen oder er dachte wirklich, dass Schröder ein Kandidat für den Rosneft-Vorstand ist.

Mit Dank an @matthiasquenzer für den Hinweis!

*Nachtrag, 20. August: Bei dem “Bild”-Bericht ist noch mehr falsch als bisher gedacht. Anders als von Autor Filipp Piatov behauptet, besteht der Rosneft-Vorstand (“Management Board”) nicht aus neun, sondern aus elf Personen. So steht es im Rosneft-Jahresbericht für 2016 (PDF, Seite 193):

The number of members of the Company’s Management Board has not changed and totals 11 persons.

Somit verteilen sich die 3.726.609.809 Rubel (rund 52 Millionen Euro), die Rosneft im vergangenen Jahr ans gesamte “Management Board” zahlte, nicht auf neun, sondern auf elf Personen. Im Schnitt bekam also jeder etwa 4,7 Millionen Euro. Piatov hatte geschrieben, dass jedes Rosneft-Vorstandsmitglied im Schnitt “fast sechs Millionen Euro” bekommen hat.

Diese falsche Summe ist übrigens nicht im “Bild”-Kosmos geblieben — sie hat es auch zu FAZ.net geschafft. Eckart Lohse und Markus Wehner schreiben dort:

Die Tätigkeit der bisherigen neun Mitglieder des Aufsichtsrats waren zuletzt mit 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen dotiert worden, fast sechs Millionen Euro je Person.

Auch wenn die beiden “FAZ”-Autoren es im Gegensatz zu Piatov hinbekommen, Altkanzler Gerhard Schröder mit dem Aufsichtsrat von Rosneft in Verbindung zu bringen und nicht mit dem Vorstand des Unternehmens, ist der Absatz falsch: Die neun Aufsichtsratsmitglieder bekamen 2016 nicht 52 Millionen Euro, sondern deutlich weniger (siehe oben). Offenbar haben Lohse und Wehner bei Piatov abgeschrieben — oder sie benutzen rein zufällig denselben Rubel-Euro-Wechselkurs wie der “Bild”-Autor und kommen rein zufällig auf dieselben falschen “sechs Millionen Euro je Person”.

Mit Dank an Klaus D. für den Hinweis!

Nachtrag 2, 20. August: Das FAZ.net-Team hat auf unsere Kritik reagiert und den Artikel transparent korrigiert.

Youtube-Wahlkampf, Nachrichten-Negierer, Duden-Willkür

1. Es gibt ein Problem mit dem YouTube-Interview der Kanzlerin
(motherboard.vice.com, Richard Diesing)
Angela Merkel wird heute im Rahmen des Bundestagswahlkampfs von vier Youtubern interviewt. Nach Recherchen von “Motherboard” soll die Organisation des Termins über das Bundeskanzleramt gelaufen sein. Das sei kritisch zu bewerten: “Das Vorgehen widerspricht einer wichtigen, moralischen Grundregel, an der sich die meisten deutschen Parteien im Wahlkampf orientieren. Es geht um die Trennung zwischen Parteien auf der einen Seite und Staat bzw. Regierungsstellen wie dem Kanzleramt und dem Bundespresseamt auf der anderen Seite: Wahlkampf sollte über das Wahlkampfteam der Partei laufen, die normale Regierungsarbeit der Kanzlerin übers Kanzleramt. Schließlich soll niemand, der an der Macht ist, Ressourcen seines Amtes benutzen, um erneut gewählt zu werden.”
Weiterer Lesetipp zum Merkel-Interview mit anderen Aspekten: Boris Rosenkranz bei “Übermedien”: “Youtube-Wahlkampf: Angela Merkel freut sich auf die ‘Netzgemeinde'”

2. Der größte Rückschritt seit 20 Jahren
(taz.de, Mohammed Daraghmeh)
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas erließ ohne parlamentarische Beteiligung ein Gesetz gegen soziale Medien und Nachrichten-Websites im Westjordanland. Menschenrechtler bezeichnen dies als den größten Rückschritt in Sachen Meinungsfreiheit seit Gründung der palästinensischen Autonomiebehörde 1994. Abbas’ neuestes Gesetz stoße vor allem wegen seiner Unschärfe auf Kritik und öffne nach Ansicht von Kritikern die Tür für weitere Verletzungen der Meinungsfreiheit.

3. Nachrichten? Brauche ich nicht!
(ennolenze.de)
Enno Lenze ist frustriert über die vielen Nachrichten-Negierer und Nachrichten-Umschiffer: “Mir fällt auf, wie die Gesellschaft da immer weiter auseinander driftet. Ich finde mit solchen Leuten kaum noch Gesprächsthemen, da für mich die Welt um mich herum extrem wichtig ist. Ich finde auch keinen Weg den Leuten zu erklären, was Wahlen, Politik, andere Länder, Wirtschaft usw. mit uns zu tun haben.” Er belässt es jedoch nicht bei seinem Frust, sondern hat ein Plädoyer für Nachrichten verfasst: “Das häufigste Argument gegen Nachrichten gucken ist: „Da kommt so viel Negatives! Das will ich nicht sehen!“ – Das ist auch ein Luxus, den man sich nur in der ersten Welt erlauben kann. Die Augen verschließen vor den rund 90%der Welt, denen es schlechter geht. Und klar: Wenn man das alles ausblendet, dann bleiben wieder nur Konzerte, Gossip und Katzenbilder. Mein Ansatz ist da einfach ein anderer: Ich gucke mir das Leid an und versuche es zu verbessern. Das erscheint mir einfach sinnvoller.”

4. Weil die Redaktion sich ändern muss: 6 Vorschläge für eine andere Medienwelt
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer findet, dass sich etwas ändern muss in der Medienwelt. Die Stimmung in Redaktionen sei an einem neuen Tiefpunkt, der Medienwandel hätte eine neue Ebene erreicht, neue Player würden auftauchen, die großen Medienmarken seien qualitativ dünn und beliebig. Knüwer hat einige Denkanstöße formuliert und macht konkrete Vorschläge, was Redaktionen in Zukunft anders machen sollten.

5. Fakten richtigstellen – klappt das eigentlich?
(deutschlandfunk.de, Vera Linß)
Faktenchecker-Websites erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit, doch was können diese Internetportale tatsächlich bewirken? Vera Linß hat sich mit einigen Faktencheckern unterhalten wie Patrick Gensing vom “ARD Faktenfinder” und Karolin Schwarz vom stiftungsfinanzierten Recherchezentrum “Correctiv”.

6. Willkür im Duden
(spektrum.de, Ekkehard Felder)
Die neue, 27. Ausgabe des Rechtschreibdudens enthält 5.000 neue Wörter. Doch nach welchen Kriterien wurden die Neuaufnahmen ausgesucht? Über manche der neuen Wörter ließe sich streiten, wie über das 2013 neu hinzugekommene, stigmatisierende “Saftschubse”, so der Linguist Ekkehard Felder von der Universität Heidelberg: “Der Verlag steckt viel Geld in hippe und schicke Anzeigenwerbung. Er sollte auch etwas Geld in die Vermittlung seiner Kriterien investieren, die dem Werk zu Grunde liegen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, schließlich genießt die Marke DUDEN Renommee. Dieses resultiert noch aus dem besonderen Status, der dem Duden in den 1950er Jahren von der Kultusministerkonferenz eingeräumt wurde.”

“Bild” korrigiert AfD-Unsinn, den AfD in “Bild am Sonntag” verbreiten darf

Bei der “Bild am Sonntag” hatten sie eine Idee für ein neues Interview-Format:

Ausriss Bild am Sonntag - Neue Serie - Stars treffen Spitzenpolitiker - Es geht im Wahlkampf nicht nur um Parteiprogramme. Denn Politik wird von Menschen gemacht. In dieser neuen BamS-Serie stellen Stars die Fragen, die ihnen persönlich wichtig sind

Für Teil 2 “dieser neuen BamS-Serie” (in Runde 1 befragte Schlagersängerin Andrea Berg CSU-Chef Horst Seehofer) wählte die Redaktion als Politiker Alexander Gauland von der AfD aus und als Star Entertainerin Désirée Nick:

Ausriss Titelseite Bild am Sonntag - Désirée Nick fragt Gauland von der AfD

Und welche Fragen an Gauland sind Nick nun “persönlich wichtig”? Solche hier:

Warum sind Sie immer so britisch gekleidet?

Ich dachte, Sie sind Single!!!

Haben Sie einen Künstlernamen? “Gauland” ist ja kein französischer Name.

Haben Sie Frau Merkels Mobilnummer? Für Notfälle?

Wollen Sie meine Telefonnummer haben?

Wir könnten dann auch über Rotwein reden …

Ihre Krawatte mit den Hunden habe ich schon oft im Fernsehen gesehen. Das ist Ihre Lieblingskrawatte, oder?

Wobei diese Zusammenstellung nicht ganz fair ist, weil das Debakel am Ende gar nicht so groß ist, wie man es erstmal befürchten könnte. Désirée Nick hakt hier und da nach, sie hat sich vor dem Gespräch immerhin die AfD-Wahlplakate angeschaut und bei einzelnen Themen auch eine klare eigene Meinung.

Trotzdem finden wir es fatal, einem erfahrenen, gewieften Politiker wie Alexander Gauland nicht einen mindestens genauso erfahrenen Interviewer gegenüberzustellen; einen, der im politischen Diskurs steckt, der fundiert widersprechen kann, der nicht auf Parolen reinfällt. Stattdessen lässt “Bild am Sonntag” den AfD-Spitzenkandidaten auf zwei kompletten Seiten (plus eine Seite Aufmacher-Foto und Überschrift) gegen Ausländer, gegen den Islam, gegen alles Fremde reden, ohne dass er dabei allzu viel Gegenwind bekommt.

An einer Stelle im Interview wird dieses Problem ganz deutlich. Désirée Nick sagt zu Alexander Gauland:

Sie sagen: Unsere Deutschen machen wir uns selber!

Gauland antwortet:

Na, klar. Wir brauchen keine ausländischen Arbeitskräfte.

Jemand, der es gewohnt ist, in Interviews gut aufzupassen und kritisch nachzufragen, würde diesem Unsinn sicher widersprechen. Man könnte den Fachkräftemangel anführen, man könnte die Situation in der Pflege, im Handwerk ansprechen, man könnte Gauland fragen, wie er sich Deutschland ohne ausländische Arbeitskräfte vorstellt. Désirée Nick macht nichts davon. Sie lässt Gaulands Aussage einfach so stehen, als wäre faktisch daran nichts auszusetzen. Nick will lieber übers Kindermachen sprechen:

Ich spreche von Zeugung.

In der “Bild”-Zeitung erschien gestern dieser kleine “Wahlkampf-Fakten-Check”:

Ausriss Bild-Zeitung - BILD Wahlkampf-Fakten-Check - Aussage: AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland (76) sagte der Bild am Sonntag: Wir brauchen keine ausländischen Arbeitskräfte. Antwort: Falsch! Die Bundesagentur für Arbeit ermittelte in ihrer neuen Engpassanalyse im Juni 2017 zwar, dass es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel in Deutschland gibt, wohl aber in einzelnen Branchen! Dazu zählen Bauberufe, technische Berufe und der Pflege- und Gesundheitsbereich. Stellen in der Altenpflege sind aktuell im Schnitt 167 Tage vakant, auf dem Bau (Meister) 130 Tage. Die Mangelberufe stehen auf einer offiziellen Positivliste: Ausländer, die diese erlernt haben, können zum Arbeiten nach Deutschland zuwandern.

Dass “Bild” etwas korrigiert, was in “Bild am Sonntag” steht, ist gut, auch wenn die “Bild”-Redaktion so tut, als würde das Problem einzig bei Alexander Gaulands Aussage liegen. Es ist aber ebenfalls problematisch, dass der “BILD Wahlkampf-Fakten-Check” überhaupt erst nötig ist, weil “Bild am Sonntag” Micky Maus Désirée Nick zum Interview mit Alexander Gauland geschickt hat und nicht jemanden, der dem AfD-Politiker hätte Paroli bieten können.

Express.de verbreitet wegen Flüchtlingen “Angst und Schrecken”

Vergangenen Mittwoch ist ein Schlauchboot mit mehreren Dutzend Flüchtlingen an Bord am spanischen Playa de los Alemanes angekommen. Die Personen sprangen ins Wasser, liefen über den Strand und verschwanden. Drumherum standen Urlauber und Einheimische in Badehosen und Bikinis, die meisten wohl ziemlich überrascht.

Verschiedene Medien berichteten über die Ankunft der Geflüchteten, darunter auch express.de. Dort klang die Situation recht beängstigend. Auf ihrer Startseite schrieb die Redaktion:

Screenshot der express.de-Startseite - Südspanien - Flüchtlinge kommen an Land, Strandbesucher in Angst und Schrecken

Einige der Badegäste hatten ihre Handys gezückt und das Geschehen gefilmt. Im Artikel von express.de ist ein 20-sekündiges Video eingebettet. Was man dort nicht sieht: “Strandbesucher in Angst und Schrecken”.

Für ein paar mehr Klicks dichtet express.de eine Schlagzeile, die kaum etwas mit der Realität zu tun hat, und lässt Flüchtlinge Angst und Schrecken verbreiten.

Bild.de hat zu dem Thema ebenfalls einen Artikel veröffentlicht. Immerhin kommt die Redaktion ohne größere Angstmacherei aus, dafür ist geo­gra­fisch einiges danebengegangen.

Gleich zu Beginn des Textes schreibt Bild.de:

Knapp 100 Kilometer liegen zwischen der afrikanischen Küste und dem Urlaubsort Cadiz auf dem südspanischen Festland. 100 Kilometer, die für viele Flüchtlinge den Unterschied zwischen zwischen (sic) Armut und Arbeit, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit ausmachen — dafür riskieren viele ihr Leben.

Und:

Unwirkliche Szenen mitten in der Urlaubs-Idylle am Strand von Cadiz

Allerdings sind die Geflüchteten gar nicht am Strand der Stadt Cádiz angekommen, sondern an einem Strand in der Provinz Cádiz. Genauer: in der Nähe des Küstenortes Zahara de los Atunes. Dorthin sind es von der afrikanischen Küste (nehmen wir als Startpunkt mal die marokkanische Stadt Tanger) auch nicht 100 Kilometer (wie bis zur Stadt Cádiz), sondern etwas über 40 Kilometer — was noch immer eine verdammt weite Strecke ist, wenn man in einem überfüllten Schlauchboot sitzt, das nicht für solche Überfahrten gemacht ist.

Mit Dank an Jörg N. und Jens W. für die Hinweise!

Angebliche Rufmordkampagne, Wahlkampf-Youtuber, Altpapier

1. “Enthüllungsbuch”: Maschmeyer rehabilitiert?
(daserste.ndr.de, Kristopher Sell)
Ein ehemaliger AWD-Mitarbeiter behauptet, eine mediale Schmutzkampagne gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber betrieben zu haben. Vor einigen Jahren habe er zahlreiche Redaktionen mit Insider-Informationen aus dem AWD versorgt, darunter auch Journalisten von “Panorama – die Reporter”, “Stern”, “SZ” und “Spiegel”. Im Gegenzug sei er von einem damaligen Konkurrenten des AWD mit mehreren tausend Euro monatlich honoriert worden. Ziel der Aktion sei es gewesen, AWD-Chef Carsten Maschmeyer zu schaden. Panorama-Autor Kristopher Sell kommentiert: “Offensichtlich soll der Eindruck erweckt werden, als hätten sich verschiedene Redaktionen, darunter auch Panorama, gegen Maschmeyer und dessen AWD instrumentalisieren lassen und ungerechtfertigte Beschuldigungen verbreitet. Dem kann und muss entschieden widersprochen werden.” Außerdem lenkt er den Blick auf den Kern der AWD-Kritik: “Das Buch kann nicht von den noch immer real existierenden Opfern des Systems AWD ablenken: Tausenden Menschen, die von Carsten Maschmeyer und seinen Verkäufern um ihre Ersparnisse, teilweise um ihre Altersversorgung gebracht und damit ins Unglück gestürzt worden sind.”
Weiterer Hörtipp: Opfer einer Rufmordkampagne? Kristopher Sell im Gespräch mit Henning Hübert (Audio: 5 Minuten)
Weiterer Lesetipp: Gerhard Hensel über wirtschaftliche Rufmordkampagnen im digitalen Zeitalter: Fake-News im Unternehmens-Einsatz: Wenn es für Marken ganz plötzlich gefährlich wird.

2. Umfrage unter Branchen-Experten: Sollten Robotertexte gekennzeichnet werden? Ja, sagen die meisten Befragten.
(presseportal.de)
Wenn Verlage computergenerierte Texte verwenden, dann handelt es sich meist um Sportergebnisse, Börsendaten oder Wetternews. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass fortschreitende Technik auch computergenerierte Texte in anderen Feldern ermöglicht. Da stellt sich die Frage nach der Kennzeichnung: Sollen maschinell erstelle Beiträge auch als solche benannt werden? Das Medienmagazin “journalist” hat sich in der Branche umgehört.

3. “Ich möchte mich ungern instrumentalisieren lassen”
(spiegel.de, Markus Böhm)
Erfolgreiche Youtuber haben das, was sich Politiker sehnlichst wünschen: Zugang zu jungen Menschen. Da liegt es nahe, dass sich die Kanzlerin in der Hochphase des Wahlkampfs gleich mit vier Webstars zum Interview trifft: Das Quartett kommt auf drei Millionen Youtube-Abonennten. “Spiegel”-Autor Markus Böhm hat bei verschiedenen Youtube-Stars nachgefragt, wie ihr Umgang mit der Bundestagswahl aussieht, darunter auch Deutschlands beliebtestem Macher von Gamingvideos “Gronkh”.

4. Programmieren als Königsdisziplin
(message-online.com, Louise Sprengelmeyer & Mira Taylor)
Sollten Journalisten auch programmieren können? Bei Datenjournalisten liegt dies auf der Hand, aber auch für klassische Onlineredakteure kann es sich lohnen. Fünf Journalisten und Programmierer berichten über die Erfahrungen aus einem Einsteigerworkshop im Coden.

5. Wie eine unsaubere Hundestory der „Krone“ weltweit viral ging
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
“Kobuk” geht einer Titelgeschichte der österreichischen “Krone” nach, die es zu weltweiter Verbreitung in islamfeindlichen Kreisen gebracht habe: Eine “somalischen Asylantin” hätte eine Wienerin wegen ihrer “unreinen Hunde” brutal angegriffen, so dass die Hundehalterin mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. “Kobuk”-Autor Kirchmeyr geht nach seinen Nachfragen bei der Landespolizei eher von einem anderer Geschehen aus: “Ein nicht angeleinter Hund ohne Beißkorb lief auf eine Frau zu, die ausgeprägte Angst vor Hunden hat (was übrigens auch an wilden Hunden in Somalia liegen kann). Die Hundehalterin lief dem Hund hinterher, um ihn zurückzuholen. In einer Panikreaktion dürfte sich die Frau so an diese geklammert haben, dass beide stürzten und sich die Hundehalterin am Knie schwer verletzte.”

6. Pro und contra und quo vadis
(evangelisch.de)
Beim renommierten Medien-Watchblog “Altpapier” teilen sich vier Journalisten die Aufgabe, von Montag bis Freitag die gedruckte und digitale Medienlandschaft zu kommentieren. Doch die Zukunft des “Altpapiers” ist ungewiss: Am Freitag ist leider vorerst Schluss. Wer per E-Mail informiert werden möchte, ob, wie und wann es weitergeht, kann bei den Machern seine Mail-Adresse hinterlegen. Wer den Autoren außerdem bei der Verbesserung ihrer Medienkolumne helfen möchte, kann an einer schnell beantwortbaren 15-Fragen-Umfrage teilnehmen. Der “Freitag” diskutiert die Zukunft des “Altpapiers” mit einem Pro und Contra-Artikel: Ist das “Altpapier” noch wichtig? Wir vom BILDblog antworten: “Ja, natürlich!” und wünschen den Kollegen alles Gute und uns allen ein baldiges Comeback.

“Bild” lässt DFB-Vizepräsidenten von Ultras bedrohen

Neulich präsentierte die “Bild”-Redaktion ja schon den “ersten Fußball-Star”, der “Knast für Ultras” fordere und der in Wahrheit gar nicht “Knast für Ultras” fordert. Seit vorgestern gibt es bei “Bild” den ersten DFB-Vizepräsidenten, der von Ultras bedroht worden sei und der nach eigener Aussage gar nicht von Ultras bedroht wurde.

Vor zehn Tagen, da nahm die undifferenzierte “Bild”-Kampagne gegen die Ultra-Szene in Deutschland gerade Fahrt auf, veröffentlichte das Blatt eine komplette Seite zum Thema:

Ausriss Bild-Zeitung - Übersicht über komplette Seite mit drei Artikeln mit den Überschriften Wie gefährlich ist diese Kriegserklärung? So gewalttätig wird die neue Saison. Und Die Macht der Ultras

Im Artikel mit der Überschrift “DIE MACHT DER ULTRAS” schrieb “Bild”-Chefreporter Marc Schmidt gleich im Einstieg:

Die Ultras wollen immer mehr Macht im deutschen Fußball erobern. Auch mit Gewalt-Ankündigungen! Das bekam kürzlich DFB-Vizepräsident Rainer Koch (58) zu spüren.

Zu einem Gedankenaustausch hatte sich der Münchner mit drei Ultra-Chefs von Dynamo Dresden verabredet. Doch bei dem Treffen tauchten plötzlich 60 “Fans” auf und bedrohten den DFB-Vize. Mit dem Hinweis, man könne Koch zu Hause oder in seinem Büro “besuchen”.

Das Treffen zwischen Rainer Koch und den Ultra-Vertretern gab es tatsächlich. Und es kamen tatsächlich auch deutlich mehr Leute nach Dresden als vorher abgesprochen, es sollen zwischen 50 und 60 Personen gewesen sein. Aber Drohungen gegen den DFB-Vize, wie Marc Schmidt schreibt? Davon hat Rainer Koch nicht mal selber etwas mitbekommen. Am Samstag veröffentlichte er dieses Statement bei Facebook:

Screenshot Facebook-Post von Rainer Koch - Am 27. Juli bin ich auf Einladung von drei Ultra-Sprechern von Dynamo Dresden gemeinsam mit dem DFB-Sicherheitsbeauftragten Hendrik Große-Lefert zu einem Gespräch über Ultra-Anliegen nach Dresden gefahren. Tatsächlich trafen wir dann unabgesprochen auf über 50 Ultravertreter aus ganz Deutschland. Auch gut, wir haben - weil grundsätzlich immer dialogbereit - uns auch auf eine Unterredung mit diesem großen Kreis eingelassen. Ich habe, weil Vertraulichkeit vereinbart wurde, bis heute nichts zum Inhalt dieser Unterredung erklärt. Ich habe allen Medien gegenüber unter Hinweis auf die Vertraulichkeit des Gesprächs bislang jede Stellungnahme zum Treffen abgelehnt und deshalb auch zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle erklärt, in diesem Gespräch persönlich bedroht worden zu sein. Übrigens auch deshalb nicht, weil ich gar nicht bedroht worden bin. Trotzdem wird seit Tagen von der Szene wahrheitswidrig derartiges behauptet und mir unterstellt. Also liebe Ultras, das passt doch nicht zusammen: ihr wollt den Dialog und setzt andererseits jetzt schon seit Tagen solche falschen Behauptungen über mich in die Welt und ins Netz und in die Stadionkurve des 1. FC Nürnberg. Ich bleibe bei meiner Haltung: Zum Dialog bin ich selbstverständlich weiter gerne bereit, persönliche Beleidigungen und Verleumdungen werde ich jedoch nicht akzeptieren.

Kochs Beschwerde in Richtung Ultras, die “falsche Behauptungen” über ihn “in die Welt und ins Netz und in die Stadionkurve des 1. FC Nürnberg” setzen sollen, kann man übrigens direkt an “Bild” und Chefreporter Marc Schmidt weiterleiten. Klickt man auf den Link, den Rainer Koch in seinen Facebook-Post kopiert hat, sieht man, dass sich die von Koch Kritisierten auf das falsche Bedrohungsszenario berufen, das die “Bild”-Zeitung verbreitet hat.

Mit Dank an Kevin J., Anonym, @Hirnwindungen und @BlauGelb13 für die Hinweise!

Funke-Minister, Buzzfeed-Umbau, iTunes-Chartstürmer Stille

1. NRW-Medienminister wegen Beteiligung an Funke-Mediengruppe in der Kritik
(nw.de, Lothar Schmalen)
Kann ein NRW-Minister unabhängig sein, wenn ihm 16,7 Prozent eines der mächtigsten Verlagskonzerne des Landes gehören? Ein Minister, der für Medienpolitik zuständig ist, über neue Gesetze entscheidet, über Fördertöpfe verfügt und in genau dem Bereich agiert, in dem sein Konzern Geschäfte macht? Stephan Holthoff-Pförtner (68) ist dieser besagte Politiker, der von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zum Minister berufen wurde und der bedeutende Anteile der Funke-Mediengruppe hält (geschätzter Wert 250 Millionen Euro). Die Opposition im Landtag, aber auch Juristen kritisieren den Interessenkonflikt, das Ministerium selbst wiegelt ab.

2. Von der Katzenbildschleuder zum investigativen Journalismus
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel)
Buzzfeed wird in Deutschland von vielen als Webseite mit albernen Listen, zusammengeklaubten Bildern und reißerischen Klickbait-Überschriften in Zusammenhang gebracht. In den USA gelte Buzzfeed jedoch schon seit einer Weile als relevantes Nachrichtenmedium. Dort arbeiten acht Pulitzerpreisträger und kümmern sich auch um ernste Themen. Nun sollen auch in Deutschland zu den seichten ein paar ernste Themen hinzukommen. Bewerkstelligen soll dies Deutschlandchef Daniel Drepper, einer der Gründer des Recherchebüros Correctiv.

3. “Phablet? Brauchen wir das wirklich im Duden, Frau Kunkel-Razum?
(boersenblatt.net)
Vor einigen Tagen erschien die 27. Auflage des Duden mit 5.000 neuen Wörtern. Neu dabei sind zum Beispiel “facebooken”, “Selfie” und “Phablet”. Im Börsenblatt verrät die Redaktionsleiterin wie die neuen Wörter in den Duden kommen, welche der Neuaufnahmen sie besonders mag und welche der gestrichenen Wörter sie besonders vermisst.

4. Der Basler, der in den Krieg zieht
(tageswoche.ch, Andrea Tedeschi)
Der Schweizer Diego Wettstein berichtet als freier Kameramann aus Krisengebieten im Nahen Osten. Die “Tageswoche” stellt den 34-Jährigen vor, der regelmäßig für das Schweizer Fernsehen aus dem Irak und Syrien berichtet. Für seine Reportage “Rückeroberung des Sinjar-Gebirges” wurde Diego Wettstein für den Deutschen Kamerapreis 2016 nominiert. Fünf Monate pro Jahr ist er im Ausland unterwegs und erlebt dort Dinge, die ihn trotz aller professioneller Distanz nicht kalt lassen.

5. Lieber mal ein Schock fürs Auge
(faz.net, Peter Körte & Bert Rebhandl)
Die “FAZ” hat sich mit drei Regisseuren und Regisseurinnen über die Lage des Dokumentarfilms, prekäre Finanzen und die Abhängigkeit vom Fernsehen unterhalten. Nur zwölf Sendeplätze für Dokumentarfilme biete die “ARD” im Jahr an und auch sonst werde der Dokumentarfilm eher stiefmütterlich behandelt. Im Widerspruch dazu stünden die vollmundigen Verlautbarungen der öffentlich-rechtlichen Sender, der Dokumentarfilm gehöre zu ihrer Kernkompetenz, zur “DNA des Systems”.

6. Auf iTunes stürmt das Schweigen die Charts
(haz.de)
In Apples digitalem Musikshop iTunes kann man sich für 99 Cent zehn Minuten absolute Stille kaufen. Hört sich nach einer wahrlich sinnlosen Kaufentscheidung an, kann aber durchaus sinnvoll sein.

Dreckscherer Twitter, Kontrolliertes Schweigen, Zeit-Magazin-Sprengung

1. „Twitter schert das alles einen Dreck“
(faz.net, Florian Kölsch)
Auf Twitter kann man manchmal schlimme Dinge lesen wie “Deutschland braucht für den Islam wieder die Endlösung” oder “Schwule raus nach Auschwitz”. Diese Tweets kann man bei Twitter melden, was jedoch in aller Regel zu keiner Reaktion führt: Der sich selbst abkapselnde Kurznachrichtendienst antwortet schlicht nicht. Nachdem der deutsch-israelische Satiriker Shahak Shapira derartige Hass-Tweets bei Twitter gemeldet hatte und keine Reaktion bekam, sprühte er die Sätze mit Kreide vor die Twitter-Zentrale. Im Gespräch mit der “FAZ” erklärt er den Hintergrund der Aktion und wann der Hass im Netz gefährlich wird.

2. Wie wir die Fakten der britischen Wahlen in Echtzeit überprüften
(de.firstdraftnews.com, Ryan Watts & Alexandra Ma & Nic Dias)
Wie können Journalisten Unterhaltungen auf sozialen Netzwerken beobachten, Informationen online in Echtzeit mitverfolgen und verifizieren? “First Draft” zeigt anhand des Projektbeispiels “Wahlen in Großbritannien” wie Journalisten schnell auf berichtenswerte Online-Unterhaltungen reagieren und den Fluss an Fehlinformationen eindämmen können. Dabei spielen Analysetools eine große Rolle.

3. Tamedia plant ein Massaker
(woz.ch, Andreas Fagetti)
Die Schweiz steht vor dem möglicherweise heftigsten Abbau ihrer Pressevielfalt. “Tamedia”, die größte private Mediengruppe in der Schweiz, bereitet den radikalen Umbau ihrer Tageszeitungen vor. Bestandteil des Umbaus: Der gemeinsame, von sogenannten Kompetenzzentren bestückte Mantel. Bei der “Berner Zeitung” droht ein besonders heftiger Stellenabbau. Ende August, so munkelt man, entscheidet der Verwaltungsrat über ein konkretes Abbauprojekt. Dann stelle sich heraus, ob ein schleichender Abbau eingeleitet oder ein Erdbeben stattfinden wird

4. “Es gibt Handlungsbedarf”
(detektor.fm, Kais Harrabi)
Auch Kinder sind Opfer von Falschmeldungen und Fehlinformationen im Netz. Inwieweit können oder müssen Schulen gegensteuern? “detektor.fm”-Moderator Kais Harrabi hat mit dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger über Fake News und entsprechende Lösungsansätze an Schulen gesprochen.

5. Die Wucht des Schweigens in Zeiten des Dauergeplappers
(sueddeutsche.de, Joseph Hanimann)
Der französische Präsident Macron geht auf Abstand zu den Medien. Immer öfter bleiben Journalisten außen vor. Parallel baut Macron eine PR-Abteilung auf, die künftig die Botschaften des Präsidenten vermitteln soll: “Die Aura des Unnahbaren scheint sich zum Markenkern des Kommunikationsprofis Macron zu entwickeln – während unter ihm eine Menge Profis arbeiten, um seine Inhalte unter die Leute zu bringen.”

6. Leo Fischer wirft Atombombe auf den Twitter-Account des Zeit-Magazins
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Wer es noch nicht mitbekommen hat: Ex-“Titanic”-Chef Leo Fischer wurde vom “Zeit-Magazin” als “Gast-Twitterer” eingeladen. Aus Eifersucht drohte “Bild”-Chef-Julian Reichelt mit der atomaren Zerstörung Pjöngjangs und dem Tod von Mehmet Scholl. Fischer, dem man Ambitionen auf eine Führungsposition bei Springer nachsagt, gab daraufhin seine Gast-Twitterer-Funktion auf und zog sich vorzeitig aufs Altenteil zurück. Weil der Klügere nachgeben müsse und “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht”. (Nun, ganz so war es nicht, aber fast…)

Transparente Schleichwerbung, Trump-Versteher, Scholl-Comeback

1. Wenn redaktionelle Transparenz zu Schleichwerbung mutiert
(nice-bastard.blogspot.de, Dorin Popa)
Im Reiseteil der “Welt am Sonntag” schrieb jüngst der Blogger, Journalist und Schriftsteller Airen einen längeren und üppig bebilderten Artikel über das mexikanische Aussteigerparadies Tulum. Herrlich sei es dort, so der Autor, aber erschwingliche Zimmer finde man, nach Auskunft einer Insiderin, eigentlich nur noch über Online-Vermittlungsplattformen. Das ist insofern interessant, dass unterhalb des Artikels erwähnt wird, dass die Reise von “Airbnb”, einer Vermittlungsplattformen für Unterkünfte, “unterstützt” wurde. Und ein Geschmäckle bekommt es, wenn man wie Dorin Popa mit wenigen Klicks ermittelt, dass ein Hotelportal durchaus günstiger als eine Zimmervermittlungsplattform sein kann (wie beispielsweise diejenige, die für den Artikel gezahlt hat).

2. Gesperrte Journalisten weiter ohne Auskunft
(deutschlandfunk.de, Stefan Koldehoff)
Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden 32 Journalisten die kurzfristig bereits genehmigten Akkreditierungen entzogen, wegen “ernsthafter Sicherheitsbedenken”. Viel mehr als diese schwammigen Worte haben die Betroffenen bis heute nicht erfahren. Um die Angelegenheit zu klären, haben neun der Journalisten Klage beim Verwaltungsgericht in Berlin eingelegt.

3. Flüchtlinge aus Afrika sind schwarz – und sie machen Kinder!
(tageswoche.ch, Gabriel Brönnimann)
Gabriel Brönnimann ärgert sich über rechtsnationale Schweizer Medien wie “Weltwoche” oder “20 Minuten”, die Angst vor Flüchtlingen aus Afrika verbreiten würden. Brönnimann hat einige Artikel in der kostenlosen Schweizer Pendlerzeitung “20 Minuten” faktengecheckt und befindet: “Was bleibt? Die eine oder andere durchgeröstete Synapse, viel verbrannte Erde, der dunkle Verdacht, dass nicht alles von dem, was da so zum Thema geschrieben wird, mit hohen Temperaturen zu entschuldigen ist. Und nicht zum ersten Mal die Frage, warum ausgerechnet die Gratiszeitung die schwärzesten Zahlen in der Schweizer Medienlandschaft schreibt.”

4. Gelöschte Tweets und alte Websites finden
(faktenfinder.tagesschau.de, Fiete Stegers)
Wenn Internetinhalte oder Tweets gelöscht wurden, können Tricks helfen, sie trotzdem zu finden. Fiete Stegers stellt Anlaufstellen für verschwundene Online-Inhalte vor: Das “Internet Archive” mit seiner “Wayback Machine” und den “Google Cache”, eine Art Kurzzeitspeicher. Für gelöschte Politiker-Tweets bietet sich die Transparenz-Initiative “Politwoops” an. Dort werden ausgewählte Profile aus unterschiedlichen Ländern erfasst.

5. Trump-Chefdeuter und Prügelknabe für Liberale
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Der Trump-kritische Nachrichtensender “CNN” leistet sich einen schillernden und schrillen Trump-Versteher: Jeffrey Lord zeichnet auf “CNN” regelmäßig das Bild des grandiosen Präsidenten Trump, der alles richtig macht. “Natürlich ist das lächerlich, und es soll auch lächerlich sein. Es geht bei diesen Diskussionen zu wie beim Wrestling, wo die Choreografie auch einen Bösewicht verlangt, der vom Helden in den Ringstaub geworfen wird. Lord stellt sich selbst als tumben Hinterwäldler dar, als Gefolgsmann eines lächerlichen Präsidenten, und die Botschaft ans liberale CNN-Publikum ist allgegenwärtig: Wenn das der klügste Mann ist, den CNN für diese Rolle finden kann, wie müssen dann erst die anderen Trump-Anhänger drauf sein?”

6. Nur Feiglinge schweigen
(taz.de, Andreas Rüttenauer)
Als Mehmet Scholl erfuhr, dass es bei einer von ihm mitmoderierten “Confed-Cup”-Sendung in der “ARD” auch über Doping gehen sollte, verließ er unter Protesten das Studio. Dass er nun zurückkommen darf, sei ein Armutszeugnis für die “ARD” findet Andreas Rüttenauer: “Doping gehört zum Fußball, genauso wie Wettbetrug, Fanrandale und Steuerhinterziehung. Wenn ein Experte dazu nichts sagen will, dann ist er ungeeignet für den Job. Und wenn er das Studio fluchtartig verlässt, dann sollte der Sender tunlichst dafür sorgen, dass er es nie wieder betritt.”

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