Natürlich kann man den Überbringer einer schlechten Nachricht nicht für die schlechte Nachricht verantwortlich machen. Man kann ihn aber dafür kritisieren, wie er die schlechte Nachricht überbringt. Und dass er nicht abwägt, ob es gerade wirklich angebracht ist, die schlechte Nachricht zu überbringen.
Ein Beispiel: Eine Frau überlebt gerade so einen schweren Unfall und wacht aus dem Koma auf. Sie weiß noch nicht, was alles passiert ist. Und dann steht der Überbringer der schlechten Nachricht neben ihrem Krankenhausbett und sagt: “Ach, übrigens — Sie wissen zwar noch nichts davon, aber Ihr Ehemann ist tot.”
Das sieht bei Bild.de dann so aus:
(Unkenntlichmachungen durch uns — auf einen Link zum Artikel verzichten wir bewusst.)
Bei einem Unfall im ukrainischen Charkiw sind fünf Menschen ums Leben gekommen und sechs weitere verletzt worden. Eine 20-Jährige soll mit ihrem Auto viel zu schnell gewesen und über eine rote Ampel gefahren sein. Sie stieß mit einem anderen Wagen zusammen und schleuderte in eine Gruppe von Menschen. Auch die Frau, über die Bild.de nun berichtet, und ihr Ehemann wurden von dem Auto getroffen. Der Mann starb, die Frau ist am Mittwoch nach sechs Tagen aus dem Koma aufgewacht.
Bild.de zeigt ein privates Foto des Paares ohne irgendeine Verpixelung, nennt die vollen Namen der beiden und schreibt:
Die junge Frau weiß noch nicht, dass ihr Ehemann (…) bei dem schrecklichen Unfall ums Leben kam. Sie weiß noch nicht, dass sie nun verwitwet ist.
Die Ärzte sind der Meinung, dass sie noch zu schwach ist, um vom Tod ihres Ehemanns zu erfahren.
Spätestens beim Verfassen dieses Satzes hätte der anonyme Autor auf die Idee kommen können, dass der Artikel, an dem er sitzt, eine ganz miserable Idee ist. Doch stattdessen hat er ihn zu Ende geschrieben und ihn mit seinen Kollegen rausgejagt.
Noch ein Stückchen ekliger bekommt es Merkur.de hin. Die Redaktion verknüpft ihren Artikel (der sich fast komplett auf den Bild.de-Text stützt) mit einer Clickbait-Überschrift:
Bei seiner Sitzung im September hat der Deutsche Presserat neun Rügen ausgesprochen. Zwei davon gingen an Bild.de für die Berichterstattung zum Terroranschlag in Manchester. Eine dieser Rügen sprach das Gremium für einen Artikel mit der Überschrift “Mutter weiß nicht, dass Saffie nicht mehr lebt” aus. Der Presserat schrieb zu seiner Entscheidung:
Ebenfalls gerügt wurde BILD Online für die Berichterstattung unter der Überschrift “Mutter weiß nicht, dass Saffi nicht mehr lebt”. Ausführlich dargestellt wurde das Schicksal eines minderjährigen Opfers mit Foto und Namensnennung. Auch diese Darstellung ist nicht mit dem Opferschutz vereinbar. Ethisch problematisch war für den Presserat auch der Umstand, dass laut Artikel die Mutter, die wegen des Anschlags selbst auf der Intensivstation lag, noch nicht über den Tod ihres Kindes informiert war.
Die Mitarbeiter der “Bild”-Medien wollen diesen verantwortungslosen, grässlichen Mist, den sie ständig produzieren, einfach nicht besser machen.
Mit Dank an Julia und Matthias für die Hinweise!