1. Facebook soll Daten von Nutzern und deren Freunden an mehr als 60 Hersteller von Handys, Laptops und Tablets weitergegeben haben (nzz.ch, Marie-Astrid Langer)
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre es ein unglaublicher Skandal: Facebook soll über Jahre hinweg Nutzerdaten an mehr als 60 Hersteller von Smartphones und anderer Hardware weitergegeben haben. Und zwar, auch wenn die Nutzer einer Weitergabe an Dritte nicht zugestimmt oder sogar explizit widersprochen hatten. Facebook bestreitet die Vorwürfe mit einer, nennen wir sie „kreativen“ Begründung: Es handele sich um keine Weitergabe von Daten, denn die Gerätehersteller seien als „Erweiterung“ von Facebook zu betrachten.
2. ARD-Talkshow gerät wegen umstrittener Themensetzung unter Druck (deutschlandfunk.de)
Themensetzung, Art der Sendungsankündigung, Einwandbehandlung… Die Redaktion der ARD-Talksendung “Hart aber Fair” sah sich wegen ihrer Sendung über „Flüchtlinge und Kriminalität“ gleich drei Mal starker Kritik ausgesetzt. So wurde der Sendung ein „Framing“ vorgeworfen, ein Begriff, mit dem die Redaktion nichts für sich anzufangen wusste (“Framing? Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen“). Was einen Journalismus-Professor auf Twitter zu der Anmerkung veranlasste, dass Journalisten an seinem Institut mit diesem Begriff bereits im ersten Semester in Kontakt geräten.
Weiterer Lesehinweis: Hannah Beitzer hat sich die gestrige „Hart, aber fair“-Ausgabe für die „Süddeutsche Zeitung“ angeschaut.
3. Stolzer Osten (sueddeutsche.de, Antonie Rietzschel)
„Wer braucht den Osten?“, fragt eine dreiteilige MDR-Doku (erster Teil bereits in der Mediathek). Als Markt sei die ehemalige DDR für den Westen attraktiv, doch die Folgen der De-Industrialisierung seien bis heute spürbar. Dennoch würden die Filmautoren einen bisweilen stolzen Osten zeigen. Eine Geschichte der Emanzipation sei es, die auch der MDR hinter sich habe: Von der Ostalgie-Schleuder zum Analysten ostdeutscher Verhältnisse.
4. “Unerträgliche deutsche Arroganz”: Der Spiegel sorgt mit Spaghetti-Galgen als Symbol für Italien-Krise für Kritik (meedia.de, Levin Kubeth & Thomas Borgböhmer)
Das Titelbild der aktuellen „Spiegel“-Ausgabe zeigt Spaghetti, die sich am unteren Ende zu einem Galgenstrick ausformen. Betitelt ist das Cover mit den Worten: „Ciao Amore! Italien zerstört sich selbst – und reißt Europa mit“. Um diese Darstellung wird nun gestritten: Der Titel sei arrogant und überheblich und befeuere Vorurteile. Abgesehen davon lese sich die Story im Heft eher als das Gegenteil der düsteren Abschieds-Metapher.
5. Quo vadis Journalismus? (journalistik.online, Horst Pöttker)
Kostendruck, Outsourcing, Entlassungen, Auflagenrückgang, rapide sinkende Anzeigeneinnahmen… Die Printmedien werden auf vielerlei Weise von den Folgen des digitalen Wandels in die Zange genommen. Welche Perspektiven hat der Journalismus angesichts dieser Herausforderungen? Der Wissenschaftler Horst Pöttker hat sich dazu einige lesenswerte Gedanken gemacht.
6. Das „Stories“-Format erobert das Social Web: Was Unternehmen jetzt wissen müssen (upload-magazin.de, Jan Tißler)
Die Überschrift wendet sich zwar an Geschäftsleute, aber das Thema ist für alle interessant, die im Social Web unterwegs sind. Es geht um die sogenannten „Stories“, wie man sie vor allem von Instagram kennt und die enorme Wachstumsraten aufweisen. Facebooks Produktchef Chris Cox habe gar vorausgesagt, dass „Stories“ im nächsten Jahr zum vorherrschenden Format im Social Web werden würden.
1. Unsere Titelseite von Montag. #Gauland (facebook.com/Tagesspiegel)
Anlässlich der relativierenden Aussagen des AfD-Politikers Alexander Gauland über „Hitler und die Nazis“ und seinen Kommentar über „1000 Jahre erfolgreiche Geschichte“, hat der „Tagesspiegel“ seine Titelseite ausschließlich diesem Thema gewidmet. Es sind Schwarz-Weiß-Bilder aus alten Zeiten, die für sich sprechen…
Weiterer Lesetipp: Thomas Fischer, Kolumnist und Autor des Standard-Kommentars zum Strafgesetzbuch, hat Gaulands Äußerungen analysiert und juristisch eingeordnet. (spiegel.de)
2. Raus aus den sozialen Netzwerken (deutschlandfunkkultur.de, Christoph Drösser)
Der amerikanische „Internet-Guru“ Jaron Lanier ist für seine teilweise zugespitzten und provozierenden Thesen zu IT-Themen bekannt. Für sein digitalisierungskritisches Buch „Wem gehört die Zukunft“ erhielt er 2014 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In seinem neuen Buch fordert Lanier dazu auf, die sozialen Netzwerke zu verlassen. Christoph Drösser hat den Internet-Kritiker zum Interview besucht. Wie er es vor 20 Jahren schon einmal getan hat.
3. Rendezvous mit Wladimir Putin (arminwolf.at)
Ein Interview mit dem russischen Präsidenten Putin zu bekommen, ist normalerweise fast ein Ding der Unmöglichkeit. Armin Wolf ist es gelungen. In seinem Blog erzählt er auf unterhaltsame Art, wie es dazu kam („…in Wahrheit habe ich gar nichts dazu getan”), berichtet von den Abläufen vor und beim Termin und verrät Putins beliebteste fünf Antwort-Strategien.
4. Die Verdopplung der Schäbigkeit (freitag.de, Klaus Raab)
Klaus Raab kommentiert in seinem „Medientagebuch“ die Nachricht der beiden Medienhäuser „Madsack“ und „DuMont“ zukünftig, eine gemeinsame Berlin-Redaktion zu betreiben: „Dass mit einer solchen Kooperation eine Verringerung der Pressevielfalt einhergeht, ist offensichtlich.“, so Raab. Außerdem sei die in Aussicht gestellte Verdoppelung der Stellen Blendwerk, eher handele es sich um eine „Dreiviertelung“.
Unbedingt beachtenswert dazu auch Anne Fromms Beitrag in der taz: Bericht aus Berlin
5. Gummibegriff «öffentliches Interesse» (nzz.ch, Rainer Stadler)
Das Schweizer Boulevardblatt „Blick“ hat berichtet, dass der Sohn eines Prominenten im Verdacht stehe, am G-20-Gipfel in Hamburg randaliert zu haben. Nach Meinung des Bezirksgerichts Zürich war dies nicht statthaft: Der „Blick“ musste den Namen des prominenten Schweizers löschen. Richtig so, findet Rainer Stadler: „Die Redaktionen berufen sich regelmässig aufs öffentliche Interesse, wenn sie in die Privatsphäre von Prominenten eindringen. Es handelt sich hier um einen höchst dehnbaren Begriff, mit dem sich fast alles rechtfertigen lässt. Der hohe Anspruch wirkt öfters scheinheilig. Mit welchem guten Grund dürfen Journalisten eine Magistratsperson ins Scheinwerferlicht zerren, wenn deren Sohn Haschisch konsumiert hat oder in einen Autounfall verwickelt war? Es gibt keinen – solange der betreffende Politiker sich nicht einmischt und Polizei oder Justiz frei ihres Amtes walten lässt.“
6. Ignorieren, bis es zu spät ist (spiegel.de, Patrick Beuth)
Selten ist ein Gesetz so dysfunktional wie das Leistungsschutzrecht für Presseverleger gewesen, befindet Patrick Beuth, doch die Bundesregierung weigere sich das einzugestehen. Ganz im Gegenteil: Die Regierung trete dafür ein, das in vielerlei Hinsicht problematische Gesetz zum Modell für eine europäische Regelung zu machen.
7. Nein, „Hart, aber fair“ ist an dieser Sendungsankündigung überhaupt nichts! (facebook.com, Lorenz Meyer)
Weil der 6-vor-9-Kurator keinen Platz in eigener Sache wegnehmen will, hier ausnahmsweise eine siebte Leseempfehlung. Es geht um die aktuelle Sendungsankündigung zu Frank Plasbergs „Hart, aber Fair“ zum Thema „Flüchtlinge und Kriminalität“:
„Hier wird mit sprachlichen Mitteln und einigen als Fragen verkleideten Unterstellungen ein Framing betrieben, das die Köpfe der Zuschauer vergiftet. Derartige Formulierungen und Zuschreibungen sind ein Nährboden für Angst, Hass und Hetze.“
1. Datenschutz à la „Friss oder Stirb“: Max Schrems reicht Beschwerde gegen Datenkonzerne ein (netzpolitik.org, Leo Thüer)
Eigentlich sollen Nutzer ab sofort entscheiden können, ob und wem sie die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten erlauben. Bei den großen Datenkonzernen wird jedoch nach wie vor nach der Devise „Friss oder Stirb“ verfahren. „netzpolitik.org“ hat mit Datenschutzaktivist Max Schrems über den politischen Kontext des Regelwerks gesprochen und wie seine neue Organisation gegen Zwangszustimmungen vorgehen will.
2. Google und Uber sollen für positive Artikel gezahlt haben (golem.de, Friedhelm Greis)
Bei der britischen Tageszeitung „Evening Standard“ konnten sich Firmen nach Angaben eines früheren Mitarbeiters positive Presse erkaufen. Unternehmen wie Google und Uber sei für eine halbe Million britischer Pfund eine Berichterstattung versprochen worden, “die man mit Geld nicht kaufen kann“.
3. »CICERO« (der-rechte-rand.de, Charles Paresse)
Ist das Magazin „Cicero“ ein originär rechtes Projekt? Nein, findet Charles Paresse, doch „der »Cicero« dürfte für den Rechtsruck mehr leisten, als es explizit rechte Blätter können. Denn es holt rechte Debatten als gleichberechtigte Positionen ins Heft – unauffällig sickern sie so in die Gesellschaft ein, gelten als normal.“
4. Demos? No way! (taz.de, Peter Weissenburger)
Während bei uns Journalisten darüber debattieren, ob man gleichzeitig auf eine politische Demo gehen und über damit verbundene Themen berichten kann, stellt sich diese Frage in den USA gar nicht erst: Dort ist es ihnen verboten. Und es herrscht eine strenge Trennung zwischen Berichterstattung und Meinung.
5. DSGVO: Datenschutz als Bedrohung für Journalisten? (ndr.de, Daniel Bouhs & Sabine Schaper)
Wie wirkt sich die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf die Arbeit von freien Journalisten aus? Daniel Bouhs und Sabine Schaper haben für „Zapp“ bei den Bundesländern nachgefragt, wie sie den Schutz freier Journalisten in ihren aktualisierten Landespressegesetzen interpretieren. Das Ergebnis ist höchst uneinheitlich. Sieben Länder hätten sehr indifferent geantwortet oder auf Einzelfallentscheidungen verwiesen. Freie Journalisten in Niedersachsen, die ohne Rückendeckung eines etablierten Medienhauses recherchieren, sehen sich sogar einem großen juristischen Risiko ausgesetzt.
Auch Fotografen machen sich Sorgen, was die Überlassung ihrer Bilder an Archive anbelangt. Dies könne nämlich bedeuten, zukünftig Zustimmungen sämtlicher, auch als „Beiwerk“ abgebildeter Personen nachweisen zu müssen.
6. Hass, der Flüssigkitt der Journalisten (deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
In ihrer Kolumne weist die Journalistin Silke Burmester daraufhin, dass nicht alles „Hass“ ist, was von Journalisten als solcher bezeichnet werde und empfiehlt den Kollegen, auf die “Hass-Inflationsbremse zu treten“.
Vor 25 Jahren, im Mai 1993, erschien erstmals das “jetzt”-Magazin als Beilage zur “Süddeutschen Zeitung”. Schade, dass dies im Grunde völlig unterging, denn die Zeitschrift hatte mal wirklich Kult-Status, da sie Kommunikation für junge Menschen neu definierte. Wahrscheinlich würde das Heft jetzt als Twenty-Something gerade ein Zimmer in Berlin-Neukölln suchen und auf einen mies bezahlten Job in einem digitalen Start-Up hoffen. Oder es würde sich als Jung-Journalist mit einem Bachelor in Kommunikationswissenschaften bei einem der heute vielen Online-Angebote wie “Bento”, “Ze.tt”, “Watson” oder eben jetzt.de bewerben. Da könnte es dann — ja was eigentlich? — möglichst kurze Texte schreiben, Listen erstellen oder ein GIF-Feuerwerk nach dem anderen abschießen. In einem Vierteljahrhundert hat sich der junge Journalismus durch die Digitalisierung gänzlich verändert.
Das “jetzt”-Magazin war ein Experimentierraum. Aus ihm entstieg eine ganze Gruppe von Journalisten, die noch heute viele wichtige Publikationen prägen. Namen wie Matthias Kalle, Christoph Amend oder Timm Klotzek definieren momentan modernen Journalismus als Redaktionsleiter oder deren Stellvertreter. Der “jetzt”-Sound und die Erzählweisen des Magazins veränderten den angestaubten Journalismus insgesamt. Selbst wenn das Magazin kein kommerzieller Erfolg war (aber zur Gründung von “Neon” führte, das gerade eingestellt wird). Wenn man heute nach wichtigen jungen Journalisten sucht, dann findet man diese eher nicht in den Redaktionen der einschlägigen Angebote für junge Leser oder User. Sie arbeiten in der Regel bei den Zeitungen oder Magazinen, die sich eigentlich an Erwachsene richten. Aber warum ist das so?
Junger Journalismus profitierte vom Internet und hat durch das digitale Medium gleichzeitig die größten Probleme bekommen. Das Netz sorgt mit dafür, dass Jugend immer später oder nie endet. Während man in der früheren Offline-Welt streng geschützte Räume für Jugendliche aufrechterhalten konnte, ist heute die Welt der ewigen Jugend dank Spotify, Online-Shops oder sozialen Medien ständig offen und erreichbar. Auch für Silver Surfer. Die Abgrenzung zu Erwachsenen wird immer schwieriger, bei Mode, Musik aber auch bei Themen. Über-30-Jährige beschäftigen sich oft mit den gleichen internetaffinen Dingen wie Jugendliche. Denn Internet-Meme sind allgemeines Kulturgut geworden. Alle sprechen über den neuesten Trump-Post, das aktuelle OK-Go-Musikvideo oder die Patzer eines Torwarts im Champions-League-Finale. Es ist heute viel schwieriger geworden, sich von den Themen abzugrenzen, die auch bei “Spiegel Online”, Süddeutsche.de oder Welt.de besprochen werden. Während das “jetzt”-Magazin auf eine unerwachsene Weise erwachsen war, ist es für den Jung-Journalismus von heute schwer, einen eigenen Sound zu kreieren. Die Daten haben immer Recht und sagen, was gemacht und wie es geschrieben werden muss. Für Experimente ist kaum Raum.
Gleichzeitig haben sich die Lese- und Konsumgewohnheiten komplett geändert. Während man in den 90ern noch ausladende Reportagen schreiben konnte, wird Information heute oft in Häppchen gereicht. Listen sind dabei ein gern genutztes Stilmittel, das zwar unterhält und Klicks, Reichweite und Umsatz bringt, aber eben nicht preisverdächtig ist. Große Texte, inhaltlich wie formal, sind eine ganz, ganz seltene Ausnahme, wenn überhaupt. Beim diesjährigen Axel-Springer-Preis für junge Journalisten wurden jedenfalls keine Texte der Angebote für die jüngere Zielgruppe ausgezeichnet. Das liegt bestimmt nicht an den jungen Journalisten selbst. Wahrscheinlich ist deren Ausbildung genauso gut wie vor 25 Jahren, wenn nicht besser. Es liegt daran, dass das Internet einem keine Muße mehr gibt. Alles muss immer irgendwie einen aktuellen Bezug haben, weil gefühlt alles aktuell ist. Vom Bombenhagel auf Syrien bis zum Pups eines Influencers auf Instagram. Alles ist wichtig, auf alles muss mit schnappatmiger Schreibe reagiert werden. Ein englisches Pärchen heiratet? 9 Gründe warum du jetzt auch heiraten solltest. Loris Karius patzt? Hier sind 5 Instagram-Posts, die zeigen, wie sexy er trotzdem ist. Und dazu noch jede Menge Lebenshilfe für die U30-Generation: So brichst du ein beschissenes Tinder-Date in fünf Minuten ab, ohne dein Gesicht zu verlieren oder Die fiesesten Fragen beim WG-Casting und wie du dich perfekt darauf vorbereiten kannst.
Mal ein paar aktuelle Schlagzeilen von jetzt.de, “Ze.tt”, “Bento” und “Watson”:
Das liest sich wie eine Mischung aus Yellow-Press-Trash, Clickbait und “Postillon”-Meldungen und hat nichts mit dem ausgezeichneten Journalismus eines “jetzt”-Magazins zu tun. Auch nach 25 Jahren erinnere ich mich an die “Verzichten auf”-Kolumnen von Matthias Kalle, an die Rubrik “Lebenswert” oder an den Tagebuchtext des Autors Benjamin Lebert, der in seinen Roman “Crazy” mündete. Wer wird sich in 25 Jahren an das Pizza-backende Auto erinnern?
Die Frage ist aber auch: Wer will heute noch eine 15.000 Zeichen lange Abhandlung über ein Thema lesen, welches vielleicht gerade nicht besonders aktuell oder Lebensberatung ist? Nach Meinung der zuständigen Redaktionen anscheinend nicht mehr viele. Wobei einschränkend gesagt werden muss, dass zumindest jetzt.de und “Ze.tt” nicht ganz so trashig sind wie der Rest.
Vielleicht braucht es einfach wieder mehr Mut. Oder mehr Talent. Oder beides. 25 Jahre nach der Geburt des “jetzt”-Magazins sieht der moderne Jung-Journalismus im Grunde sehr alt aus. Algorithmen und Daten-Analyse machen ihn durchschnittlicher, weil Themen und Formate von ihnen vorgegeben werden. Das Ergebnis sind dann “Bento”, “Watson”, “Ze.tt” und auch jetzt.de. Letztlich bleibt nur die Hoffnung, dass am Ende des Regenbogens ein aufblasbares Einhorn darauf wartet, abgeholt zu werden. Vielleicht bringt das die Erleuchtung.
Nachtrag, 16:34 Uhr: Die jetzt.de-Redaktion hat mit zweiTweets auf diesen Beitrag (und vermutlich auch auf unseren Tweet zu diesem Beitrag) reagiert.
1. Tot für einen Tag (sueddeutsche.de, Florian Hassel)
Vorgestern meldete die ukrainische Regierung die Ermordung des Kreml-kritischen Journalisten Arkadi Babtschenko. Gestern tauchte der offiziell Totgesagte putzmunter auf einer Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes auf. Die vorgetäuschte Ermordung am Vorabend sei Teil einer seit Monaten vorbereiteten Aktion des Geheimdienstes gewesen.
Auf n-tv.de wird der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands DJV, Frank Überall zitiert: “Es ist gefährlich, in einer Welt zu leben, wo die Behörden, wo die Politik die Bürger und die Öffentlichkeit dreist belügen.”
2. Das Leistungsschutzrecht – ein Zombie-Gesetz aus Deutschland wird bald in ganz Europa Realität (netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Das umstrittene Leistungsschutzrecht soll den Verlagen einen Anteil an den Werbe-Erlösen der Internetkonzerne sichern. Was in Deutschland seit fünf Jahren nicht recht klappen will, soll nun bald auf EU-Ebene eingeführt werden. Alexander Fanta erklärt auf „netzpolitik.org“ die Hintergründe.
3. Spitze in allen Hinsichten (deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio, 4:21 Minuten)
Arno Orzessek hat sich mit dem Social-Media-Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder beschäftigt: „Fotos von dem, was sein Bäuchlein rund erhält, findet Söder auch wichtig: Wiener mit scharfem Senf, Knoblauchbrot mit Röstzwiebeln, Pistazieneis, solche Sachen. Und weil kein Follower vom Knoblauchbrot allein lebt, streut er geistvolle Aphorismen zur Lebensweisheit ein: “Es gibt gute Freunde und Bekannte, aber nur eine Mutter im Leben.““
4. 11 Screenshots, die zeigen, das Facebook Datenschutz immer noch nicht ernst nimmt (motherboard.vice.com, Sebastian Meineck)
Bei „Motherboard“ wollte man wissen, wie Facebook nach Datenskandal, Zuckerberg-Befragung und Inkrafttreten der DSGVO mit Neukunden umgeht und hat sich durch die verschachtelten Screens eines extra dafür angelegten Profils geklickt. Das Fazit: „Bevor der durchschnittliche Nutzer die versteckten Menüs der Facebook-App wirklich durchforstet, wird er sich wohl eher einen Spaziergang auf dem Mond genehmigen.“
6. Tweet des Arzneimittelherstellers Sanofi (twitter.com/SanofiUS)
Nachdem die Schauspielerin Roseanne Barr ihre unsäglichen Äußerungen, die zum Absetzen ihrer Serie führten, auf die Einnahme eines Schlafmittels zurückführt, hat sich der Hersteller des Präparats zu Wort gemeldet.
1. TV-Star Roseanne twittert sich ins Aus (sueddeutsche.de, Beate Wild)
Die amerikanische Schauspielerin Roseanne Barr hat dem Fernsehsender „ABC“ mit der Wiederaufnahme der TV-Serie „Roseanne“ tolle Quoten beschert, doch nun hat der Sender die Serie abgesetzt. Der Grund: Eine rassistische Bemerkung Barrs über die afroamerikanische Juristin Valerie Jarrett, die als ranghohe Beraterin für Ex-Präsident Barack Obama arbeitete. Doch das Problem reicht wesentlich tiefer: So hatte Roseanne Barr sich auf Twitter bereits verschiedentlich auf unsägliche Weise geäußert, Personen denunziert und wüste Verschwörungstheorien verbreitet. Mittlerweile hat Barr auf Twitter um Entschuldigung gebeten und ihren Twitter-Rückzug angekündigt, danach jedoch eine ganze Kaskade an Tweets bzw. Retweets losgelassen, die im Widerspruch dazu stehen und Zweifel an Aufrichtigkeit und Einsicht aufkommen lassen.
Weiterer Lesehinweis: Buzzfeed mit einem Artikel über den Krieg der Hashtags und Filterblasen: Here’s How The Same #BoycottABC Hashtag Was Used By The Right And Left
2. “Journalisten müssen ihre Rolle im Blick behalten” (deutschlandfunk.de, Hanning Voigts & Brigitte Baetz & Michael Borgers, Audio, 5:40 Minuten)
Darf man als Journalist gegen die AfD demonstrieren und anschließend wieder über die Partei berichten? Mit dieser Frage hat „Zeit”-Redakteur Martin Machowecz vor wenigen Tagen auf Twitter eine teilweise leidenschaftlich geführte Debatte ausgelöst. Der Deutschlandfunk hat sich beim Journalisten Hanning Voigts nach seiner Sicht erkundigt und lässt im Artikel weitere Journalisten zu Wort kommen.
Die „taz“ hat sich mit Debatten-Initiator Machowecz über seine Sichtweise unterhalten: „Man ist kein Zweifelnder mehr“
Weiterer Lesehinweis: Umgang mit der AfD: Ein Land hat das Stockholm-Syndrom (metronaut.de, Mikael in den Fahrt)
3. Kein Hochglanz-Smalltalk mehr (taz.de, Carolina Schwarz)
Das Ende der 60er Jahre von Andy Warhol mitbegründete „Interview Magazine“ wird eingestellt. Zu finanziellen Schwierigkeiten kamen Vorwürfe wegen sexueller Belästigung, über die der „Boston Globe“ berichtet hatte.
4. Faktencheck: Satire-Beitrag über Claudia Roth falsch verstanden (correctiv.org, Tania Röttger)
Eine dubiose Seite hat unter dem Label der angeblichen Satire Fake-News über Claudia Roth veröffentlicht. Dieser Artikel hat sich im Netz verbreitet und auch die Rechtsaußen-Politikerin Erika Steinbach (ehemals CDU) erreicht, die gleich zu ihrer Lieblingswaffe gegriffen hat: Twitter.
5. kontertext: Die Rassentheorie wird wieder salonfähig (infosperber.ch, Rudolf Walther)
Der Historiker und freie Journalist Rudolf Walther wirft der „NZZ“ vor, die Rassentheorie wieder salonfähig zu machen. Dabei geht es um den Tenor eines Artikels über einen vom Genetiker David Reich ausgelösten Wissenschaftlerstreit. (Mehr zu der Diskussion u.a. bei „Deutschlandfunk Kultur“: Wissenschaftler streiten über den Begriff “Rasse”)
6. Asoziales Design (uarrr.org, Marcel Wichmann)
Die beliebte Blogging-Plattform „Tumblr“ hat wegen der in Europa neu geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ihre Datenschutzeinstellungen überarbeitet. Marcel Wichmann hat sich durch die benutzerunfreundlichen und verschachtelten Optionen gequält, die augenscheinlich einzig eines zum Ziel hätten: „(…) dass die Wahrscheinlichkeit möglichst gering ist, dass Leute Tumblr die Möglichkeit nehmen mit ihren Daten Geld zu verdienen. Aus Business-Sicht völlig nachvollziehbar, aber aus menschlicher Sicht einfach unmoralisch und ja, asozial.“
Wenn eine, ähm, Nachricht schon so lautet, sollte man misstrauisch werden: Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, saß am Sonntag in der Talkrunde von Anne Will mit einem Einhorn-Klebe-Tattoo im Dekolleté, weil sie damit auf Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, reagieren wollte, die sich einige Tage zuvor über ein Spielzeug-Einhorn mit regenbogenfarbener Mähne aufgeregt hat, weil dieses Kinder zur Homosexualität verleitet und die traditionelle Ehe und Familie torpediert.
Es stimmt, dass auf Göring-Eckardts Schlüsselbein in der Sendung im “Ersten” ein Einhorn zu sehen war. Der Rest ist Unsinn. Weder hat die Grünen-Politikerin damit auf von Storch reagiert, noch hat von Storch diesen Regenbogen-Einhorn-Unfug erzählt. Und dennoch berichten verschiedene Redaktionen, dass es genau so gewesen sein soll.
Göring-Eckardt trägt’s als Provokation an die Adresse der AfD, die in den vergangenen Tagen gegen ein solches Einhorn — ein Spielzeug mit regenbogenfarbener Mähne, wohlgemerkt — mit schwersten Geschützen zu Felde gezogen ist. Das Ding sei dazu angetan, so Beatrix von Storch, Kinder zu homosexuellen Neigungen zu verleiten und traditionelle Ehe und Familie zu torpedieren.
Bild.de macht mit und beruft sich dabei auf “Spiegel Online”:
Hintergrund: Am Sonntagvormittag protestierten nach Polizeiangaben 25 000 Gegner der AfD friedlich in Berlin gegen eine Demonstration der Rechtspopulisten mit 5000 Teilnehmern.
Mit dabei war auch die Grünen-Politikerin, die auf Twitter mehrere Fotos von der Aktion und auch ihrem Klebe-Tattoo zeigte. Nicht nur ihre Teilnahme an der Demo, auch die Wahl des Motivs ist eine klare Ansage an die AfD.
Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch hatte sich in den vergangen Tagen über ein Spielzeug-Einhorn aufgeregt, weil es Kinder angeblich dazu bringe, sich für Homosexualität zu interessieren und gegen das traditionelle Familienbild zu stellen, berichtete der “Spiegel”.
In der gedruckten “Bild” von heute gibt es auch einen Artikel zu Göring-Eckardts “Einhorn-Provokation”:
Die “Huffington Post” verbreitet die Geschichte ebenfalls, die Quelle ist auch hier “Spiegel Online”:
Ein Klebetattoo, wie sich schnell herausstellte. Damit wollte Göring-Eckhardt aber vermutlich nicht besonders trendy sein, sondern eine Botschaft vermitteln: an die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.
Diese hatte in den vergangenen Tagen Einhorn-Spielzeug kritisiert, weil es angeblich Kinder dazu bringe, “sich für Homosexualität zu interessieren”, wie das Magazin “Der Spiegel” berichtete. Wie genau sich Frau von Storch diesen vermeintlichen Zusammenhang erklärt, bleibt derweil unklar.
Grund für diese Aktion war die umstrittene Aussage der stellvertretenden AfD-Fraktionsvorsitzenden Beatrix von Storch über ein Einhorn-Kinderspielzeug mit regenbogenfarbener Mähne. Dieses solle laut Storch Kinder zu homosexuellen Neigungen verleiten und die Werte der Ehe verunglimpfen.
Wir haben im Büro von Katrin Göring-Eckardt nachgefragt. Dort bestätigte man uns, dass das Einhorn-Tattoo zwar von einer Demonstration gegen die AfD-Demo am Sonntag in Berlin stamme; dass es aber nichts mit einer möglichen Äußerung von Beatrix von Storch zu tun habe. Wir haben im Büro von Beatrix von Storch nachgefragt. Dort bestätigte man uns, dass es keine Äußerung der AfD-Politikerin zu einem Spielzeug-Einhorn mit Regenbogenmähne gebe. Auch auf keinem der Social-Media-Kanäle, auf denen von Storch aktiv ist, findet man etwas zum Thema.
Aber woher stammt nun die Geschichte mit dem Spielzeug-Einhorn? Von der Website nachrichten.de.com. Dort steht auf der Startseite:
Erfinde deine eigenen Witz (sic!) und lege alle deine Freunde rein!
… oder eben “Spiegel Online”, Bild.de, “Bild”, “Huffington Post” und die “Abendzeitung”.
Der ganze “Witz” geht übrigens so:
Ein Spielzeug von Schleich sorgt bei der rechtspopulistischen AfD derzeit für einen Sturm der Entrüstung. Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch hat das circa 18 cm große Fabeltier als einen linken Versuch, Kinder zu verunsichern zu kritisiert. Die strikt konservative Politikerin betrachtet das Spielzeug als homosexuelle Propaganda, die gezielt verbreitet werde, um Kinder zu manipulieren. Kinder würden so durch die positive Verwendung der Regenbogensymbolik verleitet, mit homosexuellen Neigungen zu experimentieren, so von Storch. Dass das Einhorn als “Einhornstute” angepriesen wird, das Horn aber als Phallus-Symbol interpretiert werden könne, sei außerdem eine Abkehr von binären Geschlechtern und damit ein Angriff auf die traditionelle Ehe und Familie.
Bernd Höcke stimmt seiner Parteifreundin zu und legt noch nach. Wörtlich soll er das Regenbogeneinhorn als “Schweinkram” bezeichnet haben. Später relativierte Höcke dieses Aussage und unterbreitete Schleich stattdessen einen Vorschlag, wie das Spielzeug an traditionelle Wertvorstellungen angepasst werden könne: “Ich fordere ja kein totales Einhorn-Verbot. Nur der Regenbogen muss weg. Eventuell eine andere Farbe. Wie wäre es mit braun? Braun ist eine schöne Farbe. Die mochte ich schon immer.”
Beatrix von Storch gibt nun wirklich genug Blödsinn und Scheußlichkeiten von sich, an denen sich Redaktionen abarbeiten können. Sie müssen nicht auch noch auf eine Witze-Seite reinfallen.
Mit Dank an Günter F. für den Hinweis!
Nachtrag, 30. Mai: Die meisten Redaktionen haben inzwischen — mehr oder weniger transparent — reagiert: Das Onlineteam der “Abendzeitung” hat seinen Artikel einfach komplett und kommentarlos gelöscht.
Die “Huffington Post” schreibt nun:
Update: In einer früheren Version hatten wir mit Verweis auf andere Medien fälschlicherweise berichtet, Beatrix von Storch hätte gesagt, dass Einhörner Kinder dazu brächten, sich für Homosexualität zu interessieren. Laut dem Büro der AfD-Politikerin hat Beatrix von Storch diesen Satz nicht gesagt.
Bild.de hat ebenfalls korrigiert:
In einer früheren Version dieses Artikels hieß es zudem auf Basis eines “Spiegel”-Berichts, Göring-Eckardt habe damit Beatrix von Storch (47, AfD) provozieren wollen, weil diese der Meinung sei, Einhörner würden Kinder dazu bringen, sich für Homosexualität zu interessieren.
Das trifft nicht zu. Wir bitten beide Politikerinnen um Entschuldigung.
Die Pressestelle der Grünen-Fraktion sagte am Dienstag auf BILD-Anfrage: “Das Einhorn ist ein Symbol gegen Hass, Hetze und Rassismus und ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Buntheit. Deshalb hat Frau Göring-Eckardt das Einhorn-Tattoo am Sonntag in Berlin auf einer AfD-Gegendemonstration spontan getragen.”
In “Bild” ist heute eine ganz ähnliche “Berichtigung” erschienen.
Nur bei “Spiegel Online”, dem Ursprung dieser Einhorn-Ente, hat offenbar noch niemand gemerkt, wie falsch die eigene Berichterstattung ist — der Artikel ist unverändert abrufbar.
Nachtrag 2, 30. Mai: Nun hat auch “Spiegel Online” eine Korrektur veröffentlicht. Die Redaktion schreibt:
Anm. d. Red: In einer früheren Version schrieben wir, dass die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt in der Sendung ein aufgeklebtes Einhorn-Tattoo trug — und dass es als Provokation an die Adresse der AfD und Beatrix von Storch gerichtet war. Das war nicht der Fall — wir haben die Passage geändert.
1. Sascha Lobo: der Debatten-Podcast #41. Albrecht, Lobo und die DSGVO (spiegel.de, Audio, 1:18:09 Stunden)
„Spiegel“-Kolumnist Sascha Lobo und Jan Philipp Albrecht, der als einer der Architekten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt, haben sich bislang schriftlich einen Schlagabtausch zur DSGVO geliefert (Lobos Kolumne / Albrechts Erwiderung), der bis in die Kommentare reichte. Nun haben sich die beiden für eine Sonderausgabe für Lobos Debatten-Podcast zum Gespräch zusammengesetzt.
3. Zeitungs-Newsletter nach der DSGVO: 80 Prozent der Empfänger verloren? (kress.de, Frank Hauke-Steller )
Müssen sich Versender von Newslettern eine erneute Zustimmung der Bezieher einholen, um den Ansprüchen der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu genügen? Darüber gehen die Meinungen auseinander, selbst bei großen Playern der Medienbranche wie „Süddeutscher Zeitung“ und „Zeit“-Verlag.
5. Von Haien und Putzerfischen (deutschlandfunk.de, Heribert Prantl & Stefan Koldehoff)
Der „Deutschlandfunk“ hat sich mit Heribert Prantl („SZ“) über die Problematik der sogenannten „Hintergrundgespräche“ von Politikern mit Medienvertretern unterhalten, von denen nichts nach außen dringen soll. Prantl hadert mit der Gesamtthematik: „Das vertrackte ist, dass Sie als jemand der Bescheid wissen will, die Nähe zur Politik suchen und zugleich Distanz von ihr halten müssen.“
6. Wie man Teilnehmerzahlen berechnet (faktenfinder.tagesschau.de, Konstantin Kumpfmüller)
Am Wochenende wurde in Berlin von, aber auch gegen die AfD demonstriert. Über die Teilnehmerzahlen gehen die Meinungen bei derartigen Veranstaltungen oft auseinander. Die Veranstalter sind natürlich nicht unbefangen, denn der mediale Erfolg bemisst sich oft nach der Teilnehmerzahl. Schätzungen helfen, es gibt jedoch auch Methoden, um zu genaueren Ergebnissen zu kommen.
Bei Bild.de ist am vergangenen Donnerstag ein interessanter Artikel erschienen:
Am Dienstag berichtete BILD, dass eine betrunkene Britin in einen Burger-Laden auf Mallorca marschierte und dort mit hoch gerutschtem Rock ihr Essen bestellte.
Das ist leider nicht korrekt.
Das Foto ist vermutlich 2015 in Australien entstanden. Es wurde der Redaktion als angeblich aktuelle Aufnahme zugespielt, BILD ist auf die vorgetäuschte Entstehungs-Geschichte hereingefallen. Dafür bitten wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, um Entschuldigung. Dieser Fehler hätte uns nicht passieren dürfen.
Die Redaktion.
Dass “Bild”-Mallorca-Reporter Ingo Wohlfeil und das Bild.de-Team auf einen Fake hereingefallen sind und diese Fake News unter ihren Leserinnen und Lesern verbreitet haben, ist letztlich nur ein weiteres Beispiel für die schlampige Arbeit des Portals und damit geschenkt. Viel gruseliger ist, dass die Redaktion überhaupt den Ursprungsartikel über die vermeintliche Mallorca-Urlauberin mit dem hochgerutschten Rock veröffentlicht hat. Und in welcher Form.
Zu einem Foto der Frau, auf dem man ihren nackten Hintern sieht und das offensichtlich heimlich aufgenommen wurde, schrieb Wohlfeil in seinem inzwischen gelöschten Artikel:
Die Frau hat für ihre Bestellung den etwas luftigeren Look gewählt, ordert ganz ohne Scham mit blanker Kehrseite. Der ohnehin schon knappe Rock ist ihr wohl aus Versehen über den Allerwertesten gerutscht.
Ein McDonald’s-Gast zu BILD: “Sie kam aus England, konnte sich nur noch mit Ach und Krach verständigen. Kein Wunder bei gefühlten 2,5 Promille …”
Trotzdem: Bei diesem Bild essen gleich beide Augen mit.
Mal kurz angenommen, das alles wäre keine Lügengeschichte, der Bild.de aufgesessen ist, sondern tatsächlich wahr: eine betrunkene junge Frau mit “‘gefühlten 2,5 Promille'”, die sich “nur noch mit Ach und Krach verständigen” kann und der “wohl aus Versehen” der Rock hochgerutscht ist. Keine Prominente. Kein sonst wie geartetes öffentliches Interesse. Nur ein Foto, das eine ziemlich hilflose Person bloßstellt. Diese Frau macht Bild.de vor einem Millionenpublikum zur Lachnummer, zotige Sprüche inklusive. Und das bestens platziert auf der Bild.de-Startseite:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
“Bild” hat vor zweieinhalb Monaten verkündet, beim “‘Bild’-Girl” künftig auf Oben-ohne-Fotos verzichten zu wollen. Man habe “zunehmend” das Gefühl, “dass viele Frauen diese Bilder als kränkend oder herabwürdigend empfinden, sowohl bei uns in der Redaktion, aber auch unter unseren Leserinnen.” Betrunkene Frauen herabzuwürdigen, ist aber offenbar weiterhin in Ordnung.
1. Neue Qualität der Faktenverdrehung (uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Haben wirklich „60 vermummte“ Personen das Wohnhaus eines Polizisten gestürmt? Und ist der Vorfall im niedersächsischen Hitzacker ein Beispiel für eine „neue Qualität der Gewalt“, wie vielfach behauptet? Boris Rosenkranz ist dieser Frage auf „Übermedien“ nachgegangen. Sein Befund: Hitzacker sei ein “gutes schlechtes Beispiel dafür, wie Medien, in einer ohnehin unübersichtlichen Gemengelage, Fakten verdrehen, um Stimmung zu machen. Wie sie sich sehr beeilen, um ja beim nächsten großen Aufreger dabei zu sein. Und wie sie nur einer Quelle vertrauen, obwohl diese befangen ist. Aber womöglich halten das einige sogar für echten Journalismus.“
2. Der verletzte Mann (deutschlandfunkkultur.de, Vera Linß, Audio, 14:42 Minuten)
Haben Sie schon einmal etwas von „Incels“ gehört? Das sind Männer die unfreiwillig enthaltsam leben (“involuntary celibates“ = “unfreiwillige Zölibatäre“) und sich unter diesem Begriff im Internet vernetzen. Das Problem bei den gekränkten Antifeministen: Ihr sexistisches und frauenverachtendes Auftreten. Und es gibt Überschneidungen zur Extremen und Neuen Rechten.
Weiterer Lesetipp: In Heilige Angstlandschaften (zeit.de) berichtet Robin Detje über die Tendenz einiger Menschen, in der Politischen Korrektheit eine Bedrohung von Mann und Kunst zu sehen. Der Widerstand dagegen habe religiöse Züge angenommen.
3. Russia Today will nicht informieren, sondern verunsichern (tagesspiegel.de, Frank Herold)
Liefern russische Medien wie „RT“ und „Sputnik“ „sauberen Journalismus“ oder Propaganda? Mit dieser Frage hat sich die Osteuropa-Historikerin Susanne Spahn für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung beschäftigt.
4. Statt Links der Woche: Tote Links der Woche (ennopark.de)
Die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat in der Blogger-Szene für viel Aufregung und Panik gesorgt. Viele Blogger und Bloggerinnen kündigten sogar an, deswegen Ihre Blogs dicht zu machen. Enno Park hat sich auf Twitter umgehört, ob dies tatsächlich der Fall ist. Seine kleine nicht-repräsentative Umfrage ist bemerkenswert: Innerhalb von 24 Stunden bekam er mehrere hundert Webseiten genannt, die eingestellt oder zumindest eingefroren wurden.
5. Kämpfende Kurdinnen: Die einstigen Heldinnen sind vergessen (nzz.ch, Mona Sarkis)
Als Kurdinnen 2014 in den Krieg gegen den IS zogen, wurden sie von Illustrierten wie „Elle“, „Cosmopolitan“, „Teen Vogue“ und „Marie Claire“ als Heldinnen gefeiert und mit glorifizierenden Bilderstrecken bedacht. Selbst die Modebranche hätte Gefallen an den kurdischen Frauen gefunden, als diese gegen den IS kämpften. Doch nach der kurzen Phase der Romantisierung sei das Interesse an ihnen erloschen.
6. „Ich hab Prügel bezogen“ (taz.de, Jürn Kruse)
Die „taz“ hat sich mit dem Sportstudio-Moderator Jochen Breyer über die Champions League, die anstehende Fußball-WM und die Auswirkungen von Interviews unterhalten. So sei es früher möglich gewesen, einen Interviewgast auch mal etwas kecker anzugehen: „Würden wir heute so frech antworten, wäre die Hölle los: in den Zeitungen, in den sozialen Netzwerken. Ich hab das ja nach dem Klopp-Interview erlebt, was da alles auf mich eingeprasselt ist. Ich will mich gar nicht beklagen. Aber da fragt man sich schon, ob man das jede Woche haben will.“