Suchergebnisse für ‘privatsphäre’

“BamS”-Reporter sind (…)

Ding-Dong. Oder um’s mit der “Bild am Sonntag” zu sagen:

ÜBERMORGEN BEGINNT DER PROZESS GEGEN MARCO IN DER TÜRKEI (…) Vergangene Woche begab sich BILD am SONNTAG erneut auf Spurensuche in England: (…) Die BamS-Reporter klingeln an dem kleinen Einfamilienhaus von Charlottes Vater Graham M. (…) Als auf das Türklingeln niemand öffnet, hinterlassen die BamS-Reporter einen Brief, fragen den Vater nach dem Zustand seiner Tochter und zu den Ereignissen des vergangenen Jahres.
(Auslassungen von uns.)

“Zwei Stunden später”, so steht es anschließend in der heutigen “BamS”, habe Charlottes Vater den Reportern eine SMS geschickt, die von der “BamS” dokumentiert und wie folgt übersetzt wird:

“Meine Familie und ich haben mehr durchgemacht, als ich es mir hätte jemals vorstellen können. Charlotte ist ein Kind, welches sich wohl nie wieder erholen wird. Wir müssen jetzt für uns bleiben und versuchen, endlich unseren Frieden zu finden (…). Marco wird diesen Frieden auch finden müssen. Ich hoffe, er und seine Familie finden ihn auch.
(Auslassung von “Bild am Sonntag”.)

An der Stelle, an der sich in der “BamS”-Übersetzung die drei Auslassungspunkte finden, stehen im Original vier Worte:

Please respect our peace.

Warum die “BamS” ihren Leser die Übersetzung dieses kurzen Satzes vorenthält, wissen wir nicht. Ein Übersetzungsproblem wird es nicht gewesen sein. Aber vielleicht haben ihn die Reporter Shila Behjat und Jürgen Damsch trotzdem nicht verstanden. Schließlich handelt es sich dabei um die ausdrückliche Bitte, die Privatsphäre zu respektieren.

Mit Dank an Georg H., Kai B. sowie Florian und Annette Z.

Gaby Kösters Privatsphäre gehört nicht “Bild”

Irgendwo im Pressekodex steht:

Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen.

Und grundsätzlich heißt: Es gibt natürlich auch Fälle, in denen Erkrankungen nicht in die Geheimsphäre des Betroffenen fallen — etwa, wenn der Betroffene selbst damit einverstanden ist, dass über seine Erkrankung berichtet wird. Soll’s ja geben. Und deshalb heißt es im Pressekodex auch noch:

Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (…).

Die Komikerin Gaby Köster hat dieses Recht für sich in Anspruch genommen. Unmittelbar nachdem die “Bild”-Zeitung am vergangenen Samstag u.a. auf der Titelseite über eine Erkrankung Kösters berichtet hatte, hieß es in einer Pressemitteilung ihrer Anwälte:

Der Sachverhalt der heute Gegenstand der Berichterstattung in BILD ist, betrifft ausschließlich die Privatsphäre von Gaby Köster.

Außerdem wurden die Medien aufgefordert, “von weiterer derartiger Berichterstattung Abstand zu nehmen”.

Doch anders als die meisten Medien folgte die “Bild”-Zeitung dieser Aufforderung, indem sie Kösters Recht auf informationelle Selbstbestimmung ignorierte, ihre Privat- bzw. Geheimsphäre am Montag erneut verletzte und abermals detailliert über ihre Erkrankung berichtete.

Das hat (wie Kösters Anwälte heute mitteilen) das Landgericht Berlin “als rechtswidrig erachtet” — und gestern zwei einstweilige Verfügungen gegen die Axel Springer AG erlassen, “die es der BILD-Zeitung (…) verbieten, mit der Berichterstattung fortzufahren”.*

Und quasi zur selben Zeit, als das Gericht gestern entschied, saß die “Bild”-Redaktion bereits an einer weiteren Fortsetzung. Sie enthält so gut wie keine neue Info über Köster, sondern wiederholt bloß detailliert, was “Bild” schon zuvor berichtet hatte — und findet sich heute größer als bisher auf der Titelseite (siehe Ausriss).

Nachtrag, 16.22 Uhr: Bild.de hat inzwischen alle Berichte über Kösters Erkrankung aus dem Angebot entfernt.

Nachtrag, 17.1.2008: In einer Art Korrektur ihrer gestrigen Pressemitteilung weisen Kösters Anwälte darauf hin, dass sich nur eine der beiden einstweiligen Verfügungen gegen “Bild” richtet, die zweite jedoch gegen Bild.de.

6 über 2008

Traditionelle Medienkonzerne gehören auch 2008 zu den grossen Verlieren, und zwar schlimmer denn je
(medienkonvergenz.com, Andreas Göldi)
“Sorry, aber weder die Musik-, noch die Film-, noch die Zeitungs-, noch die Fernsehbranche haben 2007 irgendeinen Hinweis darauf gegeben, dass sie digitale Medien verstehen und eine brauchbare Strategie für den Umgang mit diesem Phänomen haben.”

Die Trends des Jahres 2008 – Versuch einer Vorhersage
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
“Diese Berufsstandsbeamten, für die ich mich als Journalist schämen muss, werden leider auch im neuen Jahr nicht verstummen – im Gegenteil. Ihre Angriffe werden heftiger werden, sollte die Konjunktur kippen – und dafür spricht viel.”

Orakel 2008
(debatte.welt.de, Don Dahlmann)
“Für Schlagzeilen dürfte die Musikindustrie sorgen. Es sieht ganz so aus, als ob dort die Probleme mit den Künstlern größer werden, als die mit den Käufern.”

Ins Nichts
(blogbar.de, Don Alphonso)
“2008 wird das Jahr der Exits. Ich vermute mal, dass bekanntere Blogger vermehrt nach Chancen suchen werden, schnellstmöglich umzusteigen, sich als Berater andienen oder nach Aufträgen für Verwandtes suchen. Damit noch etwas kommt, wenn man begriffen hat, dass nichts mehr kommt.”

Wird 2008 zum Jahr der Privatsphäre?
(mrtopf.de/blog)
“Wenn etwas das Thema 2008 werden kann, dann sicher die Privatphäre, denn es brodelt an vielen Stellen. Manche Themen sind heute schon aktuell und werden ins neue Jahr getragen werden, andere Dinge sind noch nicht akut, könnten es aber dennoch werden.”

“In 2008, a 100 Percent Chance of Alarm
(nytimes.com, John Tierney)
In 2008, your television will bring you image after frightening image of natural havoc linked to global warming. You will be told that such bizarre weather must be a sign of dangerous climate change ? and that these images are a mere preview of what?s in store unless we act quickly to cool the planet.”

  

Bevölkerungsexplosion in München


Antje-Susan Pukke, 49, ist BILDblog-Leserin, Diplom-Politologin und Hörfunkjournalistin in München. Sie hat mehrere Bücher über Öffentlichkeitsarbeit und Fort- und Weiterbildung geschrieben, arbeitet viel für den Bayerischen Rundfunk und ist in der Journalistenausbildung tätig. Im Foto möchte sie sich nicht zeigen, weil sie schon seit Jahren Wert darauf legt, sowenig private Spuren wie möglich im Netz zu hinterlassen, was ihr, wie sie sagt, “bis auf ein paar kleine Ausnahmen” gelungen ist: “Gläserner als man eh schon ist, muss man ja nicht auch noch freiwillig werden.”

Von Antje-Susan Pukke

BILDBloggerin für einen Tag — was liegt da näher, als 50 Cent zu investieren und sich’s frühmorgens zuhause bei einer Tasse Kaffee mit der Münchenausgabe vom 20. Dezember gemütlich zu machen?

Fangen wir gleich einmal mit der Lektüre des Aufmachers an:

EU macht Autos bis zu 5.000 Euro teurer

Mir selbst ist das eigentlich ziemlich egal, ich habe nur einen Kleinwagen und den fahre ich höchst selten. Aber was mag angesichts einer solchen Überschrift so manch anderer “Bild”-Zeitungsleser denken? Wahrscheinlich genau das, was die Schreiber erreichen möchten: “Abzocke hoch drei…”. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele aus dem zugehörigen Riesenartikel auf Seite 4 die richtigen Schlüsse ziehen. Da steht nämlich zum einen, dass man sich ab 2012 auf einen durchschnittlichen Preisanstieg von 1.300 Euro einstellen muss, und zum anderen, dass EU-Experten davon ausgehen, dass durch sinkenden Benzinverbrauch 2.700 Euro eingespart werden könnten. Macht zusammen… — ach, rechnen Sie einfach selbst.

Überhaupt, “Bild” und die Zahlen. Höchst amüsante Überschrift auf Seite 3:

600 Millionen Münchner fuhren MVV

Ja, wo kommen die denn plötzlich her? Soweit ich weiß, liegt die Einwohnerzahl der bayerischen Landeshauptstadt bei rund 1,3 Millionen. Aber: “Bild” nähert sich unerschrocken der Wahrheit. “Heuer haben rund 600 Millionen Menschen (…) S-, U- und Trambahn benutzt.” Klingt schon besser, hinkt aber noch etwas. Also: Noch eine Chance — und sie kriegen es tatsächlich hin, dem Ganzen einen Sinn zu geben: “Gegenüber 2006, als der MVV 590 Millionen Fahrgäste begrüßen konnte, ist das noch einmal eine deutliche Steigerung.” Na bitte: geht doch!

Genug der Zahlen, jetzt gibt’s erst mal eine Runde Mitleid. Zunächst eine kleine für Rolf Kleine und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, die zu Besuch beim afghanischen Präsidenten waren: “Auf uns wartet klirrende Kälte (minus 4 Grad).” Suggeriert, dass das Reporterleben hart ist — auch wenn so mancher zumindest hier in Bayern unter “klirrender Kälte” was anders verstehen dürfte. Egal — haltet einfach durch, liebe “Bild”-Kollegen!

Das ganz große, wirklich aufrichtige Mitleid aber gebührt der armen Autofahrerin, die am Mittwochnachmittag etwas zu forsch auf die Autobahn einfuhr und dadurch einen LKW-Fahrer zu einem Ausweichmanöver zwang, das im U-Bahn-Gleis endete. Stundenlang ging auf der ganzen Linie nichts mehr. Klar, ärgerlich für den Teil der, ähhm, 600 Millionen Münchner, der nach Hause wollte. Jedoch hat die Frau es tatsächlich verdient, so abgebildet zu werden, dass sie jeder gleich erkennt? Wohl eher nicht. Aber “Bild” nimmt es ja mit der Privatsphäre öfter nicht so genau.

Ansonsten das Übliche heute. Sensationslust gepaart mit Ungenauigkeiten (im Bericht über den “US-Henker”, der gar kein Henker sein kann, weil er laut Bildunterschrift mit dem elektrischem Stuhl und später mit der Spritze tötete), dazu das Schüren von Vorurteilen mit Hilfe von Leserbriefen (“Wie kommt ein junger abgeschobener Algerier zu einem Mercedes?”) und dazu manch weiterer Artikel, der Fragen aufwirft (Wieso “musste” Mädchenschwarm Sascha die bankrotte Putzfirma seiner Mutter übernehmen?).

Fazit nach einem Vormittag als Ersatz-Bloggerin: Ganz schön viel Arbeit, die vielen Fehler (ja, es gibt noch einige mehr) in einer einzigen Ausgabe aufzuspüren, noch mehr Achtung vor der Leistung derjenigen, die tagtäglich das BILDblog mit Leben füllen. Und das Versprechen, in Zukunft fleißig beim Aufspüren von Fehlermeldungen mitzumachen.

 
BILDblogger für einen Tag ist morgen Jens Weinreich.

Angst und Ambition

Heute fragt “Bild”:

Haben Sie einen neuen Mann, Frau Oettinger? (...) Die Antwort ist kurz und geheimnisvoll: "Kein Kommentar."

Geheimnisvoll, soso.

Hier zum Vergleich eine wirklich geheimnisvolle Antwort. Die Frage lautet ungefähr: Herr Oettinger, sind Sie von “Bild” dazu getrieben worden, in der Zeitung zu verkünden, dass Sie sich von Ihrer Frau getrennt haben? Seine Antwort steht heute in den “Stuttgarter Nachrichten” und lautet:

“Das werde ich später mal beantworten.”

Bis dahin kann man nur spekulieren, wie freiwillig der baden-württembergische Ministerpräsident gestern in “Bild” das “Liebes-Aus” erklärt hat:

Oettinger wäre nicht der erste Prominente, der berichten würde, dass die Zeitung ihn mit einer Mischung aus Drohungen und Angeboten dazu gebracht hätte, ihrem Willen nachzugeben, etwa, indem sie ihm verschiedene mögliche Formen der Berichterstattungen aufzeigt, je nach Grad der Kooperation mit “Bild”.

Die “Frankfurter Rundschau” spricht davon, dass die “Bild”-Zeitung in den vergangenen Tagen “ihre Folterwerkzeuge auspackte”:

Zuerst berichtete das Blatt in seiner Stuttgarter Regionalausgabe, Inken Oettinger habe 170 hochmögende Damen der Gesellschaft beim Adventskaffee in der Berliner Landesvertretung mit dem Hinweis auf das Fußballtraining des Sohnes einfach sitzen gelassen. Dann titelte sie in der Deutschlandausgabe “Deutschlands seltsamstes Politiker-Ehepaar”. Nun wurde Stufe drei gezündet: “Ehe kaputt”.

Auch die “Stuttgarter Nachrichten” formulieren, Oettinger habe “dem Druck der ‘Bild’-Zeitung nachgegeben” und berichten aus der Stuttgarter Regierungszentrale:

“Die haben dem Chef doch das Messer auf die Brust gesetzt”, meint einer. Was das heißen könnte? “Bild” soll gedroht haben, die Ehe-Probleme öffentlich zu machen. So viel ist klar: In der vergangenen Woche soll es ein Telefonat zwischen “Bild”-Chef Kai Diekmann und der Regierungszentrale gegeben haben.

Seit Monaten schon habe “Bild” Oettinger angeboten, “seine privaten Dinge über den Boulevard zu regeln”, was der Ministerpräsident abgelehnt habe, schreiben die “Stuttgarter Nachrichten”, und:

“In Berlin wird kolportiert, der Springer-Konzern habe für diese Woche mit der Veröffentlichung von Details aus dem Privatleben des Paares gedroht. Das aber wollten sich die Oettingers ersparen.”

In einem Leitartikel kritisieren die “Stuttgarter Nachrichten” Oettingers Art des Coming-Outs:

Politiker und Journalisten in Baden-Württemberg wissen seit langem von den Schwierigkeiten der Eheleute Oettinger – aus Respekt vor der Privatsphäre haben sie geschwiegen. Viele Redakteure, auch dieser Zeitung, haben Oettinger auf seine Ehe angesprochen – die Antwort “Kein Kommentar” wurde stets respektiert.

Auf die Frage, warum Oettinger sein Schweigen exklusiv für und in “Bild” brach, sei im Staatsministerium von einer “Zwangslage” die Rede: “Wir konnten doch nicht anders.”

Zu groß ist offenbar die Angst christlich-konservativer Landespolitiker mit Ambitionen in Richtung Berlin, es sich mit “Bild” zu verderben. Sicherheit gibt da wohl nur das Gefühl, von “Bild” geliebt zu werden, egal um welchen Preis.

Und der Boulevard dankt: Als “einen der mächtigen CDU-Kronprinzen” titulierte “Bild” den baden-württembergischen Ministerpräsidenten gestern prompt. Man kann das auch anders sehen: Ein mächtiger Kronprinz braucht ein starkes Rückgrat, er braucht Souveränität, er knickt auch vor “Bild” nicht ein.

Der Kommentar schließt:

Günther Oettinger […] lässt sich am Ende des “Bild”-Berichtes mit einem Satz zitieren, der angesichts der zweidrittelseitigen Aufmachung seines Ehe-aus-Bekenntnisses so absurd wie verzweifelt anmutet: “Wir haben die Bitte, dass die Öffentlichkeit unsere Privatsphäre akzeptiert.” Wir gehen davon aus, dass sein Appell nicht dieser und anderen seriösen Zeitungen gilt. Sondern der “Bild”-Zeitung, gern auch exklusiv. Seine Chancen stehen nicht schlecht. Den Preis für künftige Wohlbehandlung hat Oettinger schließlich schon bezahlt.

Ein misslungener Selbstversuch


Christian Schertz, 41, ist Medienanwalt in Berlin. In den vergangenen Jahren setzte er in “Bild” und “BamS” u.a. Gegendarstellungen für Sabine Christiansen, Oliver Pocher, Nadja Auermann, Natalie Wörner, Katja Flint, Hannelore Hoger, Nora Tschirner, Karsten Speck, Sibel Kekilli, Cosma Shiva Hagen, Dieter Wedel, Günther Jauch und Alexandra Neldel durch. Schertz lehrt u.a. Medienrecht an der Potsdamer HFF und der FU Berlin — und stellt heute in Berlin gemeinsam mit Thomas Schuler das Buch “Rufmord und Medienopfer” vor.

Von Christian Schertz

Kein Zweifel: Auf BILDblog ist es angezeigt, sich kritisch mit “Bild” auseinanderzusetzen. Nur: Kritik kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet sinngemäß: “Die Kunst der Beurteilung”. Blattkritik — zu der ich von “Bild” noch nie eingeladen wurde — heißt also auch, Positives zu erwähnen. Daher mein Selbstversuch, die heutige “Bild”-Ausgabe nach Punkten zu durchforsten, die mir positiv auffallen, gewissermaßen als dialektischer Gegenentwurf zu BILDblog.

And here are the results:

Auf der Titelseite ist Nicolas Sarkozy “Verlierer” des Tages. “Bild” prangert zu Recht an, wie der französische Staatspräsident dem libyschen Staatschef Gaddafi (“Folter, Zensur und Menschen, die einfach verschwinden!”) fünf Tage einen roten Teppich ausrollt, um ihm ein Atomkraftwerk zu verkaufen.

Auf Seite 2 deckt Hugo Müller-Vogg in seinem Kommentar die Bigotterie christdemokratischer Politiker auf, die zumindest über Jahre ausschließlich das Lebensmodell “verheiratet mit Kindern” als Ideal gefeiert und vor allem dem Volk verkauft haben, dieses Modell aber immer seltener selbst leben nach dem Motto: “Wasser predigen und Wein trinken.” Müller-Vogg gelingt das Ganze auch noch, ohne bei den beschriebenen Fällen (Wulff, Oettinger, Pofalla) die Intimsphäre zu verletzen, da er lediglich öffentlich bekannte Fakten mitteilt und hieraus seine Schlüsse zieht. Hinzutritt, dass Frau Oettinger in einem Artikel neben dem Kommentar immerhin Fragen der “Bild” zu der Trennung, wenngleich abwiegelnd, beantwortet und damit selbst den heutigen Titel “Nach Ehe-Aus: Das sagt Frau Oettinger” ohne Not befördert hat. Wahrscheinlich war es wieder ein Überrumpelungsanruf, bei dem als presserechtliche Grundregel eigentlich gilt: Wenn man weitere Berichterstattung nicht befördern will, sagt man nichts, njet, kein Kommentar. Anders offenbar im Fall Oettinger.

Weiterhin fällt auf, dass die heutige “Bild” im Wesentlichen auch sonst ohne massive Eingriffe in die Privatsphäre auskommt. Lediglich ein “Abschuss” von Britney Spears, der sie beim Stehlen eines Feuerzeuges im Wert von 99 Cent an einer Tankstelle zeigt, lässt sich finden. Indes dürfte auch dieses Foto rechtlich nach der medialen Inszenierung von Frau Spears sogar zulässig sein.

Noch zu diesem Thema: Tatsächlich, ich kann es gar nicht glauben, ich finde kein Leser-Reporter-Foto! Jedenfalls in der Printausgabe. Mehrfach blättere ich die Zeitung durch. Ich finde keins.* Da wurde über Monate “das Phänomen Leser-Reporter” in den Feuilletons der überregionalen Tagespresse und den Medienmagazinen in Funk und Fernsehen diskutiert und angeprangert. Auch ich selbst war hieran beteiligt (“Massenweiser Aufruf zum Rechtsbruch”). Und dann stellt man fest, dass die “Bild”-Zeitung in ihrer Printausgabe jedenfalls eine tägliche Rubrik “Leser-Reporter” offensichtlich aufgegeben hat. Völlig unbemerkt. Nach dem Abklingen der Diskussion.

Vielleicht muss “Bild” ja auch die Privatsphäre von Menschen nicht mehr verletzen, da seit geraumer Zeit Prominente jeglicher Couleur zumeist unaufgefordert, jedenfalls ohne Not, sich zu dem aktuellen Zustand ihres Liebes- und Privatleben äußern. Während in der Vergangenheit viele Celebrities gut daran getan haben, ihre Privatsphäre zu schützen, häuft sich die Anzahl derjenigen, die mit O-Tönen wie: “Ja, es stimmt. Wir sind ein Paar.”; “Ja, es stimmt. Wir haben uns getrennt.” oder gleich in der Kombi “Ja, es stimmt. Ich habe mich getrennt und bin jetzt zusammen mit…” in die Öffentlichkeit gehen. BUNTE-Republik Deutschland.

Dennoch ist der Selbstversuch misslungen: Was die “Bild”-Zeitung heute auf Seite 2 mit dem offensichtlich traumatisierten Folter-Opfer Al-Masri macht (“Brandstifter und Schläger vor Gericht”) ist unfassbar, unentschuldbar, ein Nachtreten in Richtung Presserat und Betroffenen. Das Leben ist nicht fair.

*) Nachtrag zum misslungenen Selbstversuch, 16.47 Uhr: Jetzt habe ich sie doch gefunden, Leser-Reporter-Fotos auf Seite 12, insgesamt 5 Fotos von Frauen mit Rückentatoos. Dabei handelt es sich aber im Wortsinne nicht um Leser-Reporter-Fotos, sondern um Leser-Fotos — offensichtlich mit Einwilligung der Abgebildeten. In den Anfängen der Leser-Reporter-Fotos waren es noch vielfach Abschüsse von Prominenten ohne deren Zustimmung. Das erklärt auch, warum die Rubrik Leser-Reporter nicht mehr offensichtlich ins Auge fiel.

 
BILDblogger für einen Tag ist morgen Klaus Vater.

Das Recht am fremden Bild


Miriam Meckel, 40, ist Professorin für Corporate Communication und
Direktorin des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Nach ihrer Promotion 1994 wurde sie an der Uni Münster 1999 Deutschlands jüngste Professorin. Sie arbeitete vor und hinter der Kamera u.a. für den WDR, Vox, RTL und n-tv und war in NRW Staatssekretärin für Medien und Regierungssprecherin von Wolfgang Clement sowie Staatssekretärin für Europa, Internationales und Medien. Meckels jüngstes Buch “Das Glück der Unerreichbarkeit” ist im September erschienen. Ihre Lebensgefährtin ist Anne Will, wie beide vor drei Wochen der “Bild am Sonntag” und der “Welt” bestätigten (wir berichteten). Meckel bloggt selbst unter miriam-meckel.de

Von Miriam Meckel

Als wir aus dem Restaurant treten, geht das Blitzlicht los, erhellt die Straße und das Umfeld des Restaurants im Sekundentakt. Das aktuelle zeitgeschichtliche Ereignis lautet: Eine Fernsehmoderatorin und ihre Freundin essen in einem Berliner Restaurant zu Abend. Wahnsinn, unfassbar, einfach unglaublich! Davon muss es Bilder geben!

Wir gehen los, gemäßigten Schrittes, versuchen die dauernde unfreiwillige Erleuchtung zu ignorieren. Nach einigen Minuten stelle ich fest: Es ist nicht nur eine ungewöhnliche Erfahrung, dass ein Mensch über fast einen Kilometer im Rückwärtskriechgang vor uns her hampelt und hunderte von Fotos schießt. Es ist auch einigermaßen entwürdigend. Ich fühle mich peinlich berührt, auch durch die Reaktion der anderen Passanten (“Guck mal, was ist denn da los?”), irgendwann werde ich einfach sauer.

Anlässlich des Todes von Lady Diana habe ich mich ausführlich damit beschäftigt, was es heißt, eine absolute oder relative Person der Zeitgeschichte zu sein. Letzteres ist man dann, wenn man im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis in den Blick der Öffentlichkeit gerät. Es kommt also auf den zeitlichen Kontext an und die dadurch begründete öffentliche Aufmerksamkeit. Das ist nachvollziehbar, aber es ist nicht alles. Inzwischen lerne ich: Die relative Person der Zeitgeschichte beinhaltet auch, dass sich alles relativiert, was man bislang für absolut selbstverständlich gehalten hatte: das Recht auf Privatsphäre und das Recht am eigenen Bild. Es wird zum Recht der anderen auf das fremde Bild.

Die Protagonisten jener Beschaffungswelt machen Fotos von Menschen, die essen gehen, einkaufen, über die Strasse laufen oder anderen zeitgeschichtlich bedeutsamen Tätigkeiten öffentlichen Interesses nachgehen. Sie treten häufig zu mehreren auf: Einer verfolgt das Fotoobjekt und informiert die anderen, wann es wo eintrifft, damit die dann blitzlichtartig zuschlagen können. Als Reaktion auf diese Rudelbelagerung entwickeln die Betroffenen irgendwann absonderliche Schutzreaktionen: Kein Schritt aus dem Haus ohne nach rechts und links zu schauen, ob da wieder jemand wartet. Kein Licht im Hausflur, damit sich der eigene Ausgang nicht ankündigt. Fahrten um die Ecke mit dem Taxi, um wenigstens von dort unverfolgt zu Fuß weitergehen zu können.

Auf die Frage “Wer sind Sie und für wen arbeiten Sie?” bekommt man von den Fotoparasiten keine andere Antwort als einen gebetsmühlenartig repetierten Satz: “Sie kennen doch die Branche!”

Nein, diese “Branche” kenne ich nicht. Ich kenne den Journalismus, ziemlich gut sogar. Diese Profession, die dafür sorgt, dass eine Gesellschaft sich über die für sie meinungs- und entscheidungsrelevanten Tatsachen und Entwicklungen informieren kann, sich orientieren und sozial abgleichen kann. Das ist eine wichtige und nicht immer leichte Aufgabe, die zu Recht Verfassungsrang hat. Mit den beschriebenen Fotojägern, dieser Bastardgattung aus Voyeur, Privatdetektiv und Söldner, hat sie rein gar nichts zu tun.

[flashvideo filename=wp-content/video/meckel.flv /]

Ich habe jetzt beschlossen: Wenn andere das Recht auf das fremde Bild haben, dann gilt das auch für mich. Doch der Versuch, die Fotospanner selbst zu fotografieren, zeitigt interessante Reaktionen zwischen Panik, Aggression und Flucht (siehe Video rechts). Der Fotojäger wird zum Gejagten. Das, was die Bildbelagerer von anderen Menschen wollen, möchten sie umgekehrt für sich selbst nämlich keinesfalls zulassen. Warum aber soll beim Kampf ums Bild nicht zumindest Waffengleichheit herrschen? Ab sofort wird zurück fotografiert!
 
BILDblogger für einen Tag ist morgen Christian Schertz.

6 vor 9

Oliver Kahn beim Handball-Spielen – Antwort auf das Killerspiel-Video bei YouTube
(jetzt.sueddeutsche.de, Dirk von Gehlen)
In der vergangenen Woche sorgte Matthias Dittmayer für Aufregung im deutschsprachigen Internet. Der 21-Jährige hatte verfälschende Fernsehberichte über Computerspiele gesammelt und diese in einem Video zusammengeschnitten. Mittlerweile haben fast 350.000 Menschen das Video angeschaut. Darunter auch Rainer Fromm. Der Autor von Frontal21 ist Experte für Computerspiele und wehrt sich gegen einige Vorwürfe, die in dem Video erhoben werden (mehr dazu auch hier).

Journalist des Jahres ist – Johann Oberauer
(presseverein.ch)
Der umtriebige Österreicher Johann Oberauer ist als Verleger von Branchen-Magazinen für die Medienwelt äusserst erfolgreich. Auch in der Schweiz hat er ein Journalisten-Heft etabliert, das sich ganz der Nabelschau des Berufsstandes widmet.

Forschungsreport: Google muss zerschlagen werden
(heise.de, Stefan Krempl)
Eine Studie der TU Graz warnt mit drastischen Worten vor der “Bedrohung der Menschheit” durch Google. Der Suchmaschinenprimus schicke sich nicht nur an, den Schutz der Privatsphäre auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen, heißt es in dem 187-Seiten umfassenden Bericht “über die Gefahren und Chancen großer Suchmaschinen unter besonderer Berücksichtigung von Google” (pdf, 7255 kb).

Presseausweis vor dem Aus
(spiegel.de, Andrea Brandt)
Das Plastikkärtchen ist begehrt: Der bundeseinheitliche Presseausweis erleichtert Journalisten nicht nur ihren Arbeitsalltag – sondern auch den Zugang zu Firmenrabatten. Nun drohen die Innenminister, die Ausweise nicht mehr amtlich zu autorisieren.

Die wohl teuerste Gratiszeitung der Welt
(20min.ch)
In Ägypten kriegt man die meistgelesene Zeitung der Schweiz nicht umsonst. 20 Minuten kostet im Badeort Scharm el-Scheich umgerechnet 7.20 Franken.

Obscene Losses
(portfolio.com, Claire Hoffman)
DVD sales are in free fall. Audiences are flocking to pornographic knockoffs of YouTube, especially a secretive site called YouPorn. And the amateurs are taking over. What?s happening to the adult-entertainment industry is exactly what?s happening to its Hollywood counterpart?only worse.

Betr.: Anne Will und Miriam Meckel

Sehr geehrter Herr Diekmann,

wenn Sie darauf angesprochen werden, dass die von Ihnen verantwortete “Bild”-Zeitung die Privatsphäre von Prominenten nicht respektiert, antworten Sie, dass die Prominenten dafür selbst verantwortlich seien. Gegenüber der Schweizer Zeitung “Persönlich” (pdf) formulierten Sie es so:

Grundsätzlich ist das Privatleben tabu. Das gilt aber nicht für diejenigen, die mit ihrem Privatleben das Licht der Öffentlichkeit suchen.

Der “FAZ” sagten Sie:

Wer sein Privatleben privat lebt, bleibt privat. (…) Wer nicht selbst das Spiel eröffnet, muß auch nicht mitspielen.

Immer wieder greifen Sie auf eine Fahrstuhl-Metapher zurück:

Wer die Presse einlädt, wenn es im Fahrstuhl des Lebens nach oben geht, darf sie nicht aussperren, wenn er wieder nach unten fährt.

Gestern und heute haben “Bild” und “Bild am Sonntag” in größter Aufmachung darüber berichtet, dass die ARD-Moderatorin Anne Will am Rande einer Veranstaltung bestätigt habe, mit der Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel zusammen zu sein. “Ja, wir sind ein Paar”, habe Will gesagt und hinzugefügt: “Wir möchten unser Privatleben privat halten.”

Diesen Wunsch mochten Sie ihr offensichtlich nicht erfüllen. Denn Ihre Zeitung belässt es nicht dabei, über das Coming-Out der Moderatorin zu berichten, ihre Partnerin vorzustellen und über Kleidung, Schmuck, Sitzordnung, Menufolge und Stimmung bei der öffentlichen Veranstaltung zu berichten, zu der Will und Meckel gemeinsam gekommen waren. Sie informiert ihre Leser zugleich unter anderem auch über einen gemeinsamen Urlaub der beiden und nennt Details ihrer Freizeitgestaltung.

Offenkundig ist das Privatleben von Anne Will für die “Bild”-Zeitung also nicht mehr Tabu. Angenommen, Ihre öffentlichen Erklärungen über den sonst geltenden Respekt Ihrer Zeitung vor der Privatsphäre anderer Menschen seien nicht nur Lügen oder bestenfalls Selbstbetrug: Bedeutet die Tatsache, dass Frau Will und Frau Meckel auf Nachfrage einmal bestätigen, ein Paar zu sein, dass beide nun “das Spiel eröffnet” haben und in den “Bild”-Fahrstuhl eingestiegen sind? Glauben Sie, dass beide dadurch etwas Intimes enthüllt haben? Haben beide dadurch das sonst angeblich von Ihnen garantierte Recht verwirkt, ihr Privatleben privat zu halten? Müssen sie deswegen damit rechnen, dass “Bild”-Reporter sich auf die Suche nach früheren Partnern machen; dass “Bild”-Fotografen dokumentieren, wenn beide gemeinsam (oder gerade nicht gemeinsam) in den Urlaub fahren oder in einem Café sitzen; dass “Bild”-Artikel die Öffentlichkeit über Höhen und Tiefen in dieser Beziehung auf dem Laufenden halten?

Müssen Prominente, wenn sie nicht in Ihrer Zeitung lesen wollen, wo sie mit wem welchen Freizeitsport treiben, beispielsweise vollständig darauf verzichten, sich von ihren Partnern zu gesellschaftlichen Anlässen begleiten zu lassen? Oder dürfen sie sich von ihren Partnern begleiten lassen — aber nicht darüber reden?

Herr Diekmann, was kann ein Paar tun, um Ihnen keinen Vorwand dafür zu liefern, sein Privatleben als Verfügungsmasse Ihrer Zeitung zu betrachten?

Über Antworten würden wir uns freuen!

Mit freundlichen Grüßen
Ihre BILDblogger
 
 
Nachtrag, 28.11.2007: Von einem “Bild”-Sprecher erhielten wir folgende Antwort:

Sie schickten am 19.11. einen Brief an die Bild-Chefredaktion zum Thema Anne Will. Von unserer Seite gibt es dazu nur soviel zu sagen: Wir haben geschrieben, was an diesem Abend unserer BILD am SONNTAG-Reporterin gesagt wurde.

6 vor 9

Missing Montenegro: Der Karten-GAU der Tagesschau
(umblaetterer.de)
Die ARD-Tagesschau blendete in seiner Sendung am 14.10.2007 eine Karte ein, auf der Serbien und Montenegro einen Staat bilden. Montenegro ist allerdings seit dem 03.06.2006 ein unabhängiger Staat.

Recherchen unter Staatsaufsicht
(tagesschau.de)
Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung, Lauschangriff: Wie weit der Staat in die Privatsphäre, aber auch in das berufliche Umfeld, eingreifen darf, wird derzeit heftig diskutiert. Und im Zusammenhang mit Informanten- und Quellenschutz ist der Beruf des Journalisten besonders stark betroffen.

Der Westen und die Hobby-Chirurgen
(blog-cj.de)
“Zwei Dinge sind für mich die Flops des Jahres – oder nennen wir sie, etwas weniger unfreundlich, die am meisten überschätzten Dinge. Das eine ist der Westen, dieses groß beworbene und angekündigte WAZ-Portal, gestartet nach der enormen Entwicklungszeit von fast eineinhalb Jahren und erwartet als der völlig neue Standard für Onlineauftritte von Tageszeitungen.” (Das andere: “User Generated Content”).

Augen zu und durch!
(derwesten.de, Hans-Martin Groß, Video, 6:09 Minuten)
Rock´n Roll 2.0: Wie macht man in Zeiten von Downloads, illegalen Kopierens und allmächtigen Klingeltönen noch Musik – und lebt davon. DerWesten im Gespräch mit Phillip Boa.

Rede des DJV-Bundesvorsitzenden Michael Konken
(djv.de)
“Das Internet ist eine Plattform auch für Schmierfinken ganz besonderer Art. Schmierfinken, die sich als Journalisten bezeichnen, die aber Persönlichkeitsrechte verletzen, sich nicht an unsere Postulate wie Wahrhaftigkeit, Objektivität, Vollständigkeit halten. Sie treiben ihr mieses Geschäft mit Veröffentlichungen, gegen die wir oft rechtlich nicht vorgehen können, die aber nicht selten ihre Voyeure finden.”

Bionade-Biedermeier (Lesetipp)
(zeit.de, Henning Sussebach)
Der Berliner Szene-Stadtteil Prenzlauer Berg ist das Experimentierfeld des neuen Deutschlands. Doch wer nicht ins Raster passt, hat es schwer im Biotop der Schönen und Kreativen.

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