Wie die “Bild”-Redaktion mit schmutzigen Tricks versucht, Christian Drosten zu zerlegen

Am vergangenen Donnerstag schoben sie sogar die Kanzlerin vor:

Screenshot Bild.de - Weil er ständig seine Meinung ändert! Merkel motzt über Drosten

Seit Wochen schon versucht die “Bild”-Redaktion, den Virologen der Berliner Charité Christian Drosten schlecht dastehen zu lassen. Sie bemüht sich, Drostens Autorität als Wissenschaftler zu untergraben, arbeitet genüsslich frühere Fehleinschätzungen heraus, stellt ihn als Einflüsterer dar, macht ihn zum Kollegenschwein. Damit dieses negative Bild irgendwie passt, reißt die Redaktion auch schon mal Aussagen aus dem Zusammenhang, verfälscht zeitliche Abläufe und erfindet Behauptungen. “Bild”-Methoden eben.

So auch am vergangenen Donnerstag bei der oben bereits erwähnten Merkel-motzt-Geschichte. Bild.de schreibt:

Heute so, morgen so.

Im kleinen Kreis der Ministerpräsidenten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (65, CDU) nach BILD-Informationen erstmals deutliche Kritik an Deutschlands Virologen geäußert.

Vor allem auf den Top-Virologen Christian Drosten (Berliner Charité) bezog sich ihr Unmut in der Video-Schaltkonferenz.

Und:

Merkel kritisierte Drosten wegen seiner jüngsten Aussagen zur Ansteckungsgefahr der Kinder in der Pandemie. Drosten warnte zuletzt, Kinder seien vermutlich genauso ansteckend wie Erwachsene. Die Zahl der Viren, die sich in den Atemwegen nachweisen lässt, unterscheide sich bei verschiedenen Altersgruppen nicht, berichten Drosten und sein Forscher-Team in einer vorab veröffentlichten und noch nicht von unabhängigen Experten geprüften Studie.

Folge: Die Forscher warnen aufgrund ihrer Ergebnisse vor einer uneingeschränkten Öffnung von Schulen und Kindergärten in Deutschland. Dabei hatte Drosten zuvor im NDR unter Berufung auf eine “Science”-Studie davon gesprochen, dass Kinder offenbar ein kleineres Ansteckungsrisiko als Erwachsene hätten (“ein Drittel”).

Diese Anekdote aus der Schaltkonferenz ist etwas überraschend, weil sich Angela Merkel bei der anschließenden Pressekonferenz recht dankbar für die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigte und Verständnis für sich ändernde Einschätzungen äußerte (sowieso: Der Virologe änder nicht “ständig seine Meinung”, wie Bild.de in der Dachzeile schreibt, er ändert seine Erkenntnisse). Doch die “Bild”-Redaktion blieb bei ihrer Darstellung der verärgerten Kanzlerin. Am Samstag schrieb sie in der “Bild”-Zeitung:

Nach Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert sei die Darstellung “falsch”, Merkel habe sich in der Konferenz mit den Ministerpräsidenten nicht anders geäußert als auf der anschließenden Pressekonferenz.

BILD wurde die Kritik der Kanzlerin aus mehreren Quellen unabhängig voneinander geschildert.

Ob Merkel nun wirklich über Drosten “gemotzt” hat oder nicht, ist letztlich gar nicht entscheidend. Interessanter ist, wie falsch die “Bild”-Redaktion den angeblichen Grund für das angebliche Gemotze darstellt.

Erstmal ist der zeitliche Ablauf, den die Redaktion herstellt, falsch. Bei Bild.de klingt es so, als hätte Christian Drosten erst über eine im Magazin “Science” erschienene Studie gesprochen (“zuvor im NDR unter Berufung auf eine ‘Science’-Studie”) und erst später (“Drosten warnte zuletzt”) die Studie seines Teams präsentiert (PDF). Daraus ergibt sich der Eindruck, dass er bereits gewusst hätte, “dass Kinder offenbar ein kleineres Ansteckungsrisiko als Erwachsene hätten”, bevor er und sein Team mit etwas vermeintlich Gegenteiligem rauskommen. Tatsächlich war es aber andersrum: Am vergangenen Mittwoch twitterte Drosten über die Studie seines Teams, erst einen Tag später, am Donnerstag, sprach er beim NDR über die in “Science” publizierte Studie (und twitterte auch über sie).

Noch gravierender ist, dass der Widerspruch von Drostens Darstellung der Studien, den Bild.de insinuiert, gar keiner ist. Die Ergebnisse beider Untersuchungen schließen sich nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil, sie ergänzen sich sogar. Denn sie untersuchen unterschiedliche Phasen in Bezug auf Infektionen bei Kindern: Christian Drosten und dessen Team haben geschaut, wie viele Viren sich im Rachen infizierter Menschen (und damit auch im Rachen von infizierten Kindern) befinden. Sie haben bei Kindern eine Viruskonzentration gefunden, die sie statistisch nicht von der bei Erwachsenen unterscheiden konnten. Daraus schließen sie:

Children may be as infectious as adults.

Es könnte also gut sein, dass Kinder bei der Weitergabe des Virus genauso infektiös sind wie Erwachsene. Wichtig dabei: die Einschränkung “may be”.

Die Studie aus “Science” untersuchte hingegen nicht, wie gut Kinder das Virus abgeben, sondern wie empfängliche sie selbst für das Virus sind: Wie hoch ist das Risiko von Kindern, dass sie sich selbst anstecken? Laut der Studie soll es, stark vereinfacht, wie Christian Drosten sagt, nur bei einem Drittel des Risikos liegen, das Erwachsene haben.

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Miteinander kombiniert sagen die beiden Studien, dass Kinder ein geringeres Risiko als Erwachsene haben könnten, sich anzustecken; aber wenn sie sich angesteckt haben, dann könnten sie genauso infektiös sein wie Erwachsene. Die “Bild”-Redaktion kreiert daraus einen Widerspruch, den es nicht gibt, über den die Bundeskanzlerin aber dennoch “gemotzt” haben soll.

Nur drei Tage vorher gab es einen ähnlich unsauberen Artikel der “Bild”-Medien:

Screenshot Bild.de - Drei Experten, drei Meinungen - Alexander Kekule, Hendrik Streeck, Christian Drosten - Wie sehr kann man sich auf unsere Virologen verlassen?

Die “Bild”-Redakteure Filipp Piatov, Nikolaus Harbusch und Willi Haentjes schreiben über “das Hin und Her der deutschen Virologie”, als wäre es völlig unverständlich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer so dynamischen Situation wie der aktuellen ihre Sichtweisen anpassen, wenn durch Studien neue Erkenntnisse vorliegen. Kein Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten.

Dafür aber ein Gespür für eine Übermacht der Virologen. Das “Bild”-Trio schreibt:

Ihr Wort war Gesetz: Seit Beginn der Corona-Krise gaben Virologen der Politik den Takt vor. Wenn sie warnten, horchten die Regierungen von Bund und Ländern auf. Was sie forderten, galt kurz darauf in der gesamten Republik.

… was ein merkwürdiger Widerspruch zur Dachzeile “DREI EXPERTEN, DREI MEINUNGEN” darstellt, denn es galten ja nicht “kurz darauf in der gesamten Republik” drei verschiedene Gesetze.

Aber eigentlich geht es in dem Artikel auch gar nicht so sehr um die angebliche Macht der “DREI EXPERTEN”, sondern um die von Christian Drosten. Der sei nämlich der “Corona-Flüsterer der Kanzlerin”. Der Journalist Yassin Musharbash kommentiert treffend, dass “Bild” Drosten damit “subtil in eine Rasputin-Ecke” schiebe.

Im selben Artikel wird Christian Drosten auch noch zum Kollegenschwein gemacht, der einem anderen Virologen die “gute wissenschaftliche Praxis” abspreche:

Nun hat sich Drosten auf [Armin] Laschets Berater eingeschossen, den Virologen Hendrik Streeck (42). Dessen Agieren habe “mit guter wissenschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun”.

Dieses Zitat haben Piatov, Harbusch und Haentjes kräftig aus dem Kontext gerissen. Es ist in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” gefallen. In dem Gespräch geht es auch um die “Heinsberg-Studie”, bei der der Virologe Hendrik Streeck federführend ist und die ordentlich Kritik abbekommen hat. Einer von mehreren Kritikpunkten: Die PR-Agentur “Storymachine”, gegründet von Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, Ex-Stern.de-Chefredakteur Philipp Jessen und Eventmanager Michael Mronz, hatte die Vermarktung der Studie übernommen. Das Magazin “Capital” enthüllte dazu Details. Darüber sprach auch Christian Drosten im “SZ”-Interview:

Die Heinsberg-Studie kommt zu einem anderen Ergebnis. Sie wurde zudem schon im Vorfeld als richtungsweisend für die Politik gehandelt, es war sogar eine Social-Media-Agentur des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann involviert.

Ich finde das alles total unglücklich — und ich finde es noch schlimmer, wenn ich dann den Bericht im Wirtschaftsmagazin Capital darüber lese, dass diese PR-Firma Geld bei Industriepartnern eingesammelt hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Da geht es auch um ein internes Dokument, demzufolge Tweets und Aussagen des Studienleiters Hendrik Streeck in Talkshows schon wörtlich vorgefasst waren. Da weiß ich einfach nicht mehr, was ich noch denken soll. Das hat mit guter wissenschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun. Und es zerstört viel von dem ursprünglichen Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft.

In Drostens Aussage geht es also vornehmlich um das Agieren der PR-Agentur des ehemaligen “Bild”-Chefs (was im “Bild”-Text, wenig überraschend, komplett wegfällt) und nicht so sehr um Streecks Agieren. Im selben Interview äußerst sich Christian Drosten eigentlich recht positiv über die Arbeit von Hendrik Streeck. Er sagt, er unterscheide bei der “Heinsberg-Studie” zwischen Wissenschaft und Kommunikation (“Diese Geschichte ist für mich zweilagig. Das eine ist die Kommunikation, und das andere ist die Wissenschaft.”). Auf die Frage, ob die Studie durch das Verhalten von “Storymachine” hinfällig ist, antwortet er:

Die Wissenschaft an sich ist erst mal nicht zu kritisieren auf der momentanen Basis.

Danach gefragt, ob Hendrik Streeck ihm “inzwischen Details über die Studie zukommen lassen” hat, sagt Drosten:

Wir haben telefoniert, und ich habe Auszüge der Daten bekommen — und die lassen erkennen, dass die Studie an sich seriös ist und gut werden könnte.

Daraus fabrizieren die “Bild”-Autoren einen stutenbissigen Christian Drosten. Es passt aber auch zu schön zum von den “Bild”-Medien bereits zuvor ausgerufenen “Virologen-Clinch”:

Screenshot Bild.de - Streeck und Drosten - Virologen-Clinch um Corona-Studie
Screenshot Bild.de - Zweite Runde im Virologen-Clinch - Streeck verteidigt seine Corona-Studie

Eigentlich brauchen sie bei “Bild” aber gar nicht mal sowas wie eine real existierende Behauptung, die sie verzerren können, um sich jemanden vorzuknöpfen — sie denken sich die Behauptungen auch gern einfach aus. “Bild”- und “B.Z.”-Kolumnist Gunnar Schupelius schrieb vor zwei Wochen über Christian Drosten:

Screenshot Bild.de - Kritik am Drosten-Preis - In der Krise gibt es viele unbekannte Helden

Am Montag wurde der Chef des Instituts für Virologie der Charité, Christian Drosten, zum Helden erklärt. Er bekam einen “Sonderpreis für herausragende Kommunikation der Wissenschaft in der Covid19-Pandemie.” Der Preis wurde extra für diesen Zweck von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestiftet, die der Bundesregierung gehört, und ist mit 50 000 Euro dotiert.

Schupelius wolle Drosten zugestehen, “dass er den Job nach bestem Wissen und Gewissen machen wollte und machte”, aber:

Aber weshalb bekommt er dafür einen Preis? Die Aufgabe kam ihm seines Amtes wegen zu und er hat sie zu erfüllen, denn er arbeitet im öffentlichen Dienst. Auch wenn er seine Aufgabe besonders gut erfüllt hat, ist er deshalb noch kein Held.

Nun ist es bloß so, dass niemand Christian Drosten mit diesem Preis zu einem Helden erklärt hat. Die DFG erwähnt das Wort “Held” in ihrer Pressemitteilung kein einziges Mal. Nur einer behauptet, dass Drosten jetzt ein Held sei: Gunnar Schupelius. Und das auch nur, um dann sagen zu können: Sag mal, spinnt ihr alle?! Der Typ ist doch kein Held!

Krankenschwestern, Pfleger, Supermarktmitarbeiter und Ärztinnen seien übrigens auch keine Heldinnen und Helden, so Schupelius. Sie tun schließlich nur das, “was man von ihnen erwartet und wofür sie bezahlt werden.”

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Wenn es darum geht, Virologen schlecht zu machen, ist natürlich auch der “Bild”-Chef mit von der Partie. Nicht konkret über Christian Drosten, sondern über “nahezu alle Experten”, schreibt Julian Reichelt in einem Kommentar:

Zweitens, nahezu alle Experten, denen wir uns in dieser Krise anvertrauen (müssen), lagen mit nahezu jeder Einschätzung so falsch, dass unser Glauben an sie sich nur noch mit Verzweiflung erklären lässt.

Was für ein sagenhafter Populismus. Und was für ein unglaublich gefährlicher Unsinn. Meint Julian Reichelt wirklich, dass “nahezu alle Experte (…) mit nahezu jeder Einschätzung” falsch lagen?

Diese These hält nicht mal stand, wenn man Reichelts Kommentar einen Absatz weiterliest. Er schreibt davon, dass “auf Krankenhausfluren gespenstische Ruhe” herrsche und es hier “weiterhin kaum Corona-Tote” gebe. Woran liegt es, dass Deutschland bisher so glimpflich davongekommen ist? Doch nicht etwa an den Experten, deren Wort laut “Bild”, siehe oben, stets Gesetz war und deren Forderungen “kurz darauf in der gesamten Republik” galten? Bei dem (Zwischen-)Ergebnis mit leeren Krankenhausfluren und “kaum Corona-Toten” dürften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Einschätzungen ja nicht so sehr danebengelegen haben.

Reichelts Kommentar — der noch an vielen anderen Stellen sehr schrecklich ist — ist ein Paradebeispiel für das Präventionsparadoxon: Greifen Maßnahmen und bleiben dadurch schlimme Folgen aus, entwickelt sich schnell eine Stimmung: Waren diese Maßnahmen jetzt wirklich nötig? War doch alles gar nicht so schlimm! Wenn Reichelt schreibt: Die Experten “haben trotz aller Maßnahmen immer wieder vor dem unmittelbar bevorstehenden Kollaps unseres Gesundheitssystems gewarnt. Nun herrschen auf Krankenhausfluren gespenstische Ruhe und Angst vor Arbeitslosigkeit”, dann erkennt er offenbar nicht, dass er damit einen sehr erfolgreichen epidemiologisch Vorgang beschreibt (gegen die Angst vor Arbeitslosigkeit muss natürlich etwas getan werden). Der “Bild”-Chef hat in letzter Zeit offenbar nicht sehr intensiv Nachrichten aus Italien, Spanien oder den USA verfolgt.

Seine Aussage über die Experten, die angeblich so oft falsch lagen, passt auch zur sonstigen “Bild”-Berichterstattung. In einer Art Virologen-Quartett, in dem auch Christian Drosten vorkommt, geht es neben dem “Spezialgebiet” und dem Privatleben auch um den jeweils “größten Irrtum”. Um die größte Entdeckung oder die größte Leistung geht es nicht.

Am 15. April kramte die “Bild”-Redaktion auch noch eine gut elf Jahre alte Geschichte aus, um Christian Drostens Expertise in Zweifel zu ziehen:

Ausriss Bild-Zeitung - Auch ein Prof. Drosten kann sich irren - Sein Rat zur Schweinegrippe 2009 erscheint heute in einem neuen Licht

Drosten sei:

Ein Profi seines Fachs, der ein ganzes Land durch die Krise führt, obwohl er mit seiner Einschätzung zur Schweinegrippe im Jahr 2009 daneben lag.

Ende Oktober 2009 steigt die Zahl der registrierten Schweinegrippe-Fälle auf 3000 pro Woche und insgesamt 30 000 registrierte Patienten in ganz Deutschland. Prof. Drosten, damals noch Leiter der Virologie am Uniklinikum Bonn, warnte vor dem Virus. (…)

Heute ist klar: Die Panik vor dem Ausbruch war unbegründet.

Mitte März klang der Blick der “Bild”-Redaktion auf Christian Drosten noch ganz anders. “Der Mann mit den dunklen Locken” sei einer der wichtigsten Experten der Bundesrepublik.” Auch international sei er gefragt.

Der Grund: Drosten hat als einer der Wenigen den Corona-Durchblick.

Der Virologe, der auf einem Bauernhof im Emsland aufwuchs, kennt viele Viren wie seine Westentasche. Er hat Erfahrung und Expertise!

Und noch etwas:

Und noch etwas macht Drosten besonders: Er ist nahbar!

Obwohl Drosten den Medienrummel nicht gewohnt sein dürfte, teilt er all seine Erkenntnisse permanent mit der Öffentlichkeit. In Interviews bleibt er besonnen und – wie man es von einem Forscher erwartet — sachlich.

Für den Virologen ist die Corona-Lage mehr als ein Fulltime-Job. Doch er bleibt gefasst und reflektiert.

Man muss ja nicht gleich in derartige Schwärmereien verfallen, wenn es um Christian Drosten geht. Auch er sollte das Recht haben, kritisch hinterfragt zu werden. Wenn man aber, wie die “Bild”-Redaktion, zeigen will, dass der Virologe eigentlich nur ein unsteter Nicht-Held ist, der reihenweise Fehler macht und Kollegen in die Pfanne haut, dann sollte wenigstens etwas sauberer arbeiten als die Fantasiefigur, die man da zu erschaffen versucht.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Pochers Attacken, Mausgezeichnete Einschaltquoten, Lisa Eckhart

1. Täter hatten vor Übergriff wohl Streit mit “heute-show”-Team
(tagesspiegel.de, Alexander Fröhlich)
Der genaue Hintergrund des Angriffs auf ein Team der “heute-show” (ZDF) ist nach wie vor unklar. Laut “Tagesspiegel”-Informationen soll es jedoch vor der Attacke Streit zwischen dem TV-Team und den Angreifern gegeben haben. Für die Staatsanwaltschaft seien alle Verdächtigen “dem linken Spektrum zuzurechnen”.
Weiterer Gucktipp: Im ZDF-Interview (Video, 13:31 Minuten) schildert der Satiriker Abdelkarim, wie er den Angriff erlebt hat: “Das war auch keine Schlägerei, das war ein Einschlagen auf eine völlig wehrlose Gruppe, von der null Gefahr ausging. Viel feiger kann ein Angriff gar nicht sein.”

2. Niveaulos und frauenverachtend: Wer stoppt Oliver Pocher?
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Der Comedian Oliver Pocher hat offenbar eine neue Möglichkeit gefunden, Aufmerksamkeit zu generieren: Er drischt öffentlich auf Influencerinnen ein. In einem aktuellen Fall legte er die Pornovergangenheit eines seiner Opfer offen. “Sollte Pocher mit seinem pseudointellektuellen Moralgeplänkel tatsächlich so etwas wie journalistischen Anspruch gehabt haben, so ist er damit krachend gegen die Wand gefahren”, kommentiert Matthias Schwarzer. Sein Fazit: “Je mehr grölendes Publikum Pocher bekommt, desto mehr pöbelt sich der Comedian in Rage. Dass hinter jedem Influencer auch ein Mensch steht, wird da zweitrangig. Da wird jeder Fehltritt ausgeschlachtet, jedes Nacktvideo, jede Dominavergangenheit zum Auslachexzess. Die Grenze ist hier bereits lange überschritten.”

3. Klassiker räumt ab: “Sendung mit der Maus” im Höhenflug
(dwdl.de, Alexander Krei)
Trotz ihres mittlerweile stolzen Alters von 50 Jahren ist “Die Sendung mit der Maus” so erfolgreich wie lange nicht. Bei den 14- bis 49-Jährigen habe die Kindersendung einen Marktanteil von fast 17 Prozent erzielt. Ein außergewöhnlich guter Wert für den Klassiker, der sich auch bei den Erwachsenen großer Beliebtheit erfreue.

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4. Renan Demirkan protestiert gegen “Eliminierung” älterer Schauspieler aus Drehbüchern und Besetzungslisten
(presseportal.de)
Die Autorin und Schauspielerin Renan Demirkan warnt vor einer existenziellen Bedrohung älterer Künstlerinnen und Künstler durch die Corona-Krise. In einem Offenen Brief (nur mit Abo lesbar) an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schreibt die 64 Jahre alte Demirkan: “Ich bin mir nicht sicher, ob sich Nichtkünstler ein Künstlerleben wirklich vorstellen können. Ob auf der Bühne oder auf der Leinwand; ob in Büchern oder Bildern; ob als Musiker oder Komponisten: Das, was wir tun, das sind wir — uneingeschränkt und ohne Altersgrenze!”

5. Pulitzer-Preis für die “New York Times”
(sueddeutsche.de)
Der Pulitzer-Preis geht dieses Jahr unter anderem an die “New York Times”. Der Jury habe die Russland-Berichterstattung gefallen, mit der die Zeitung das aggressive Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin enthüllt habe. Weitere Auszeichnungen gingen unter anderem an die in Alaska ansässige “Anchorage Daily News”, die Recherche-Plattform “ProPublica”, das “Courier-Journal” und die “Baltimore Sun”.

6. Sie ist von Kopf bis Fuß aufs Böse eingestellt
(faz.net, Andrea Diener)
Wer gelegentlich die Satiresendung “Nuhr im Ersten” schaut, ist dort eventuell schon einmal der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart begegnet, die bevorzugt gegen die “politische Korrektheit” anredet. Derzeit wird ein bereits älterer Ausschnitt der Kabarettsendung “Mitternachtsspitzen” diskutiert, in der Eckhart jahrhundertealte Vorurteile gegen Juden reproduziert. Anlass für Andrea Diener, einen genaueren Blick auf die Künstlerin und ihr Programm zu werfen: “Zusammenfassen lässt sich ein Großteil ihres Programms mit ‘stellt euch mal nicht so an’. Gemobbte Schulkinder, Magersüchtige, rassistisch angegangene Corona-Chinesen: alle mal die Fresse halten, früher ging es den Leuten noch viel schlechter. Früher wurde nicht ‘gemobbt’, früher wurde noch zünftig geprügelt und es hat keinen gestört, weil die Gesellschaft noch nicht so verweichlicht und dekadent war. Zack, über alle Zwischentöne drübergebügelt. Es gibt Pilsstuben, in denen hat man das schon differenzierter gehört.”
Nachtrag: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser “6 vor 9”-Ausgabe war der Artikel noch frei abrufbar. Inzwischen hat die “FAZ”-Redaktion ihn hinter die Paywall gestellt.

Angriff gegen “heute-show”-Team, Teures Armutszeugnis, Irr-Lichtern

1. “Mit Totschlägern auf das Team los”
(zdf.de)
Am vergangenen Freitag wurde ein Kamerateam der ZDF-Satiresendung “heute-show” bei Dreharbeiten in Berlin-Mitte von Unbekannten angegriffen. Mehrere Teammitglieder, darunter auch drei Security-Mitarbeiter, mussten ins Krankenhaus, wurden jedoch nach der Behandlung am selben Abend wieder entlassen. Die Motive der Täter seien noch unklar, so die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

2. Eine Frage der Glaubwürdigkeit
(faz.net, Johannes Ritter)
Die “Neue Zürcher Zeitung” (“NZZ”) habe trotz erhaltener öffentlicher Finanzhilfen acht Millionen Franken an ihre Aktionärinnen und Aktionäre ausgeschüttet. Bei der Redaktion in Zürich sei dies nicht gut angekommen, wird ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter zitiert: “‘Für unsere Zeitung ist das ein Armutszeugnis. Wir hätten darauf bestehen sollen, uns ohne Hilfen durchzuboxen’.” Er sehe die Glaubwürdigkeit der “NZZ” beschädigt: “‘Wir können doch nicht gegen Staatsbeteiligungen und Subventionen wettern und dann selbst die Hand aufhalten.'”

3. Mai Thi Nguyen-Kim, der Guide im Wissens-Dschungel
(dwdl.de, Hans Hoff)
“DWDL”-Kolumnist Hans Hoff preist die Youtuberin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim: “Wenn man einem 23-Minuten-Video von Mai Thi Nguyen-Kim leichter folgen kann als einem ‘Tagesthemen’-Kommentar spricht das nicht gegen die Langform, denn die geht wirklich in die Tiefe, geizt nicht mit Fakten und eigentlich komplizierten Zusammenhängen. Das ähnelt streckenweise einer Vorlesung, allerdings einer sehr guten.”

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4. Pörksen: “Der Journalismus ist zu lange den Virologen gefolgt”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Im Interview mit dem österreichischen “Standard” kritisiert der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die mediale Fokussierung auf Expertenurteile. Pörksen spricht von einer gefährlichen Orientierung an “Expertenmonopolen”. Und er kommentiert die Kritik an dem österreichischen Hilfspaket für Tageszeitungen. Die staatlichen Unterstützungszahlungen würden sich an der Auflage orientieren und damit Boulevardzeitungen besonders stark fördern: “Die Kritik ist vollkommen berechtigt — und ich gebe zu bedenken: Bunt bedrucktes Papier ist nicht systemrelevant. Und jenseits der Details scheint es mir grundsätzlich eine Art Webfehler einer solchen Form von Medienförderung zu geben: Im Letzten ist hier die Beziehung zwischen der Politik und einzelnen Medienhäusern einfach viel zu direkt. Das schafft unvermeidlich Unfreiheiten und Fehlanreize auf allen Seiten.”

5. Die große Freien-FAQ zur Corona-Krise
(freienbibel.de, Katharina Jakob & Oliver Eberhardt)
Der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten Freischreiber hat seine FAQ zur Corona-Krise aktualisiert. Dabei geht es um die von Bund und Ländern gewährten Hilfsmaßnahmen, bei deren Beantragung zahlreiche versteckte Fallen lauern würden.

6. Horst aus der Kiste
(spiegel.de, Martin Hecht)
Die ZDF-Trödelshow “Bares für Rares” mit Moderator Horst Lichter feiert im Mai ihre 1000. Folge. Für Martin Hecht der Anlass für einen unterhaltsamen Zwischenruf: “Das Glücksversprechen der Trödelshow könnte darin liegen, grandiose Raritäten präsentiert zu bekommen, oder wenigstens einen inneren Zugang dazu. Doch es geht allein darum, aus gefühlt wertlosem Plunder einen stets astronomisch hoch erhofften Geldwert herauszuholen. Oder, um es auf die kürzeste aller Formeln zu bringen: aus Scheiße Gold zu machen.”

“DIE WUT DER WIRTE” – und eines Politikers

Gestern gab es auf der “Bild”-Titelseite mal wieder Wut, Verzeihung, “WUT”:

Ausriss Bild-Titelseite - Frau Merkel kann gerne mein Lokal übernehmen - Die Wut der Wirte

Keine Frage, die Wirtinnen und Wirte, die sich in der “Bild”-Zeitung und bei Bild.de vor allem über die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und die Corona-Maßnahmen beschweren, haben aktuell ganz bestimmt ernstzunehmende wirtschaftliche Sorgen. Sie stecken in einer misslichen Lage.

Ausriss Bild-Zeitung - So leiden Gastronomen unter den Corona-Einschränkungen - Ich fühle mich im Stich gelassen

Der Mann ganz rechts, dessen Wut nach eigener Aussage ansteckender sein soll “als das Virus”, wird von den “Bild”-Medien so vorgestellt und zitiert:

Holger Zastrow (51) betreibt einen Biergarten mit 800 Plätzen in der Dresdner Heide: “Unser Saisonstart am 1. April fiel genauso ins Wasser wie zehn geplante Veranstaltungen bis heute. Meine Wut ist ansteckender als das Virus. Ich könnte jede Abstandsregel einhalten. Dass wir immer noch hinten anstehen, kommt einem Berufsverbot gleich.”

(Hervorhebung im Original.)

Nun ist Holger Zastrow allerdings nicht nur Betreiber eines Biergartens, sondern auch Politiker. Er war von 1999 bis 2019 Landesvorsitzender der FDP in Sachsen, zweimal Spitzenkandidat bei der sächsischen Landtagswahl, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag Sachsens und sogar stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Aktuell sitzt er für die FDP im Dresdner Stadtrat.

Diese Informationen fehlen im “Bild”-Artikel völlig.

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Natürlich kann “Bild” gern Holger Zastrow bei dieser Thematik zu Wort kommen lassen. Und der kann auch gern seinem Ärger Luft machen. Dass dort aber nicht nur ein Wirt, sondern auch ein Politiker die politischen Entscheidungen anderer Parteien bewertet — diesen Kontext hätte die Redaktion aus unserer Sicht erwähnen sollen.

Julian Reichelt sieht das naturgemäß anders. Bei Twitter antwortete der “Bild”-Chef auf die Kritik des CDU-Politikers Marco Wanderwitz, dass Zastrows politischer Hintergrund von “Bild” nicht erwähnt wurde:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt - Ich finde, die CDU hat in den letzten Wochen genug scharfe Maßnahmen beschlossen. Wir brauchen nicht auch noch eine Kennzeichnungspflicht für Menschen, die mal (vollkommen legitim) Politik gemacht haben.

Gesehen bei @FlorianGathmann.

Kim Jong-un taucht bei Bild.de mit aufblasbarer Rakete wieder auf

In den vergangenen eineinhalb Wochen brauchten sie bei Bild.de eine Menge Fragezeichen in ihren Überschriften:

Screenshot Bild.de - Rätselraten um Nordkoreas Machthaber - Diktator Kim Jong-un schwer erkrankt?
Screenshot Bild.de - Nordkorea-Experte erklärt Gesundheitszustand - Wie schlimm steht es um Kim Jong-un?

Ist der nordkoreanische Diktator schon längst tot?

Screenshot Bild.de - Rätselraten um Nordkoreas Diktator - Kim Jong-Tot?

Oder lebt er doch?

Screenshot Bild.de - Nach Berichten über verpfuschte OP - Neues Lebenszeichen von Kim Jong-un?

Vielleicht versteckt er sich auch nur?

Screenshot Bild.de - Nordkorea-Diktator wurde lange nicht gesehen - Versteckt sich Kim aus Angst vor Corona?

Nach dem ganzen “Rätselraten” auf recht mauer Faktenlage tauschte Bild.de gestern am späten Abend die Fragezeichen gegen ein “offenbar” aus:

Screenshot Bild.de - Nach Gerüchten über seinen Tod - Kim Jong-un offenbar wieder aufgetaucht

Zur Bebilderung dieser möglichen Auferstehung Kim Jong-uns wählte die Redaktion folgendes Foto:

Screenshot des Bild.de-Artikels von gestern Abend mit einem Foto eines Mannes, der in einer Shopping-Mall die Menschen begrüßt und dabei eine aufblasbare Rakete unter den Arm geklemmt hat. Das Foto ist mit dem Hinweis Archivfoto versehen

Noch besser als der Hinweis “ARCHIVFOTO” wäre gewesen: “DOPPELGÄNGERFOTO”. Bei dem Mann, der mit dem einen Arm grüßt und mit dem anderen eine aufblasbare Rakete festhält, handelt es sich schließlich nicht um Kim Jong-un, sondern um den Kim-Jong-un-Imitator Howard X.

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Tatsächlich haben nordkoreanische Staatsmedien gestern Bilder von einem angeblichen Fabrikbesuch ihres Machthabers veröffentlicht. Die “Bild”-Redaktion hat das falsche Aufmacherfoto inzwischen durch Aufnahmen von diesem Auftritt ersetzt.

Mit Dank an Matthias M., @vunallemebbes, @8SAP und @philku für die Hinweise!

Bild.de beerdigt filmreif BMW und Hummer

Schon dem Grab des altägyptischen Pharaos Tutanchamun wurde, neben vielen anderen Schätzen, ein goldener Streitwagen beigelegt. Und ein bisschen so, angepasst an den Puls der Zeit freilich, klingt auch die Meldung aus Südafrika, wo ein Mann in seinem alten Mercedes beerdigt wurde.

So eine Skurrilität ist natürlich auch für die “Bild”-Redaktion ein Thema. Bei Bild.de berichtet sie über das ungewöhnliche Begräbnis:

Screenshot Bild.de - Seine Hände waren mit Kabelbinder am Lenkrad befestigt - Politiker nimmt Mercedes mit ins Grab

Am Ende des Beitrags steht in einer Bildunterschrift der Hinweis:

In Afrika wurde nicht zum ersten Mal ein Mensch in einem Auto beerdigt.

Autobestattungen seien zwar extrem selten, schreibt Bild.de, doch:

Doch in Afrika ist diese bizarre Form der Beisetzung nicht zum ersten Mal passiert

Jaja, “in Afrika”. Für die Behauptung liefert die “Bild”-Redaktion zwei Belege:

Vor zwei Jahren beerdigte ein Nigerianer seinen Vater in einem brandneuen BMW X5. 2015 brachte ein Geschäftsmann (ebenfalls aus Nigeria) seine Mutter in einem Hummer unter die Erde.

Allerdings hat weder die eine noch die andere Beerdigung in Wirklichkeit je stattgefunden. Beide gab es nur in Filmen aus Nollywood.

An der Stelle mit dem BMW-X5-Begräbnis — tatsächlich geht es um einen BMW X6, aber das nur am Rande — verlinkt Bild.de einen eigenen älteren Artikel, in dem über diese vermeintliche Trauerfeier berichtet wird:

Screenshot Bild.de - Nigeria - Sohn begräbt Vater in Luxusauto

Dieser Luxusschlitten geht aus der Fabrik direkt unter die Erde …

In Nigeria hat ein Mann seinem Vater eine besondere letzte Ruhestätte ermöglicht: Er ließ ihn statt in einem Sarg in einem brandneuen Luxusauto beerdigen.

In dem Artikel von 2018 verlinkt die Redaktion wiederum die britische “Daily Mail”, sozusagen als Beleg. Problem: Selbst die sonst “Bild”-haft krawallige “Daily Mail” hatte nach der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Meldung falsch war:

Screenshot dailymail.co.uk - Social media claims that son buried his father in a 66000 Pounds BMW in Nigeria are shown to be false as it is revealed the image is actually from a Nigerian film

Die Agentur AFP hatte bei einem Faktencheck herausgefunden, dass die Aufnahmen aus dem nigerianischen Film “Social Club” stammen:

Screenshot aus dem Film Social Club, auf dem die BMW-Beerdigung zu sehen ist

Und auch das Hummer-Begräbnis, das die “Bild”-Redaktion erwähnt, gab es nur im Film.

In dem bereits erwähnten fehlerhaften “Daily Mail”-Artikel ist die Rede von einem Milliardär aus der nigerianischen Stadt Enugu, der 2015 seine Mutter in einem “brand new Hummer” beerdigt haben soll — also ziemlich genau das, was auch Bild.de behauptet.

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Sucht man nach “enugu billionaire burial mother hummer”, findet man tatsächlich Bilder eines Hummers, der in ein Grab rollt. Diese Aufnahmen stammen allerdings nicht von einem echten Begräbnis, sondern aus dem dritten Teil der nigerianischen Filmreihe “Get Rich & Die Young”:

Screenshot aus dem Film Get rich and die young, auf dem die Hummer-Beerdigung zu sehen ist

Mit Dank an Peter S. für den Hinweis!

Zynischer Trinkgeldbecher, Coronaparty, Grenzüberschreitend

1. Haste mal nen Cent für die armen Künstler?
(zeit.de, Daniel Gerhardt)
Die Corona-Krise bedeutet für viele Branchen dramatische Umsatzrückgänge, doch es gibt auch Gewinner. Zu denen gehören Streaminganbieter wie das schwedische Unternehmen Spotify. Neuerdings biete der Musikdienst notleidenden Musikerinnen und Musikern an, ihre Spotify-Präsenz mit einem virtuellen Trinkgeldbecher zu bestücken. Das sei reiner Zynismus, wie Daniel Gerhardt bei “Zeit Online” findet: “Wollte der Streamingdienst wirklich jenen Musikschaffenden helfen, mit deren Arbeit er seine Profite erwirtschaftet, müsste er sich eigentlich selbst bekämpfen.”
Weiterer Lesehinweis: Rechte Podcasts auf Spotify: Höcke in der Playlist: “Auf Spotify geben sich extreme Rechte mit Podcasts ganz bürgerlich. Die Plattform ist informiert — und lässt sich mit der Überprüfung Zeit.” (taz.de, Volkan Agar).

2. Die Coronaparty der Medienvertreter
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 3:39 Minuten)
Es war ein groteskes Bild: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gibt noch auf dem Rollfeld ein Statement zu einer Lieferung Schutzmasken aus China ab. Um sie herum eine dichtgedrängte Traube von Journalisten und Journalistinnen, allesamt ohne Schutzmaske. Eine visuelle Ohrfeige, wie Samira El Ouassil findet: “Solche Bilder setzen fatale Signale und wenn das jemand wissen sollte, dann Journalisten. Medienmacher müssen gerade jetzt im Hinterkopf behalten, dass einige Bürger nicht das Virus, sondern Politik und Presse für die Einschränkungen verantwortlich machen.”

3. TikToken die ganz richtig?
(politik-kommunikation.de, Sandra Peters)
Will man Schülerinnen oder Studenten erreichen, muss man auf deren bevorzugte Plattformen gehen. So denken derzeit viele Politikerinnen und Politiker und machen ihre ersten zaghaften Schritte bei TikTok, Snapchat und Jodel. Grundsätzlich eine richtige Entscheidung, wie Sandra Peters findet, doch es sei eine Gratwanderung zwischen nahbar und peinlich: “Wie kann eine Respektsperson einer Plattform entsprechend kommunizieren, ohne sich lächerlich zu machen? Ein Kanzleramtschef Helge Braun, der sich auf Jodel betont staatsmännisch den Fragen der User stellt, wandelt auf einem schmalen Grat zwischen Nahbarkeit und Autoritätsverlust.”

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4. Rekorde, Rekorde: Der unrühmliche Reichweiten-Wettlauf
(dwdl.de, Uwe Mantel)
ProSieben feierte am Mittwochmorgen 10,37 Millionen Zuschauer für das “The Masked Singer”-Finale, doch die offiziellen Quotencharts wiesen mit 5,34 Millionen Zuschauern gerade mal knapp die Hälfte aus. Uwe Mantel erklärt, wie es zu den stark voneinander abweichenden Zahlen kommt und welche Rechenwege dahinterstecken.

5. Konstruktiver Journalismus in Zeiten von Covid-19
(correctiv.org, David Schraven)
“Correctiv”-Geschäftsführer David Schraven schreibt über die Vorteile des “konstruktiven Journalismus” in Corona-Zeiten und verweist dabei auf die Empfehlungen des dänischen Constructive Institute. Sein Fazit: “Konstruktiver Journalismus in Zeiten der Corona-Krise ergänzt Meldungen und investigative Recherche. Es geht darum, sich auf den Zweck des Journalismus zurückzubesinnen: Wir wollen durch kritische und konstruktive Beiträge zur Entwicklung der Gesellschaft beitragen.”

6. Das viel zu späte Entsetzen über die Verachtungs-Show
(uebermedien.de, Nora Voit)
Anfangs sah es für viele so aus, als gebe es mit “Promis unter Palmen” (Sat.1) ein weiteres unterhaltsames Trash-TV-Format der Kategorie “Dschungelcamp”. Doch bald offenbarte sich die Sendung als Plattform für Grenzüberschreitungen aller Art einschließlich Mobbing und sexueller Belästigung. Nora Voit hat sich ihren Ärger darüber von der Seele geschrieben: “‘Promis und Palmen’ ist selbst mit Lockdown-Langeweile nicht die ‘beste Show gegen den Quarantäne Blues’, sondern eine Bühne für Arschlöcher, eine Spielwiese für Anti-Solidarität, ein Rückschlag für die Gleichberechtigung.”
Weiterer Lesehinweis: Beim “Spiegel” kommentiert Trash-TV-Expertin Anja Rützel: “Das Problem an ‘Promis unter Palmen’ war nicht, dass es von Mobbing erzählt, sondern dass es seinen Vorteil nicht nutzt, den es gegenüber dem echten Leben genießt: seine Editiermacht und sein Gespür für einen Cast, der zwar menschliche Abgründe kennt und auslotet, aber nicht Diskriminierung als Lebensprogramm betreibt.”

“BILD-Informationen” bei “The Masked Singer”: “0 Prozent”

In der ProSieben-Sendung “The Masked Singer” treten Prominente in aufwändig gestalteten Ganzkörperkostümen auf und zeigen, wie sie singen und das Publikum unterhalten können. Ein Grund für den großen Erfolg der Show: Die Zuschauerinnen und Zuschauer können miträtseln, wer in welchem Kostüm stecken könnte.

Beim Wuschel, der gestern Abend neben dem Faultier, der Häsin und dem Drachen im Finale der zweiten Staffel stand, vermuteten viele, dass es sich um den Sänger Mike Singer handelt:

Mike Singer soll aus mehrheitlicher Fan-Sicht unter der weißen Kugel stecken. 40 Prozent der User stimmen für den Sänger.

schrieb Bild.de gestern vor der Finalshow über das “GROSSE RÄTSELRATEN UM ‘MASKED SINGER'”. Und ordnete dieses Fan-Votum auch gleich in einer eigenen “BILD-Prognose” ein:

BILD-Prognose: 0 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass Mike Singer drunter steckt. Denn nach BILD-Informationen befindet sich unter dem Kostüm Sänger-Kollege Wincent Weiss. Die Stimme: jung, voller Herz — und männlich!

“0 Prozent” trifft es schon ganz gut, allerdings bezogen auf die “BILD-Informationen”. Denn im weißen Wuschel-Kostüm befand sich Mike Singer.

Mit Dank an Jibi, @_Maspo und @Krevic87 für die Hinweise!

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Corona-Lexikon, Rücktritt oder auch nicht, Ruth Moschners Telefonterror

1. Corona-Lexikon
(journalist.de, Sebastian Pertsch)
Das kleine “Corona-Lexikon” wendet sich in erster Linie an Medienschaffende, die sich nicht im Dschungel der Begrifflichkeiten und Fachtermini verirren wollen. Es ist aber auch eine klare Empfehlung für alle, die sich in Sachen Corona-Krise auf dem Laufenden halten wollen und die Berichterstattung dazu verfolgen.

2. Fal­sche Worte in den Mund gelegt
(lto.de)
Es versteht sich eigentlich von selbst, dass man nur das zitiert, was gesagt wurde, und anderen Personen keine falschen Worte in den Mund legt. Dies gelte auch und insbesondere bei mehrdeutigen Äußerungen, bei denen man verpflichtet sei, die eigene Deutung durch einen “Interpretationsvorbehalt” kenntlich zu machen, so das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Beschluss zu einem mehrdeutigen Zitat von Renate Künast. Die Grünen-Abgeordnete hatte sich gegen ein Bild gewehrt, das ein Facebook-Nutzer gepostet und ihr dabei eine Aussage zur Zulässigkeit von Sex mit Kindern in den Mund gelegt hatte.

3. In Schleswig-Holstein ist gegebenenfalls jemand zurückgetreten. Weiß man aber nicht so genau. Können wir aber schon mal melden.
(stefan-fries.com)
In einer “Spiegel”-Eilmeldung informierte das Nachrichtenmagazin über den Rücktritt des schleswig-holsteinischen Innenministers. So richtig klar sei in der Meldung jedoch nicht rübergekommen, ob der Minister den Rücktritt angeboten habe, ob er ihn eingereicht habe oder ob er bereits zurückgetreten sei. Die korrekte Berichterstattung über Rücktritte scheint häufiger Probleme zu bereiten, wie Stefan Fries schon vor einem Jahr schrieb: Ein Rücktritt ist nicht immer ein Rücktritt.

4. VZ.net im Selbstversuch: So ist die neue Social-Media-Plattform
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Das Netzwerk StudiVZ ist schon lange tot, feiert jedoch derzeit unter dem Namen VZ eine Art Wiederauferstehung, samt solch nostalgischer Elemente wie “Buschfunk”, “Plauderkasten” und “gruscheln”. Für Matthias Schwarzer fühlte sich der Besuch auf der Seite deshalb auch ein bisschen an wie eine Erstiparty von 2006. Kurzerhand importierte er seine alten Daten, was jedoch nur unzureichend beziehungsweise gar nicht gelang. Sein Fazit: “Das neue VZ läuft technisch einwandfrei, ist schick und übersichtlich. Zu übersichtlich. Denn ohne einen vollständigen Import der alten Daten dürften sich wohl die wenigsten zu einer Anmeldung im neuen Netzwerk entschließen.”

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5. Audio-Offensive mit FYEO: Leben im Ausland, epochale Ereignisse und jede Menge Fußball
(innovation.dpa.com, Niddal Salah-Eldin)
Die Sendergruppe ProSiebenSat.1 hat eine neue Audio-Plattform mit dem Namen “FYEO” gestartet (“For Your Ears Only”). Die Nachrichtenagentur dpa hat vier eigene journalistische Formate beigesteuert: den Podcast “Abseits des Tourismus”, das Format “Meine Liebe, mein Verein”, den Geschichtserinnerer “Damals genau heute” und das Fußballformat “Als der Ball im Netz war”. Die stellvertretende dpa-Chefredakteurin Niddal Salah-Eldin stellt die Audio-Produktionen aus dem eigenen Haus vor.

6. Kenntse, kenntse! Ruth Moschners Telefonterror bei “The Masked Singer”
(uebermedien.de, André Wieland, Video: 1:50 Minuten)
Gestern Abend endete die aktuelle Staffel der Musikshow “The Masked Singer” (ProSieben), ein Gesangswettstreit mit in Ganzkörperkostümen gekleideten Prominenten. Damit werden wir erstmal nicht mehr erfahren, wen Jury-Mitglied Ruth Moschner alles kennt und wem sie alles eine WhatsApp-Nachricht geschickt hat. “Übermedien” hat die schönsten Moschner-Momente in einem Zwei-Minuten-Clip zusammengefasst.

Morddrohung & Präventionsparadox, (nicht ganz) “junge Welt”, StudiVZ

1. Morddrohungen gegen Virologe Christian Drosten
(zeit.de)
In einem Interview mit dem britischen “Guardian” hat der Virologe Christian Drosten von Morddrohungen gegen sich berichtet. Für viele Deutsche sei er “der Böse, der die Wirtschaft lahmlege” (“In Germany, people see that the hospitals are not overwhelmed, and they don’t understand why their shops have to shut. They only look at what’s happening here, not at the situation in, say, New York or Spain. This is the prevention paradox, and for many Germans I’m the evil guy who is crippling the economy.”).

2. “Alles, was sich jetzt entwickeln lässt, entwickeln wir”
(dwdl.de, Torsten Zarges)
Seit fast einem halben Jahrhundert entwickelt die Produktionsfirma Ziegler Film Fernseh- und Kino-Stoffe, an denen sie oft auch die Rechte hält. Die Corona-Krise sei für das Familienunternehmen zugleich die schwerste unternehmerische Krise. Im Gespräch mit den beiden Chefinnen Regina und Tanja Ziegler geht es um die Frage, wie es bei den Produktionen weitergehen kann, um Solidarität in der Branche und um die Erwartungen der Geschäftsführerinnen an die Politik.

3. Zeitung für DDR-Nostalgiker und Kapitalismus-Kritiker
(deutschlandfunk.de, Manfred Götzke, Audio: 6:08 Minuten)
Die Tageszeitung “junge Welt” hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Sie wurde vor mehr als 70 Jahren in der DDR als Zentralorgan der FDJ gegründet und stand vor 25 Jahren kurz vor dem Aus. Doch es kam anders, wie der Verlagsgeschäftsführer Dietmar Koschmieder im Deutschlandfunk erzählt: “Damals gab es eine Pressekonferenz, wo das verkündet wurde. Und ich hab’ mich aufs Podium gesetzt und verkündet, dass die Belegschaft in Eigenregie weitermachen will. Und uns war klar, wenn es weitergehen soll, müssen wir einen Verlag gründen, den Verlag 8. Mai. Wir aber alle hatten kein Geld, und eine Tageszeitung zu machen ist nichts, was man aus der Westentasche bezahlt, und mussten deswegen auch klar sofort eine Genossenschaft mitkonzipieren.” Mit einem gewissen Erfolg: Die “junge Welt” verzeichne mittlerweile 20.000 zahlende Leserinnen und Leser.

4. Homeschooling und Homeoffice – immer ein schlechtes Gewissen
(watch-salon.blogspot.com)
Der Journalistinnenbund hat sich bei Journalistinnen umgehört, wie diese den Spagat zwischen Homeschooling und Homeoffice bewältigen. Im ersten der auf drei Teile angelegten Serie erzählt eine freie Journalistin und Mutter zweier kleiner Kinder von den derzeitigen Herausforderungen in ihrem Alltag.

5. Letzte Rettung
(faz.net, Gina Thomas)
Die 179 Jahre alte britische Wochenzeitung “The Jewish Chronicle” ist die älteste jüdische Zeitung der Welt. In letzter Zeit sei die finanzielle Lage des “Chronicles” äußerst angespannt gewesen sein, die Schließung habe unmittelbar bevorgestanden. Nun habe jedoch ein Konsortium die Zeitung übernommen. Das vereitele Pläne des bisherigen Inhabers und habe auch politische Dimensionen, die den zukünftigen Kurs der Zeitung betreffen.

6. Nachfolger VZ soll StudiVZ beerben
(spiegel.de)
Vor vielen Jahren dominierte StudiVZ den Markt der Sozialen Netze in Deutschland, doch dann kam Facebook, und alles wurde anders. 2017 musste der Betreiber des ehemals größten deutschen Sozialen Netzwerks Insolvenz anmelden. Drei Jahre später, im Jahr 2020, soll das Netzwerk unter dem Namen VZ wieder auferstehen.

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