Springer kauft “Politico”, Falsche Blaulicht-Reporter, Mohn-Ernte

1. US-Armee schiebt SPIEGEL-Reporter aus Kabul ab
(spiegel.de)
Der “Spiegel”-Reporter und Afghanistan-Spezialist Christoph Reuter ist nach Kabul gereist, um über die Situation in Afghanistan zu berichten. Doch wenige Stunden nach seiner Ankunft am Flughafen habe die US-Armee ihn (und zwei weitere deutsche Journalisten) gegen seinen Willen vom Kabuler Flughafen nach Doha ausgeflogen. “Spiegel”-Chefredakteur Steffen Klusmann protestiert: “Es kann nicht sein, dass Journalisten von staatlichen Stellen an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert werden.”

2. Journalist oder Gaffer mit Kamera?
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner, Audio: 5:16 Minuten)
Warum erschleichen sich immer wieder falsche Blaulicht-Reporter den Zugang zu Unfällen oder Katastrophenereignissen und behindern dort nicht selten die Arbeit der Einsatzkräfte? “Der Reiz ist natürlich schwer an die Aufmerksamkeit gekoppelt, die man damit generieren kann”, sagt Jan Söffner, Professor für Kulturtheorie und Kulturanalyse an der Universität Friedrichshafen: “Wer Aufmerksamkeit hat, hat viele Facebook-Freunde und viele Likes. Sicherlich spielt aber auch eine Rolle, dass man Held sein will: Der Adrenalin-Spiegel steigt, wenn man nah an so etwas rangeht. Man will wichtig sein.”

3. Rekordsumme für Politico
(sueddeutsche.de, Björn Finke)
Der Medienkonzern Axel Springer erwirbt das US-amerikanische Nachrichtenunternehmen “Politico”. Der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner habe den Deal laut “Handelsblatt” als “vom Volumen her die größte Akquisition” in der Geschichte des Unternehmens bezeichnet. Demnach müsste “Politico” mehr als 630 Millionen Euro gekostet haben – so teuer kam dem Springer-Konzern der Kauf des französischen Immobilienportals “SeLoger”.

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4. Ein Medienjournalist berichtet: Wie Bertelsmann kritische Recherchen verhindern wollte
(kress.de)
Im Juni erschien bei Bertelsmann ein Buch über den “Jahrhundertunternehmer” Reinhard Mohn, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Aus Sicht des Journalisten und Mohn-Kenners Thomas Schuler zeige das Buch neue Details aus Mohns Leben, es verschweige aber vieles. Für den “Wirtschaftsjournalist” hat Schuler aus diesem Anlass aufgeschrieben, wie der Konzern häufig versucht habe, seine Recherchen zu behindern. kress.de veröffentlicht einen Auszug aus seinem Text.
Bei “Übermedien” ist bereits vor einigen Tagen ein weiterer Text von Thomas Schuler zur neuen Reinhard-Mohn-Biografie erschienen: Bertelsmann klittert schon wieder die eigene Geschichte.

5. “Die Zeit der Katzenvideos ist lange vorbei!”
(chrismon.evangelisch.de, Christine Holch & Nils Husmann)
“Chrismon” hat sich mit der Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim und der Virologin Melanie Brinkmann zum Gespräch getroffen. Wie muss Wissenschaftsvermittlung aussehen, damit so gut wie alle Menschen etwas verstehen? Sind Youtube-Videos ein besseres Format dafür als Talkshows? Und was haben die beiden Wissensvermittlerinnen während der Pandemie über die ­Menschen hierzulande gelernt?

6. Werden Influencer jetzt politisch?
(freitag.de, Wolfgang M. Schmitt)
Wolfgang M. Schmitt steht dem Influencertum normalerweise kritisch gegenüber, findet jedoch lobende Worte für das neueste Video des Youtubers Rezo: “Während Rezo sonst nur Quatsch sendet, gönnt er sich alle zwölf Monate politische Aufklärung. Immerhin. Diesen journalistischen Anspruch haben seine Kollegen allesamt nicht. Als politisch geltende Influencer wie Louisa Dellert oder Diana zur Löwen – sie geben sich pseudo-politisch, arbeiten dezidiert nicht journalistisch. Sie verknüpfen bloß ihre gefilterte ‘Personality’ mit Lifestyle-Politik und sonnen sich bei lammfrommen Politikerinterviews im Glanz des Ruhms.”

Abos verkaufen mit dem Tod eines Menschen

Im Suicide Club, einem Berliner Techno-Club, wurde in der Nacht zum vergangenen Montag eine Frau aus Irland regungslos auf einer Toilette gefunden. Sie starb später in einem Krankenhaus. Angeblich soll sie zuvor die Partydroge GHB, auch bekannt als Liquid Ecstasy, genommen haben, was die Polizei bisher aber nicht offiziell bestätigt hat.

All das kann man frei zugänglich im Internet lesen, beispielsweise beim Berliner “Tagesspiegel”, bei der “Berliner Zeitung”, bei t-online.de, bei der “B.Z.” (von dort stammt die Info mit der Droge).

Der “B.Z.”-Artikel ist später fast wortgleich beim Springer-Schwesterportal Bild.de erschienen. Dort allerdings hinter der “Bild-plus”-Paywall:

Screenshot Bild.de - Auf Club-Toilette gefunden - Irin stirbt nach Drogenkonsum auf Berlins Party-Meile

Im Teaser heißt es:

In Berlin ist eine junge Frau gestorben. Mutmaßlicher Grund: Drogenkonsum!

In welchem Club die leblose Irin gefunden wurde und welche Todesdroge in Verdacht steht, lesen Sie mit BILDplus.

Eine Frau stirbt, und die “Bild”-Redaktion versucht, damit ein paar Abos zu verkaufen.

Afghanistan, Weise Fragen, Rechtsextremes schön verpackt

1. Drohungen und Gewalt gegen Journalisten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat schlechte Nachrichten aus Afghanistan, was die Pressefreiheit anbelangt: “Seit der Machtübernahme der Taliban haben rund 100 private Lokalmedien insbesondere in den Provinzen fernab der Hauptstadt ihre Arbeit eingestellt. Die Zukunft der in den vergangenen 20 Jahren entstandenen lebendigen und durchaus pluralen Medienlandschaft Afghanistans mit Dutzenden TV- und Radiosendern und nahezu 200 Printmedien ist mehr als ungewiss.” Auf der Rangliste der Pressefreiheit (PDF) steht Afghanistan derzeit auf Platz 122 von 180 Staaten.

2. Wer gut fragt, wird weise
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio: 4:10 Minuten)
Die öffentlich-rechtlichen TV-Moderatorinnen Marietta Slomka und Tina Hassel haben ihre Interviewgäste jüngst mit unangenehmen Fragen konfrontiert. Doch während es für Slomka im Nachgang vor allem Lob gab, regnete auf Hassel Kritik nieder. In seiner Deutschlandfunk-Glosse schreibt Arno Orzessek darüber, was Fragen über die Fragenden verraten: “Wären die Interviews ein TV-Fernduell gewesen, Slomka hätte Hassel haushoch besiegt. Aber lässt sich daraus mehr ableiten, als dass der Tonfall auch beim Fragen-Stellen die Musik macht? Der Schriftsteller Nagib Mahfus meinte, ob ein Mensch klug ist, erkenne man an seinen Antworten, ob er er weise ist, an seinen Fragen.”

3. Rechtsextreme Inhalte schön verpackt
(belltower.news, Kira Ayyadi)
Schon seit einiger Zeit haben Aktivistinnen der rechtsextremen Szene Instagram als Propaganda- und Rekrutierungsplattform für sich entdeckt. Kira Ayyadi erklärt, wie die Rechtsinfluencerinnen ihre Inhalte mit Backtipps, Flechtfrisuren und Landschaftsbildern verpacken. Und sie macht auf eine Besonderheit aufmerksam: “Influencerinnen richten sich auf Instagram normalerweise an eine weibliche Zielgruppe. Nicht so jedoch rechtsextreme Influencerinnen, sie sprechen sowohl Frauen wie auch Männer an.”

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4. Daten “zum Wucherpreis”
(taz.de, Christian Rath)
Die österreichische Datenschutz­organisation noyb (Slogan: “My Privacy is None of Your Business”) des Wiener Aktivisten Max Schrems hat gegen mehrere deutsche Onlineportale wie Spiegel.de, “Zeit Online” und FAZ.net Beschwerde erhoben. Die Le­se­r und Leserinnen würden gezwungen, ihre Daten “zum Wucherpreis” zurückzukaufen, so der Vorwurf. Christian Rath, rechtspolitischer Korrespondent der “taz”, glaubt jedoch nicht an einen Erfolg der Beschwerde.

5. Mode oder Medienwandel?
(sueddeutsche.de, Stefan Fischer)
Die Otto-Brenner-Stiftung hat den deutschen Podcast-Markt untersuchen lassen. Dieser stehe vor entscheidenden Weichenstellungen. Stefan Fischer fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Tipp des “6-vor-9”-Kurators: Wer sich für das Thema interessiert, aber nur begrenzt Zeit hat, sollte sich das Fazit der Studie im Original (PDF) durchlesen. Darin geht es unter anderem um die Frage, wie sich die zeitgenössische Podcast-Kultur bewahren lässt. Außerdem gibt es einen strategischen Ausblick.

6. Die “NDR Talk Show” und die Sprache der jungen Generation
(dwdl.de, Alexander Krei)
Die mehr als 40 Jahre alte “NDR Talk Show” hat vergangenes Jahr einen jungen Ableger bekommen: Bei “deep und deutlich” geht es vor allem um Influencerinnen und Influencer sowie Stars aus der Pop-, Kunst- und Kulturszene. Moderiert wird “deep und deutlich” von der Journalistin Aminata Belli, dem Rapper MoTrip, dem Moderator Tarik Tesfu und der Nachhaltigkeits-Influencerin Louisa Dellert. In der zweiten Staffel soll das Format noch enger an die “NDR Talk Show” heranrücken. Gesendet werde nämlich nicht nur in der ARD-Mediathek und in diversen Sozialen Netzwerken, sondern auch direkt im Anschluss an das große Schwesterformat.

Die “Bild”-Redaktion hat vergessen, wie “SCHMUTZIG” sie berichtet hat

Warnung: In diesem Beitrag geht es um einen Suizid.

Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222) erreichen kannst.

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Im aktuellen “Spiegel” ist eine große Geschichte über die letzten Tage im Leben von Kasia Lenhardt erschienen (online nur mit Abo lesbar). Die 25-Jährige nahm sich Anfang Februar dieses Jahres das Leben. Kasia Lenhardt war unter anderem durch eine Teilnahme in der TV-Show “Germany’s Next Topmodel” bekannt geworden. Im “Spiegel”-Text geht es auch um die Rolle ihres Ex-Freundes, Fußballprofi Jérôme Boateng, und die Bedeutung der dem Suizid vorangegangenen medialen Berichterstattung über die Trennung des Paares, vor allem die der “Bild”-Medien.

Die “Spiegel”-Autorinnen zitieren in ihrem Artikel auch einen Sprecher des Springer-Verlages:

Auf SPIEGEL-Anfrage erklärt ein Sprecher des Springer-Verlages, dass Boulevardmedien Themen “grundsätzlich anders, pointierter und emotionaler” aufbereiten. Dass Kasia Lenhardt bereits vor dem Erscheinen des Boateng-Interviews über soziale Netzwerke den Weg in die Öffentlichkeit gesucht habe. Dass man ihr mehrmals angeboten habe, sich auch in “Bild” zu äußern, doch sie sich nicht zu einer Stellungnahme habe entschließen können. Und weiter: “Aber so tragisch und bedauerlich der konkrete Fall auch ist, uns ist wichtig: Wer prominent ist und auf Plattformen wie Instagram private Dinge öffentlich macht, muss natürlich damit rechnen, dass Aussagen auch von Medien wie ‘Bild’ aufgegriffen werden.”

Viel stärker kann der Springer-Sprecher das Agieren der “Bild”-Medien nicht herunterspielen. Dass sie lediglich das aufgegriffen haben, was Kasia Lenhardt zuvor bei Instagram gepostet hat, stimmt schlicht nicht. Die “Bild”-Redaktion hat die Geschichte selbst immer weiter vorangetrieben, ihr Publikum mit immer neuem Schmutz über Lenhardt gefüttert: Sie hat private Nachrichten Lenhardts ohne deren Einverständnis veröffentlicht, sie hat unwidersprochen und ohne Einordnung Vorwürfe Boatengs abgedruckt, zu denen Medienrechtler sagen, dass sie einer Verleumdung gleichkommen, sie hat eine angebliche frühere Freundin das Model als miese Intrigantin darstellen lassen. Keinen dieser Aspekte hat Kasia Lenhardt zuvor bei Instagram veröffentlicht.

Weil sie sich beim Springer-Verlag an all das offenbar nicht mehr erinnern können (oder wollen), erinnern wir hier noch einmal daran, wie grässlich die “Bild”-Berichterstattung im Februar war.

Sucht man im Bild.de-Archiv nach den letzten Artikeln über Kasia Lenhardt vor deren Tod, sieht die Ergebnisliste so aus:

“JETZT WIRD’S SCHMUTZIG – Die privaten Nachrichten von Kasia an Boatengs Ex”

“KASIAS EX-BESTE FREUNDIN – ‘Ich bin schuld am Liebes-Chaos mit Boateng'”

“KASIAS LIEBES-TATTOO – Noch trägt sie Jérôme auf der Haut”

“BOATENG-EX – Kasia Lenhardt gönnte sich Generalüberholung”

“2012 WAR SIE BEI GNTM – Model Kasia Lenhardt (†25) tot”

“JETZT WIRD’S RICHTIG SCHMUTZIG”, schreibt Bild.de fünf Tage vor Kasia Lenhardts Tod. Dazu veröffentlicht die Redaktion “private Nachrichten von Kasia an Boatengs Ex”, nachzulesen nur für zahlenden “Bild-plus”-Kunden. Diese Nachrichten – wohlgemerkt: auch laut Bild.de “private Nachrichten” – hat eine frühere Partnerin Boatengs bei Instagram veröffentlicht, um damit gegen Kasia Lenhardt auszuteilen. Ganz offensichtlich hatte Lenhardt dieser Veröffentlichung nicht zugestimmt, weder durch “Boatengs Ex” noch durch Bild.de. Vom Presserat bekommt Bild.de dafür eine Rüge, die die Redaktion auch unter dem entsprechenden Artikel veröffentlicht. Sie schreibt dazu:

Obwohl diese Nachrichten über Instagram frei abrufbar waren, sieht der Presserat einen Verstoß gegen Ziff. 8 des Pressekodex (Achtung des Privatlebens und informationelle Selbstbestimmung).

Das ist ein bemerkenswerter Ansatz einer Gegenargumentation. Nur mal theoretisch: Was würde “Bild”-Chef Julian Reichelt wohl sagen, wenn man beispielsweise private Details zu seiner Familie auf größtmöglicher Bühne veröffentlicht und bei Kritik darauf hinweist, dass man das ja nur von irgendeinem Instagram-Heiopei abgeschrieben habe?

Einen Tag nach den “privaten Nachrichten” präsentiert Bild.de “KASIAS EHEMALS BESTE FREUNDIN”, die jetzt auspacke (“In BILD schildert Diana nun ihre Sicht auf die Beziehung und das Kennenlernen von Kasia und Boateng.”). Sie zeichnet ein Bild einer hinterhältigen und undankbaren, manipulativen und arroganten Person. Die Redaktion interviewt sie auch bei “Bild TV”. Kasia Lenhardt kommt nicht zu Wort.

Nur wenige Tage zuvor bringt “Bild” ein Interview mit Jérôme Boateng: “TRENNUNG VON KLUM-MODEL – Boateng rechnet mit seiner Ex ab – Es geht um Alkohol, Druck und Erpressung”. Der Fußballer darf darin heftige Vorwürfe gegen Kasia Lenhardt erheben, von “massiven Alkoholproblemen” über eine angebliche Erpressung bis zur Schuld Lenhardts an Boatengs zerstörter Beziehung zu dessen Familie. Ganz am Ende des Interviews schreibt die Redaktion lediglich: “Kasia Lenhardt wollte sich auf BILD-Anfrage nicht äußern.” Nichts wird von “Bild” hinterfragt. Bereits da sind die Rollen klar verteilt.

Auch für dieses Interview bekam “Bild” eine Rüge des Presserats:

Körperliche und psychische Erkrankungen gehören nach Ziffer 8, Richtlinie 8.6 jedoch zur Privatsphäre, über die nicht ohne Zustimmung der Betroffenen berichtet werden soll. Die Redaktion hatte nach eigenen Angaben Lenhardt zwar mit dem Interview konfrontiert, jedoch keine Äußerung dazu von ihr erhalten. Die Redaktion hätte daher ihrer Eigenverantwortung nachkommen müssen und auf die Veröffentlichung des unbelegten Alkoholismus-Vorwurfs verzichten sollen, zumal dieser dazu geeignet war, die persönliche Ehre der Betroffenen nach Ziffer 9 des Pressekodex zu verletzen.

In einem Beitrag des NDR-Medienmagazins “Zapp” bewertet Medienrechtler Matthias Prinz dieses “Bild”-Interview. Er habe an dem Fall persönlich Interesse, weil er zeige, “wo Persönlichkeitsrechtsverletzungen möglicherweise hinführen können.” Die “Gefährdung einer Gesundheit und eines Lebens” durch solche Veröffentlichungen sei “ja nicht von der Hand zu weisen.” Prinz hält das Interview mit Jérôme Boateng für “eindeutig rechtswidrig”: “Er behauptet, die hätte ihn erpresst. Das ist ja Verleumdung.” Die Veröffentlichung verletze aus Prinz’ Sicht so viele verschiedene Aspekte, “dass man sich erstmal überlegen muss: Was macht man überhaupt? Presseratsbeschwerde, Landgericht, sonst irgendwas?” Er würde “in erster Linie die Alkoholvorwürfe nehmen”, weil er die “schon als intimsphärenverletzend sehen würde und damit eindeutig rechtswidrig.”

Julian Reichelt dürfte die Expertise von Matthias Prinz nicht anzweifeln. Der “Bild”-Chef hat sich Prinz’ anwaltliche Hilfe genommen, um gegen einen (anderen) “Spiegel”-Artikel vorzugehen.

Klick-Sklavinnen, “Kulturwandel” beim WDR?, Rechte Goldgräber

1. Journalismus – gefangen zwischen Nullen und Einsen
(medienwoche.ch, Anna Miller)
Anna Miller hat sich den Frust über den heutigen Journalismus und dessen Bedingungen von der Seele geschrieben: “Wir Journalistinnen und Journalisten wollen sauber recherchieren, mit Menschen sprechen, die Realität abbilden. Doch stattdessen sind wir immer öfter Sklavinnen von Klicks, Zeitdruck und digitalem Optimierungswahn.” Es sei höchste Zeit für einen kulturellen Wandel. Ein Lesetipp nicht nur für die Chefetagen der Verlags- und Medienhäuser.

2. Zwischen Übertreibung und Desinteresse
(deutschlandfunk.de, Ronny Blaschke, Audio: 5:39 Minuten)
Während sportlicher Großveranstaltungen wie den Paralympics gibt es ein breites Interesse am Behindertensport, doch abseits dieser Events ist es deutlich kleiner. Auch in anderer Hinsicht sei die Berichterstattung unausgewogen, so Ronny Blaschke: “Worüber in den Medien überverhältnismäßig berichtet wird, ist der technische Aspekt bei den Paralympics. Dazu gehören Reportagen aus den Technikwerkstätten. Details über teure Hightechprothesen und Rennrollstühle. Was kaum erwähnt wird: Viele Menschen mit Behinderung wollen oder können nicht sportlich aktiv sein. Weil Sportunterricht häufig nicht inklusiv ist. Weil vielen Trainern und Physiotherapeuten die nötige Ausbildung fehlt. Und weil der nächste paralympische Trainingsstützpunkt eventuell 100 Kilometer entfernt ist.”

3. WDR beauftragt Prüferin zur Bewertung des “Kulturwandels” im Sender
(rnd.de)
Im Frühjahr 2018 soll es beim WDR mutmaßliche Fälle sexueller Belästigung gegeben haben. Der Sender ließ die Vorwürfe daraufhin intern untersuchen und schaltete die frühere EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies als externe Gutachterin ein. Diese bescheinigte dem WDR in ihrem Abschlussbericht eine fehlende Kultur gegenseitiger Wertschätzung, “strukturelle Defizite” und empfahl einen “Kulturwandel”. Nun soll Wulf-Mathies den Fortschritt dieses Kulturwandels überprüfen.

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4. Politiker und Top-Manager fürchten Fake News und Datenklau
(faz.net)
Gestern wurde der “Cyber Security Report 2021” veröffentlicht. Laut dem vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach und dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte herausgegebenen Bericht sei die digitale Bedrohungslage auf einem Rekordniveau: 75 Prozent der Befragten sähen ein Risiko, dass die öffentliche Meinung durch gefälschte oder unrichtige Nachrichten manipuliert wird. Knapp jeder zweite Abgeordnete (49 Prozent) habe mindestens einmal im Zentrum eines Shitstorms gestanden.

5. “Fernsehkameraleute sind Urheber”
(medienpolitik.net, Helmut Hartung)
Auch Fernsehkameraleute können Urheber sein – so das Fazit eines Gutachtens, das der Bundesverband der Fernsehkameraleute (BVFK) in Auftrag gegeben hat: Im modernen Verständnis der Bildgestaltung liege die Urheberschaft bei professionellen Bildaufnahmen typischerweise vor, und umgekehrt würden professionelle Bildaufnahmen Urheberrechte generieren. Im Interview äußert sich der BVFK-Vorsitzende zu den möglichen Folgen: “Die Frage ist, was sind diese Rechte wert und wie müssen sie vergütet werden.”

6. Goldgräber am rechten Rand
(blog.zeit.de, Dominik Lenze)
“Erst bringen sie Verschwörungstheorien unters Volk – dann Goldbarren: Ein Netzwerk von Edelmetallhändlern und Influencern verdient Geld mit rechter Hetze.” Dominik Lenze berichtet über ein lukratives Geschäftsmodell, das Meinungsmache und Hetze mit Profitgier und Bereicherung verbindet.

“Bild” hetzt durchs Programm, Lob des Zweifels, Klimakrise und Medien

1. Fernsehen ohne Ruhepuls: Bild hetzt durchs Programm
(dwdl.de, Alexander Krei & Thomas Lückerath)
Alexander Krei und Thomas Lückerath haben ihre ersten Eindrücke vom neuen “Bild”-Fernsehsender aufgeschrieben. Zur Ruhe gekommen sind sie beim TV-Gucken nicht: “In einem Moment beschimpft CDU-Generalsekretär Ziemiak den SPD-Kanzlerkandidaten Scholz als politischen Hütchenspieler, im nächsten Moment wird über eine blutige Auseinandersetzung berichtet, in die die Influencerin Georgina Fleur involviert ist. Mal fabuliert Meinungschef Filipp Piatov über das ‘Inzidenz-Regime’ der Regierung, dann leitet Detlef Soost plötzlich zu Sit-Ups im Studio an, und im Gespräch mit einem Augenarzt geht es schließlich um die Tatsache, dass Fußball-Trainer Jürgen Klopp neuerdings keine Brille mehr trägt – mitsamt der wichtigen Abschlussfrage: ‘Ist das eine Kassenleistung?'”

2. Die Klimakrise ist nicht ein weiteres Problem auf der Bühne. Sie bedroht die ganze Bühne.
(uebermedien.de, Sara Schurmann & Lea Dohm)
In einem Gastbeitrag für “Übermedien” setzen sich Sara Schurmann und Lea Dohm für mehr Klimaberichterstattung ein: “Wenn Menschen viel und oft von der Klimakrise lesen, können sie das Problem besser verstehen. Dafür müssen alle Medien ganz oft darüber berichten. Das Problem muss auch immer wieder als erstes in den Nachrichten kommen. Um die Klimakrise gut zu verstehen, ist es wichtig, sie zu fühlen. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender können uns dabei helfen.” Der Text ist ein Vorabdruck aus dem heute erscheinenden Buch “Climate Action – Psychologie der Klimakrise”.

3. “Die Taliban haben mir alles genommen”
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 9:01 Minuten)
Fast zwei Jahrzehnte lang hat der Fotojournalist und Pulitzer-Preisträger Massoud Hossaini aus Afghanistan berichtet, doch nun muss er seine Heimat verlassen. Den Taliban sei es gelungen, die Welt zu blenden, so Hossaini: “Sie selbst stiften das Chaos, das wir gerade erleben, und erklären dann: Seht her, was der Westen angerichtet hat, gemeinsam mit einem Präsidenten, den der Westen unterstützt hat. Die Situation am Flughafen von Kabul haben die Taliban orchestriert – und instrumentalisieren jetzt die Medien dafür, darüber zu berichten. Die Taliban lenken damit von einer Wirklichkeit ab, außerhalb vom Flughafen, außerhalb von Kabul – einer Wirklichkeit, über die die internationale Gemeinschaft unbedingt mehr erfahren müsste.”

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4. Lobbytransparenz schaffen
(netzwerkrecherche.org)
Mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen fordern in einem gemeinsamen Appell strengere Lobbyregeln. Als zentrale Maßnahmen von der Politik nennen sie, Einflussnahmen transparent zu machen, die Parteienfinanzierung zu reformieren und Lobbykontakte offenzulegen. “Wir brauchen eine politische Kultur, in der alle Teile der Gesellschaft gehört werden und in der Integrität, Unabhängigkeit und Transparenz von Politik und Verwaltung selbstverständlich sind.” Auch das Netzwerk Recherche schließt sich den Forderungen an. Eine Umsetzung hätte sicher positive Auswirkungen auf die mediale Berichterstattung über parlamentarische Entscheidungen oder Gesetzesvorhaben.

5. Lob des Zweifels
(journalist.de, Christian Meier)
In der Reihe “Wie wir den Journalismus widerstandsfähiger machen” meldet sich “Welt”-Medienredakteur Christian Meier mit einem Plädoyer für den Zweifel zu Wort: “Die schöne Regel, dass man bei jedem Thema für einen Moment davon ausgehen sollte, dass die ‘andere Seite’ (schon wieder so ein problematischer Begriff, denn auf welcher Seite sollte ein Journalist überhaupt stehen?) Recht haben könnte – gilt sie noch? Ist sie in den Redaktionen akzeptiert? Und wie selbstverständlich ist es, eine auch in der eigenen Redaktion unpopuläre Position zu vertreten, notfalls gegen Kritik und Widerstände? Ich glaube, der Zweifel sollte unser ständiger Begleiter sein. Und das ist, ich merke es schon beim ersten Nachlesen, schon wieder so ein Besserwissersatz. Ich kann nur um Verzeihung bitten, wir sitzen alle im Glashaus.”

6. Impfgegner stürmen Foyer von TV-Nachrichtenproduzent ITN in London
(rnd.de)
Dutzende Impfgegnerinnen und -gegner haben gestern die Zentrale des britischen Nachrichtenproduzenten ITN in London gestürmt. Dabei skandierten sie Parolen gegen Impfungen und Corona-Maßnahmen, belegten einen Nachrichtensprecher mit wüsten Beschimpfungen und widersetzten sich Polizisten, die versuchten, die Menschen von einem weiteren Eindringen in die Redaktionsräume abzuhalten.

“Bild” entdeckt plötzlich Laschets “Wahlkampf-Turbo”

Vergangene Woche hat die “Bild”-Redaktion entdeckt, dass der Twitter-Kanal “WDR aktuell” eine Aussage Armin Laschets zumindest verzerrt wiedergegeben (und später “klargestellt”) hat, dass die WDR-Sendung “Monitor” einen Beitrag gebracht hat, in dem sie zeigt, dass Laschet als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen “beim Klimaschutz eher auf der Bremse steht”, und dass der ARD-“Faktenfinder” eine Aussage des Union-Kanzlerkandidaten (“Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen”) kritisch auf deren Inhalt überprüft hat. Und schon witterte “Bild” eine große ARD-übergreifende Verhinderungskampagne:

Ausriss Bild-Zeitung - Mit Falsch-Behauptung und Negativ-Berichten - Wollen ARD-Sender Laschet als Kanzler verhindern?

Mit den Aussagen “Wahlkampf ist Sache der Parteien, nicht des öffentlichen Rundfunks” und “Der WDR entwickelt sich vom Rot-Funk zum Grün-TV” konnte die “Bild”-Redaktion sogar Unterstützung aus der Politik für die eigene These zur Anti-Laschet-ARD einsammeln (mehr Politiker kamen im “Bild”-Artikel nicht zu Wort). Das eine Zitat stammt von einer CDU-Politikerin, der die Kritik an ihrem Spitzenkandidaten offenbar nicht schmeckt, das andere von einem CSU-Politiker, dem die Kritik an seinem Spitzenkandidaten offenbar nicht schmeckt. Überraschung.

Aber wie sieht’s denn bei der “Bild”-Berichterstattung über Armin Laschet aus?

Da gab es am Samstag einen interessanten Vorgang. Kurz nach Ende des Wahlkampfauftakts von CDU und CSU in Berlin, erschien auf der Bild.de-Startseite dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - Wahlkampfauftakt der Union! Laschet-Rede sollte den Turbo zünden - Er hat's versucht ... - Er gibt Flut und Corona die Schuld für miese Umfrage-Werte

Laut “Gnutiez”, einer Seite, die Änderungen von Überschriften verschiedener Medien trackt, soll die Schlagzeile zuvor noch schärfer gewesen sein:

LASCHET-REDE SOLLTE TURBO ZÜNDEN
Netter Versuch

Dazu hieß es im Artikel:

Schafft CDU-Chef Armin Laschet (60) noch die Wende? Auch nach seiner Rede bleiben Zweifel.

Der gesamte Beitrag verschwand dann plötzlich und ohne irgendeinen Hinweis von Bild.de. Wer die URL heute aufruft, sieht keinerlei Inhalt. Stattdessen erschien auf der Bild.de-Startseite ein neuer Artikel. Und auf einmal konnte Armin Laschet laut “Bild”-Redaktion doch den “Wahlkampf-Turbo” zünden:

Screenshot Bild.de - Laschet zündet mit Merkel und Söder den Wahlkampf-Turbo - Kanzlerkandidat fordert Anti-Links-Schwur von SPD

Noch einmal etwas später übernahm dann “Bild”-Parlamentsbüroleiter Ralf Schuler die Deutungshoheit zum Laschet-Auftritt:

Screenshot Bild.de - Wahlkampf-Auftakt der Union - Markus Söder hat keinen Bock auf Opposition Armin Lascher Ich werde kämpfen - Zwei Fäuste und kein Halleluja

Und weil das vielleicht doch etwas zu kryptisch war (zumindest wir rätseln noch immer, ob ein ausbleibendes “Halleluja” nun was Positives oder Negatives ist), schob die Redaktion auch hier noch mal eine Überarbeitung nach:

Screenshot Bild.de - Wahlkampf-Auftakt der Union - Armin Laschet - Ich werde kämpfen

Und so wurde innerhalb kürzester Zeit auf der Bild.de-Startseite aus dem “netten Versuch” Laschets, der angeblich Flut und Corona als Ausreden nutzte, ein kämpferischer Union-Spitzenkandidat mit “Wahlkampf-Turbo”. Wir haben beim “Bild”-Sprecher nachgefragt, warum der Laschet-kritische Artikel gelöscht wurde, haben bisher aber keine Antwort erhalten.

Eine besondere Nähe zwischen Armin Laschet und dessen Wahlkampfteam auf der einen Seite und der “Bild”-Redaktion auf der anderen konnte man übrigens sechs Tage zuvor beobachten. Der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Paul Ronzheimer schrieb bei Bild.de über “Laschets Plan für Afghanistan”, veröffentlicht um 18:42 Uhr. Erst 43 Minuten später, um 19:25 Uhr, veröffentlichte auch Laschet diesen Plan bei Twitter – interessanterweise mit demselben Rechtschreibfehler wie im Ronzheimer-Artikel. Man fühlte sich beim Lesen an die verräterischen Fehler beim Abschreiben in der Schule erinnert. Oder anders gesagt: Das Laschet-Team muss den Afghanistan-Plan vorab an die “Bild”-Redaktion gegeben haben. Nur zur Erinnerung: Seit Juni dieses Jahres gehört Tanit Koch, Ex-“Bild”-Chefredakteurin, zu Armin Laschets Beraterteam.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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“Bild live”, Nicht ohne Grund sperren, OnlyFans wird züchtig

1. “Zweifellos orientiert am amerikanischen Nachrichtenfernsehen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Gestern startete die “Bild”-Redaktion ihren Fernsehkanal “Bild live”. Man habe sich dabei am US-amerikanischen Nachrichtenfernsehen orientiert, wie Programmchef Claus Strunz ganz unumwunden zugibt. Ob sich damit auch in Deutschland Quote machen lässt? Alexander Krei ist sich nicht sicher: “Das werden die kommenden Monate zeigen.”
Weiterer Lesehinweis: Zum Start von “Bild TV” hat sich t-online.de mit BILDblog-Leiter Moritz Tschermak unterhalten. Es geht unter anderem um die möglichen Gefahren des TV-Starts, die Konkurrenz mit den Öffentlich-Rechtlichen und ein bedenkliches Vorbild aus dem US-Fernsehen.
Außerdem gibt es bei “Übermedien” zum Start von “Bild live“ in leicht gekürzter Form das Kapitel aus dem “Bild”-kritischen Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste”, das sich mit dem “Bild”-Fernsehen befasst, zu lesen.
Und Arno Frank hat beim “Spiegel” eine erste Kritik zur “Bild-TV”-Premiere verfasst: Die Falle mit der Deutschlandfahne.

2. Im Visier des Agentengesetzes
(sueddeutsche.de, Silke Bigalke)
Die Repressionen gegen unabhängige russische Medien nehmen weiter zu. Am Freitagabend wurden zwei weitere auf die sogenannte “Agentenliste” gesetzt: der unabhängigen Online-TV-Sender Doschd (russisch für Regen) und das Portal iStories, dessen Chefredakteur Roman Anin als einer der erfahrensten Investigativjournalisten des Landes gilt.

3. “Provinz” im besten Sinne
(taz.de, Steffen Grimberg)
Eine Fotografie-Ausstellung im sächsischen Grimma zeigt Bilder des Fotografen Bernhard Weber, und das an einem ungewöhnlichen Ort: “Denn mitten an der Straße hängen am langen Zaun rund um das ziemlich große Polizeirevier Fotos von Bernhard Weber. ‘Der Provinzfotograf, der die Zeit im Bild anhält’, hat die Lokalzeitung über Weber geschrieben. Wobei Provinz hier ausdrücklich positiv gemeint ist. Denn auf den Fotos aus sechs Jahrzehnten ist zu sehen, was woanders oft fehlt.”

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4. “Tagesschau”-Sprecherin Judith Rakers: “Ich überlege immer privat, ob eine Flugreise sein muss”
(rnd.de, Hannah Scheiwe)
“Tagesschau”-Sprecherin Judith Rakers ist beim WDR gerade mit Reisereportagen in der Reihe “Wunderschön!” zu sehen. Im Interview spricht sie über ihr eigenes Reiseverhalten, das Altern als Frau im Fernsehen und sie verrät, warum für sie ein Wechsel zu einem Privatsender zurzeit nicht in Frage kommt: “Ich habe vor, noch lange bei der ‘Tagesschau’ zu bleiben. Ich fühle mich sehr wohl in der Aufstellung, die ich jetzt habe. Solange man mir die Möglichkeit gibt, mich zu verwirklichen, bin ich zufrieden.”

5. Nicht ohne Grund
(lto.de, Ruben A. Hofmann)
Immer wieder entsteht Streit darüber, ob Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram bestimmte Posts löschen oder Profile stilllegen durften. In einem Gastbeitrag für lto.de gibt Ruben A. Hofmann einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) habe einiges, aber nicht alles geklärt. Die Auseinandersetzungen über die Entscheidungen der Plattformen würden daher weitergehen: “Insbesondere mit dem aktuellen Urteil des BGH wurden wichtige, wegweisende Pflöcke hinsichtlich der Meinungsfreiheit von Nutzern der sozialen Netzwerke eingeschlagen; manches wurde aber auch offengelassen. Gerade die Grenzen der Meinungsfreiheit der Nutzer können nur durch eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen skizziert werden.”

6. »Es fühlt sich wie Verrat an«
(spiegel.de, Matthias Kreienbrink)
Die Plattform OnlyFans will ab dem 1. Oktober dieses Jahres kein “sexuell explizites Verhalten” in Bildern und Videos mehr dulden. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die Vermarktung derartiger Inhalte bislang zum Kerngeschäft von OnlyFans gehörte: Viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sowie Anbieter von erotischem Content hatten sich dort große Fangemeinden aufgebaut, mit denen sie teilweise erhebliche Summen verdient haben. Doch damit sei nun Schluss, und der Grund dafür liegt wohl vor allem an den Vorgaben der Zahlungsdienstleister.

Bild  

“#DankeBild ihr werdet immer besser”

Nach einem Telefonat mit einem ranghohen AfD-Politiker twitterte Martin Schmidt, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, vor zwei Wochen:

Screenshot eines Tweets von Martin Schmidt - Sie sagen, sie wollen mit uns nichts zu tun haben, sind aber unsere besten Wahlkämpfer, kostenfrei. Ob Corona, Migration, Klima: bei jedem Thema! Läuft für uns! Sagt mir eines der ranghöchsten Mitglieder der AfD kürzlich am Telefon über die Bild-Zeitung.

Eine solche Geschichte kann der “Bild”-Redaktion und vor allem “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt nicht gefallen. Immer wieder betont Reichelt, wie “schrecklich” er die AfD finde. Zum Vorwurf, “Bild” sei der verlängerte Arm der AfD, sagt er, dass dies “eine Unverschämtheit” sei: “Man kann das nur dann behaupten, wenn man bereit ist, Fakten schlichtweg zu ignorieren.” Und jetzt erzählt die AfD, wie toll und hilfreich sie die Berichterstattung von Reichelt und dessen Team findet?

“Bild”-Meinungschef Filipp Piatov versuchte dann auch gleich, Martin Schmidts Geschichte zu diskreditieren. Bei Twitter schrieb Piatov:

Screenshot eines Tweets von Filipp Piatov - Der ÖR entfernt sich politisch immer weiter von der Bevölkerung und diffamiert jeden, der das kritisiert, als rechtsextrem. Davon profitiert nur die AfD. Ein 3-jähriger Junge neulich im Zug, Applaus im Abteil

Piatovs offensichtlich ausgedachte Erzählung soll wohl zeigen, dass er auch Schmidts Tweet für erfunden hält. In Sozialen Medien liest man häufiger den Vorwurf, das sei jetzt aber eine “Geschichte aus dem Paulanergarten”, also unwahr. “Bild”-Chef Reichelt retweetete Piatovs Tweet.

Nur drei Tage später zeigte sich allerdings, dass die AfD von der “Bild”-Berichterstattung tatsächlich begeistert ist. Als die Redaktion auf ihrer Titelseite von Angela Merkel forderte: “KANZLERIN, wir wollen EINIGKEIT und RECHT und FREIHEIT”, gab es zahlreiche Danksagungen von AfD-Mitgliedern und -Verbänden. Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar schrieb beispielsweise:

Screenshot eines Tweets von Joana Cotar - Wenn es angebracht ist, muss man auch mal Danke sagen. DankeBild

Ihr Kollege im AfD-Bundesvorstand Stephan Protschka konnte es selbst kaum glauben:

Screenshot eines Tweets von Stephan Protschka - Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich die Bildzeitung nochmal lesen werde. DankeBild ihr werdet immer besser. Freiheit für Deutschland. Aber normal. Wird es nur mit der AfD geben. 26. September ist Zahltag!

Guido Reil, für die AfD im Europäischen Parlament, dankte ebenfalls:

“#DankeBild” gilt immerhin bezogen auf aufrüttelnde Berichte gegen Gruppenvergewaltigungen und Mädchenmorde

Auch von der Berliner AfD kam ein Dankeschön an die “Bild”-Redaktion:

Besser spät als nie. #DankeBild für die Übernahme sämtlicher AfD-Positionen.

Und der AfD-Kommunalpolitiker Christian Breu twitterte:

#BILD hilft allen Menschen, die Opfer der skrupellosen Drangsalierungs- und #Lügenpolitiker geworden sind.
#DankeBILD

Neu ist die AfD-Begeisterung für “Bild” nicht. Bereits 2017, vor der vergangenen Bundestagswahl und nachdem die Redaktion ihr eigenes “BILD-Wahlprogramm” veröffentlicht hatte, jubelte Uwe Junge, damals Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz: “Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD! Unser Programm in BILD veröffentlicht!” Und auch die Bundespartei stellte zum “Bild”-Wahlprogramm fest: “Hallo @BILD, nahezu ALLES hier findet sich im #AfD-Wahlprogramm!”

Mit ihrer aktuellen Berichterstattung findet die “Bild”-Redaktion übrigens nicht nur Anschluss bei der AfD. Auch in den Telegram-Kanälen vieler Verschwörungserzähler wird sie gelobt. “Spioniker” schreibt zum Beispiel: “Hammer, was die BILD jetzt raushaut! Ich glaube, der kritische Punkt ist erreicht!” und konstruiert aus der gelben Hintergrundfarbe eines Artikelbanners bei Bild.de mit Hilfe des des Flaggenalphabets, wo die Farbe Gelb für das Q steht, eine Verbindung zu QAnon. Michael Wendler sieht “Bild” als einen möglichen “Gamechanger”. Und Eva Herman empfiehlt ein Video von “Bild TV” (“Der Staat hat kein Recht mehr, zu regulieren, wie wir leben”). Die Protagonisten darin: Julian Reichelt und Filipp Piatov.

Mehr über das Verhältnis von “Bild” und AfD schreiben wir übrigens in unserem Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste”, vor allem im Kapitel “‘Das wird man ja wohl noch sagen dürfen’ – ‘Bild’ und Rechtspopulisten”. Alle Infos dazu hier.

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KW 33: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Wie kriegen wir Mitarbeiter unserer Medien unbeschadet aus Afghanistan?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 27:31 Minuten)
Bei “Übermedien” spricht Holger Klein diese Woche mit dem “Zeit”-Reporter Wolfgang Bauer über die Folgen der Machtübernahme in Afghanistan für dortige Medienschaffende, die Zukunft der Berichterstattung aus dem Land und das Interesse der Taliban daran, dass Medien ihre Propaganda verbreiten. Zukünftig werde es immer schwieriger, an verlässliche Informationen aus der Region zu kommen, so Bauer: “Ohne die Stringer und ohne die Übersetzer, ohne die Teams vor Ort sind wir ja, wir Korrespondenten und tollen Reporter, so hilflos wie Fische auf dem Trockenen. Wir zappeln da nur rum.”
Weiterer Gucktipp: Im Stich gelassen: Mitarbeiter deutscher Medien in Kabul (ndr.de, Nils Ataland & Caroline Schmidt, Video: 5:36 Minuten).

2. Lokalreporterin: mutig nah dran
(ndr.de, Laura Borchardt & Inga Mathwig, Video: 44:30 Minuten)
Die beiden NDR-Filmemacherinnen Inga Mathwig und Laura Borchardt haben zwei Lokalreporterinnen und einen Lokalreporter monatelang mit der Kamera bei deren Arbeit begleitet und zeigen, wie anspruchsvoll der Job im Lokalen geworden ist.

3. LNP403 Leichte Schläge auf den Hinterkopf
(logbuch-netzpolitik.de, Tim Pritlove & Linus Neumann, Audio: 1:34:22 Stunden)
Bei “Logbuch Netzpolitik” geht es um die umstrittene “Child-Safety”-Initiative von Apple, mit der der Konzern “Child Sexual Abuse Material” ausfindig machen will. Tim Pritlove und Linus Neumann besprechen, welche Implikationen das Vorhaben hat: “Ist das System der Türöffner für Hintertüren oder verhindert das ausgeklügelte Kryptosystem deren Einführung?” Gerade weil bei den beiden Podcastern die Meinung darüber sehr weit auseinandergeht, ist das Gespräch hilfreich für die eigene Meinungsbildung.

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4. Wie hat Radio Wuppertal die Hochwassernacht erlebt, Georg Rose?
(wasmitmedien.de, Daniel Fiene & Sebastian Pähler, Audio: 39:01 Minuten)
Bei “Was mit Medien” ist Radio-Wuppertal-Chefredakteur Georg Rose zu Gast und berichtet von der Hochwasser-Nacht. Rose erzählt, welche Schwierigkeiten es für sein Team zu meistern gab, welche Bedürfnisse die Hörerschaft hatte, und was er über die Rolle von Radio im Katastrophenschutz gelernt hat.

5. Alles digital? Die Social-Media-Strategien im Wahlkampf
(br.de, Sissi Pitzer & Jasper Ruppert & Jonathan Schulenburg & Ingo Lierheimer, Audio: 27:09 Minuten)
Im Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks geht es um die Social-Media-Strategien der politischen Parteien, um digitale Desinformationskampagnen und um die Bedeutung von Influencern. Zu Gast im Studio ist der Politikwissenschaftler und Wahlforscher Thorsten Faas.

6. Reichlich Platz für frische Formate
(deutschlandfunkkultur.de, Mike Herbstreuth, Audio: 32:16 Minuten)
Immer mehr Menschen holen sich ihre Buchempfehlungen nicht über die üblichen Wege, sondern vertrauen auf Buchbesprechungen in Podcasts. Mike Herbstreuth hat sich darüber mit der Literaturexpertin Miriam Zeh und Podcasterin Steffi Knebel unterhalten. “Was man auf jeden Fall feststellen kann als Effekt von Literatur-Podcasts ist, dass ganze viele Verlage, auch viele Medienhäuser und auch ganz viele Buchhandlungen, also verschiedene Akteure der Buchbranche jetzt Literatur-Podcasts auch selbst machen”, so Literaturwissenschaftlerin Zeh.

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