Archiv für Juli, 2024

Getötete Journalisten in Gaza, Podcast offline, Georgien

1. Was wissen wir über die mehr als 100 getöteten Journalisten in Gaza?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 21:04 Minuten)
Seit Oktober vergangenen Jahres seien laut der Organisation Reporter ohne Grenzen 129 Medienschaffende in und um Gaza getötet worden. Holger Klein spricht im “Übermedien”-Podcast mit dem Investigativjournalisten Frederik Obermaier über diese erschreckende Zahl: Waren unter den getöteten Medienschaffenden auch Propagandisten der Hamas? Welche Journalisten und Journalistinnen arbeiten überhaupt noch im Kriegsgebiet? Und wie stehen die Chancen, dass die Todesfälle nach Kriegsende aufgeklärt werden?

2. NDR nimmt Podcast über Band Rammstein offline
(medien.epd.de)
Wie epd Medien meldet, hat der NDR seine Podcast-Reihe “Rammstein – Row Zero” offline genommen, weil die Band Rammstein urheberrechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht habe. Dieser Schritt sei erfolgt, “um die ordnungsgemäße Nutzung der darin verwendeten Musik zu klären.” Der vierteilige Podcast, der die Geschichten junger Frauen im “Sex-Rekrutierungssystem” von Rammstein-Sänger Till Lindemann beleuchtet, werde überarbeitet und nach Prüfung ohne die beanstandeten Musikpassagen wieder zur Verfügung gestellt. Die Entscheidung, den Podcast offline zu nehmen, sei getroffen worden, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden und dem investigativen Inhalt den Vorrang zu geben.

3. “Kopie aus dem russischen Gesetz”
(taz.de, Vivien Mirzai)
Der georgische Jurist Sandro Baramidze spricht im Interview mit Vivien Mirzai über das “Transparenzgesetz”, das Anfang August in Georgien vollständig in Kraft treten soll: “Dieses Gesetz ist ein Copy-Paste-Gesetz aus dem russischen Gesetz von Putin.” Das Ziel der regierenden Partei Georgischer Traum sei es, “die NGOs und unabhängige Medien auszuschalten.”

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4. Wahlberichterstattung auf dem Prüfstand
(verdi.de)
Bei einer Podiumsdiskussion in Berlin hinterfragten Experten wie Jay Rosen und Errin Haines traditionelle journalistische Neutralitätsstandards angesichts politischer Asymmetrien, insbesondere seit der Ära Trump. Sie betonten die Notwendigkeit eines stärker menschenrechtsbasierten Journalismus. Deutsche und US-amerikanische Journalistinnen und Journalisten diskutierten die Herausforderungen der Wahlberichterstattung und die Gefahren von Desinformation sowie populistischen Strategien. Sie stellten dabei die Bedeutung von Faktentreue und Kontextualisierung heraus.
Weitere Lesehinweise: Wahlberichterstattung braucht ein Umdenken: Statt Politiker*innen müssen Wähler*innen im Fokus stehen (neuemedienmacher.de).
Die “taz” kooperiert in diesem Sommer mit den Autorinnen Manja Präkels, Tina Pruschmann und Barbara Thériault, die im Rahmen des Rechercheprojekts “Überlandschreiberinnen” Reportagen aus den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen im September Wahlen anstehen, verfassen: “Die drei Autorinnen reisen vor den Landtagswahlen durch Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Ihre Eindrücke halten sie in essayistisch-literarischen Langzeitbeobachtungen fest. Vom 6. Juli bis 31. August werden ihre Texte in der Wochentaz erscheinen.” (taz.de)

5. Dieses Foto wurde vielleicht oder vielleicht nicht mit KI erstellt
(zeit.de, Eike Kühl)
Wie Eike Kühl berichtet, hat der Konzern Meta seine Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten auf Facebook und Instagram von “Made with AI” in “AI Info” geändert, da das ursprüngliche System nicht zuverlässig funktionierte. Die Änderung erfolgte, nachdem Fotos fälschlicherweise als KI-generiert gekennzeichnet wurden, obwohl sie nur minimal bearbeitet worden waren. Die neue Kennzeichnung solle die Nutzerinnen und Nutzer darauf hinweisen, dass die Inhalte möglicherweise mit Künstlicher Intelligenz bearbeitet wurden, könne aber immer noch zu Verwirrung führen.

6. Offener Brief für den Erhalt der Hörspielförderung der Film- und Medienstiftung NRW
(pro-hoerspiel.de)
Zahlreiche Organisationen und Akteure aus dem Hörspielumfeld haben sich in einem offenen Brief für den Erhalt der Hörspielförderung der Film- und Medienstiftung NRW ausgesprochen. Sie fordern die Gesellschafter, Geldgeber und Aufsichtsräte auf, die Streichung der Hörspielförderung durch den neuen Geschäftsführer Walid Nakschbandi rückgängig zu machen. Sie betonen die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung des Hörspiels und kritisieren die “überhastete” und “unkoordinierte” Entscheidung, die ohne ein neues Konzept getroffen worden sei.

7. Lindner (FDP) setzt “taz” mit rechtspopulistischem Portal “NIUS” gleich
(radioeins.de, Lorenz Meyer, Audio: 4:06 Minuten)
Zusätzlicher Link, weil in eigener Sache: Am Dienstag haben wir in den “6 vor 9” auf die Reaktion der “taz”-Chefredaktion auf einen Tweet von Finanzminister Christian Lindner hingewiesen. Lindner hatte in dem Tweet sein Interview mit der rechtspopulistischen Krawallseite “Nius” gerechtfertigt und “Nius” in einem Atemzug mit der “taz” genannt. Bei radioeins kommentiert “6-vor-9”-Kurator: “Mit seinem Interview und seinen späteren Äußerungen verleiht Lindner dem Portal eine Legitimität, die ihm nicht zusteht. Lindner wertet eine rechtspopulistische Desinformations- und Hetzplattform auf, die journalistische Standards missachtet und Stimmungsmache betreibt. Und er tut das nicht nur in seinem Namen, sondern vereinnahmt auch SPD und Grüne dafür. Und ‘Nius’ nutzt das Interview, um sich lautstark als Gesprächspartner der gesamten Bundesregierung aufzuspielen.”

Aufruf zum Warnstreik, Influencer im Stadion, Was ist Extremwetter?

1. Aufruf zum Warnstreik bei Funke-NRW
(djv-nrw.de)
Der Deutsche Journalisten-Verband Nordrhein-Westfalen hat die Redakteurinnen und Redakteure der Funke Mediengruppe NRW für heute zu einem Warnstreik aufgerufen. Es gehe um die “Unterstützung der Verhandlungen zur Durchsetzung eines Haustarifvertrages”: “Funke möchte in einem Haustarifvertrag Arbeitsbedingungen festschreiben, die weit hinter dem zurückbleiben, was in den Tarifverträgen vorgesehen ist. Das ist eine ganz klare Abwertung Eurer Arbeit und des Redakteur:innen-Berufes. Das können wir nicht hinnehmen!”

2. »Was ist eigentlich Extremwetter, Herr Sippel?«
(spektrum.de, Florian Sturm)
In den Nachrichten und in Wetterberichten ist immer wieder von “Extremwetter” die Rede. Doch was ist damit eigentlich gemeint? Der Klimaforscher Sebastian Sippel erklärt im Interview, was Extremwetterereignisse auszeichnet und wie sie durch den Klimawandel häufiger und intensiver werden. Er verdeutlicht den Unterschied zwischen Wetter und Klima und beschreibt, wie “Extremwetter” definiert wird.

3. Ehemalige RBB-Justiziarin Lange: Kündigung war rechtens, Anspruch auf Altersversorgung bleibt bestehen
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg habe entschieden, dass die fristlose Kündigung der ehemaligen RBB-Justiziarin Susann Lange im Jahr 2022 rechtens gewesen sei und sie deshalb keinen Anspruch auf Übergangsgeld habe. Langes betriebliche Altersversorgung nach Renteneintritt bleibe jedoch bestehen.

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4. Den Blick auf die Realität in Taiwan richten, nicht auf Chinas Propaganda
(uebermedien.de, Klaus Bardenhagen)
In den vergangenen Jahren haben wir in den “6 vor 9” immer wieder auf Beiträge von Klaus Bardenhagen hingewiesen, der als freier Auslandskorrespondent aus Taiwan berichtet und dabei auch einen Blick darauf hat, wie westliche Medien auf den Inselstaat blicken. Nun hat Bardenhagen ein Buch über das Land geschrieben (“Die wichtigste Insel der Welt – Was Sie wissen müssen, um Taiwan zu verstehen”), in dem es auch um diesen medialen Aspekt geht. “Übermedien” veröffentlicht ein Kapitel des Buches.

5. Urheberrecht auf Social Media – Willkür bei Parodie- und Pastiche-Rechtsprechung?
(youtube.com, Chan-jo Jun, Video: 42:03 Minuten)
Der Anwalt Chan-jo Jun thematisiert in seinem Vortrag die Herausforderungen und rechtlichen Unsicherheiten im Bereich Urheberrecht auf Social Media, insbesondere im Zusammenhang mit KI-generierten Inhalten. Er erläutert, dass Künstliche Intelligenz grundsätzlich alles verarbeiten dürfe, was auch Menschen zugänglich ist, und dass der Output von KI-Anwendungen oft nicht urheberrechtlich geschützt sei. Allerdings bleibe der Umgang mit Parodie und Pastiche weiterhin komplex und fallabhängig.

6. Fußballfans fordern separate Plätze für Influencer im Stadion
(spiegel.de)
Einige Fußballfans sind zunehmend genervt von den Influencern und Influencerinnen, die dank Freikarten in die Stadien strömen und dort ihrer, nun ja, Arbeit nachgehen. Thomas Kessen, Sprecher der Fanvereinigung “Unsere Kurve”, schlägt eine räumliche Trennung vor: “Kommt jemand in ein Stadion als Fan und aus Interesse am Spiel? Dann gibt es die ganz normalen Tribünenbereiche. Oder kommt er ins Stadion, um zu arbeiten und mit einer Art Gewinnabsicht? Dann gibt es dafür die Pressetribüne.”

EU-Vorwürfe gegen Meta, “taz” schreibt Lindner, Presseausweise

1. EU-Kommission wirft Meta Bruch von Wettbewerbsregeln vor
(spiegel.de)
Die EU-Kommission habe Vorwürfe gegen Meta erhoben, weil das Bezahlmodell von Facebook und Instagram gegen den Digital Markets Act verstoße. Meta zwinge die Nutzerinnen und Nutzer, persönliche Daten preiszugeben; sie hätten keine echte Wahl, personalisierte Werbung abzulehnen, ohne auf die kostenpflichtige Abo-Option umzusteigen.

2. taz-Chefredaktion schreibt an Christian Lindner
(blogs.taz.de, Barbara Junge & Ulrike Winkelmann)
Barbara Junge und Ulrike Winkelmann, Chefredakteurinnen der “taz”, haben einen Brief an Finanzminister Christian Lindner geschrieben, in dem sie dessen Rechtfertigung für ein Interview mit der “unappetitlichen, rechtslastigen” Internetseite “Nius” kritisieren. Junge und Winkelmann seien “irritiert und ratlos”, dass Lindner die “taz” und “Nius” als Teil einer pluralistischen Medienlandschaft gleichsetze, und betonen, dass die “taz”-Redaktion im Gegensatz zu “Nius” nach presseethischen Grundsätzen arbeite.

3. Nur echte Presseausweise anerkennen
(verdi.de, Jasper Prigge)
Wie der Jurist Jasper Prigge berichtet, haben der Deutsche Presserat und die Innenministerkonferenz vereinbart, dass nur hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten einen bundeseinheitlichen Presseausweis erhalten sollen, um dessen Akzeptanz bei Behörden sicherzustellen und das Vertrauen in einen solchen Ausweis zu stärken. Die Verbände, die den Ausweis ausstellen, müssen demnach strenge Kriterien prüfen und erfüllen. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätige, dass Unternehmen keine Presseausweise ausstellen dürfen, da dies die einheitlichen Standards untergrabe.

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4. Instagram: Erste Creator können eine KI-Version von sich erstellen – wozu das gut ist
(t3n.de, Sebastian Milpetz)
Instagram habe in den USA einen Test für eine Funktion gestartet, mit der Influencer eine KI-Version von sich selbst erstellen können, um die Kommunikation mit ihren Fans zu erleichtern. Diese KI-Influencer sollen vor allem in Nachrichten auftauchen und als solche gekennzeichnet werden.

5. Uefa zählt mehr als 4.600 beleidigende Postings zur EM
(zeit.de)
Der europäische Fußballverband Uefa habe während der EM-Gruppenphase mehr als 4.600 beleidigende, rassistische oder homophobe Beiträge in Sozialen Medien registriert: “71 Prozent der missbräuchlichen Beiträge würden von den Plattformen selbst verfolgt, teilte die Uefa dazu mit. Etwa 94 Prozent der gekennzeichneten Beiträge enthielten allgemeine Beleidigungen, weitere 4,5 Prozent rassistische und 1,5 Prozent homophobe Beschimpfungen.”

6. 25 Jahre “Wer wird Millionär?” – was der Quiz-Boom hinterlassen hat
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 26:52 Minuten)
In diesem Jahr wird die Unterhaltungsshow “Wer wird Millionär?” mit Günther Jauch 25 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums spricht Alexander Matzkeit mit dem Medienwissenschaftler und Fernsehhistoriker Christian Richter über die RTL-Quizshow: Warum war der Erfolg der Sendung anfangs keineswegs sicher? Was macht den Erfolg der Sendung aus? Und warum sind die vielen Klonformate gescheitert?

Joe Bidens Zustand, Bücher egal?, Grimme Online Award

1. Und plötzlich stellt sich die Frage nicht mehr, ob Medien über Joe Bidens Geisteszustand berichten sollten
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Dürfen Medien über die schlechte gesundheitliche Verfassung eines Politikers berichten, auch wenn zu befürchten ist, dass rechte Kreise sich dies für ihre Propaganda zunutze machen? Ja, findet Medienkritiker Stefan Niggemeier mit Blick auf den Wahlkampf in den USA: “Das Beispiel Joe Biden mahnt, dass Verschweigen oder Herunterspielen keine gute Idee ist. Zu oft erscheint aber gerade das der erste und dominierende Gedanke von links in medienkritischen Diskussion in sozialen Medien: die Forderung, über bestimmte Themen, Personen oder Probleme nicht zu berichten, weil man damit nur ‘der anderen Seite’ in die Hände spielt.”

2. 1 Jahr Hinweisgeberschutzgesetz: Evaluation unerwünscht?
(whistleblower-net.de)
Das vor einem Jahr in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz soll Whistleblower vor Repressalien schützen und Whistleblowing erleichtern. Trotz rechtlicher Verbesserungen würden in der Praxis in vielen Kommunen und Unternehmen oft die notwendigen internen Meldestellen fehlen. Das Whistleblower-Netzwerk kritisiert, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes zu eng sei, nationale Sicherheit und Nachrichtendienste ausgenommen seien und der Gang an die Öffentlichkeit “nur in Ausnahmefällen geschützt, langwierig und rechtsunsicher” sei.

3. Bücher? Uns doch egal!
(taz.de, Dirk Knipphals)
“Etwas ist zerrissen zwischen den öffentlich-rechtlichen Medien und der Literaturszene. Der Verdacht ist längst da: Zur Literatur gibt es von den Managern der Sender aus in Wirklichkeit gar kein Verhältnis mehr”. “taz”-Literaturredakteur Dirk Knipphals schreibt sich in seinem “Wutausbruch” den Frust über die erneute Streichung von Literatursendungen von der Seele. Proteste seien sinnlos, so Knipphals: “Weil die Managerriegen der Sender längst illiterat sind.”

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4. Grimme Online Award findet 2024 doch noch statt
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Lange Zeit stand zu befürchten, dass der Grimme Online Award aufgrund der desolaten Finanzlage des zuständigen Grimme-Instituts in diesem Jahr nicht stattfinden kann. Nun ist das Land Nordrhein-Westfalen eingesprungen und hat wesentliche Teile der Finanzierung übernommen. Nominierungen seien den ganzen Juli über möglich.

5. Newsletter Netzwerk Recherche
(netzwerkrecherche.org, Daniel Drepper)
Wie immer eine Empfehlung wert, nicht nur für investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten: der Newsletter des Netzwerk Recherche (NR). Die aktuelle Ausgabe beginnt mit einigen Worten von Daniel Drepper zur bevorstehenden NR-Jahrestagung. Außerdem gibt es wie immer einen Überblick über medienrelevante Nachrichten, Veranstaltungen, Preise und Stipendien.

6. Die Renaissance des Handwerks
(netzpolitik.org, Vincent Först)
Vincent Först beschreibt, wie Content Creator in Sozialen Medien traditionelle Handwerkskunst wiederbeleben, indem sie ihre handwerklichen Prozesse filmen und als Videos hochladen. Dies ermögliche den Zuschauerinnen und Zuschauern, die Schönheit und den Wert von Handarbeit zu schätzen und gleichzeitig die Content Creator durch Werbeeinnahmen und Sponsoren zu unterstützen.