Archiv für Mai, 2021

#allesdichtmachen-Abgründe, Simulation, Insta-Getrickse

1. Das Netzwerk hinter #allesdichtmachen
(tagesspiegel.de, Hannes Soltau & Recherchenetzwerk Antischwurbler)
In Zusammenhang mit der Video-Aktion #allesdichtmachen ergeben sich immer mehr Spuren und Verbindungen zum “Querdenker”-Milieu. Hannes Soltau konstatiert: “Die Schäden, die die Kampagne in der Filmbranche angerichtet hat, lassen sich im Moment kaum abschätzen. Unter Filmschaffenden hat #allesdichtmachen Zwietracht gesät, was sich laut Schilderungen von Beteiligten sogar auf Dreharbeiten auswirkt.” Nach seiner Recherche werde ihm “immer klarer, dass #allesdichtmachen nicht bloß die spontane Äußerung einer Gruppe von ernstlich besorgten Filmschaffenden ist, als die sie Dietrich Brüggemann in den Medien darstellt. Sondern Teil einer größeren Kampagne, die eine antidemokratische Agenda verfolgt.”
Nachtrag: Der “Tagesspiegel” hat dem Beitrag mittlerweile folgenden Korrekturhinweis vorangestellt: “Der Tagesspiegel hat sich entschieden, das Netzwerk anders als in der ursprünglichen Überschrift zu diesem Zeitpunkt nicht als ‘antidemokratisch’ zu bezeichnen. Wir werden zu den Hintergründen der Aktion #allesdichtmachen weiter recherchieren.”

2. Lesbos: Die Simulation von Pressefreiheit
(verdi.de, Susanne Stracke-Neumann)
Franziska Grillmeier lebt und arbeitet auf der griechischen Mittelmeerinsel Lesbos und berichtet auch zu den Themen Migration und Flucht. Das funktioniere immer schlechter. Es werde immer schwieriger, mit geflüchteten Familien ins Gespräch zu kommen oder von den Behörden Antworten auf Presseanfragen zu erhalten. Die Ausnahme: Wenn hoher Besuch auf die griechischen Inseln zu den Camps voller Geflüchteter komme, dann werde “eine Simulation von Pressefreiheit aufgebaut”.

3. Neue ARD-Programmdirektorin: Hier ist Ihr Spickzettel, Frau Strobl!
(dwdl.de, Peer Schader)
Die bisherige Geschäftsführerin der ARD-Produktionstochter Degeto, Christine Strobl, wird neue ARD-Programmdirektorin. Peer Schader gibt Strobl in seiner Kolumne gleich eine ganze Liste von Aufgaben mit: “Ich übertreibe vermutlich nicht, wenn ich prognostiziere: Wir erwarten Unmögliches von Ihnen, enttäuschen Sie uns bitte nicht.”
Weiterer Lesehinweis: Bei der “taz” kommentiert René Martens: “Christine Strobl muss in ihrer neuen Funktion dazu beitragen, dass die ARD die richtige Balance findet. Man braucht erstens exklusive Angebote für die Mediathek, zweitens Inhalte, die mit Blick auf die Media­theken­nutzung produziert werden, aber auch linear funktionieren müssen – und drittens natürlich klassisch lineares Fernsehen, das nach alter Väter Sitte in der Mediathek zweitverwertet wird.”

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4. Jour­na­list darf weiter über Dop­pelpla­giat berichten
(lto.de, Manuel Göken)
Journalisten dürfe nicht schon im Vorfeld verboten werden, über wissenschaftliche Plagiate zu berichten, so der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung. Die Vorgeschichte: Eine ehemalige Jura-Dozentin wollte der Presse verbieten, über ihre Plagiate bei Promotion und Habilitation zu schreiben, und hatte einen Journalisten verklagt. Dieser zeigte sich nach seinem Sieg in Karlsruhe erleichtert: “Das Ergebnis hilft allen Medien, die regelmäßig über Plagiatsfälle berichten. Denn es ist nun klar, dass man über Plagiatsfälle auch mit Klarnamen der Verantwortlichen berichten darf.”

5. Der gefährliche Versuch, Gewalt gegen Menschen mit Behinderung nachvollziehbar zu machen
(uebermedien.de, Lisa Kräher)
In Potsdam wurden in einem Wohnhaus für Menschen mit Behinderung vier Personen getötet und eine fünfte Person schwer verletzt. In die Berichterstattung über die Gewalttat schlich sich ein merkwürdiger Unterton ein, der von Verständnis für die Tat getragen war. Lisa Krämer kritisiert das fehlende Bewusstsein für das Thema und mahnt eine geeignetere Wortwahl an.

6. Loop Giveaways: Das Riesengeschäft mit echten Followern auf Instagram
(vice.com, Sebastian Meineck)
Der Marktwert von Influencerinnen und Influencern bestimmt sich meist nach der Anzahl ihrer Gefolgschaft: je mehr Menschen ihnen in den Sozialen Medien folgen, desto höher die Werbeerlöse. Einigen von ihnen scheint jedes Mittel Recht zu sein, ihre Reichweite zu vergrößern. Eine Methode: sogenannte Loop Giveaways. Dabei handelt es sich um Gewinnspiele, bei denen zahlreichen Instagram-Profilen gefolgt werden muss. Auch für die Organisatoren eine gewinnbringende Sache, bei der schon mal sechsstellige Summen umgesetzt werden.
Unbedingt sehenswert: Der Youtuber Robin Blase erklärt in einem Video, wie das Ganze funktioniert: Der geheime Handel mit Instagram-Gewinnspielen (17:48 Minuten).
Weiterer Lesehinweis: Im letzten Kreis der Social-Media-Hölle: Das Biz mit Nonsens- und Ekel-Videos auf Facebook (omr.com, Roland Eisenbrand).

KW 17: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Wir Journalisten Folge 5: Gewalt gegen Journalisten
(djv.de, Audio: 46:57 Minuten)
Der Fernsehjournalist Arndt Ginzel ist spezialisiert auf Investigatives und Rechtsextremismus und dreht regelmäßig auf Demonstrationen. Dabei erlebt er immer wieder Anfeindungen der verschiedensten Art. Bei “Wir Journalisten”, dem Podcast des Deutschen Journalisten-Verbandes, spricht er über die zunehmende Gewalt gegen Medienschaffende. Weitere Folgen der Gesprächsreihe mit Journalisten und Journalistinnen gibt es auf der Übersichtsseite.

2. FS259 Nasenfaktor
(freakshow.fm, Tim Pritlove & Dominik Wagner & Roddi & Rainer Killinger, Audio: 3:35:14 Stunden)
Apple kündigte jüngst den Einstieg ins Podcast-Business an. Man wolle nicht nur die Infrastruktur, sondern auch Bezahlinhalte im Audiobereich anbieten. Der Konzern verlangt von den Podcast-Anbietern dafür bis zu 30 Prozent Provision. In der “Freakshow” diskutieren Tim Pritlove und seine Mitstreiter die möglichen Auswirkungen auf die Podcast-Branche.

3. Kulenkampffs Schuhe
(ardmediathek.de, Regina Schilling, 1:31:59 Stunden)
In den 60er- und 70er-Jahren erlebte das Fernsehen seine goldenen Zeiten mit Einschaltquoten von bis zu 80 Prozent. Am Samstagabend saßen viele Familien einträchtig vor dem TV-Gerät und schauten “Einer wird gewinnen” mit Hans-Joachim Kulenkampff oder die “Peter-Alexander-Show”. Die Regisseurin Regina Schilling wirft in ihrer Doku einen Blick auf das Unterhaltungsfernsehen von damals und hat dazu zahlreiche Showausschnitten aus der Zeit, Interviews, privates Super-8-Material sowie historische Dokumenten und Fotos zusammengetragen. Achtung: Die 90-minütige Doku ist nur noch bis zum 6. Mai in der ARD-Mediathek zu sehen und verschwindet danach wieder im öffentlich-rechtlichen Depublizierungs-Nirwana.

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4. Prügelknaben? – Ein Redaktionsgespräch über das Männerbild in den Medien
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Stephan Beuting & Annika Schneider & Michael Borgers & Bettina Schmieding, Audio: 37:23 Minuten)
Mit der Bezeichnung “alte weiße Männer” sind meist Männer gemeint, die sich dem Fortschritt verweigern, Änderungen ablehnen und an alten Strukturen festhalten wollen. Natürlich gibt es auch alte weiße Männer, die nicht so denken, und von denen ärgern sich wiederum einige über die ihrer Meinung nach ungerechte Zuweisung. Eine derartige Kritik habe es auch innerhalb der Deutschlandfunk-Redaktion nach einem Podcast über Diversität gegeben. Ein guter Anlass, sich zusammenzusetzen und die Sache zu besprechen! Es geht um “alte weiße Männer”, Journalismus, Kollateralschäden und das Gefühl, als Prügelknabe herhalten zu müssen.

5. ZDFzoom: Angriff von rechts
(zdf.de, Patrick Stegemann & Johanna Bentz, Video: 29:02 Minuten)
Die radikale Rechte versucht, den Unmut über die Corona-Maßnahmen für sich zu nutzen und setzt dabei verstärkt auf Onlinemedien und digitale Kommunikationskanäle: “Besonders auf digitalen Plattformen wie dem Messengerdienst Telegram erfahren rechte Akteure viel Zuspruch von Querdenkern und Anhängern von Verschwörungsmythen. Gemeinsam mit dem Datenanalysten Josef Holnburger haben die ‘ZDFzoom’-Reporter Tausende Telegram-Nachrichten ausgewertet.” In ihrer Reportage zeigen Patrick Stegemann und Johanna Bentz, wie Demokratiefeinde um Einfluss kämpfen.

6. Anwaltspost trotz millionenschwerer Werbung: Thomas „Held der Steine“ Panke gegen Lego
(omr.com, Philipp Westermeyer & Torben Lux, Audio: 1:06:28 Stunden)
Der Youtuber Thomas Panke betreibt einen erfolgreichen Kanal (“Held der Steine”), in dem er Klemmbaustein-Sets vorstellt und testet, die von Lego, aber auch von anderen Anbietern stammen. Panke hat bereits zum wiederholten Mal Post von den Lego-Anwälten bekommen, die er jedes Mal auf seinem Kanal genüsslich kommentiert (hier und hier). Die Folge: Schlechte PR für Lego, Followerzuwachs für Panke. Im Podcast der “Online Marketing Rockstars” erklärt der Youtuber sein kompliziertes Verhältnis zu Lego, er erzählt, weshalb er keinen eigenen Online-Shop haben will und warum er auf Spaß- statt Umsatzoptimierung setzt.

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