Archiv für August, 2020

“Bild” und die “vermeintliche Polizeigewalt”

Bei “Bild” knöpfen sie sich jetzt Minderjährige vor:

Ausriss Bild-Zeitung - Polizei-Opfer hat Lehrer verprügelt - das Wort Opfer ist in Anführungszeichen geschrieben
(Augenbalken von “Bild”, weitere Unkenntlichmachung durch uns.)

Der Jugendliche, über den sich die “Bild”-Redaktion vergangenen Donnerstag in ihrer Hamburg-Ausgabe hermachte, ist der 15-Jährige, der in mehreren Videosequenzen zu sehen war, die vor zwei Wochen in den Sozialen Medien auftauchten und für eine erneute Diskussion über Polizeigewalt sorgten. Was in den Videos passiert, lässt sich grob so zusammenfassen: Der Junge steht in Hamburg mit dem Rücken zu einer Hauswand, er ist umzingelt von vier Polizisten. In den ersten paar Sekunden ist zu sehen, wie er mit den Beamten ringt, diese von sich wegschubst. Die Polizisten weichen daraufhin etwas zurück, einer von ihnen zieht seinen Schlagstock. Man hört Sirenen. Verstärkung kommt, und nun sind es acht Polizisten, die vor dem Jungen stehen. Die Beamten schreien mehrmals: “Auf den Boden!” Der Jugendliche bleibt aber stehen und wird schließlich niedergerungen, als er sein T-Shirt ausziehen will, bis er ruft: “Ich krieg’ keine Luft!” Ausgangspunkt war eine Polizeikontrolle, nachdem der Junge mit einem E-Scooter in Hamburg-Neustadt auf dem Gehweg gefahren war. Er konnte oder wollte sich nicht ausweisen, dann eskalierte die Situation.

Über das Vorgehen der Polizisten wurde daraufhin viel diskutiert, vor allem in den Sozialen Medien: War es übertrieben? War es angemessen? Mussten die Beamten derart rabiat vorgehen? Konnten sie gar nicht anders? War das unangemessene Polizeigewalt?

Laut “Bild” nicht. Laut “Bild” handelte es sich nur um “vermeintliche Polizeigewalt”:

Vergangene Woche war er Mittelpunkt eines Videos, das vermeintliche Polizeigewalt dokumentieren sollte. Hobby-Boxer K[.] geriet nach einer E-Scooter-Kontrolle mit acht Beamten aneinander (BILD berichtete). Doch nun sieht es weniger nach Polizeigewalt aus – K[.] gerät wegen Übergriffen selbst in den Fokus.

In dem letzten Satz steckt der ganze Ekel dieser “Bild”-Geschichte: Weil der Jugendliche zwei Monate zuvor wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden sein soll, soll das Vorgehen der Polizisten (in einer davon völlig unabhängigen Situation) weniger schlimm gewesen sein? Weil er “selbst in den Fokus” gerät, sieht es nun “weniger nach Polizeigewalt aus”? Als würde es einen Unterschied machen bei der Bewertung eines Polizeieinsatzes, wessen Körper da gerade unter dem Knie eines Polizisten liegt – der eines vorbestraften Jugendlichen oder der eines Jugendlichen, der sich noch nie etwas hat zu Schulden kommen lassen. Es ist ein gruseliges Verständnis vom Rechtsstaat, in dem eigentlich jeder und jede das Recht hat, dass ihm oder ihr keine unnötige Polizeigewalt angetan wird. Auch frühere Straftäter, auch E-Scooter-Fahrer, die unerlaubterweise auf dem Gehweg fahren.

Der “Bild”-Artikel dient gleich zwei Zielen: Er verteidigt einerseits die Hamburger Polizei, indem er es so klingen lässt, als hätten die Beamten gar nicht anders gekonnt – der Junge habe schließlich auch mal seinen “LEHRER VERPRÜGELT”. Und er lenkt andererseits ab von einer legitimen Diskussion über Gewalt durch Polizisten. Er verschiebt den Fokus auf die in diesem Fall völlig unerhebliche Vergangenheit des möglichen Opfers. Er diskreditiert das mögliche Opfer, indem er einstige Vergehen rauskramt – als hätte das eine (der Polizeieinsatz gegen den Jungen) mit dem anderen (mögliche Vorstrafen des Jungen) etwas zu tun. Die “Bild”-Redaktion geht sogar so weit, dass sie das Wort “Opfer” in ihrer Überschrift hämisch nur in Anführungszeichen schreibt.

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Bereits eine Woche zuvor ging es bei “Bild” nicht weniger hämisch und geschmacklos zu. In Hamburg standen solche Werbeaufsteller vor Kiosken:

Screenshot eines Tweets, der einen Bild-Aufsteller in Hamburg zeigt - darauf ist die Schlagzeile zu lesen: Kontrolle in der Neustadt eskaliert - Boxer (15) verliert gegen acht Polizisten
(Diese und alle folgenden Unkenntlichmachungen durch uns.)

In der Hamburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung erschien ein großer Artikel mit wortgleicher Überschrift. Auch hier ging es bereits darum, den Jungen zu diskreditieren.

Erstmal zum “Boxer”, was lediglich ein sprachlicher Kniff der Redaktion ist. Vielleicht findet sie es auch irgendwie lustig. Der 15-Jährige geht noch zur Schule, ist also erst einmal Schüler. In seiner Freizeit boxt er im Sportverein. Ihn als “Boxer” zu präsentieren, als hätten es die Polizisten mit einem durchtrainierten Profisportler zu tun gehabt, ist, vorsichtig ausgedrückt, unangebracht. Außerdem schließt sich die “Bild”-Redaktion damit dem Framing der Hamburger Polizei an: Diese hatte in einer Pressemitteilung gleich zweimal geschrieben, der Jugendliche sei “sehr groß und stark” gewesen. Die Betonung der Attribute “groß” und “stark” lenkt von dessen Minderjährigkeit ab. Die “Bild”-Redaktion steigert dieses Framing noch, indem sie den 15-Jährigen zum “Boxer” erklärt.

Dass der Junge gegen die Polizisten “verloren” habe, wie “Bild” titelt, zieht die ernste Angelegenheit endgültig ins Lächerliche. Die Redaktion macht damit aus einer Situation, in der ein unbewaffneter Jugendlicher mehreren bewaffneten Vertretern der Staatsgewalt gegenüberstand, einen sportlichen Wettkampf, bei dem es ums Gewinnen oder Verlieren geht. Und auch in diesem Artikel stürzt sich “Bild” auf mehrere angebliche Ermittlungsverfahren, die schon gegen den Jungen gelaufen sein sollen. Auch diese haben rein gar nichts mit dem Vorfall, um den es eigentlich geht, zu tun.

Diese “Bild”-Masche – sich lieber auf mögliche Opfer von Polizeigewalt und deren kriminelle Vergangenheit zu konzentrieren, statt auf die Polizeigewalt selbst – konnte man zur selben Zeit bei einem weiteren Fall beobachten:

Screenshot Bild.de - Umstrittener Polizeieinsatz von Düsseldorf - Schon im Alter von 13 Jahren fiel er als brutaler Schläger auf - Die Strafakte von M. (15)

In einem Video, das den Polizeieinsatz in Düsseldorf zeigt, sieht man, wie ein Polizist einen Jugendlichen am Boden fixiert. Das Knie des Beamten befindet sich auf dem Kopf des Jungen. Das schockierte viele, zwischenzeitlich auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. Die “Bild”-Redaktion ging hingegen schnell dazu über (wie auch manch andere Redaktion), sich den 15-Jährigen unter dem Polizistenknie vorzunehmen. Sie machte eine Reihe von früheren Vergehen des Jungen öffentlich, die dieser teils begangen haben soll, als er noch nicht strafmündig war. Und wieder klingt es nach irgendwas zwischen “Ach, sieh mal einer an: Der war aber auch kein Engel” und “Na also, da hat es ja genau den Richtigen getroffen”. Dabei schreibt selbst der Autor des Bild.de-Artikels:

Wenn man seine Polizeiakte liest, ist der junge Mann kein unbeschriebenes Blatt. Was natürlich nicht bedeutet, dass er nicht selbst ein Opfer von Gewalt sein kann.

Das hindert die “Bild”-Redaktion freilich nicht daran, so eine Story zu bringen.

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Facebook versus “Compact”, Tagesthemen XL, Faktencheck Demo

1. Facebook nimmt “Compact” vom Netz
(tagesschau.de, Sebastian Pittelkow & Katja Riedel)
Die in rechten Kreisen gern gelesene Verschwörungspostille “Compact” warb nicht nur im Heft, sondern auch in den Sozialen Medien für die Anti-Coronapolitik-Demo in Berlin. Nun habe Facebook den Facebook- sowie den Instagram-Account des Magazins ohne Ankündigung gelöscht. Die Begründung: “Compact” habe gegen das interne Regelwerk verstoßen. Ein schwerer Schlag für das Magazin, das bereits im März vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall eingestuft worden war und über seine Social-Media-Seiten auch Verkäufe generierte.
Weiterer Lesehinweis: “Fragen gelten als scharfe Waffe der Aufklärung. Aber Verschwörungserzähler, Rechtspopulisten und Twitter-Wichtigtuer beweisen: Manche dummen Fragen sind sogar gefährlich” – Das wird man ja wohl noch fragen dürfen!?, ein Essay von Maja Beckers (zeit.de).

2. Faktencheck zur Teilnehmerzahl
(spiegel.de, Holger Dambeck)
Anlässlich der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen vom Wochenende gibt es erneut Streit um die Teilnehmerzahl. Die Veranstalter würden von Hunderttausenden oder gar von mehr als einer Million Teilnehmenden sprechen, laut Polizei seien knapp 40.000 Demonstrierende zugegen gewesen. Holger Dambeck ist dem Zahlenrätsel auf den Grund gegangen und hat nachgerechnet.

3. ARD-Kamerateam vorübergehend in Minsk festgenommen
(faz.net)
Die Berichterstattung aus Belarus gestaltet sich zunehmend schwieriger. So wurde ein Kamerateam der ARD in der Hauptstadt Minsk vorübergehend festgesetzt, anschließend erfolgte der Entzug der Akkreditierung. Korrespondenten und Korrespondentinnen ausländischer Nachrichtenagenturen ging es ähnlich. Außenminister Heiko Maas, WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn und Deutsche-Welle-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge verurteilten den Angriff auf die Pressefreiheit.

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4. “Es wird noch härter”
(sueddeutsche.de, Alexander Mühlauer)
In der britischen Printmedien-Landschaft droht ein gewaltiger Kahlschlag. Ein britisches Branchenmagazin führe Buch über die Stellenabbaupläne der Verlagshäuser: Beim linksliberalen “Guardian” würden demnächst 180 Jobs wegfallen, die Gratiszeitung “Evening Standard” wolle 69 redaktionelle Stellen streichen, und bei der größten britischen Zeitungsgruppe Reach (unter anderem “Daily Mirror” und “Daily Express”) sollen 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Haus verlassen.

5. Nichtlineare Radiozukunft
(taz.de, René Martens)
Im Podcast “Corona Virus Update” (NDR) kommt zukünftig neben Christian Drosten eine weitere Stimme zu Wort: Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und wird sich mit Drosten wöchentlich abwechseln. Die “taz” hat sich mit der NDR-Hörfunkdirektorin Katja Marx nicht nur über diese Personalie unterhalten, sondern auch über Einsparmaßnahmen und den in wenigen Tagen stattfindenden Deutschen Radiopreis.

6. “Tagesthemen mittendrin”: Expedition ins Unbekannte
(dwdl.de, Peer Schader)
Die “Tagesthemen” (ARD) sind ab heute fünf Minuten länger. In der neuen Regional-Rubrik “mittendrin” wolle man “die gesamte Republik” porträtieren und “Geschichten aufbereiten, die wir alle voneinander wissen sollten, um uns besser kennenzulernen”. Peer Schader hält dies für eine im Kern gute Idee, hat aber angesichts der bislang schon gelaufenen Testbeiträge Sorgen, was die Umsetzung betrifft: “Bei manchen Geschichten hab ich das Gefühl, sie werden nur deshalb erzählt, damit der Reporter im sächsischen Örtchen Amerika, wo die zu selten genutzte ÖPNV-Verbindung in die nächste Stadt gestrichen wird, den zurechtgelegten Satz sagen kann: ‘Heute Nachmittag fuhr der allerletzte Bus nach Amerika.'”

Olaf Scholz und die Pressefreiheit, Holocaust auf TikTok, Corona-Netz

1. Olaf Scholz und die Pressefreiheit
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
Das “Financial Times”-Duo Stefania Palma und Dan McCrum hat zu einem Zeitpunkt über Unregelmäßigkeiten beim Finanzdienstleister Wirecard berichtet, als Politik und Wirtschaftsprüfer noch Loblieder auf das vermeintliche Vorzeige-Unternehmen gesungen haben. Anstatt sich für die journalistische Aufklärungsarbeit der beiden zu bedanken, erstattete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Strafanzeige gegen sie. Und obwohl Wirecards Luftschlösser mittlerweile eingestürzt und fast zwei Milliarden Euro Bilanzsumme auf wundersame Weise verschwunden sind, ermittelt die Staatsanwaltschaft anscheinend weiter gegen Palma und McCrum. Kai-Hinrich Renner hat dazu beim Bundesfinanzministerium nachgefragt – erfolglos. Sein Fazit: “Eigentlich kann das Rumgeeiere von Scholz und seinem Ministerium der SPD nicht gefallen. Wenn bezweifelt werden müsste, dass ihr Kanzlerkandidat ohne wenn und aber zur Pressefreiheit steht, wäre das für die Partei fatal.”

2. Alles automatisch: über die Tücken eines Journalismus ohne Menschen
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Die Website msn.com von Microsoft ist eine der meistbesuchten Nachrichtenseiten der Welt. Dort, wo früher Menschen über die Nachrichtenauswahl entschieden haben, tun dies heute Algorithmen: MSN habe unlängst seine Redaktion entlassen und lasse das Newsportal automatisch bespielen. Die Folge könnte eine Prioritätenverschiebung bei der Auswahl der Themen sein, wie Adrian Lobe erläutert: “Wenn es wirklich ein Strukturmerkmal algorithmischer Auswahl ist, eher weiche Themen zu selektieren, könnte es für Medienunternehmen grössere Anreize geben, solche Inhalte zu produzieren, um eine entsprechende Reichweite zu erzielen. Die Algorithmisierung der Nachrichtendistribution könnte also langfristig auch zu einer Boulevardisierung führen.”

3. Im Netz der Corona-Gegner
(correctiv.org, Till Eckert & Matthias Bau & Alice Echtermann)
Das Recherche-Team von “Correctiv” hat sich im Lager der Corona-Maßnahmen-Gegner umgesehen und ist dort auf “ein bundesweites Netzwerk von Wissenschaftlern, Meinungsmachern und Anwälten” gestoßen. Der Verbund wirke inzwischen auch direkt auf die Politik ein. “Correctiv” stellt die wichtigsten Köpfe der Bewegung vor und zeigt, mit welchen Mitteln man dort arbeitet, um den Kampf gegen das Coronavirus zu torpedieren.

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4. Medienhaus Bauer geht an Lensing Media
(verdi.de, Holger Pauler)
Das Medienhaus Bauer (nicht zu verwechseln mit dem Bauer-Verlag in Hamburg – um den geht es im nächsten Link) wechselt aller Voraussicht nach den Eigentümer. Das Dortmunder Medienunternehmen Lensing Media übernehme damit, die Zustimmung der Kartellbehörde vorausgesetzt, sechs Tageszeitungen und 180 Beschäftigte. Was der Besitzerwechsel für die Angestellten konkret bedeutet, sei noch ungewiss. Die Redaktionen sollen fast vollständig übernommen werden, bei den Beschäftigten aus der Verwaltung sei dies jedoch noch unklar.

5. Bauer-Verlag hat in der NS-Zeit von Zwangsarbeitern profitiert
(meedia.de)
In der neuen Hamburg-Ausgabe der “Zeit” soll eine Recherche Klarheit über die Vergangenheit des Bauer-Verlags während des Nationalsozialismus bringen, so eine “Zeit”-Vorabmeldung. In der Bauer-Zentrale sollen während der NS-Zeit mehrere hundert italienische Zwangsarbeiter interniert gewesen sein. Über das dunkle Kapitel der Verlagsgeschichte hatten Anfang des Jahres bereits “Spiegel” (nur mit Abo lesbar) und “Zapp” berichtet.

6. Yad Vashem kritisiert Darstellungen von Holocaust-Opfern auf TikTok
(spiegel.de)
Dass gut gemeint nicht automatisch gut gemacht ist, beweist derzeit die angebliche Holocaust-Challenge auf TikTok. Vornehmlich Jugendliche mimen dort Holocaust-Überlebende. Um Aufmerksamkeit für das Leid von Millionen getöteter Juden und Jüdinnen zu erzeugen oder um vornehmlich Aufmerksamkeit für sich selbst zu schaffen – das ist nicht immer klar. Klar ist hingegen die Reaktion der Gedenkstätte Yad Vashem, die darin eine Trivialisierung des Holocaust sieht.

“Hard Talk” auf deutsch?, Bauers Kopierfabrik, Erfolg für Neonazi

1. Braucht es ein neues Interview-Format im deutschen Fernsehen?
(radioeins.de, Daniel Bouhs, Audio: 4:49 Minuten)
Dürfen beziehungsweise sollen die Öffentlich-Rechtlichen mit umstrittenen Rechtsaußenauslegern der AfD reden? Im Prinzip schon, findet Daniel Bouhs, nur womöglich unter anderen Bedingungen – zum Beispiel in einem Format nach britischem Vorbild: “Spätestens jetzt nach dem MDR, vor allem aber auch nach dem Andreas-Kalbitz-Interview der Kollegen vom rbb, das andere Probleme hatte – ist es an der Zeit, dass auch das deutsche Fernsehen ein passendes Format bekommt. Die BBC hat das schon lange – legendär und da ist der Name Programm: ‘Hard Talk’.”

2. So funktioniert Bauers Kopierfabrik für Hollywood-Interviews
(übermedien.de, Mats Schönauer)
Jetzt ohne Paywall abrufbar: Mats Schönauers große Recherche über das zweifelhafte Geschäftsmodell des Hamburger Bauer-Verlags, der seit Jahrzehnten zusammengestrickte Interviews veröffentlicht, die so nie stattgefunden haben. Eine große Rechercheleistung und ein Muss für alle Journalismus-Interessierten.

3. Zwischen Nähe und Distanz
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:04 Minuten)
Berichterstattung über Geflüchtete kann sehr persönlich sein, vor allem, wenn es um Einzelschicksale von Personen geht, die mitunter über einen längeren Zeitraum begleitet werden. Persönliche Anteilnahme und professionelle journalistische Distanz befinden sich dann fast zwangsläufig in einem Spannungsverhältnis. Michael Borgers hat bei zwei Journalistinnen nachgefragt, wie viel emotionale Nähe sie sich bei ihren Langzeitreportagen erlaubt haben.

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4. Klage gewonnen: Behörden müssen auch Infos von privaten Plattformen offenlegen
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Die Transparenzinitiative “FragDenStaat” hat eine wichtige Klage gewonnen: Behörden müssen ihrer Informations- und Transparenzpflicht nachkommen, egal welche Kommunikationskanäle sie verwendet haben. Sie dürfen also nicht die Herausgabe mit dem Argument verweigern, die Kommunikation sei beispielsweise über Twitter oder Facebook gelaufen. “Mit dem Urteil könnte es unter Umständen künftig auch möglich werden, amtliche E-Mails anzufragen, die Minister in ihrer offiziellen Funktion von ihren privaten Mailadressen verschicken”, schreibt “FragDenStaat”-Projektleiter Arne Semsrott.

5. Verstöße gegen Richtlinien: Youtube löscht mehr Videos als je zuvor
(rnd.de)
Youtube hat nach eigenen Angaben im vergangenen Quartal mehr als zehn Millionen Videos gelöscht – und damit so viele wie noch nie zuvor. In über einem Drittel der Fälle sei dies aus Gründen des Kinderschutzes erfolgt. Der Großteil der gelöschten Videos stamme aus den USA.

6. Rechtsrocker obsiegte gegen Bild-Zeitung
(mmm.verdi.de, Frank Biermann)
Ein bekennender Neonazi und Frontmann einer Rechtsrock-Band hat sich gegen die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion juristisch zur Wehr gesetzt und einen Teilerfolg erzielt. “Bild” hatte schwere Vorwürfe gegen den Mann erhoben, für die es jedoch keine hinreichenden Belege gegeben habe. Der Richter in seiner Urteilsbegründung: “Das hätten sie so nicht schreiben dürfen. Das sind Tatsachenbehauptungen, für die sie Beweise beibringen müssen.” Und weiter: “In 99 Prozent aller Fälle entscheiden wir hier für die Pressefreiheit – in diesem Fall nicht.”

Plötzlich leidenschaftlich

Die Berliner Versammlungsbehörde hat entschieden, dass mehrere Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, die am Wochenende in der Hauptstadt stattfinden sollten, nicht stattfinden dürfen. Dieses Verbot begründet sie damit, “dass es bei dem zu erwartenden Kreis der Teilnehmenden zu Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung kommen wird.” Zur Demo wollten zahlreiche Verschwörungsmystiker, Rechtsextreme, Neonazis, Antisemiten aus ganz Deutschland anreisen.

Die “Bild”-Redaktion kommentiert die Entscheidung der Behörde heute so:

Screenshot Bild.de - Das meint Bild - Berlin verbietet Demo gegen Corona-Regeln - Inakzeptabler Angriff auf unsere Grundrechte!

Mit selbst für “Bild”-Verhältnisse ungewöhnlichem Furor spricht sie von einem “inakzeptablen Angriff auf eines unserer höchsten Grundrechte”, die Entscheidung sei “gegen jede Verhältnismäßigkeit” getroffen worden, sie sei “an politischer Dummheit kaum zu überbieten”. Bei Berlins Innensenator Andreas Geisel treffe man auf “Sprache und Denken wie aus der DDR”. Das alles sei “auf demokratieverachtende Weise lächerlich”.

Vor gerade mal vier Tagen, als eine Demonstration in Hanau zum Gedenken an die neun Menschen, die ein halbes Jahr zuvor Opfer eines rassistischen Anschlags geworden sind, nicht stattfinden durfte, war von diesem Furor bei “Bild” keine Spur. Lediglich einen Artikel veröffentlichte die Redaktion dazu, vier sachliche Absätze. Kein “inakzeptabler Angriff”, keine fehlende “Verhältnismäßigkeit”, keine “politische Dummheit”, nicht mal das Wort “Verbot” taucht in dem Text auf. Die “Bild”-Redaktion spricht stattdessen von “abgesagt”:

Screenshot Bild.de - Wegen Corona - Gedenk-Demo in Hanau abgesagt

So gewaltig die Worte auch sind, die sie für ihren Kommentar zum Demo-Verbot in Berlin gewählt hat – natürlich kann die “Bild”-Redaktion dieser Meinung sein, die sie mit großer Leidenschaft vertritt. Allerdings könnte ihre Berichterstattung über das Demo-Verbot in Hanau dadurch auch nicht leidenschaftsloser wirken.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Kein Schutz für den Angeklagten, kein Schutz für die Opfer

Vor dem Landgericht Wiesbaden läuft derzeit ein Prozess gegen einen Mann, dem unter anderem schwerer sexueller Missbrauch von vier Kindern vorgeworfen wird. Die “Bild”-Zeitung berichtet heute groß in ihrer Bundesausgabe über das Verfahren und druckt dazu zwei Fotos: Das eine zeigt den Angeklagten, der sich das Gesicht mit einem Briefumschlag verdeckt, im Gerichtssaal. Das andere, eine ältere Aufnahme, zeigt ihn am Schreibtisch sitzend, das Gesicht klar erkennbar. “Bild” hat nichts verpixelt:

Ausriss Bild-Zeitung - Ein Opfer war erst elf Monate alt - Familienvater soll eigene Töchter missbraucht haben
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Auch bei Bild.de ist das Schreibtisch-Foto unverpixelt zu sehen.

Die fehlende Unkenntlichmachung ist natürlich kein Versehen, kein Flüchtigkeitsfehler, sondern genau so von der “Bild”-Redaktion gewollt. Sie hat es noch nie sonderlich interessiert, dass ein Angeklagter kein verurteilter Täter ist, und dass in Deutschland die Unschuldsvermutung gilt (und selbst eine eventuelle Verurteilung bedeutet nicht automatisch, dass man das Gesicht des Mannes einfach zeigen darf).

Neben dem Schutz des Angeklagten kommt in diesem Fall aber noch, zumindest indirekt, ein weiterer Aspekt hinzu, den “Bild” missachtet: der Schutz der Opfer. In der “Bild”-Überschrift ist nicht zu überlesen, dass es sich bei den Opfern um die Töchter des Angeklagten handele. Wer den Angeklagten kennt und dank der “Bild”-Redaktion auf dem Foto erkennt, weiß direkt, um wen es sich bei den Opfern handeln muss. Da bringt es auch nichts, dass im Artikel bei Bild.de die Vornamen der Opfer von der Redaktion geändert wurden.

Der Prozess in Wiesbaden findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – auf Antrag der Nebenklage und zum Schutz der Opfer. Der “Spiegel” schreibt: “Zu groß sei die Gefahr, dass sich eine Veröffentlichung negativ auf die weitere Entwicklung der Kinder auswirken könnte, sagte die Vorsitzende Richterin Annette Honnef.”

Mit Dank an @MartinTheRookie, @Wooloo_Mooloo und @Diag72 für die Hinweise!

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Reichelts nächtliche Nachrichten, Belarus-Präsenz, Höcke-Interview

1. Sind ARD und ZDF in Belarus präsent genug?
(uebermedien.de, René Martens)
Der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Paul Ronzheimer ist für seine Berichterstattung aus Belarus teilweise sehr gelobt worden, gerne auch verbunden mit der Kritik an anderen Medien, die angeblich nicht ausreichend präsent seien beziehungsweise zu wenig berichten würden. Sind Lob und Kritik berechtigt? René Martens sortiert die vielschichtige Debatte um die Belarus-Berichterstattung – ein Sortiervorgang, bei dem die Öffentlich-Rechtlichen besser wegkommen, als es ihr Image in manchen Kreisen erwarten lässt.

2. Kein Interesse an “Deeskalationsteams”
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:15 Minuten)
Am Wochenende wird in Berlin erneut eine Demo gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung stattfinden. Der Veranstalter fordert Medienschaffende dazu auf, sich vor dem Besuch der Proteste bei ihm zu akkreditieren. Man würde ihnen zum besseren Schutz sogenannte Deeskalationsteams zur Seite stellen. Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union Berlin-Brandenburg, rät von dieser Form des “Embedded Journalism” ab: “Wenn die Polizei die Journalistinnen und Journalisten nicht unterstützt in ihrer Arbeit und nicht für einen aktiven Schutz sorgt, wird nur eine Berichterstattung aus der Distanz möglich sein.”

3. “Ach, Herr Sänger”
(sueddeutsche.de, Ulrike Nimz)
Trotz einiger Kritik im Vorfeld hat der MDR das Sommerinterview mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke durchgeführt. Ulrike Nimz hat sich das 36-minütige Gespräch angeschaut: “Der Moderator ist vorbereitet, kennt die Corona-Fallzahlen ebenso wie aktuelle Umfragen zur Akzeptanz der Maskenpflicht. In seiner Ruhe bietet er Höcke kaum Anlass zur selbstgerechten Empörung, treibt ihn aber auch nicht in die Ecke.”

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4. Letzte Woche war …
(twitter.com, Christian Miele)
Christian Miele, Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups, hat es gewagt, “Bild” zu kritisieren und zwar für eine, seiner Ansicht nach, “in jederlei Hinsicht unglückliche und zumindest als rassistisch interpretierbare” Überschrift. Damit hat er sich ein Telefonat mit “Bild”-Chef Julian Reichelt, ein Treffen mit einem Springer-Vorstand und eine ganze Kaskade nächtlicher Nachrichten eingehandelt, in denen Reichelt eine offizielle Entschuldigung gefordert habe. Miele in seinem Twitter-Thread dazu: “Ich kann das erst einmal nicht glauben. Ist das hier wirklich der Chefredakteur von Deutschlands größtem Medium? Woher kommt diese emotionale Reaktion zu später Stunde?”

5. TikTok reicht Klage gegen Trump-Dekret ein
(zeit.de)
Um einem eventuellen Verbot entgegenzuwirken, haben die Betreiber der chinesischen Video-App TikTok Klage gegen die USA beim Bundesgericht in Los Angeles eingereicht. Sorgen mache dem Unternehmen ein von Donald Trump unterzeichnetes Dekret, das mit der baldigen Stilllegung drohe, sollte der chinesische Mutterkonzern nicht zumindest seine US-amerikanische Dependance abstoßen.

6. Lucas Teuchner: Das ist der Macher hinter Apache 207, Bausa und Loredana
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Im Podcast der “Online Marketing Rockstars” ist der 26-jährige Musikmanager Lucas Teuchner zu Gast, der bereits aus einigen Musikern und Musikerinnen Stars gemacht hat, darunter Apache 207, Bausa und Loredana. Im Podcast spricht der Chef von mittlerweile 37 Personen über seine steile Karriere, das Besondere am Geldverdienen in der Musikbranche und absatzfördernde Maßnahmen in Zeiten von Youtube-Views und Spotify-Klicks.

Höcke-Interview, Abgemahnt, Skrupellose Revolverblätter

1. MDR kündigt Höcke-Interview an
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Sollen öffentlich-rechtliche Sender mit einem AfD-Vertreter sprechen, der für seine extremen Positionen sowie seine rassistische und antidemokratische Agenda bekannt ist? Hat der Grundsatz der Ausgewogenheit seine Grenzen und sollte man deshalb darauf verzichten, derartigen Personen eine Bühne zu geben? Oder müssen wir das in einer Demokratie schlicht aushalten? Das sind ungefähr die Fragen, die sich anlässlich des bevorstehenden Sommerinterviews des MDR mit AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke stellen.

2. Radio Bremen verklagt Medienkritiker wegen Urheberrechtsverletzung
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
TV-Kritiker Holger Kreymeier hat sich in einem Videobeitrag einen Film von Radio Bremen vorgeknöpft und wenig später eine Abmahnung des Senders erhalten. Hat sich Kreymeier falsch verhalten und, wie von der Gegenseite behauptet, das Zitatrecht überreizt? Oder will da ein übermächtiger Sender einen Kritiker juristisch in die Knie zwingen? Matthias Schwarzer ist dem Konflikt nachgegangen, der Mitte November vor dem Landgericht Berlin verhandelt wird.

3. Der Duden im Kreuzfeuer identitärer Sprachpolitik. Eine Randbemerkung
(scilogs.spektrum.de, Henning Lobin)
Kaum etwas steht für die deutsche Sprache wie das Nachschlagewerk Duden. Leider wird es von Ultrarechten gerne für deren nationalidentitäre Politikagenda instrumentalisiert. Sprachwissenschaftler Henning Lobin zeigt anhand von drei markanten Beispielen, dass dafür keine Unterstellung zu grob sein kann.

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4. Embedded Berichterstatter
(djv.de, Hendrik Zörner)
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union hat bereits von der Akkreditierung zur Corona-Demo, die am Wochenende in Berlin stattfinden soll, abgeraten (siehe gestrige “6 vor 9”). Nun äußert sich auch der Deutsche Journalisten-Verband in einem Kommentar: “Kein Journalist und keine Journalistin muss sich in Deutschland zu einer Demonstration im öffentlichen Raum anmelden. Und ‘Deeskalationsteam’ stinkt geradezu nach ‘Embedded Journalism’. Wir sind aber nicht im Irak, wo Kriegsberichterstattung lebensgefährlich war, sondern in Berlin. Für die Sicherheit von Journalisten ist hierzulande immer noch die Polizei verantwortlich. Wer sich auf diesen Unsinn einlässt, ist selber schuld.”

5. Verleger Ippen übernimmt Buzzfeed Deutschland
(sueddeutsche.de, Aurelie von Blazekovic)
Nach Monaten der Ungewissheit ist nun klar: Bei “Buzzfeed Deutschland” kann es weitergehen, es wird Teil des Redaktionsnetzwerks Ippen Digital. Das Verlagskonglomerat von Dirk Ippen ist mit Publikationen wie dem “Münchner Merkur”, der “Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen”, der “tz” und der “Frankfurter Rundschau” die fünftgrößte Zeitungsgruppe in der Bundesrepublik. Anmerkung des “6 vor 9”-Kurators: Das Beitragsbild zeigt rechts Karsten Samland (vormals Schmehl), der bereits Mitte vergangenen Jahres “Buzzfeed” verlassen hat und zu TikTok gewechselt ist.
Weiterer Lesehinweis: Auf Twitter feiert Redaktionsleiter Daniel Drepper die Nachricht: “Wir sollen unter gleichen Bedingungen weiter unsere Unterhaltung und unseren Journalismus machen. Alle Mitarbeiter*innen behalten ihre Jobs und Verträge, ohne Einbußen.”

6. Burda-Zeitschrift retuschiert sich Michael Schumacher zurecht
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer berichtet von einem perfiden Geschäftsmodell: In einer Mischung aus Skrupellosigkeit und nahezu krimineller Energie versuchen Blätter wie “Die Aktuelle” (Funke Mediengruppe), “Woche heute” (Bauer Verlag) und “Freizeit Revue” (Burda), mit dem Ex-Rennfahrer Michael Schumacher Geld zu verdienen.

Keine Strache-Wende, Youtube für Neonazis, Lieber nicht akkreditieren

1. Stellungnahme der SZ-Chefredaktion vom 23.08.2020
(facebook.com, Süddeutsche Zeitung)
Gibt es tatsächlich eine Wende im Fall des ehemaligen österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, wie manche Medien mit Verweis auf angeblich entlastende Aussagen behaupten? Nein, davon könne nicht die Rede sein, so die “Süddeutsche Zeitung” und der “Spiegel”. Man habe in der Berichterstattung auf die entsprechenden Passagen “konsequent und wiederholt” hingewiesen.
Weiterer Lesehinweis: Für den “Spiegel” erklärt Wolf Wiedmann-Schmidt auf Twitter: “Die angeblich neuen Passagen aus dem #Ibiza-Video sind weder unbekannt, noch hat sie @derspiegel verschwiegen. Im ersten Text zur Affäre vom 17. Mai 2019 haben wir just jene Abschnitte, die nun als neu präsentiert werden, teils wörtlich zitiert.”

2. Ein Youtube für Nazis: Was hinter der Plattform Bitchute steckt
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Viele Radikale verbreiten ihr extremes Gedankengut über den Messengerdienst Telegram – in dem Bewusstsein, dort einigermaßen sicher vor technischen Sanktionen wie Sperrungen und Blockaden zu sein. Als Youtube-Alternative vor allem für rechtsextreme Videos erweist sich derzeit die Plattform Bitchute. Matthias Schwarzer erzählt, was es mit dem “Ausweichkanal für rechtsextremes Gedankengut” auf sich hat.
Weiterer Hörtipp: Analyse der Berichterstattung: Rechtsextreme Netzwerke und die Behörden (deutschlandfunkkultur.de, Vera Linß & Marcus Richter, Audio: 12:59 Minuten).

3. “Die Prozesse sind kompliziert”
(taz.de, René Martens)
Turnusgemäß hat Deutschland aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne. Wie wirkt sich das auf die Berichterstattung aus Brüssel aus? René Martens hat mit Anne Gellinek, Leiterin des Brüsseler ZDF-Studios, über Polit-Journalismus aus der und über die EU gesprochen: Worin liegen die Unterschiede zwischen nationaler und europäischer Politikberichterstattung? Warum hat die nachmittägliche Europa-Sendung des ZDF (“heute – in Europa”) manchmal genauso viele Zuschauerinnen und Zuschauer wie das “heute-journal”? Und gibt es bald “Brüssel direkt”?

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4. #b2908 Wir raten Journalist:innen von einer Akkreditierung über hp #Querdenken711 dringend ab.
(twitter.com, Jörg Reichel)
Im Namen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union rät Landesgeschäftsführer Jörg Reichel Medienschaffenden davon ab, sich beim Veranstalter der bevorstehenden “Querdenker”-Demo zu akkreditieren (die Akkreditierung ist mit einer Begleitung durch ein “Deeskalationsteam” verbunden). Reichel dazu: “Wir rechnen an dem Wochenende mit einer zweistelligen Anzahl von Angriffen durch TN der Demonstration auf Journalist:innen – bis hin zu Körperverletzungen. Es liegen z.Z. keine Infos vor, ob und wie die @polizeiberlin die Pressefreiheit an dem Tag schützen will. Die Veranstalter lehnten #b0108 die Zusammenarbeit mit Polizei in Fragen #Pressefreiheit ab.”

5. Der Killer von Konstanz – True Crime | Als ein Vergewaltiger plötzlich zwei Morde gesteht
(swr.de, Viktoria Merkulowa, Holger Schmidt, Thomas Fischer)
Im True-Crime-Podcast des SWR “Sprechen wir über Mord?!” unterhalten sich Moderatorin Viktoria Merkulova, ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt und Bundesrichter a. D. Thomas Fischer über wahre Verbrechen. In der aktuellen Folge geht es um den “Killer von Konstanz”, doch das ist eigentlich sekundär. Interessant sind die Passagen, in denen es um die Zuschreibungen und Bewertungen von Straftaten durch Medien, aber auch durch uns Mediennutzer und -nutzerinnen geht. Hörenswert, weil es interessante Denkimpulse liefert.

6. Wenn Männer meinen, Frauen hätten ihren Witz nicht kapiert
(faz.net, Ursula Scheer)
Mansplaining bezeichnet laut Wikipedia “herablassende Erklärungen eines Mannes, der fälschlicherweise davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht.” Die amerikanische Comedy-Autorin Nicole Tersigni illustriert auf ironische Art typische Fälle – anhand von klassischen Motiven der Kunstgeschichte.

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Total daneben oder total daneben?

“Dabei ist sie erst 17 Jahre alt”, schreibt RTL.de über Davina Geiss, die gemeinsam mit ihren Eltern Robert und Carmen sowie ihrer Schwester Shania als TV-Familie “Die Geissens” seit 2011 bei RTL II zu sehen ist. Und sie mag zwar “erst 17 Jahre alt” sein und damit noch minderjährig, aber das hindert die RTL.de-Redaktion nicht daran, Davina Geiss in dasselbe ätzende Bewertungsschema zu pressen, in das solche Portale jede weibliche Person pressen, die irgendwo im Bikini zu sehen ist:

Screenshot RTL.de - Hot oder total daneben? Davina Geiss (17): Die-Geissens-Spross räkelt sich sexy am Pool

Heute hat sich die 17-jährige Davina allerdings mal fürs Räkeln entschieden – ganz sexy im Bikini. (…)

Mit diesem aktuellen Instagram-Post setzt sich Davina ziemlich freizügig in Szene. Dabei ist sie erst 17 Jahre alt.

Total daneben ist auch die Dachzeile “Hot oder total daneben?”, die die RTL.de-Leserschaft offenbar dazu animieren soll, ein Urteil über eine Minderjährige zu fällen.

Aber warum das alles nur mit einer 17-Jährigen machen, wenn es auch eine 16-Jährige gibt, die man als “sexy” bezeichnen kann? Im selben Artikel schreibt RTL.de über Davinas ein Jahr jüngere Schwester Shania:

Auch Davinas jüngere Schwester, Shania, posiert bekanntlich gerne sexy vor der Kamera.

Mit Dank an @julian23_12 für den Hinweis!

Nachtrag, 20:51 Uhr: Inzwischen hat sich bei dem RTL.de-Artikel etwas getan. Ruft man die URL auf, wird man automatisch zum Portal VIP.de weitergeleitet, das sich als “PARTNER VON RTL.DE” präsentiert. Dort lautet die Überschrift (ohne die Dachzeile “Hot oder total daneben?”) nun:

Davina Geiss: 17-Jährige Geissens-Tochter sonnt sich im knappen Bikini am Pool

Im Text ist der Halbsatz “ganz sexy im Bikini” verschwunden. Und auch über Schwester Shania heißt es jetzt nur noch: “Auch Davinas jüngere Schwester, Shania, posiert bekanntlich gerne vor der Kamera” – also ohne das schmierige “sexy”.

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