Manchmal — also wirklich nur manchmal — finden wir, dass selbst die “Bild”-Redaktion auf ganz gute Ideen kommt. Wenn sie zum Beispiel bei Bild.de dieses Foto …
(Unkenntlichmachung des Gesichts durch uns, Verfremdung des Foto-Hintergrunds durch Bild.de.)
… extra verfremdet und im Artikel in einer Bildunterschrift dazu erklärt:
Dieses Selfie von Anis Amri fanden die BKA-Ermittler auf dem Handy des Terroristen. Es zeigt den späteren Weihnachtsmarkt-Attentäter vor dem Berliner Wohnhaus von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Foto entstand am 23. Oktober 2016, wenige Wochen vor dem Anschlag. BILD hat das Foto verfremdet, um keine Rückschlüsse auf den Wohnort von Angela Merkel zuzulassen
Das klingt ja erstmal so, als hätte sich jemand richtig Gedanken gemacht. Blöd nur, wenn im selben Artikel ein paar Absätze weiter unten steht:
Wenige Minuten zuvor hatte der Terrorist sich auch vor dem Wohnhaus von Merkel abgelichtet. Die Ermittler des BKA erwähnen in ihrer Auswertung jedoch nur das benachbarte […]-Haus, seit Jahren Sitz der […] Gesellschaft.
Viel mehr konkrete Hinweise, die “Rückschlüsse auf den Wohnort von Angela Merkel zulassen”, kann man kaum geben. Google braucht nicht mal eine Sekunde und spuckt einem dann aus, wo genau sich dieses “Haus” und diese “Gesellschaft” befinden.
Mit Dank an Chris B. für den Hinweis!
Nachtrag, 25. Oktober: Mehrere Leserinnen und Leser haben uns geschrieben, dass die Adresse von Angela Merkels Wohnhaus in Berlin durchaus bekannt ist, bei Stadtrundfahrten gern auf das Haus hingewiesen wird, und selbst bei Wikipedia die Information zu finden ist, wo genau die Bundeskanzlerin wohnt.
Uns ging es in diesem Beitrag auch gar nicht so sehr darum, dass Bild.de ein großes Geheimnis verraten haben könnte — wir fanden einfach die Widersprüchlichkeit innerhalb eines Artikels ganz amüsant. Und wir fanden die Scheinheiligkeit interessant, denn inanderenFällen ist die Redaktion nicht so rücksichtsvoll. Daher fänden wir es gut, wenn die “Bild”-Redaktion mit den Wohnadressen der Personen, über die sie berichtet, generell vorsichtiger umginge.
1. Juan Moreno und der Fluch der fast perfekten Pointe (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“Spiegel”-Fälscher Claas Relotius wirft seinem Ex-Kollegen und Fälschungsaufdecker Juan Moreno per Anwaltsschreiben “erhebliche Unwahrheiten und Falschdarstellungen” vor. Neben allerlei Petitessen geht es um eine Anekdote in Morenos Buch, die als wirkungsvolle Schlusspointe dient. Ließe diese sich nicht beweisen, sei dies ärgerlich, so Medienkritiker Stefan Niggemeier. Trotzdem sei es wichtig, “den Maßstab nicht aus den Augen zu verlieren. Moreno ist kein Relotius, in keiner Hinsicht.”
Weiterer Lesetipp: Der “6 vor 9”-Kurator erklärt seinem Vater auf Twitter “die aktuellen Vorgänge in Sachen #Relotius und #Moreno”. Dabei geht es um goldene Armbanduhren, einen Zweireiher und ein Halteverbot.
2. Twitter-Krach um rechtspopulistische Äußerungen (sueddeutsche.de, Sandra Lohse)
Es ist schon verwirrend, was sich teilweise beim Deutschen Journalisten-Verband abspielt: Ein Landesverband (Berlin-Brandenburg) macht durch fragwürdige und mit rechtspopulistischen Vokabeln gespickte Stellungnahmen auf sich aufmerksam. Der Dachverband distanziert sich von den Äußerungen, kann nach eigenen Angaben aber nicht direkt bei Twitter darauf reagieren, weil der Landesverband den Dachverband blockiert habe. Sandra Lohse schreibt über den irritierenden Verbandszwist. Nachtrag: BILDblog-Leser Sebastian Pertsch merkt bei Twitter an, dass im verlinkten Artikel der Hinweis zu den Regionalverbänden “DJV Berlin und JVBB” fehle: “So entsteht der Eindruck, es wäre der einzige Landesverband in Berlin. Dabei spielt der DJVBB bis auf die rechten Polemiken als AfD-Fanboy keine Rolle.” Nachtrag zum Nachtrag: Die Redaktion der “Süddeutschen” hat auf den Hinweis reagiert und die Information im Text nachgetragen.
3. Polizei schaut bei Eklat auf Frankfurter Buchmesse nur zu (tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Als der Journalist Jonas Fedders auf der Frankfurter Buchmesse über rechte Verlage recherchieren will, wird er von rechten Aktivisten und einem Szene-Verleger schikaniert, bedrängt und bedroht und an der Arbeit gehindert. Auf gewisse Weise unterstützt durch die Frankfurter Polizei, wie ein Videomitschnitt beweise. Sebastian Leber kommentiert: “So unpassend wie das Verhalten der Beamten vor Ort gerät auch die Stellungnahme der Frankfurter Polizei im Nachhinein. Obwohl das Video der Polizei bekannt ist und seine Authentizität eingeräumt wird, erklärt die Behörde vage, die Beamten vor Ort hätten die Ausübung der Pressearbeit zu keiner Zeit eingeschränkt. Das ist, wie das Video belegt, offensichtlich unwahr.”
4. Ermittler: Hetze kommt überwiegend von rechts (deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker, Audio: 10:41 Minuten)
Ann-Kathrin Büüsker hat sich im Deutschlandfunk mit Staatsanwalt Christoph Hebbecker über Hasskommentare im Internet unterhalten. Hebbecker arbeitet bei der staatsanwaltschaftlichen Anlaufstelle Cybercrime des Landes Nordrhein-Westfalen und beschäftigt sich tagtäglich mit Hasskriminalität. Die Fälle seien politisch ziemlich eindeutig zuzuordnen: “Wir können ganz klar sagen, dass die ganz weit überwiegende Anzahl der Fälle, die wir täglich bearbeiten, dem rechten und rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist, ein kleiner Teil auch dem linken Spektrum, und ein kleiner Teil ist auch keiner politischen Orientierung zuzuordnen.”
5. Die Macht der Komposition (zeit.de, Lena Luisa Leisten)
Die AfD ist für ihre populistische Sprache bekannt, die auf Gefühle und Framing setzt. Sie bedient sich dabei einiger sprachlicher Tricks: Besonders eingängige Wortzusammensetzungen gehören genauso dazu wie Begriffe aus dem Bereich der Naturkatastrophen oder dem Kampf- und Kriegskontext. Lena Luisa Leisten hat den AfD-Sprech anhand von echten Beispielen analysiert und klassifiziert. Eine lohnende Lektüre, die auch in den Deutsch- oder Politikunterricht gehören könnte.
6. Nicht lustig: Warum das Tränen-lach-Emoji sterben muss (haz.de, Matthias Schwarzer)
Matthias Schwarzer geht die lachende Fratze des Tränen-lach-Emojis auf die Nerven. Der Smiley werde inflationär eingesetzt und diene vielfach als Symbol von Überheblichkeit und Hass. Aus “sehr laut lachen” sei im Laufe der Jahre ein “auslachen” geworden: “Der Tränen-lach-Smiley hilft auch dem schlimmsten Rassisten, die eigentlich nicht vorhandene Witzigkeit auszudrücken und ein Gag-Feuerwerk (natürlich auf Kosten anderer) abzufeuern. Der Tränen-lach-Smiley wird dabei in den Facebook-Kommentarspalten zum Zeichen der Ausgrenzung, zum Zeichen der Erniedrigung, zur Verniedlichung ekelhaftester Beleidigungen.”