Das Argument kommt schon seit Jahren, vor allem aus der rechten Ecke. Als sich Herbert Grönemeyer 2015 gegen die “verbale Brandstiftung” in der Flüchtlingskrise ausgesprochen hatte, giftete “Bild” auf der Titelseite über den “arroganten Auftritt” des Sängers:
Er gab sich die Rolle als Allwissender in puncto Flüchtlingskrise — aus der bequemen Perspektive des in London lebenden Millionärs.
Als sich Grönemeyer im Sommer dieses Jahres unter dem Motto “Kein Millimeter nach Rechts” für eine “solidarische, bunte Gesellschaft ohne Hass und Hetze” aussprach, twitterte AfD-Politiker Björn Höcke:
So geht das seit Jahren immer wieder: Was mischt der sich eigentlich ein, der wohnt ja nicht mal in Deutschland, der zahlt hier nicht mal Steuern!
Blöd nur: Grönemeyer lebt seit über zehn Jahren wieder in Deutschland. Auch Steuern zahlt er in Deutschland, und zwar schon sein Leben lang, wie er immer wieder in Interviews erklärt:
Ich zahle auch mein Leben lang Steuern in Deutschland, selbst zu der Zeit als ich in England gewohnt habe, dort habe ich bis 2009 gewohnt.
Mein erster Wohnsitz ist Berlin. Inzwischen sind meine Kinder auch wieder in Deutschland. Und, Achtung, ich zahle meine Steuern in Deutschland. Schon immer.
Wer also sagt, Grönemeyer habe die Klappe zu halten, weil er ja in Deutschland weder lebt noch Steuern zahlt, ist entweder ein Lügner oder zu blöd zum Googeln. Und damit zum Chefredakteur der “Welt”-Gruppe.
Nachdem sich Grönemeyer vor ein paar Tagen bei einem Konzert in einer vielbeachteten Rede erneut gegen Rassismus geäußert hatte, twitterte Ulf Poschardt:
Viele Twitternutzer machten ihn schnell darauf aufmerksam, dass das nicht stimmt. Auch Grönemeyers Anwalt schaltete sich ein.
Nun hätte Poschardt natürlich einfach den Fehler einsehen, um Entschuldigung bitten und die Sache richtigstellen können. Aber: nee.
Und obwohl die lieben Follower*innen mit deutlicher Mehrheit für das Genießen des Rechtsstreits stimmten, zeichnete sich schon wenig später ab, dass Poschardt die lässig-bissige Kampfmasche doch nicht durchziehen würde.
Was wohl so viel heißt wie: Ich hab mich jetzt doch mal schlau gemacht und, uiuiui, das würde vor Gericht ganz schön in die Hose gehen, darum lege ich jetzt möglichst breit grinsend den Rückwärtsgang ein.
Auch hinter den Kulissen lenkte Poschardt ein und gab eine Unterlassungserklärung ab. Am Abend dann seine vorerst letzte Mitteilung in der Sache:
Die tatsächlichen Gründe für den Umzug erklärte Herbert Grönemeyer vor ein paar Jahren übrigens so:
Es gab mehrere Gründe. Wir zogen hin, als meine Frau schon sehr krank war und Angst hatte, dass die deutsche Presse das rauskriegt. Zudem wollten wir, dass unsere Kinder groß werden können ohne die Last des Namens. Für mich selbst war es auch gut. Man vergisst zuweilen, wer man ist. Im Ausland muss man sich ohne jedwede Vorteile behaupten. Das ist für den Charakter ganz gut.
Wenn er also vor etwas geflüchtet ist, dann nicht vor deutschen Steuern, sondern vor deutschen Journalisten. Wer kann es ihm verdenken?
Mit Dank an die Hinweisgeber!
Nachtrag, 2. Oktober: Wie die Kanzlei Schertz Bergmann bei Twitter schreibt, hat nun auch Björn Höcke eine Unterlassungserklärung abgegeben.