Ende Mai ging eine Nachricht um die Welt. Angefangen beim “Guardian”, drehte sie schnell auch in deutschsprachigen Medien ihre Runde: Sie erschien unter anderem bei Stern.de, der “Berliner Zeitung”, dem “Kölner Stadtanzeiger”, dem “Berliner Kurier”, dem “Express”, der “Mopo”, bei “Focus Online”, Woman.at, Heute.at, Kurier.at, Kosmo.at, Wienerin.at, Diepresse.com, Bunte.de, Watson.de, Web.de, Businessinsider.de, Gmx.de, Yahoo.de, Infranken.de, Elle.de, Freundin.de, RTL.de — nämlich:
In den Artikeln geht es um Aussagen des Verhaltensforschers Paul Dolan. Der bewirbt gerade sein neues Buch und wirft deshalb bei jeder Gelegenheit mit knackigen Thesen um sich. Vor allem mit jener, dass unverheiratete, kinderlose Frauen am gesündesten und glücklichsten seien. Verheiratete Frauen hingegen seien weniger glücklich und würden sogar früher sterben. Außerdem:
Verheiratete Menschen sind glücklicher als andere Bevölkerungsuntergruppen, aber nur dann, wenn ihr Ehepartner im Zimmer ist, wenn sie gefragt werden, wie glücklich sie sind. Wenn der Ehepartner nicht anwesend ist: verdammt elend.
Oder im Original:
Married people are happier than other population subgroups, but only when their spouse is in the room when they’re asked how happy they are. When the spouse is not present: fucking miserable.
Spätestens an dieser Stelle wurde ein anderer Forscher, Gray Kimbrough von der American University’s School of Public Affairs, stutzig.
Kimbrough hat in seiner Arbeit oft mit den Daten des “American Time Use Survey” (ATUS) zu tun — den gleichen Daten, aus denen Dolan auch seine knackigen Thesen abgeleitet hat. Und so fiel Kimbrough sofort auf, dass Dolan einen peinlichen Fehler gemacht hatte: In der ATUS-Umfrage gibt es eine Kategorie, die “spouse absent” (“Ehepartner abwesend”) heißt. Daraus wurde dann bei Dolan (und schließlich in den Medien), dass verheiratete Menschen nur dann glücklich seien, wenn ihr Ehepartner während der Befragung “im Zimmer ist”, und dass es ihnen “fucking miserable” gehe, wenn er nicht im Zimmer ist. Das ist aber völliger Blödsinn. “Spouse absent” ist einfach die Kategorie für Befragte, die zwar noch verheiratet sind, aber nicht mehr im selben Haushalt leben.
Dolan selbst hat den Fehler inzwischen eingeräumt, der “Guardian” hat ihn nun auch korrigiert. Die deutschsprachigen Medien nicht.
Diese Stelle war jedoch nicht das einzige Problem. Auch die anderen Thesen Dolans “fallen schon nach einem flüchtigen Blick auf die Daten auseinander”, kritisiert Kimbrough. So ergibt sich aus den ATUS-Daten beispielsweise diese Tabelle:
Und wie man sieht, sind nicht die unverheirateten, kinderlosen Frauen am glücklichsten. Auch nach ihrem Alter betrachtet liegen Verheiratete auf der Happiness-Skala nahezu durchgehend über den Nie-Verheirateten:
Das ist so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Dolan und mit ihm etliche Medien behaupten. Dolan selbst ist immerhin ein kleines bisschen zurückgerudert. Von den Journalisten aber, die, statt selber zu recherchieren, einfach voneinander abgeschrieben haben, hat vermutlich nicht mal jemand gemerkt, was für einen Quatsch sie da verbreiten.
Mit Dank an Benjamin für den Hinweis!
Siehe auch:
Nachtrag, 20. Juni: Stern.de hat den Artikel nun komplett überarbeitet.