Letzte Woche veröffentlichte Bild.de … Nee, anders!
Vergangene Woche veröffentlichte die Polizei Leipzig … Nee, noch anders!
Ende September 2017 wurde in Leipzig-Liebertwolkwitz ein BMW 730d gestohlen. Der Dieb fuhr offenbar kurz darauf auf der Bundesstraße 6 in eine Radarfalle und wurde dort fotografiert. Ein praktisches Beweismittel, das die Polizei aber nicht ohne richterliche Erlaubnis veröffentlichen durfte.
Oder in den Worten von Bild.de:
Das Blitzerfoto brauchte lange Zeit, um Ämter und Behörden zu passieren. Jetzt endlich genehmigte ein Richter die Öffentlichkeitsfahndung, ließ die Polizei aber wissen, dass diese „vorerst ausschließlich in den örtlichen Printmedien erwünscht ist und ohne Online-Medien“ erwünscht sei.
Und wie geht es im nächsten Absatz wohl weiter?
Diesem Wunsch kommt BILD nicht nach, zeigt den rasenden Autodieb natürlich auch online. Die Polizei will wissen: Wer erkennt auf dem Bild den Fahrer und kann diesen identifizieren? Hinweise an die Kripo unter Telefon: (…) oder jede Dienststelle.
(Hervorhebung im Original)
“Natürlich”.
Denn Bild.de ist, was das angeht, in Sachsen durchaus polizeibekannt. Im Oktober 2016:
Schauen Sie sich diese Frau und diesen Mann ganz genau an! Wenn Sie das Paar erkennen, rufen Sie unbedingt die Polizei (…), auch wenn diese die Online-Fahndung nach den brutalen Räubern aus Dresden “nachdrücklich” verhindern will.
“Wir bitten nachdrücklich darum, von einer Veröffentlichung im Internet einschließlich sozialer Netzwerke abzusehen”, teilte Polizeisprecherin Jana Ulbricht am Donnerstag mit. Nach ihrem Wunsch sollen nur “lokale Printmedien” über den Fall berichten.
Diesem Wunsch entspricht BILD nicht. Wir zeigen die Täter im Internet, damit diese endlich gefasst werden. Denn die Fahnder haben bereits wichtige Zeit mit erfolglosen Ermittlungsversuchen verstreichen lassen.
(Hervorhebungen im Original)
Im Dezember 2017:
Es geschah bereits am 9. August. Doch wie üblich warteten Polizei und Justiz erst einmal ab, öffentlich nach dem Täter zu suchen. Und auch jetzt — nach vier Monaten — soll die “Öffentlichkeitsfahndung” ohne breite Öffentlichkeit stattfinden und “auf die örtlichen Print-Medien beschränkt” bleiben. BILD ignoriert diese Bitte und zeigt die Fotos im Internet.
Als wir die Polizeidirektion Leipzig um eine Stellungnahme zum aktuellen Fall gebeten haben, wirkte Pressesprecher Andreas Loepki dann auch ein wenig resigniert und verwies nur auf ein Interview, das er dem Medienblog “Flurfunk Dresden” bereits im Dezember 2016 gegeben hatte — nach der oben aufgeführten “nachdrücklichen” Bitte der Polizei und der Trotzreaktion von Bild.de.
Darin erklärt Loepki ausführlich, warum die Polizei auf das sogenannte “Stufenmodell” bei der Öffentlichkeitsfahndung setzt (hat mit für Bild.de so absurden Konzepten wie “Persönlichkeitsrechten” und “Verhältnismäßigkeit” zu tun und damit, dass er “als Polizeibeamter selbstverständlich mehr Gesetze und Verordnungen beachten und anwenden muss, als andere”) und was Medienvertretern droht, die sich den Bitten der Polizei widersetzen (“rechtliche Grauzone”, “am ehesten könnte sich ein abgebildeter Tatverdächtiger wehren”).
Und er sagt auch, warum er zuvor einige Medienvertreter als “unbelehrbar” bezeichnet hatte:
Bestimmte Medienvertreter — insbesondere von Online-Medien — wurden bereits mehrfach und konstruktiv auf Sinn und Zweck des Stufenmodells hingewiesen. Dies können sie zwar einigermaßen nachvollziehen, aber aufgrund der mangelnden Konsequenzen überwiegt leider das Veröffentlichungs- bzw. Verkaufsinteresse. Hierbei wurden teilweise sogar unsere einschränkenden Worte aus der E-Mail abgedruckt und als polizeilicher Unwille dargestellt, um sich selbst zum Kämpfer für Recht und Ordnung aufzuschwingen. Da werde ich dann empfindlich und scheue auch nicht davor zurück, diesen Journalisten eine Verbalohrfeige zu erteilen, denn letztlich geht es ihnen allein um “Klickzahlen” und den Verkauf ihrer Werbebanner.
Theoretisch hat “Bild” übrigens im vergangenen Oktober mal einen Oberstaatsanwalt erklären lassen, wie so eine Öffentlichkeitsfahndung funktioniert, warum sie manchmal erst so spät erfolgt und was es dabei alles zu beachten gilt.
Das hat nur in der Redaktion in Sachsen vermutlich niemand gelesen.