Auf der Titelseite des “Berliner Kuriers” ist heute Doppelapokalypse:
Hilter. Atompilz. Ein Boulevard-Traum.
Tatsächlich hat die ganze Sache aber nichts mit Uran zu tun, erst recht nichts mit einem Atompilz und höchstwahrscheinlich auch nichts mit Adolf Hitler.
Aber von vorne.
Im brandenburgischen Leegebruch, einem kleinen Ort mit etwas weniger als 7000 Einwohnern, gab es am Mittwochabend große Aufregung. Ein 64-jähriger Mann, der gerne mit seinem Metalldetektor in der Region nach Schrott und Schätzen sucht, war auf einen etwa 1,3 Kilogramm schweren Gegenstand gestoßen, der zwar metallähnlich aussah, aber nicht magnetisch war. Er nahm den Klumpen mit nach Hause, ließ ihn ein paar Tage rumliegen, schaute ihn dann zusammen mit seinen Kindern an, googelte ein wenig rum — und zack: Atom-Alarm in Leegebruch.
Polizei und Feuerwehr rückten an, zogen einen Sperrkreis um das Haus des Mannes und untersuchten den Gegenstand, bei dem der Finder inzwischen meinte, dass es sich um Plutonium handeln könnte. Die zuständige Polizeidirektion Nord gab gestern eine Pressemitteilung raus, die mit “Radioaktiver Fund” überschrieben ist und in der steht:
Die gemessene Strahlung war schwach. (Achtung: Wert von ca. 400 Nanosievert ist noch unbestätigt.)
Ja, das, was die Feuerwehr vor Ort gemessen hatte, war zu diesem Zeitpunkt alles “noch unbestätigt”. Wichtig in diesem Zusammenhang auch: Die benachbarte Stadt Oranienburg gilt als der radioaktiv am meisten belastete Ort Deutschlands, nachdem die Alliierten im Zweiten Weltkrieg mit Tausenden Bomben die dort ansässigen Auerwerke, in denen unter anderem Uranoxid angereichert wurde, komplett zerstört hatten.
Ein Mann findet einen bislang unbekannten Gegenstand in einer Region, in der Mal mit Uran hantiert wurde — für den “Berliner Kurier” reichte diese Faktenlage, um heute auf der Titelseite von einem “Atom-Klumpen-Fund” zu sprechen. Im Blatt hat die Geschichte eine komplette Doppelseite bekommen:
Die zwei Autoren schreiben dort:
Denn allem Anschein nach haben sie [der Mann und seine Kinder] etwas gefunden, aus dem die Nazis im Zweiten Weltkrieg eine Atombombe bauen wollten.
Und:
Kurz darauf die Bestätigung der Behörden: Ja, der Klumpen von Bernd T. ist radioaktiv. Und strahlt.
… was den Zusatz “Achtung: Wert von ca. 400 Nanosievert ist noch unbestätigt.” in der Polizeimeldung komplett missachtet.
Inzwischen haben sich auch Mitarbeiter der Strahlenschutzbehörde den 1,3-Kilo-Klumpen angeschaut und kommen zu dem Ergebnis: null Radioaktivität.
Wir wissen nicht, wann beim “Berliner Kurier” Redaktionsschluss ist. rbb24.de brachte die Nachricht, dass es sich bei dem Fund in Leegebruch nicht um radioaktives Material handelt, gestern bereits um 17:06 Uhr.
Das “Uran” in der “Kurier”-Schlagzeile ist also Quatsch. Bleibt noch der Zusammenhang mit Adolf Hitler, über den die Redaktion auf der Titelseite schreibt:
Polizei sieht Zusammenhang mit Atombomben-Forschung der Nazis.
Im Artikel machen die Autoren keine Scherze:
Kein Scherz: Auch die Polizei geht davon aus, dass strahlende Fund (sic) aus einer alten Nazi-Fabrik stammt.
Sie zitieren die Polizei sogar:
Doch wie kommt ein radioaktiv strahlender Metall-Klumpen nach Brandenburg? Die Polizei geht von einem Zusammenhang “mit der früheren Geschichte Oranienburgs und den Auer-Werken” aus.
Die komplette Aussage der Polizei steht in der bereits erwähnte Pressemitteilung und geht so:
Nicht ausgeschlossen wird derzeit ein Zusammenhang mit der früheren Geschichte Oranienburgs (Auer-Werke).
Die Polizeidirektion Nord kann sicher auch einen Zusammenhang mit dem nordkoreanischen Atomprogramm nicht hundertprozentig ausschließen. Der “Berliner Kurier” hätte also auch titeln können: “Schießt der Irre aus Nordkorea auf Leegebruch?”
Wir haben uns erlaubt, die “Kurier”-Titelseite von heute etwas zu korrigieren: