Archiv für Juli 22nd, 2015

Mörder auf der Titelseite

Die Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de können sich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass auch Täter — und sei ihr Verbrechen noch so abscheulich — Rechte haben. Zum Beispiel Menschenrechte, aber auch Persönlichkeitsrechte. Oder das Recht, nach der Verbüßung ihrer Strafe wieder vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden. Damit das klappt, müssen ihnen die Gesellschaft und die Medien natürlich erstmal die Chance dazu geben.

Am vergangenen Freitag haben “Bild” und Bild.de ein Paradebeispiel geliefert, wie das zu verhindern ist:


(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)

Wenn eine Redaktion von einem solchen Vorfall in einer Justizvollzugsanstalt hört, mag sie sich dazu entscheiden, darüber zu berichten. Und dass “Bild” das in einer boulevardesk-knalligen Aufmachung tut — geschenkt. Problematisch ist der Umfang der identifizierenden Berichterstattung: auf der Titelseite mit unverpixelten Fotos, Vornamen, abgekürzten Nachnamen und Kurzabriss der Taten; im Innenteil großflächig noch einmal Fotos der “zwei besonders brutalen Killer”, dazu ausführlichere Schilderungen ihrer Verbrechen, ein Foto aus der JVA und Archivfotos der damaligen Tatorte:

Die Taten liegen inzwischen zehn beziehungsweise 14 Jahre zurück. Ihre erneute Ausbreitung durch die “Bild”-Medien ist in diesem Fall besonders gravierend, weil der eine Häftling (der Zusammengeschlagene) in einem Jahr entlassen werden könnte. Das weiß auch Autor Peter Rossberg, er schreibt es schließlich selbst. Beim anderen Insassen ist die zehnjährige Haftstrafe auch bald rum, allerdings gab es aufgrund weiterer Vorfälle in der Haft weitere Verurteilungen.

Damit sei die Veröffentlichung von “Bild” und Bild.de rechtswidrig, sagt der Medienrechtsprofessor Udo Branahl auf Anfrage:

Bei Straftaten, die so lange zurückliegen, dass potenziell eine Entlassung bervorsteht, genießen die Täter einen Resozialisierungsschutz. Über die Prügelei mag man berichten können, aber nicht flächendeckend über die Taten von damals.

Das sieht auch das Bundesverfassungsgericht so. Und das nicht erst seit Neuestem, sondern schon seit 1973:

Die für die soziale Existenz des Täters lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, und das Interesse der Gemeinschaft an seiner Resozialisierung gehen grundsätzlich dem Interesse an einer weiteren Erörterung der Tat vor.

Für den Fall, dass ein Medium — warum auch immer — doch unbedingt über eine länger zurückliegende Tat berichten will, hat der Deutsche Presserat im Pressekodex festgehalten, was dabei zu vermeiden ist:

Wenn erneut über ein zurückliegendes Strafverfahren berichtet wird, sollen im Interesse der Resozialisierung in der Regel Namensnennung und Fotoveröffentlichung des Täters unterbleiben. Das Resozialisierungsinteresse wiegt umso schwerer, je länger eine Verurteilung zurückliegt.

“Bild” und Bild.de haben es mit der Veröffentlichung vom vergangenen Freitag geschafft, nicht einmal diesen Mindeststandard einzuhalten.

FIFA, Insel-Märchen, Robo-Reporter

1. „Das Märchen von der Buffett-Insel“ 
(capital.de, Christian Kirchner)
Am Wochenende machte eine Falschmeldung die Runde: Der Milliardär Warren Buffett soll eine griechische Insel für 15 Millionen Euro erworben haben. Der angebliche Kauf löste internationale Empörung aus. Diese Meldung wurde unter anderem von Bild.de, „Spiegel Online“ (Klarstellung) und manager-magazin.de (Klarstellung) verbreitet. Christian Kirchner mahnt deshalb:

Der Fall zeigt aber, dass eine verbale Abrüstung Not tut, weil derartige Meldungen wie der Kauf einer Insel durch einen US-Großinvestor Ressentiments schüren und entscheidend zur Meinungsbildung in Sachen Griechenlandkrise beitragen. Das erfordert entsprechende Vorsicht (…).

2. „Die Schreib-Maschinen“
(brandeins.de, Lars Jensen)
Lars Jensen besucht die Agentur „Associated Press“ und die Erfinder des Schreibroboters „Wordsmith“. Beide Unternehmen zeigen sich zufrieden mit der Arbeit, die die „Robo-Reporter” leisten, auch wenn Autor Lars Jensen anmerkt, die Meldungen läsen sich, „als hätte sie ein leicht gelangweilter Redakteur geschrieben“. Angst müssten Journalisten aber keine haben, sagt Robbie Allen, Gründer von „Wordsmith“, denn: „Eine Filmkritik oder einen Kommentar zu Obamacare kann kein Algorithmus schreiben.“

3. „Wir müssen lernen, den Shitstorm zu lesen”
(meedia.de, Christoph Driessen)
„In einem kollektiven Empörungssturm können sich große gesellschaftliche Fragen zeigen”, sagt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen im Interview. Er schlägt vor, einen Shitstorm als gesellschaftliche Komponente und nicht als Kampfbegriff zu betrachten. Es ließen sich daraus gar Wertkonzepte aufzeigen.

4. „That FIFA Movie Really Was As Much Of A Bomb As You Heard“
(fivethirtyeight.com, David Goldenberg, englisch)
David Goldenberg entlarvt den 27 Millionen Dollar teuren FIFA-Film „United Passions” als großen Flop in den USA. Bis in die deutschen Kinos schaffte es der Streifen nicht. Hauptdarsteller Tim Roth, der den FIFA-Boss Joseph Blatter spielt, schäme sich heute für den Film.

5. „Warum machst du es dir so schwer?“
(girlsguidetoblogging.de, Sandra)
Sandra Konrad gibt drei Tipps, die den Einstieg ins Blogger-Dasein erleichtern und sich zum Teil auch Journalisten zu Herzen nehmen können: „Du wirst es nie allen recht machen können. Das ist einfach so. Punkt! Das Gute daran: Du musst es auch nicht.“

6. „Was ich sehe, wenn ich versehentlich auf der Startseite vom FOCUS lande“
(torbenfriedrich.de)