Archiv für Juni 8th, 2015

“Bild” schützt Guttenberg vor Lesermeinung

Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg darf heute in der “Bild”-Zeitung (und seit gestern auf Bild.de) mal wieder zur Nation sprechen:

Guttenberg findet, dass das “trotzige Kind” Wladimir Putin mit seinen “lauten Rülpsern” nichts auf Schloss Elmau verloren habe: Es sei richtig …

unser freiheitlich demokratisches Wertesystem nicht zu verschachern. Genau das würde im Falle einer Nachladung Putins geschehen.

Dieser würde kaum demütig auftreten, sondern sich in seinem zynischem Handeln noch bestätigt sehen. Es wäre ein fatales Signal an all jene, die in unseren Werten ihr Feindbild sehen.

Die Aufmerksamkeit nutzt Guttenberg, um gleich auch noch gegen “meist nicht so gute Gutmenschen” auszuteilen, die gegen das G7-Treffen protestieren. Seine Worte wirken aber vor allem wie eine späte Abrechnung mit dem Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der Guttenberg in der Plagiatsaffäre einst “Hybris” und “Hochstaplerei” vorwarf:

Tausende Demonstranten in München und Garmisch. Viele meinen es gut und wissen es nicht besser. Manche aber sehr wohl.

Bestes Beispiel inmitten der Protestierenden: ein breit grinsender Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Ja, jener, der vor einigen Jahren noch selbst G7-Gipfel kritiklos mitorganisierte.

Sicher, in unserem Land gibt es das Recht auf Meinungsänderungsfreiheit. Gottlob. Es gibt aber wohl kaum einen Politiker, der davon so schamlos und lediglich wahltaktisch Gebrauch macht wie Trittin. Eigentlich sollte es diese Form der Verlogenheit sein, die die Menschen auf die Straße treibt.

Karl-Theodor zu Guttenberg ist für Bild.de — noch immer“Deutschlands populärster Politiker”. Und wenn so einer “exklusiv” seine Meinung aufschreibt, müssten die Herzen der Leser doch höher schlagen.

Die Rechnung ging aber nicht so ganz auf




















Nach mehr als 300 Kommentaren, von denen ein Großteil Kritik an Guttenberg enthielt, hatte die Redaktion genug: Der Artikel wurde abgeschaltet und neu eingestellt, dieses Mal aber ohne Kommentar-Funktion.

Wenn in der Kommentarspalte auf Bild.de rassistisch gehetzt wird, dauert es eine halbe Ewigkeit, bis mal jemand einschreitet. Doch wenn die Leserschaft in vergleichsweise harmloser Wortwahl ihre negative Meinung gegen einen “Bild”-Liebling kundtut, geht es ratzfatz.

Mit Dank an “Deichkind”!

Alan Rusbridger, Günther Jauch, Simbabwe

1. “Nummer 10 oder 11 geht”
(freitag.de, Alan Rusbridger)
Alan Rusbridger schaut auf 20 Jahre als Herausgeber des “Guardian” zurück: “Die Entscheidung der Familie Scott, alle finanziellen Interessen an der Zeitung aufzugeben, dürfte zu den historischen Großtaten in Sachen gesellschaftlich ausgerichteter Philanthropie zählen. Auf diese Weise schufen sie eine Eigentümerstruktur, die nur zwei Zwecken dient: die Zukunft des Guardian zu sichern und in jeder Lage, um jeden Preis und gegen alle Widrigkeiten die Unabhängigkeit der Zeitung zu wahren. Natürlich bleibt die Zukunftssicherung eine ständige Aufgabe, aber Rücklagen in Höhe von rund einer Milliarde Pfund sind dafür zumindest eine starke Basis.”

2. “Beflügelt durchs Internet”
(journafrica.de, Malvern Mkudu)
Malvern Mkudu stellt “Zambezi News” vor, eine Comedyshow aus Simbabwe: “Zambezi News parodiert die propagandistische und dilettantische Berichterstattung der staatlich kontrollierten simbabwischen Rundfunkgesellschaft. (…) Mit ihrem Fokus auf tagtägliche Probleme, fand die Show Anklang bei vielen Simbabwern im In- und Ausland. Die Sendung macht sich über die Regierung lustig und richtet ihr Augenmerk vor allem auf die Unterdrückung durch den Staat.”

3. “‘Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?'”
(zeit.de, Annika von Taube)
Wie “Zeit”-Kommentatoren auf Eingriffe der Moderation reagieren.

4. “Fallstricke – wie Sibel Arslan zu Fall gebracht wurde”
(srf.ch, Audio, 55:43 Minuten)
Christoph Keller setzt sich ausführlich mit der Nicht-Beförderung von Sibel Arslan auseinander: “Als sie zu ihrem ersten grossen Karriereschritt ansetzt, schaltet sich die lokale Zeitung ein, die ‘Basler Zeitung’, mit Erfolg: Sibel Arslan kriegt ihre bereits zugesagte Stelle nicht. Ein Lehrstück über die Macht der Medien.”

5. “Ausreden lassen”
(sueddeutsche.de, Claudia Tieschky)
Claudia Tieschky empfiehlt der ARD, die Einstellung von “Günther Jauch” “zum harmonischen Abbau des Talk-Überschusses” zu nutzen. “Ähnlich wie im Fall des Entertainers Thomas Gottschalk war die ARD bereit, für eine Verheißung sehr viel Geld auszugeben, die sie offenbar selbst nicht produzieren kann. Sie wollte eine am Privatfernsehen orientierte, quotenträchtige Unterhaltsamkeit paaren mit der untadeligen öffentlich-rechtlichen Glaubwürdigkeit.” Siehe dazu auch “Ihr werdet ihn noch vermissen!” (taz.de, Heiko Werning).

6. “Jauch hört auf! Jetzt spricht der beliebte Moderator selbst!”
(ahoipolloi.blogger.de)