Es kommt häufiger vor, dass ein Medium irgendeinen Quark über Helene Fischer berichtet und kurz darauf einen Rückzieher machen muss. Das hier ist aber eine Premiere.
Über 20 Medien mussten in den vergangenen Tagen ihre Artikel löschen und Korrekturen veröffentlichen:
Anfangspunkt der Berichterstattung war eine Geschichte, die die “Bild”-Zeitung Ende August publik gemacht hatte. Demnach soll Helene Fischer einen Fan, der unter einer Nervenkrankheit leidet, nach einem Konzert angeblich ausgelacht haben. Und der will sie deswegen nun verklagen.
Was das mit Europol zu tun hat? Nun ja:
Da Fischer ihre Adresse verdeckt, wie viele andere Prominente übrigens auch, wird die Kontaktaufnahme nun vom Gericht erledigt – via Europol-Fahndung.
… schrieb vor zwei Wochen das österreichische Portal oe24.at. Eine nähere Erklärung oder gar Belege gab es dazu nicht. Bloß die Behauptung.
Aber die reichte vielen Journalisten schon, um die Geschichte ungeprüft zu übernehmen. Und so berichteten unter anderem “Focus Online”, die “Huffington Post”, die “Hamburger Morgenpost”, der “Berliner Kurier”, die Online-Portale von SWR3, “InTouch”, VIVA und EuroSport, außerdem Gmx.de, Web.de, Promiflash.de, News.de, Krone.at, Mittelbayerische.de, Watson.ch, port01.com, Volksstimme.de, Nordbayern.de und 20min.ch.
Sie alle haben ihre Artikel inzwischen wieder gelöscht und Korrekturen bzw. Gegendarstellungen wie diese veröffentlicht:
Dass diese Geschichte Blödsinn ist, hätten die Journalisten übrigens auch ganz allein herausfinden können, wenn sie für ein paar Sekunden ihr Gehirn oder wenigstens Google bemüht hätten.
Der Zuständigkeitsbereich von Europol umfasst nämlich gemeinhin Delikte wie …
- Menschenhandel
- Kriminalität im Zusammenhang mit nuklearen und radioaktiven Substanzen
- Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme
- Geldwäsche
- illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen
… und alles andere, was mit Terrorismus, schwerer Kriminalität und organisiertem Verbrechen zu tun hat. Das Auslachen von Fans gehört eher nicht dazu.
Mit Dank an auch an Anonym, Bruesseldorfer und Miriam K.
Autorisierung, SEO, Salafisten
1. “Der Fotograf als Pädokrimineller”
(rheker.wordpress.com)
Sascha Rheker macht sich Gedanken über einen Gesetzentwurf, der “die unbefugte Herstellung oder Verbreitung” von Fotos, auf denen nackte Kinder oder Jugendliche zu sehen sind, unter Strafe stellen will. “Wer das Urlaubsfoto eines Familienvaters oder ein anderes harmloses Kinderbild, wie einen Anne Geddes Bildband, über die Konstruktion ‘unbefugt’ auf eine Stufe mit dem, was man landläufig Kinderpornographie nennt stellt, der verharmlost letzteres und der verharmlost das, was Kindern da bei der Produktion dieser Bilder an Mißbrauch zustößt.” Siehe dazu auch “Ermittlungstatbestand: Kinderfotos” (notes.computernotizen.de, Torsten).
2. “Genug gekuschelt! Warum die Autorisierungspraxis deutschen Medien schadet”
(meedia.de, Peter Littger)
Peter Littger glaubt, die Autorisierung von Texten schade dem Journalismus in Deutschland: “Während Briten meistens so genannte durchgeschriebene Texte verfassen, in denen sie einzelne Zitate aus den Gesprächen nutzen, aber darüber hinaus auch andere Stimmen zu Wort kommen lassen und das Gespräch insgesamt journalistisch einordnen, ziehen deutsche Journalisten sehr häufig die Form des Wortlautinterviews vor. Damit entziehen sie sich jeder journalistischen Einordnung, was man objektiv finden mag, was aber vor allem einfach und bequem ist.”
3. “Wie ‘CHIP Online’ künftig die Lotto-Zahlen vorhersagt. Oder: Warum SEO mächtig nervt”
(basicthinking.de, Tobias Gillen)
Chip.de veröffentlichte am 15. September einen Text über ein Ereignis, vom dem wahrscheinlich war, dass es am 17. September eintreffen wird.
4. “‘Ich bin ein Korinthenkacker-Typ'”
(cicero.de, Merle Schmalenbach)
Merle Schmalenbach trifft Postillon-Gründer Stefan Sichermann in Fürth: “Sein Erfolg zeigt, dass man im Internet mit Beharrlichkeit sehr weit kommen kann.”
5. “Mehr Journalismus waltern”
(schaechtele.tumblr.com)
Kai Schächtele schreibt über die Krise der Zeitungen: “Die Selbständigen haben längst verinnerlicht, dass sie Risiken eingehen müssen, um voranzukommen. Es ist höchste Zeit, dass dieses Bewusstsein auch unter den Festangestellten ankommt. Zu ihrem eigenen Wohl.”
6. “Muslimin über Salafisten in Deutschland: ‘Herr Augstein, Sie irren'”
(spiegel.de, Sounia Siahi)
Sounia Siahi antwortet auf eine Kolumne von Jakob Augstein: “Herr Augstein, ich will mich hier in meinem deutschen Zuhause nicht wie in einem arabischen Land bewegen müssen. Ich fühle mich hier frei, beschützt und in jeder Hinsicht gesegnet. Und dieses Gefühl möchte ich mir um nichts in der Welt nehmen lassen. Wenn der deutsche Staat dafür tut, was er tun muss, kann ich es verstehen.”