Archiv für Februar, 2011

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“Man darf nicht bescheißen!”

Nach der Volks-Pizza, dem Volks-Joghurt und dem Volks-PC präsentiert “Bild” heute stolz das neueste Mitglied der Produktpalette: das Volks-Kammerergebnis.

87% Ja-Stimmen beim BILD-Entscheid: "Ja, wir stehen zu Guttenberg!"

Das Ergebnis der großen Telefon- und Fax-Abstimmung (BILDblog berichtete) unterscheidet sich marginal von der Umfrage auf Bild.de, auf die die Redaktion inzwischen aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr verlinkt:

Er sollte zurücktreten, meinen 56% der Leser.
Da “Bild” seine Leser auch gebeten hatte, Begründungen für ihr Votum einzureichen, war die Seite 2 heute schnell gefüllt: 19 Pro-Guttenberg-Leserzuschriften stehen drei gegenüber, die den Minister zum Rücktritt auffordern — womit das Abstimmungsergebnis exakt repräsentiert wird.

Unter den Leserbriefen finden sich Meinungen wie diese:

“Fehler machen wir alle. Wir und unsere Kinder brauchen Politiker wir Herrn zu Guttenberg. Deshalb, Herr Minister: Bleiben Sie bitte im Amt.”

Svenja R. (41), Golf-Managerin aus Sch. (NRW)

(Alle Anonymisierungen von uns.)

Auch Leute, die sich mit Berufsehre auskennen, kommen zu Wort:

“Als Handwerksmeister werde ich nach meinen handwerklichen Fähigkeiten beurteilt. Ob ich einen Doktortitel habe, spielt dabei keine Rolle. Das gleiche muss auch für Politiker gelten!”

Hermann R. (76), ehem. Installateurmeister aus Sch. (Hessen)

Doch nicht alle Zuschriften sind so schlüssig:

“Im Dritten Reich musste mein Vater ins Gefängnis, weil er sich für die Wahrheit eingesetzt hat. Auch heute haben in Deutschland nur wenige den Schneid, eigene Fehler einzugestehen. Herr Guttenberg hat das getan. Deshalb wünsche ich mir, dass er Minister bleibt.”

Amoene Sybille R. (75), Rentnerin aus W.

Es lohnt sich, mal wieder einen Blick in die Archive zu werfen: Nachdem die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Andrea Ypsilanti, im Jahr 2008 beim Versuch einer Regierungsbildung von ihrem ursprünglichen Vorhaben abgelassen hatte, “keine Zusammenarbeit” mit der Linkspartei einzugehen (“weder so noch so”), nannte “Bild” sie fortan einigermaßen konsequent “Frau Lügilanti” und veröffentlichte damals Leserbriefe wie diese:

Jedem Arbeitnehmer, der seinen Chef belügt, droht die fristlose Kündigung (“Vertrauensbruch”). Frau Ypsilanti hat ihren Arbeitgeber, den hessischen Steuerzahler, aufs Tiefste belogen.

Christian L., O. (Niedersachsen)

Sie ist doch in guter Gesellschaft. Und da wundern sich die Politiker, wenn die Wahlbeteiligung zurückgeht. Ich habe schon lange den Glauben an die Aufrichtigkeit der Politiker verloren.

Gerhard H., C. (Niedersachsen)

Franz Josef Wagner schrieb damals einen (selbst für seine Verhältnisse bemerkenswerten) Brief an die “Liebe Lüge” und erklärte:

Wenn ich mich über die Lügnerin Ypsilanti empöre, dann muss ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich selbst ein wahrheitsliebender Mensch bin. Als Kolumnist ja, glaube ich. Privat – das ist Ansichtssache.

Schon im Februar 2008 hatte Wagner an Andrea Ypsilanti geschrieben:

Frau Ypsilanti, Sie müssen sich an Ihre Wahlversprechen halten, weil sonst das Bescheißen überhandnimmt. Der Diebstahl am Arbeitsplatz, die Steuerhinterziehung. Wenn Lügen in Deutschland schick werden, dann haben wir einen nationalen Notstand. Ich fordere Sie auf, nicht zu betrügen, weil wir doch alle moralisch sein wollen.

Im November 2008 schrieb Wagner an sie:

Sie haben technische Fehler zugegeben, aber keine moralischen.

Und im Januar 2009:

WER EINMAL LÜGT, DEM GLAUBT MAN NICHT.

Wagner gerierte sich lange als Verteidiger des einfachen Volkes. Über unrechtmäßig erlangte Erfolge schrieb Wagner im Januar 2008:

Lieber Oskar Lafontaine,

ich habe Ihnen noch gar nicht zu Ihren Wahlerfolgen (7,1 und 5,1 Prozent) gratuliert. Ich sage Ihnen, warum. Weil ich einem Doping-Betrüger auch nicht gratuliere. Sie dopten Ihre Wähler mit den Drogen “Weg mit Hartz IV”, “Weg mit der Rente mit 67”, “Raus aus Afghanistan”.

Das ist, wie wenn man verspricht: nie mehr Zahnweh, nie mehr Liebeskummer, nie mehr Insektenstiche.

Auf dem Höhepunkt von Ulla Schmidts “Dienstwagen-Affäre” schrieb er:

Was mich empört ist, dass die Mächtigen glauben, dass das alles normal ist. Als wären sie Könige, etwas Besseres. Mehr als wir.

Den Post-Chef Klaus Zumwinkel, der wegen Steuerhinterziehung vor Gericht stand, wollte Wagner “wegen Heuchelei” zu drei Jahren Gefängnis verurteilen. Doch das ging leider nicht:

Heuchelei ist kein Straftatbestand. Sie heuchelten Tugendhaftigkeit nach außen, aber in Ihrem Inneren waren sie nicht sittlich.

Und dann war da noch die Supermarkt-Kassiererin, die wegen der Unterschlagung von Pfandbons im Wert von 1,30 Euro entlassen worden war, und der Wagner ins Stammbuch schrieb:

Es ist der kleine Beschiss, Du nimmst dir was mit aus Deiner Firma, einen Kugelschreiber, eine Tintenpatrone für deinen Computer daheim. (…) Was ich denke, ist: Man darf nicht im Kleinen und im Großen bescheißen.

Man darf nicht bescheißen!

Was fast klingt wie ein göttliches Gebot, ist wohl eher als Regel zu verstehen. Und die werden bekanntlich von Ausnahmen bestätigt.

Mit besonderem Dank an Christoph S. und die vielen anderen Hinweisgeber!

Guttenberg, Gaddafi, Franz Josef Wagner

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Pro-Guttenberg-Kampagne im Zwielicht”
(spiegelfechter.com, Jens Berger)
Jens Berger befasst sich mit der von “Bild” ausgerufenen, kostenpflichtigen Telefonabstimmung über den Verbleib von Karl-Theodor zu Guttenberg im Amt des Verteidigungsministers (BILDblog berichtete). Dazu: Hintergründe zur inzwischen über 270.000 Nutzer umfassenden Facebook-Seite “Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg”.

2. “Bundeswehr plant Werbekampagne bei ‘Bild'”
(ftd.de)
“Mit Blick auf die Aussetzung der Wehrpflicht plant die Bundeswehr eine große Werbekampagne für den Dienst in der Truppe. (…) Den Angaben des Ministeriums zufolge soll die Kampagne im März beginnen und bei den Zeitungen ‘Bild’ und ‘Bild am Sonntag’ sowie der Online-Ausgabe von ‘Bild’ laufen.”

3. “Die heikle Iran-Mission der BamS-Reporter”
(ndr.de, Video, 7:58 Minuten)
“Zapp” bezweifelt die Auslanderfahrung der über Monate vom Iran festgehaltenen “Bild-am-Sonntag”-Mitarbeiter Marcus Hellwig und Jens Koch. Und befragt andere Journalisten zur Recherche ohne Journalistenvisum.

4. “Dummheit und Gefahr”
(taz.de, Katajun Amirpur)
Auch die “taz” blickt zurück auf die Reise in den Iran: “Jetzt, wo die beiden frei sind, kann man es aussprechen: Diese Reise war eine Mischung aus Dummheit und Verantwortungslosigkeit.”

5. “Enden Sie bloß nicht wie Hemingway”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein schreibt eine Ode an Franz Josef Wagner: “Ich mag das Pathos, die starken Bilder. Ironie ist Tarnung. Ironie ist für Feiglinge. Sie haben keine Angst davor, sich lächerlich zu machen. Sie ziehen sich aus und zeigen der Welt Ihren nackten Arsch – wegen des Wortes ‘Arsch’ werde ich sicher Briefe von empfindsamen Seelen bekommen. Ohne Mut zum Risiko kann man nichts erreichen, auch nicht als Autor.”

6. “Libya: Kadafi’s other foe — copy editors”
(opinion.latimes.com, Paul Whitefield, englisch)
Muammar al-Gaddafi – ein Name in vielen Varianten.

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Schmerz lass nach

Das muss höllisch weh getan haben, als Roman Weidenfeller von Borussia Dortmund sich gestern im Training verletzte:

Weidenfeller-Schock! Fällt Dortmunds Torwart wochenlang aus? Weidenfeller betrübt zu BILD: "Ich hoffe, dass es nur eine Dehnung ist. Aber es hat richtig gerummst und das Knie ist zum Abend hin auch ziemlich angeschwollen. Ich habe Schmerzen."

Als er das heute in “Bild” gelesen hat, muss sich Roman Weidenfeller schwer geärgert haben. Jedenfalls erklärt er heute auf seiner Website, er sei gar nicht so schwer verletzt. Vor allem:

Ich habe mich heute – wieder einmal – sehr über die Meldungen über mich und die vermeintlich noch schlimmere Verletzung geärgert. Fakt ist, dass ich mich seit dem Zwischenfall im gestrigen Training keinem einzigen Pressevertreter gegenüber geäußert habe. Ich finde es nicht in Ordnung, dass dann, in Ermangelung eines Zitats von mir, einfach Zitate erfunden und auch als solche gekennzeichnet werden. Nach der absurden Geschichte um den vermeintlichen Streit zwischen Lucas Barrios und mir ist das innerhalb von kürzester Zeit schon der zweite Zwischenfall dieser Art. Ich kann nur hoffen, dass das in Zukunft wieder sauberer läuft und wir mit der Presse auf einer fairen Basis zusammenarbeiten können.

Sehr leid tut es mir auch, dass die heutigen voreiligen Meldungen viele der BVB-Fans irritiert haben. Ich kann Euch, liebe Fans, daher nur empfehlen, nur das zu glauben, was Ihr aus erster Hand erfahrt, sprich von meiner Homepage, bvb.de oder auch meiner facebook-Seite. Denn das sind die ersten Kanäle, auf denen ich mich immer zu Wort melde, und was dort zu lesen ist, stammt garantiert von mir.

Mit Dank an Jojo.

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Barthwickelmaschine

Weil man ja nicht immer nur über eine Sache schreiben kann, widmet sich “Bild” heute auf der Titelseite mal dem Thema “Diebstahl geistigen Eigentums”:

Verlierer: Komiker Mario Barth benutzt frech den Spruch "Nichts reimt sich auf Uschi", mit dem Radio ffn vor 20 Jahren warb. Barth ließ ihn sich sogar beim Patentamt schützen. ffn protestiert: "Niemand soll sich mit einem Spruch bereichern, der nahezu auf jedem Schulklo steht." Barth tut

Mit Dank auch an Thomas Sch.

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Deutschland stimmt sich ab

In der Plagiatsaffäre um Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg werden immer mehr Vorwürfe laut. Auch Unionskollegen gehen vorsichtig auf Distanz. Wird der schneidige Baron doch noch zurücktreten müssen? Für “Bild”, wo Guttenberg in der Gunst-Hierarchie gleich hinter dem Papst und Friede Springer steht, eine Horrorvorstellung.

Nikolaus Blome, Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros, findet zwar, dass der Fall “nach den Regeln der Berliner Politik” “ziemlich klar” sei, doch:

Doch die Bürger sagen bislang in allen repräsentativen Umfragen: Halt mal. Der Mann soll bleiben.

Das Wort “repräsentativ” ist hier schon mal gut gewählt. Bei der Umfrage auf Bild.de ist seit gestern eine wachsende Mehrheit für einen Rücktritt Guttenbergs. Diese Umfrage ist (wie alle anderen Leserumfragen) natürlich nicht repräsentativ, aber das hält “Bild” in anderen Fällen ja auch nicht davon ab, sich darauf zu berufen.

Weil Internet-Umfragen aber wirklich zu leicht zu manipulieren sind, muss eine neue Lösung her. Und nach Tagen voller eher unauffälliger Guttenberg-Meldungen ist endlich mal wieder die Titelseite dran:

Heute stimmt Deutschland ab: Der Guttenberg-Entscheid!

Nur, damit Sie das nicht falsch verstehen: Da ist kein spontaner offizieller Volksentscheid ausgerufen worden — mit “Deutschland” sind “Bild”-Leser gemeint, die 14 Cent in einen Anruf (“Mobilfunk deutlich teurer”) investieren. Sie können aber auch einen Brief oder ein Fax schicken.

Die ganze Aktion hat natürlich auch nichts mit einer “repräsentativen Umfrage” zu tun, wie Blome sie zitiert. Sie ist ungefähr genauso repräsentativ, wie wenn ein Justin-Bieber-Fanzine seine Leser fragen würde, ob Justin Bieber seine Karriere beenden soll.

Aber es geht ja eigentlich um etwas ganz anderes, wie Nikolaus Blome erklärt:

Wer hat das letzte Wort?

Auch als Bundespräsident Horst Köhler zurücktrat, lag die knallharte Kritik von Politik und Medien kilometerweit von den Ansichten der Bürger-Mehrheit entfernt.

Blome muss es wissen. Nach dem Rücktritt Köhlers hatte er eine Generalabrechnung verfasst:

Dieser Rücktritt hat keine Würde!

Er hat keinen politischen Stil. Er ist das Gegenteil von politischer Aufrichtigkeit.

Über die Leute, die Blome heute “Bürger-Mehrheit” nennt, schrieb er damals:

Es ist nicht auszuschließen, dass Horst Köhler für seinen abrupten Abgang einigen Beifall von den Deutschen bekommen wird. Motto: “Hut ab, da wollte einer nicht mehr beim Drecks-Spiel der Parteien mitmachen.”

Käme es so, hätte Horst Köhler bleibenden Schaden hinterlassen.

Ob Blomes heutige Ausführungen als Selbstkritik zu verstehen sind oder als (sachdienliche) Meinungsänderung, ist nicht überliefert.

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber!

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Hauptsache Nazi!

Es ist eine Geschichte, wie sie sich Hollywood-Drehbuchautoren kaum besser ausdenken könnten:

Jude tarnt sich als Neonazi und überführt SS-Mörder

Warum “Bild” die Geschichte des Amerikaners Mark Gould, der den Mörder seiner Familie, SS-Obersturmbannführer Bernhard Frank, aufgespürt haben will, ausgerechnet gestern brachte, ist nicht ganz klar: Gould hatte seine Dokumentation bereits im Dezember 2010 auf einer Pressekonferenz in New York vorgestellt.

Die Weltpresse reagierte damals skeptisch: Der Historiker Guy Walters bezweifelte, dass Bernhard Frank bei der Unterzeichnung einer Anordnung zur Erschießung weißrussischer Juden eine so große Rolle gespielt habe, wie Mark Gould der Öffentlichkeit weismachen wollte. Der “Guardian”-Kommentator Efraim Zuroff schrieb gar, Franks Aufgabe sei es gewesen, die Wortwahl des Dokuments auf ihre Übereinstimmung mit der Nazi-Ideologie zu überprüfen. Zuroff zweifelte auch an den Motiven von Gould und wirft ihm vor, gefährlich lange gewartet zu haben, bis er mit den Vorwürfen gegen den inzwischen 97-jährigen Deutschen an die Öffentlichkeit gegangen ist.

Es wirft Fragen auf, dass Bernhard Frank jahrzehntelang unbehelligt unter seinem richtigen Namen in Deutschland leben, in Fernsehsendungen über das Dritte Reich auftreten und sogar seine Memoiren veröffentlichen konnte, ohne dass die Behörden auf den angeblichen Kriegsverbrecher aufmerksam wurden.

Die “New York Times”, die ebenfalls schon im Dezember über den Fall berichtet hatte, zitierte Kurt Schrimm, Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen dahingehend, dass Franks Name zwar in den Archiven auftauche, aber nie in Verbindung mit Kriegsverbrechen.

Andere Nazi-Experten sagten auch, dass Herr Frank nicht mit Kriegsverbrechen in Verbindung steht.

(Übersetzung von uns.)

Auch wenn es keinen Zweifel an Bernhard Franks SS-Mitgliedschaft geben kann (er beschreibt sie selbst ausführlich in seinem Buch), so bleiben Mark Gould und “Bild” doch brauchbare Belege für die Darstellung als “SS-Mörder” schuldig.

Vor allem aber ist die schöne “Bild”-Überschrift, die mal mehr, mal weniger frei von anderen Medien aufgegriffen wurde, eine Ente: Mark Gould hatte der “New York Times” erzählt, dass er eine “weit verzweigte jüdische Familie” habe, weil seine Mutter einen jüdischen Mann geheiratet habe, der ihn adoptiert habe. Er selbst ist aber gar kein Jude.

Mit Dank an Thomas T., David P., Torsten S. und Marco.

Kairo, Stern TV, Hans Ulrich Gumbrecht

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “5 Thesen zur Zukunft des Fernsehens”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Brandete nach einer Mubarak-Rede auf dem Tahrir-Platz in Kairo tatsächlich “Jubel” auf, wie der drei Kilometer entfernte Korrespondent des ZDF berichtete? Richard Gutjahr macht sich Gedanken zur Zukunft des Fernsehens.

2. Interview mit Jörg Armbruster
(swr.de, Wolfgang Heim, Audio, 30 Minuten)
Wie hat Jörg Armbruster die Ereignisse der letzten Wochen erlebt? Wolfgang Heim befragt den aus Kairo zurückgekehrten ARD-Korrespondenten.

3. “Integration und Manipulation”
(fernsehkritik.tv, Video, insgesamt 47 Minuten)
Der Fernsehkritiker besucht Reyhan Savran, Schuldnerberater aus Bremen, der sich von der Stern-TV-Ausgabe vom 27. Oktober 2010 falsch dargestellt fühlt.

4. “Lieber Ayatollah Laridschani”
(evangelisch.de, Matthias Dell)
Das “Altpapier” fasst Berichte rund um die Freilassung der zwei während Monaten im Iran festgehaltenen Journalisten von “Bild am Sonntag” zusammen.

5. “Ein goldener Moment in der Geschichte
des deutschen Feuilletons”

(umblaetterer.de, Srifo)
Ein langes, nicht redigiertes Gespräch mit Hans Ulrich Gumbrecht an der kalifornischen Stanford University. “Das finde ich bemerkenswert hier: Du kannst verschiedene Meinungen haben, du kannst beständig drüber streiten, produktiv streiten, but that’s normal. Das ist in Deutschland, finde ich, undenkbar. Und ich überlege immer, warum mir Deutschland oft auf die Nerven geht, und es ist letztlich das, dass in dem Moment, wo man in Deutschland merkt, dass es einen Dissenz gibt, ziehen alle den Schwanz ein oder du kriegst einen Streit.”

6. “Karl Guttenberg gibt Vornamen zurück”
(dieganzewahrheit.org, Satire)

Deutschlands flexibelste Meinung

“Deutschlands schnellste Meinung” — steht über den Umfragen auf Bild.de. Ernsthaften Kriterien der Meinungsforschung halten sie nicht stand: Erstens erscheinen diese Umfragen häufig unter Artikeln, in denen bereits eine klare Meinung vorformuliert ist, zweitens besteht die Möglichkeit, ohne Weiteres auch mehrmals abzustimmen, wenn man die Seite mehrmals lädt, und drittens formuliert Bild.de bisweilen die Fragen bzw. Antwortmöglichkeiten so, dass das Ergebnis wie gewünscht ausfällt.

Dennoch nutzt Bild.de diese Umfragen regelmäßig, um eigene Behauptungen zu bestätigen. Erst gestern etwa stand in einem Artikel mit der Überschrift “Sympathie-Welle für Guttenberg im Netz” folgendes:

Auf einer Pro-Guttenberg-Seite im sozialen Netzwerk Facebook haben inzwischen mehr als 120 000 Internetnutzer den “Gefällt mir”-Button gedrückt. (…)

Und was denken die BILD.de-Leser?

An einer entsprechenden Umfrage haben sich inzwischen mit als 200 000 User beteiligt: Die Mehrheit will, dass Guttenberg bleibt!

Mehr als 50 Prozent sind der Meinung, dass der Minister einen guten Job macht. Rund 30 Prozent wollen, dass er zurücktritt.

Nachdem nun “Bild”-Schützling Karl Theodor zu Guttenberg gestern Abend ankündigte, seinen Doktortitel nicht mehr führen zu wollen, fragt Bild.de:

Guttenbergs Plagiats-Beichte in Kelkheim War das der große Befreiungsschlag? So reagieren Bürger und Parteifreunde auf seine Plagiats-Beichte

Neben aktuellen Umfragen nennt Bild.de unter der Zwischenüberschrift “Pro-Guttenberg-Stimmung auch im Internet” zwar dieselbe Pro-Guttenberg-Facebook-Gruppe, die inzwischen auf über 200.000 Mitglieder angewachsen ist, nicht jedoch den neuen Zwischenstand der Umfrage auf Bild.de.

Denn dort ist im Laufe des heutigen Tages die Stimmung gekippt — mittlerweile (Stand 16.08 Uhr) sieht das Ergebnis bei über 520.000 Stimmen so aus:

Abschaffung der Wehrpflicht, Gorch Fock-Affäre, Wirbel um die Doktorarbeit. Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Verteidigungsminister zu Guttenberg?

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Iran, 300, Geplante Obsoleszenz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Alles andere als Helden”
(fr-online.de, Willi Germund)
Willi Germund über die Freilassung der im Iran festgehaltenen “Bild-am-Sonntag”-Journalisten Jens Koch und Marcus Hellwig: “In Ländern wie Birma oder Iran ist es oft nahezu unmöglich, ein Journalistenvisum zu erhalten. Aber alle Journalisten wissen – oder sollten sich zumindest darüber im Klaren sein: Wer in solchen Staaten mit einem Touristenvisum einreist, bewegt sich auf schwankendem Boden. Denn wer auffällt, gerät wie die beiden Springer-Reporter schnell in Teufels Küche.” Siehe dazu auch “Bei aller Freude” von Ulrike Simon.

2. “Döpfners Entschuldigungsbrief an die iranische Justiz”
(sueddeutsche.de, Marc Felix Serrao)
Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags, schreibt an Sadegh Laridschani, Chef des iranischen Justizsystems: “Wir bedauern es zutiefst, dass Herr Hellwig und Herr Koch ohne die korrekten Visa in die Islamische Republik Iran eingereist sind und ihre journalistische Arbeit dort ohne die notwendige Akkreditierung aufgenommen haben.”

3. “Guttenberg verhöhnt das Leistungsprinzip”
(zeit.de, Meike Fries)
Meike Fries kommentiert den Plagiatfall Guttenberg: “Nähmen sich Schüler und Studenten Guttenberg großflächig zum Vorbild, würde sich Kanzlerin Merkels immer wieder ausgerufene Bildungsrepublik in eine verdummte Gesellschaft verwandeln.” Siehe dazu auch “Vgl. auch Guttenberg 2009” (faz.net, Jürgen Kaube).

4. “My Work and Life with the Cloud”
(webciety.de, Sascha Lobo)
Wie arbeitet Sascha Lobo, welche Geräte, welche Software benutzt er?

5. “Kaufen für die Müllhalde”
(youtube.com, Video, 74:52 Minuten)
Glühbirnen, Drucker, iPods, Strumpfhosen könnten eine lange Lebensdauer haben, doch sie gehen geplant kaputt. Ein arte-Film über Geplante Obsoleszenz: “Ethik zählt nichts mehr in einer Businesswelt, die nur eins im Sinn hat: Den häufigen Neukauf.”

6. “Großes Kino…”
(brennesselplantage.wordpress.com)
“Bild” schreibt über den Film 300, der die Schlacht bei den Thermopylen thematisiert.

AFP, dpa, sid  etc.

Sack Zement!

Die folgende Geschichte wird ein bisschen kompliziert. Vielleicht legen Sie besser Papier und Bleistift zurecht — oder eine frisch betonierte Fläche, in die Sie ein paar Notizen einritzen können.

Am Samstag (Ortszeit) drückte der Basketballspieler Kobe Bryant seine Hände und Füße in eine Betonfläche am Hollywood Boulevard in Hollywood. Er durfte das.

Am Sonntagmorgen um 8.28 Uhr tickerte der Sportinformationsdienst (sid) unter der Überschrift “‘Black Mamba’ Bryant: Erster Sportler auf Hollywoods Walk of Fame” an seine Kunden:

Köln, 20. Februar (SID) – NBA-Superstar Kobe Bryant hat als erster Sportler seine Hand- und Fußabdrücke (Schuhgröße 48) auf Hollywoods Walk of Fame hinterlassen. (…)

Die Deutsche Presseagentur (dpa) legte um 13.53 Uhr und 16.03 Uhr mit der Meldung “Kobe Bryant als erster Sportler auf Walk of Fame” nach:

Los Angeles (dpa) – Basketball-Superstar Kobe Bryant hat sich als erster Sportler auf Hollywoods legendärem “Walk of Fame” verewigen dürfen. Der Guard der Los Angeles Lakers hinterließ am Samstag (Ortszeit) auf dem berühmten Bürgersteig des Hollywood Boulevards seine Hand- und Fußabdrücke neben denen von Showgrößen wie Elvis Presley, Marilyn Monroe oder Tom Cruise. (…)

Und AFP berichtete unter der Überschrift “Bryant erster Sportler auf Hollywoods Walk of Fame” und mit einer interessanten Ortsmarke:

Köln — NBA-Superstar Kobe Bryant hat als erster Sportler seine Hand- und Fußabdrücke (Schuhgröße 48) auf Hollywoods Walk of Fame hinterlassen. (…)

Das alles ist in dieser Form falsch.

Der “Walk of Fame” besteht aus mehr als 2.400 Terrazzo-Sternen, mit denen verdiente Persönlichkeiten der Unterhaltungsindustrie ausgezeichnet werden. Hand- und Fußabdrücke werden traditionell in der Umgebung des Kinos “Grauman’s Chinese Theatre” hinterlassen und haben – neben der vergleichbaren Ehre und der räumlichen Nähe – nichts mit dem “Walk of Fame” zu tun.

Wäre Kobe Bryant mit einem Stern auf dem “Walk of Fame” geehrt worden – was er ja nicht wurde -, so wäre er nicht der erste Sportler gewesen, sondern der dritte: Unter sehr freier Regelauslegung hatte das Komitee 2001 den Basketball-Spieler Earvin “Magic” Johnson und 2002 den Boxer Muhammad Ali mit einem Stern geehrt.

In der Annahme, den Fehler gefunden zu haben, verschickte der sid um 23 Uhr eine “korrigierte Fassung”:

Köln, 20. Februar (SID) – Große Ehre für NBA-Superstar Kobe Bryant: Der 32 Jahre alte Shooting Guard der LA Lakers hinterließ seine Hand- und Fußabdrücke (Schuhgröße 48) auf Hollywoods Walk of Fame und ist damit einer von wenigen Sportlern, die sich auf dem weltberühmte Gehweg verewigen durften. Sein Basketball-Kollege Magic Johnson und Box-Legende Muhammad Ali gehören auch dazu. (…)

Das war schon mal bedeutend falscher als die Ursprungsversion, denn Bryant war tatsächlich der erste Sportler, der sich im Zement verewigen durfte — Johnson und Ali haben ja Sterne. Blöderweise lief diese Korrektur immer noch unter der – in jedem Fall falschen – Überschrift “‘Black Mamba’ Bryant: Erster Sportler auf Hollywoods Walk of Fame”. Drei Minuten später korrigierte der sid die Überschrift in “‘Black Mamba’ Bryant auf Hollywoods Walk of Fame” und wähnte sich in Sicherheit.

Dass die Hand- und Fußabdrücke nicht auf dem “Walk of Fame” hinterlassen werden, hat der sid immer noch nicht verstanden und schreibt heute über das Allstar-Game:

Einen Tag nachdem der 32-Jährige seine Hand- und Fußabdrücke auf dem weltberühmten Walk of Fame hinterlassen hatte, spielte Bryant vor Stars und Sternchen groß auf, avancierte mit 37 Punkten zum besten Werfer und wurde zum vierten Mal als “wertvollster Spieler” des NBA Allstar Games ausgezeichnet.

Und auch dpa ist noch im falschen Film:

Nur Stunden, nachdem sich Bryant als erster Sportler mit Hand- und Fußabdrücken auf Hollywoods “Walk of fame” verewigen durfte, war er in eigener Halle einfach nicht zu stoppen.

Aber womöglich ist es auch zu viel verlangt, von deutschen Nachrichtenagenturen (darunter einer, die explizit auf Sport spezialisiert ist), Detailkenntnisse im Straßenbild von Hollywood zu erwarten.

Die hat ja nicht mal das amerikanische Unterhaltungsportal “E! online”:

Kobe Bryant Becomes First Non-Movie Jock Ever on the Walk of Fame

Mit Dank an Jan-Christoph K.

Nachtrag, 22. Februar: Gestern um 16.38 Uhr tickerte die dpa eine korrigierte Fassung ihres Allstar-Game-Berichts, die mit “(Berichtigung: Bryant nicht auf dem ‘walk of fame’)” gekennzeichnet war. Darin heißt es jetzt:

Nur Stunden, nachdem sich Bryant mit Hand- und Fußabdrücken im berühmten Grauman’s Chinese Theatre am Hollywood Boulevard verewigen durfte, war er in eigener Halle einfach nicht zu stoppen.

Der sid verschickte heute um 8.52 Uhr unter der Überschrift “Berichtigt: Bryant erster Sportler am Grauman Theatre” gar eine eigenständige Berichtigung, in der die Unterschiede zwischen den Sternen am “Walk of Fame” und den Abdrücken am “Grauman’s Chinese Theatre” erklärt werden. Der Text schließt mit einem “Hinweis für die Redaktionen”:

Auch der SID hat rund um das All Star Game am Wochenende in Los Angeles in Zusammenhang mit Kobe Bryant fälschlicherweise vom Walk of Fame geschrieben. Wir bitten, diesen Irrtum zu entschuldigen.

Hinweis, 22. Februar: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass Zement ein pulverförmiger Stoff ist und die daraus angerührte Masse Beton genannt wird. Wir haben also in den ersten beiden Absätzen “Zement” durch “Beton” ersetzt, damit auch hier alles seine Richtigkeit hat.

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