Archiv für Dezember 14th, 2010

Sehen alle gleich aus (4)

Sehen alle gleich aus

Was liest man nicht so alles über die Promis dieser Welt: So ist seit vergangener Woche auf rtl.de zu lesen, dass die bekannte amerikanische Schauspielerin Lucy Liu in der Talkshow “The View” über ihre Fehlgeburt gesprochen habe.

Lucy Liu: "Ich hatte eine Fehlgeburt"

Tatsächlich handelte es sich aber nicht um Lucy Liu, sondern um die Journalistin Lisa Ling, die früher selbst Co-Moderatorin von “The View” war. Die erwähnte Folge der Talkshow wurde am vergangenen Dienstag (7. Dezember) aufgezeichnet am Freitag (10. Dezember) ausgestrahlt.

Lucy Liu war also weder schwanger, noch hatte sie eine Fehlgeburt erlitten. Auch der ihr von rtl.de zugedachte Ehemann Paul Song ist in Wahrheit der Gemahl von Lisa Ling, Lucy Liu selbst ist nicht einmal verheiratet. rtl.de verweist auf die Webseite “Secret Society of Women”, die Lucy Liu aufgrund ihrer Erfahrungen durch die Fehlgeburt mitbegründet haben soll, bemerkt jedoch nicht, dass auf dieser Seite nur von Lisa Ling die Rede ist. Immerhin das Alter stimmt — also das von Lucy Liu natürlich.

rtl.de ist das erste Medium im deutschsprachigen Raum (bzw. überhaupt), das die falsche Nachricht verbreitete, aber nicht das Einzige: Am 9. Dezember stiegen bunte.de und promiflash.de ein, am 10. Dezember schrieb auch blick.ch von Lucy Lius angeblicher Fehlgeburt. bunte.de machte aus der TV-Talkshow “The View” gleich “The Viewer”.

Dabei wäre die Fehlgeburt Lisa Lings hierzulande höchstwahrscheinlich keine Nachricht wert gewesen, da Ling im Gegensatz zu Lucy Liu in Deutschland weitgehend unbekannt ist. Verwechselt werden die beiden aber auch in den USA: In einer Ausgabe von “The View” erklärte Co-Moderatorin Star Jones deshalb den Unterschied zwischen beiden.

Mit Dank an Marlene H.

Nachtrag, 18.40 Uhr: rtl.de hat die Meldung ersatzlos gelöscht. Auf den anderen Seiten ist sie noch zu finden.

Nachtrag, 21. Dezember: promiflash.de hat seine Meldung auf Lisa Ling umgeschrieben.

Tatort Internet

Im Nachlass des 2008 verstorbenen Fotografen und Kunstlehrers Hajo Weber, der im Wiesbadener Stadtarchiv lagert (der Nachlass, nicht der Lehrer), sind Fotos und Negative gefunden worden, die unbekleidete Schüler zeigen. Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”, die die Bilder entdeckt hatte, spricht von Kinderpornographie, die Staatsanwaltschaft will sich mit einer Bewertung noch zurückhalten, hat aber ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der Fund ist sicher verstörend und schlimm, aber in einer Sache kann die Wiesbadener Kulturdezernentin Rita Thies beruhigen:

Die Nacktfotos von Kindern aus den 70er und 80er Jahren sind sicher aufbewahrt: “Keiner soll Angst haben, dass die Bilder an die Öffentlichkeit geraten”, sagt Thies. Sie habe sofort nach Entdeckung der Negative am Freitag die Kriminalpolizei informiert.

Doch bei jetzt.de, dem Jugendportal von sueddeutsche.de dachte man sich wohl, dass es für Kinderpornographie nur einen natürlichen Lebensraum geben kann:

Bilder nackter Schüler im Internet

Und damit diejenigen User von jetzt.de, die den Text (der aus der gedruckten “Süddeutschen Zeitung” stammt und in dem Wörter wie “Internet” oder “Computer” überhaupt nicht vorkommen) nicht lesen, auf den ersten Blick trotzdem verstehen, worum es geht gehen könnte, ist der Artikel mit einem Werk aus der großen “Kinderporno”-Symbolfoto-Serie von dpa bebildert:

Kinderpornographie (Symbolfoto).

Seit gestern Nachmittag weisen Kommentatoren auf die merkwürdige Überschrift und Bebilderung hin (“internat und internet sind zwar zwei ähnliche wörter, aber sehr unterschiedliche dinge.”), bisher hat jetzt.de nicht reagiert.

Mit Dank an Lothar Sch.

Nachtrag, 13.57 Uhr: jetzt.de hat die Überschrift auf “Bilder nackter Schüler” zusammengekürzt und das Foto entfernt. Redaktionsleiter Dirk von Gehlen betont in einer E-Mail an uns, dass ihn der Fehler sehr ärgere.

Samuel Koch, Stellenangebote, Tombola

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wir wurden sogar bedroht”
(20min.ch, Felix Burch)
Das Paraplegiker-Zentrum in Nottwil muss wegen aggressiv agierenden deutschen Medienvertretern einen Sicherheitsdienst aufbauen. Die Familie des in der Sendung “Wetten, dass..?” verunfallten Samuel Koch musste mehrmals umplatziert werden, Mitarbeiter wurden bedroht. Und “weil man habe annehmen müssen, dass sich bereits Journalisten in der Klinik aufgehalten hatten, habe man als Erstes Sicherheitsleute rund um die Intensivstation postiert”.

2. “Samuel Koch – Sensationsgeilheit und die Frage nach dem Arztgeheimnis”
(solean.blog.de)
Solean fragt sich, wie die Berichterstattung zu Samuel Koch mit dem Datenschutz zu vereinbaren ist: “Gerade die Medien, oder auch die Vertreter, denen Datenschutz sonst immer so wichtig ist (man denke an die Google Streetview Kampagne von bild.de), scheint diese grobe Verletzung von Arztgeheimnis und Privatsphäre des Patienten absolut nicht zu stören – es wird ungeniert und unzensiert berichtet, was das Zeug hält.”

3. “Solidarität als halbherzige Pflichtübung”
(nzz.ch, Ulrich Schmid)
Ulrich Schmid wundert sich über die Namenlosigkeit der zwei im Iran inhaftierten Journalisten von “Bild am Sonntag” in den deutschen Medien.

4. “Öffentliche Institutionen setzen offensichtlich überdurchschnittlich auf Printanzeigen bei der Suche nach neuen Mitarbeitern”
(blog.hdzimmermann.net)
Hans-Dieter Zimmermann wertet die Stellenangebote der “Neuen Zürcher Zeitung” aus. Er findet nur noch wenige aus privater Hand bezahlte Anzeigen.

5. “Stefan Münker über das Bezahlen im Netz”
(dirkvongehlen.de)
Stefan Münker stellt fest, dass ein Verleger “in den wenigsten Fällen sein Geld mit dem Verkauf von Informationen” verdient. “Bezahlt wurden und werden Verlage dafür, dass sie Anzeigen in die Welt gebracht haben. Und der Journalismus war immer schon das, was sie damit finanzieren konnten.”

6. “Überschätzt.”
(timklimes.de)
Tim Klimes spielt an Heiligabend in Italien “Tombola”: “Ich verstand nicht, was sie da spielten, wie sie es spielten. Aber ich war schlecht darin. Nach einer halben Stunde hatte ich noch keine einzige Bohne auf dem Brett, dafür war ich um ein paar Euro erleichtert.”

taz.de  

Kommt ‘n Mann ums Leben

“Witze” über
Robert Enke

Der Tod ist schon lange kein Tabuthema mehr. Über das vorzeitige Ableben eines Menschen unter tragischen Umständen kann man auch ganz locker Witze reißen, wie am Fall Robert Enke (s. Kasten) zu sehen.

Aber es muss ja nicht immer ein Fußball-Torwart sein, der sich das Leben genommen hat. Manchmal tut es auch ein früherer Politiker, der unter nicht ganz geklärten Umständen bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen ist:

Wäre er jetzt der richtige Mann für die rechtspopulistische Wende der FDP? Jürgen Möllemann. Schon vor seiner Partei im freien Fall.

Mit Dank an XFame.