Julian Assange, der mit seiner Online-Plattform Wikileaks die USA und die internationale Diplomatie in Atem gehalten hat, wurde am Mittag in London festgenommen. Es ist ein Showdown wie aus dem Bilderbuch. Die Medien tragen aber ihren Teil dazu bei, den Konflikt noch mehr zuzuspitzen, durch Missverständnisse, Schludrigkeiten und simple Fehler.
So weiß zum Beispiel “Spiegel Online” von einer Trotzreaktion der Wikileaks-Aktivisten zu berichten:
In Wahrheit lautete die Twitter-Nachricht jedoch ein wenig anders:
Zu deutsch:
Die heutigen Maßnahmen gegen unseren Chefredakteur Julian Assange werden unseren Betrieb nicht beeinflussen. Wir werden wie üblich heute Nacht weitere Botschaftsdepeschen veröffentlichen.
Weniger eilig, aber weitaus exklusiver hatte das Handelsblatt am Morgen eine Meldung mit mehr Lokalbezug veröffentlicht:
Hier war der Autor etwas voreilig: Zwar ist das Steuerprivileg des Vereins tatsächlich gefährdet, in der Folge muss aber die Geldquelle von Wikileaks nicht zwangsläufig versiegen — zumal sich die Gründungsvorsitzende Ursula Kooke für die Förderung von Wikileaks ausspricht. Der Verlust der Steuerprivilegs bedeutet nämlich zunächst einmal, dass Spenden nicht steuerlich abgesetzt werden können. Sollte es dazu kommen, kann der Verein Wikileaks dennoch weiter unterstützen.
Die “Neue Zürcher Zeitung” hatte bereits am Montag mit der Meldung für Aufsehen gesorgt, dass der Schweizer Finanzdienstleister Postfinance das Konto von Julian Assange gekündigt habe. Auch das ist richtig, nur schaffte es die NZZ nicht, die Begründung von Postfinance richtig wiederzugeben:
Auch hier erwischte der Autor wieder nur die halbe Wahrheit: Zwar begründet Postfinance die Kündigung mit den falschen Angaben von Assange bei der Kontoeröffnung. Ein Wohnsitz in der Schweiz wäre für ein solches Konto hingegen nicht nötig — wie auch Leser bei der NZZ korrekt kommentieren.
Dies sind an sich nicht besonders schwere Fehler. Im Kollektiv mit hunderten und tausenden Meldungen gleicher Bauart entsteht jedoch ein Gemisch aus Halbwahrheiten, das kaum noch eine wirklich informierte Debatte um Wikileaks zulässt.
Mit Dank auch an Christoph H.
Nachtrag, 17 Uhr: “Spiegel Online” hat die Übersetzung der Twitter-Nachricht inzwischen korrigiert.
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP hat ein Sprecher des Regierungspräsidiums Kassel den Bericht des “Handelsblatts” relativiert: Die Mahnung wegen eines fehlenden Geschäftsberichts habe nichts mit Wikileaks zu tun, eine Prüfung des Stiftungszwecks und damit des Steuerprivilegs stehe jedoch noch nicht an.