Archiv für Dezember 23rd, 2008

Genauer, als die Polizei erlaubt

Kommen wir noch einmal zurück auf die beiden “Autodiebe”, denen n-tv ein “standesgemäßes Ende” bescheinigt hatte – allerdings in einem etwas anderen Zusammenhang.

Die “Bild”-Zeitung berichtete gestern nämlich in ziemlich großer Aufmachung in ihrer Berliner Ausgabe über denselben Fall:

"Zwei Einbrecher rasen in den Tod"

Der Artikel ist garniert mit diversen Fotos einer Drogerie (Polizeiauto vor der Drogerie, der aufgehebelte Rolladen der Drogerie, Blick in die Drogerie auf ein umgestürztes Regal). Und fast als wären sie dabei gewesen, berichten Jörg Bergmann und Matthias Lukaschewitsch, wie sich die Geschichte zugetragen haben soll:

Sie hatten es auf Parfumflacons, Scheren und Kosmetikartikel abgesehen – ein paar Minuten später waren die beiden Einbrecher tot!

0.15 Uhr. In die Drogerie “Rittmeier” in Blankenfelde (Teltow-Fläming) wird eingebrochen, die Diebe steigen durch ein Fenster an der Vorderseite des Ladens ein. Sie kippen ein Regal mit Parfumflaschen, Kosmetik und hochwertigen Scheren um. Sie breiten ein Laken aus, wollen die Sachen mitgehen lassen.

Eine Zeugin ruft die Polizei. Als die Täter die Sirenen hören, flüchten sie ohne Beute aus dem Laden. Sie steigen in einen Mercedes, den sie vor Wochen in Berlin geklaut hatten* – und geben Vollgas.

Das Ende ist bekannt: Beide Insassen des Mercedes sterben, als der Wagen gegen einen Baum prallt.

Und das ist auch so ziemlich das Einzige, was bisher sicher ist. Alles, was Bergmann und Lukaschewitsch sich da sonst noch so zusammenreimten und als Tatsachen darstellten, ist unbestätigt. Der Stand der Ermittlungen lässt sich im Grunde auch heute noch so zusammenfassen, wie die Nachrichtenagentur ddp am Sonntag schrieb:

Parallel zu dem Verkehrsunfall wurde bei der Polizei ein Einbruch in einen Laden in Blankenfelde gemeldet. Ein Zusammenhang zu dem Verkehrsunfall wird nicht ausgeschlossen. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei des Schutzbereiches Teltow-Fläming dauern an.

Es gibt allerdings Hinweise, nach denen die beiden Getöteten, anders als “Bild” schrieb, gar nicht selbst in der Drogerie waren, sondern womöglich zwei Komplizen dort abgesetzt hatten. Wie uns eine Polizei-Sprecherin bestätigt (und die Nachrichtenagentur dpa gestern berichtete), will eine Zeugin gesehen haben, wie aus dem später verunglückten Mercedes zwei Männer ausstiegen, deren Beschreibung nicht auf die Getöteten passt.

Wohl deswegen klingt das, was “Bild” gestern noch so genau zu wissen schien, in einem “Bild”-Artikel von heute denn auch sehr viel weniger präzise:

In ihrer Todesnacht waren die Brüder an einem Einbruch in einen Drogeriemarkt in Blankenfelde (Teltow-Fläming) beteiligt.

*) Tatsächlich war der Wagen entgegen einer ersten Pressemitteilung der Polizei doch nicht gestohlen gewesen.

Mit Dank für den Hinweis an Phil.

W&V, Wanzen, Wedel, Weihnachten

1. “Die ‘Wanze’ im Nationalratssaal”
(medienspiegel.ch, Peter Studer)
Für eine Hintergrundreportage wird bei den Bundesratswahlen ein Parteipräsident mit einem Ansteckmikrophon ausgestattet. Weil er damit den Parlamentssaal betritt und andere Parlamentarier und Medienleute, die darüber nur zum Teil informiert sind, aufnimmt, sieht sich das Schweizer Fernsehen und sein “Hilfsreporter” Klagen gegenüber. Peter Studer, ehemaliger Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und ehemaliger Präsident des Schweizer Presserats, klärt über die rechtliche Lage auf.

2. “ZDF wirbt in ‘Vanity Fair’ für vergangene Sendungen”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“In der neuesten Ausgabe der ‘Vanity Fair’ wirbt das ZDF mit ganzseitiger Anzeige für zwei Fernsehsendungen, die vor dem Erscheinungstag der Zeitschrift ausgestrahlt wurden. Was ist da denn schief gelaufen? “

3. Interview mit Dieter Wedel
(tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Regisseur Dieter Wedel fordert mehr Bissigkeit: “Ich finde, die Definition von Erfolg muss bei den öffentlich-rechtlichen Sendern eine andere sein als bei den Privaten. Für die kann nur die Quote der einzige Maßstab sein, Öffentlich-Rechtliche sollten auch dafür sorgen, dass den Zuschauern nicht die Zähne ausfallen. Immer nur Breichen macht das Gebiss kaputt. Es muss auch mal kräftig gekaut werden. Wenn er zu faul dazu ist, muss man den Zuschauer dazu zwingen, sonst haben wir irgendwann ein zahnloses Publikum. Wenn es denn nicht schon so weit ist.”

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