So viel ist mal klar: Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück sind ganz dicke miteinander. Die “verstehen sich blendend”, er ist ihr neuer “Herzbube” und “mancher CDU-Minister wird blass vor Neid”, wie “Bild” heute weiß.
Wer nun aber glaubt, die “Bild”-Autoren Nikolaus Blome, Hanno Kautz und Rolf Kleine hätten sich da nur irgendwas zusammen fantasiert, um in ihrer hochbrisantengroßen Seite-2-Geschichte, nach der Steinbrück der “neue Liebling der ‘Chefin'” sei, Zeilen zu schinden (“…weil er redet wie Merkel!”, “…weil er denkt wie Merkel!”, “…weil er offen kämpft”), der hat sich verrechnet. Die drei “Bild”-Männer haben da auch handfeste Insiderinfos für. Zum Beispiel diese:
Das weiß außer Blome Kautz und Kleine keiner. Im Gegenteil. Die meisten glauben ja immer noch, Steinbrück möge trotz seines Jobs als Finanzminister gar kein Mathe. Und das bloß, weil er unter anderem deswegen in der Schulesitzenblieb und dem WDR offenbar gesagt hat: “Mathe und Altgriechisch, das war nix für mich.”
Mit Dank an Adrian C. für den sachdienlichen Hinweis.
Mark Medlock, der letztjährige Gewinner von “Deutschland sucht den Superstar”, ist recht erfolgreich. Als Sänger wie als Schlagzeilenlieferant für die “Bild”-Zeitung. Wobei er im ersten Halbjahr dieses Jahres offenbar eher selten für die ganz großen Geschichten taugte.
Ende Juni jedoch konnte “Bild” über Medlock berichten, dass wegen Beleidigung gegen ihn ermittelt werde, weil er bei der Kofferkontrolle am Flughafen eine “Sicherheits-Mitarbeiterin bepöbelt” habe. Und vorgestern schrieb “Bild”, die Staatsanwaltschaft Berlin ermittele wegen “des Verdachts auf Körperverletzung” gegen Medlock, weil er in einer Sauna einen 52-Jährigen “blutig geschlagen” habe.
Gestern fand “Bild” Medlock dann sogar Titelseiten-würdig:
Und jetzt kommt auch noch raus: Die Berliner Justiz ermittelt in einem weiteren Fall (…). Das Opfer schildert den Tathergang so: “(…) Kurz darauf fasste [Medlock] mir von hinten mit der rechten Hand an meinen Penis. Er war dabei so energisch und ließ nicht los, dass ich ihn wegdrängen musste.”
Was “Bild” so groß und aufgeregt aufschreibt, klingt bei sueddeutsche.de schon wesentlich weniger dramatisch. Dort hat man, ebenso wie “Bild”, mit dem zuständigen Staatsanwalt gesprochen und zur Anzeige wegen sexueller Nötigung befragt, würdigt das jedoch ganz anders:
Auf sueddeutsche.de-Nachfrage formuliert der zuständige Berliner Staatsanwalt Michael Grunwald allerdings betont zurückhaltend: “Anzeigen kann jeder jeden. Es gilt die Unschuldsvermutung.”
Das klingt in der Tat zurückhaltend.
Zudem wurde die Anzeige wegen sexueller Nötigung, ebenso wie die wegen Körperverletzung, schon Ende letzten Jahres gestellt. “Bild” wusste also offenbar schon vor der Geschichte über die Körperverletzung davon, tut jedoch einen Tag später so, als wäre es eine Neuigkeit (“Und jetzt kommt auch noch raus”).
Und es ist durchaus fraglich, ob der Vorfall, wie ihn das “Opfer” in “Bild” schildert, überhaupt den Tatbestand der sexuellen Nötigung erfüllt. Nach unseren Informationen spricht jedenfalls vieles dafür, dass es wegen dieser Anzeige nicht zu einem Prozess kommt. Auch wenn “Bild” den Anwalt des vermeintlichen Opfers mit der gegenteiligen Annahme zitiert (“Wir gehen davon aus, dass es zu einem Prozess kommt”).
So gesehen taugt Medlock vielleicht doch nicht für die ganz großen Geschichten. Zumindest nicht an zwei Tagen hintereinander und nicht für eine Titelgeschichte am zweiten Tag – außer eben in “Bild”.*
Mit Dank an Christian K. für den Hinweis.
*) Beim Kölner Boulevard-Blatt “Express” sieht man das offenbar soähnlich wie bei der “Bild”-Zeitung.
Das Blatt vor dem Mund (sueddeutsche.de, Marita Stocker)
“Denken wir, was Bild schreibt, oder schreibt Bild, was wir denken? Ob Pooth-Pleite, Fußball oder Hartz IV: Medienwissenschaftler Carsten Reinemann analysiert, wie ein Blatt Themen setzt und andere Medien folgen.”
Als ob nichts wäre (nzz.ch, Marc Zitzmann)
Nicolas Sarkozy könnte dank Carla Bruni den Abschwung seiner Umfragewerte auffangen, umgekehrt erhält ihre Arbeit mehr Aufmerksamkeit denn je: “So übertrifft die Berichterstattung über das dritte Album des zur Sängerin gewordenen Models so ziemlich alles hierzulande Dagewesene – dabei wird die CD erst am 11. Juli veröffentlicht.”
News aus Nachbars Garten (werbewoche.ch, Gerti Schön)
“Amerikas krisengeschüttelte Zeitungsverlage entdecken den ‘hyperlocal journalism’.”
“Kurt Beck hat keine Freunde” (jetzt.sueddeutsche.de, Theresa Steinl)
Markus Beckedahl konstatiert, dass deutsche Politiker noch nicht im Internet angekommen sind: “Bei unseren Spitzenpolitikern ist der Running-Gag, dass jeder damit kokettiert, nicht den Rechner einschalten zu können.”
Ostschweizer Ignoranz (fr-online.de, Klaus Kreimeier)
“Unmöglich zu sagen, wie viele Luftschlösser täglich im Internet gebaut, wie viele Seifenblasen in die Bloggosphäre gepustet werden. Ein Beispiel ist das World Blog Forum, das Mitte Juli in Bern stattfinden soll, jedoch – glaubt man dem düsteren Gemurmel des gewöhnlich gut informierten Don Alphonso auf Blogbar – wohl ein Hirngespinst bleiben wird, das sich allein dem Maulheldentum seiner Initiatoren verdankt.”
Zur Wiedervorlage an die Redaktion der Berliner Zeitung (blogbar.de, Don Alphonso)
Der “gewöhnlich gut informierte Don Alphonso auf Blogbar” (Frankfurter Rundschau) stellt klar, dass eine Zeitung kein Parasit ist, sondern mit Anspruch und Mut “Menschen Informationen und Leitlinien für unsere Gesellschaft” liefert. Er fordert die Redaktion der Berliner Zeitung auf, “ihren nicht hinnehmbaren Investor in der Form zu enteignen, als dass man ohne ihn im Internet zeigt, was man kann.”