Archiv für Oktober 24th, 2006

“Bild” schockiert über “Bild”-Methoden

Es ist schon oft geschrieben worden, dass die Entertainerin Charlotte Roche von der “Bild”-Zeitung “erpresst” wurde, damals im Jahr 2001, kurz nachdem mehrere Familienmitglieder Roches bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen waren. (1) &quote;Dann meldete sich die
'Bild-Zeitung. 'Sie haben
mich erpresst', sagt Roche.
'Entweder du gibst uns ein
Interview, oder wir machen
eine Geschichte, die nicht
gut ist für dich. (...)'&quote;

   &quote;Stern&quote; v. 20.11.2003

(2) &quote;Dem 'Stern' erzählt die
Moderatorin später, dass sie
kurz nach diesem 'Abschuss'
von jemandem aus der 'Bild'-
Redaktion angerufen worden
sei. (...)&quote;

  &quote;Tagesspiegel&quote; v. 5.9.2004

(3) &quote;Dem 'Tagesspiegel' liegt
allerdings ein Schreiben
eines Mitarbeiters der Pres-
seabteilung von Viva vor,
dem Sender, bei dem Char-
lotte Roche damals mode-
rierte. Darin heißt es: 'Kurze
Zeit nach dem tödlichen Un-
fall von Charlottes Brüdern
hat sich damals ein 'Bild'-
Redakteur bei mir telefonisch
gemeldet. (...)&quote;

   &quote;Tagesspiegel&quote; v. 14.11.2004

(4) &quote;Die 'Bild'-Leute riefen
bei Viva an. Ein Mitarbeiter
des Senders hat seine Erin-
nerungen an das Gespräch
notiert: 'Kurze Zeit nach dem
tödlichen Unfall hat sich ein
'Bild'-Redakteur bei mir
gemeldet. (...)'&quote;

   &quote;Stern&quote; v. 12.12.2005

Und “Bild” hat es stets bestritten.

Genauer gesagt, hat “Bild” es nicht öffentlich bestritten, als 2003 der Erpressungsvorwurf erstmals öffentlich gemacht wurde (1). Wohl aber, als der “Tagesspiegel” Roches Vorwurf aus dem “Stern” ein Jahr später wiederholte (2). “Bild” setzte eine Gegendarstellung durch, der “Tagesspiegel” präzisierte daraufhin den Erpressungsvorwurf (3), wogegen “Bild” offenbar wiederum nicht vorging. Als allerdings der “Stern” — abermals ein Jahr später — die nunmehr präzisierte “Bild”-Erpressungsversion wiederholte (4), wollte “Bild” auch dies doch wieder nicht hinnehmen.

Seitdem streiten sich “Bild” und “Stern” vor Gericht — zuletzt am gestrigen Montag vor dem Landgericht München I.

“Erpresst die Bild-Zeitung Promis mit Telefonterror?” fragt deshalb heute die “Süddeutsche Zeitung”, beschreibt noch einmal minutiös, wie “Bild” damals, vor inzwischen fast fünfeinhalb Jahren, vorgegangen sein soll und lässt nicht unerwähnt, dass “Bild” die Schilderung falsch und “verheerend” finde.

Das Gericht allerdings zweifelt laut “Süddeutsche” nicht an Roches Schilderung.

Weil sich aber offenbar die zentrale “Stern”-Behauptung (“Die ‘Bild’-Leute riefen bei Viva an”) nicht beweisen lässt, könne das Gericht nicht ausschließen, “dass etwa freie Reporter unter der Flagge des Blattes [“Bild”] segelten”. Es habe daher einen Kompromiss vorgeschlagen:

Der “Stern” dürfe zwar schreiben, dass sich die Anrufer als ‘Bild’-Reporter ausgegeben hätten — aber nicht, dass sie es auch tatsächlich gewesen seien.*

… auch wenn der “Stern”-Anwalt darauf hinwies, dass es unwahrscheinlich sei, “dass acht Trittbrettfahrer sich nacheinander ausgerechnet auf ‘Bild’ berufen würden”.

*) Laut “Süddeutsche” haben die Verlage bis zum 10. November Zeit, dem vom Gericht vorgeschlagenen Kompromiss zuzustimmen, andernfalls wird am 22. November ein Urteil verkündet.

In eigener Sache

BILDblog hat einen neuen Anstrich. Nach zweieinhalb Jahren fanden wir es an der Zeit, uns von dem alten Design zu verabschieden, das eigentlich nicht für uns, sondern für private Weblogs auf Blogger.com gemacht war.

Wir haben ein bisschen entrümpelt, umgeräumt, tapeziert — und rechts oben eine Übersicht “zuletzt aktualisiert” eingerichtet. Hier erscheinen nicht nur neue Einträge, sondern auch Hinweise auf nachträgliche Ergänzungen und Korrekturen. Der Hinweis “mehr ” unter einem Eintrag zeigt an, dass es mehrere BILDblog-Artikel zu diesem Thema gibt. Sie können auch über das “Themen”-Auswahlfeld unten in der rechten Spalte angewählt werden.

(BILDblog lässt sich übrigens inzwischen auch ganz gut ausdrucken und auf Handys ansehen und hat eine Bücher-Ecke.)

Unser Dank für die Mithilfe am neuen Design geht an die Agentur Sensor für das Logo sowie Malcolm, Alexander und Felix für Rat und Tat!

PS: Unsere BILD-Chef-Reporter-Nummmer hat sich nicht geändert. Fotos von Kai Diekmann empfangen wir weiterhin unter [email protected]

Kurz korrigiert (273)

Es gibt eine amerikanische Fernsehserie über den “Naval Criminal Investigative Service” der amerikanischen Marine. Im Original hieß sie zunächst “Navy NCIS”, später dann “NCIS”. Sat.1 zeigt sie allerdings unter dem Titel “Navy CIS” — vermutlich, damit einige Zuschauer, denen der Buchstabendreher nicht auffällt, sie irgendwie mit den extrem erfolgreichen (aber mit “NCIS” weder verwandten noch verschwägerten) “CSI”-Formaten von Vox und RTL verwechseln.

Fallen wirklich Leute auf sowas rein?

Aber klar! Bild.de berichtet heute über “CSI: Miami” und “CSI: NY”. Und schreibt in diesem Zusammenhang:

“CSI steht für ‘Crime Scene Investigation’ und gleich mehrere Erfolgsserien aus den USA. Ob Las Vegas, Miami, New York oder die Navy — die Fernseh-CSI-Teams werden immer mehr.”

Danke an Jörg J., Christian H. und Alexandra P. für die Hinweise.

6 vor 9

Jeder Fehltritt landet im Netz
(welt.de, Torsten Krauel)
Amerikas Politiker stecken im Wahlkampf und touren durch das Land. Doch die wichtigste Schlacht wird virtuell ausgefochten. Dort wird über das Wohl oder Wehe eines Kandidaten entschieden.

Pressefreiheit: Deutschland fällt zurück
(faz.net, Olaf Sundermeyer)
Nur noch auf Platz 23 liegt Deutschland in der neu vorgestellten Rangliste der Pressefreiheit. Weit ärger aber sieht die Lage für Journalisten in Rußland aus – und auch in Polen registriert man “verstärkte Zensur”..

Der Teufel sammelt Jeff Koons
(taz.de, Isabell Graw)
In der Mode kann die Chefredakteurin der “Vogue” über Karrieren von Designern entscheiden. Solche Autorität gibt es in der Kunst nirgends. Trotzdem erinnert Kritik oft an Werbetexte nach dem Klischee vom Fashionmagazin.

Der gemeine Poster
(standard.at, Doris Priesching)
Journalisten fürchten ihn, denn er zeichnet sich durch Gnadenlosigkeit aus – Tendenz zum Nörgeln?

Der Troll als Leser
(telepolis.de, Volker König)
Rache-“Rezensionen” im Online-Bücherladen.

Wir nennen es Arbeit – und lieben es sogar
(jetzt.de, Sascha Lobo)
Der Berliner Autor Sascha Lobo erklärt, wie intelligentes Leben auch ohne Festanstellung möglich ist – mit Internet und selbstgewählter Arbeit.