Archiv für Oktober 11th, 2006

Bloß früher IV

Heute berichtet “Bild” auf der allerletzten Seite…

… über einen “Blondinen-Crash”, der sich, so “Bild”, “im englischen Blackburn” zugetragen haben soll. Kronzeuge für die “Bild”-Meldung ist ein Foto. Genauer gesagt, dieses:

Das Foto allerdings, das Europas größter Tageszeitung (die ja bekanntlich schreibt, “was alle schreiben — bloß früher”) heute auf der allerletzten Seite eine Meldung wert ist, findet sich auch auf verschiedenen Internetseiten — und das schon seit mindestens Mitte August. Und dass “im englischen Blackburn” ungarische MediaMarkt-Plakate am Straßenrand herumstehen, wie man auf anderen Fotos derselben Serie deutlich erkennen kann, halten wir, gelinde gesagt, für äußerst unwahrscheinlich.

Wahrscheinlicher ist, dass “Bild” da auf der allerletzten Seite einfach irgendwas zusammenfantasiert hat. Macht das Blatt bei seinen Blondinen auf der allerersten Seite ja auch andauernd.

Mit Dank an Sönke M. für den Hinweis.

Kai Diekmann arbeitet mit “Bild”-Methoden

Nein, das Verhältnis von “Bild”-Zeitung und Heide Simonis ist wahrlich kein entspanntes.

Aktuell hat Simonis nun einen Prozess gegen “Bild” vor dem Berliner Landgericht verloren. Simonis verlangte 50.000 Euro Schmerzensgeld für den Abdruck einiger Fotomontagen, die “Bild” am 2. Mai auf der Titelseite und im Blattinneren veröffentlicht hatte. Die Montagen zeigten u.a. das Gesicht der Politikerin mit Maden übersät sowie ihren Kopf auf einem mit Jauche besudelten Bikinikörper und stellten — so Simonis’ Anwalt — eine “Verletzung der Menschenwürde” dar.

“Bild” reagierte auf das Gerichtsurteil mit einer Pressemitteilung. Darin heißt es korrekt:

“Eine ein Schmerzensgeld rechtfertigende Persönlichkeitsverletzung konnte das Landgericht (…) nicht erkennen.”

Unter der Überschrift “Kein Geld für Hoppel-Heide” äußert sich in der Mitteilung jedoch auch “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann wie folgt:

“Heide Simonis hat mit ihrer Tanzshow ihr Ansehen nachhaltig beschädigt. An einer lächerlichen Show teilnehmen wollte sie, aber darüber lachen sollte man nicht. Sie hat als Unicef-Botschafterin das Vergleichsangebot einer großzügigen Spende und von Anzeigenraum für Unicef abgelehnt und auf Zahlung einer Geldentschädigung an sich selbst bestanden. Nun hat sie vor dem Landgericht die Quittung erhalten. Und wieder ein schwerer Ausrutscher!”

Allerdings sind Diekmanns hämische Äußerungen mehr als irreführend: Nicht nur verschweigt der “Bild”-Chef, dass Simonis wegen desselben “Bild”-Berichts vor Gericht bereits eine “Aufsehen erregende Gegendarstellung” (AP) hatte durchsetzen können; der “Bild”-Chef erweckt darüber hinaus den Eindruck, Simonis’ “Geldentschädigung an sich selbst” und das “Vergleichsangebot einer großzügigen Spende und von Anzeigenraum für Unicef” stünden in irgendeinem direkten Zusammenhang. (Immerhin sind beide Sachverhalte in Diekmanns Statement durch ein schlichtes “und” miteinander verbunden.)

Doch der Eindruck trügt: Medienberichten zufolge bezog sich das “Vergleichsangebot” von “Bild” nämlich gar nicht auf Simonis’ (erfolglose) Schadensersatzklage, sondern auf ihr (erfolgreiches) Gegendarstellungsbegehren, gegen das sich “Bild” über Monate vehement gewehrt hatte.

Mit Löffeln gefressen

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Gestern spekulierte “Bild” im Technikteil Sportteil ausführlich über die Gründe für Michael Schumachers Ausscheiden beim Formel-1-Rennen in Suzuka.

"Das ist ein Kolbenfresser"Bei der Gelegenheit versuchte “Bild” auch gleich, ihren Lesern mit Hilfe einer Grafik (siehe Ausriss links) zu erklären: “Das ist ein Kolbenfresser”. Und sagen wir es mal so: Auf der “Bild”-Grafik Grafik sind tatsächlich ein Zylinder und ein Kolben zu sehen. Allerdings kommen Dinge wie “Kolben” und “Zylinder” nicht bloß in Motoren vor. Und eine “Blockade” des abgebildeten Kolbens “an der ihn umgebenden Zylinderwand” würde nie und nimmer zu einem Motorschaden führen. Die Abbildung zeigt nämlich keinen Zylinder, wie er in Verbrennungsmotoren zu finden ist, sondern einen Hydraulikzylinder, wie er auf der Internetseite der Remo AG zu finden ist (siehe Ausriss rechts).

Mit Dank an Tobias J. und Marcel S. für den sachdienlichen Hinweis.

6 vor 9

Fünf Rupien für die Freiheit
(zeit.de, Christiane Grefe)
Indien ist ein Abenteuerland des Journalismus. Hier gedeiht die Medienvielfalt wie kaum sonst auf der Welt.

Lonely Girl im Pixelmüll
(jungle-world.com, Markus Ströhlein)
Mit NPD-Spots geriet das Portal “You Tube” in die Schlagzeilen. Aber auch sonst bietet die Internetplattform fragwürdige Inhalte an.

“Aus Alt mach Neu”
(ftd.de, Mathias Mertens)
Alle sind begeistert von Web 2.0 – statt der Diktatur der IT-Riesen herrscht nun angeblich Basisdemokratie im Internet. Tatsächlich aber basiert der Hype nur auf einer geschickten Umetikettierung.

Warum die deutsche Internet-Gemeinde scheu ist
(welt.de, Elisalex Clary)
Die Suchmaschine kauft das Videoportal. Es fließt unglaublich viel Geld, und die Phantasien sprießen ins Kraut. Die Börse dreht durch. Der Kauf steigert den Marktwert von Google um rund sechs Milliarden Dollar. Und was hat das mit uns zu tun?

Ringier & Bobo: a true love story
(medienzirkus.blogspot.com, Shandokan)
Wo die Liebe hinfällt, vermag niemand im Vornherein zu sagen. Einem zarten Pflänzchen gleich sucht sie den Boden der Fruchtbarkeit, wie ein Windhauch entsteht sie unverhofft und zuckerwatten-leicht. Ach, die Liebe. Jetzt hat sie ein ganzes Verlagshaus erwischt: Ringier hat sich in DJ Bobo verknallt.

Wer soll hier dumm sein?
(viceland.com, Max Reichnert)
Unsere zwei Spezialisten sind Florian, ein 13 Jahre altes Genie, der gerade sein Abitur gemacht hat und bereits von drei Top-Unis in Großbritannien Angebote, Physik zu studieren erhalten hat und der 12 Jahre alte Alex, ein Minderbemittelter mit erheblichen Lernproblemen?der Held seiner örtlichen Realschule, der die Ferien damit verbracht hat, Mädchen nachzujagen und sich auf das neue Schuljahr vorzubereiten, das er zum zweiten Mal wiederholen wird.