Und wir hätten gedacht, die “Bild”-Zeitung berichtigt wenigstens ihren Kolumnisten Hugo Müller-Vogg, der gestern aus dem Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin einen Theo gemacht hat.
Danke an Karim A.!
Nachtrag, 6.10.2006: Immerhin hat Bild.de Müller-Voggs Fehler jetzt offenbar korrigiert.
Nachtrag, 10.10.2006: Und heute hat “Bild” mit der Berichtigung des Fehlers vom 4.10. dann doch noch die eigene Korrekturspalte gefüllt.
Heute lernen wir, wie man aus einer Pressemitteilung einen Bild.de-Artikel macht. Man nehme eine Pressemitteilung, kürze sie ein bisschen, füge das ein oder andere Anführungszeichen, “soll” und “angeblich” ein — fertig!
Neue Erfindung: Eins für alle — das “intelligente Kondom”
Das “intelligente” Kondom hat jetzt das Unternehmen Ritex aus Bielefeld erfunden.
Es kommt nicht auf die Größe an – das behauptet jedenfalls ein Bielefelder Kondom-Hersteller. Die Firma will nämlich das “intelligente Kondom” erfunden haben.
Das neue Produkt des Kondomherstellers ist in der Lage, sich perfekt an jede Penis-Form und -Größe anzupassen, ohne zu beengen.
Laut Hersteller passt es sich perfekt an die Anatomie seines Trägers an.
“Möglich macht das die Unterteilung des Kondoms in drei Zonen”, erklärt Ritex-Geschäftsführer Hans-Roland Richter.
Ritex-Geschäftsführer Hans-Roland Richter: “Möglich macht das die Unterteilung des Kondoms in drei Zonen.”
Im vorderen Teil des Kondoms haben die Ritex-Entwickler eine Volumenzone herausgearbeitet. Da das Kondom hier mehr Platz bietet, entsteht ein intensiveres und natürlicheres Gefühl, als bei herkömmlichen Kondomen.
Im vorderen Teil des Verhüterlis haben die Entwickler eine so genannte Volumenzone herausgearbeitet. Hier soll das Kondom mehr Platz bieten, ein “intensiveres und natürlicheres Gefühl” entstehen.
In der Mitte sorgt die Sicherheitszone für einen perfekten Sitz. Das verhindert ein Abrutschen des Kondoms.
In der Mitte soll die Sicherheitszone für einen perfekten Sitz sorgen, ein Abrutschen des Kondoms verhindern.
Zum offenen Ende hin vergrößert sich dann der Durchmesser kontinuierlich, so daß das Abrollen über den Penis fast wie von selbst geht.
Zum offenen Ende hin vergrößert sich dann der Durchmesser so, dass laut Hersteller das Abrollen über den Penis “fast wie von selbst” geht.
Die besondere Noppen- und Rippenstruktur wirkt extra stimulierend. Die Kondome zeichnen sich durch eine sehr hohe Elastizität aus. Dabei sind sie mit rund 0,07 Millimetern hauchzart – ungefähr sechsmal dünner als die menschliche Haut.
Extra stimulierend: die besondere Noppen- und Rippenstruktur. Der Gummi ist gerade mal 0,07 Millimetern stark — ungefähr sechsmal dünner als die menschliche Haut.
Na, war doch leicht, oder?
Gut, man könnte jetzt noch fragen, ob “intelligent” für dieses Produkt (und sei es noch so praktisch) wirklich eine treffende Beschreibung ist. Oder was an diesen “neu erfundenen” drei Zonen so sensationell ist, wenn zum Beispiel längst das wahrscheinlich bekannteste Kondom eines führenden Kondomherstellers vorne weit, in der Mitte enger und am Ende wieder weit ist — also sozusagen drei Zonen hat. Und man könnte auch fragen, ob diese “gerade mal 0,07 Millimeter” wirklich so bemerkenswert sind, wenn die Stiftung Warentest bei ihrem Kondomtest 2004 schon schrieb: “Üblich sind heute 0,04 bis 0,08 Millimeter Wandstärke.”
Aber fragte man all das, wäre ja die Pressemitteilung nicht wiederzuerkennen!
Um die Geschichte, die die “Bild”-Autoren AttilaAlbert und DanielCremer da aufgeschrieben haben, mal kurz zusammenzufassen: Der Schönheits-Chirurg Michael A. König sagt, dass vier seiner Patientinnen ihre Schönheits-Operationen nicht bezahlt haben. Und er hat “Bild” Fotos von Busen und Nase zweier Patientinnen zur Verfügung gestellt. “Bild” behauptet:
Es sind die wohl ungewöhnlichsten Fahndungsbilder, die Ermittlern je untergekommen sind. Nackte Brüste und eine wohlgeformte Nase — von Frauen, die ihre Rechnung beim Schönheits-Chirurgen nicht bezahlt haben!
Nein, es sind nicht “die wohl ungewöhnlichsten Fahndungsbilder, die Ermittlern je untergekommen sind”. Es sind überhaupt keine “Fahndungsbilder”.
Und dass “Bild” Unsinn schreibt, erkennt man schon daran, dass Busen- und Nasen-Foto vor den Operationen aufgenommen wurden. Beim Busen steht das sogar so in der Bildunterzeile. Zur Nase (siehe Ausriss) aber schreibt “Bild”:
Nicht bezahlt: Die neue Nase von “Silke” (23) aus Köln.
Im Text heißt es hingegen über “Silke”:
Sie verschwand vor der Wundversorgung — mitsamt der Tamponaden in ihrer Nase.
Soweit das.
“Bild”-Artikel und “Bild”-Überschrift sind aber auch noch in anderer Hinsicht völliger Unsinn: Die Polizei sucht “diesen Busen” überhaupt nicht (obwohl “Bild” das am Ende des Textes sogar nochmal behauptet und schreibt, der Chirurg habe “jetzt die Polizei eingeschaltet”). Ein Sprecher der Kölner Polizei sagt uns, von einer Anzeige in dieser Sache sei ihm nichts bekannt, das Betrugsdezernat jedenfalls sei nicht mit dem Fall befasst. Und der betroffene Chirurg Michael A. König teilt uns auf Nachfrage mit:
Wir haben uns entschieden, keine Anzeigen zu erstatten.
Mit Dank an Jasper K. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 6.10.2006: Auch die “Main-Post” berichtet übrigens über Michael A. Königs “Busen-Fahndung per Bild-Zeitung”.
Die Amateure kommen (telepolis.de)
Bürgerjournalismus ist unter Medienprofis umstritten und legt zugleich Mängel des Medienbetriebes offen.
Du knipst – ich verdiene (spiegel.de)
Andere arbeiten lassen und möglichst wenig dafür bezahlen: Diesem Prinzip folgen inzwischen mehrere deutsche Printmedien. Hobby-Knipser liefern gegen Honorar oder gar kostenlos Bilder zu – und machen so klaglos mit bei der Entwertung professioneller Arbeit.
“Teenager bleiben auf MySpace unter sich” (futurezone.orf.at)
Die Mediensoziologin Danah Boyd setzt sich in ihrer Forschungsarbeit mit sozialen Netzwerken auseinander. ORF.at hat mit ihr über den Reiz von MySpace für Teenager, 14-Jährige, die Porno-Divas verehren, und Zugangsbeschränkungen für Online-Communitys gesprochen.
Schöne neue Welt (faz.net)
Der “Telegraph” muß als das britische Blatt mit der ältesten Leserschaft die stockkonservative Rentnergruppe bedienen. Nun wagt die Zeitung die Flucht nach vorn – und will digitaler Marktführer im Nachrichtenwesen werden.
Macht und Machtkämpfe in der WOZ (woz.ch)
Wie überlebt man die WOZ? Wie laufen Intrigen und Machtkämpfe? Wie schafft man Ideen durch Sitzungen? Wie reisst man Projekte an? Wie überlebt man die Saurier, die einen sonderbarerweise eingestellt haben? Wie scheitert man? Eine Beichte.