Archiv für August 28th, 2006

Nicht zum Herzeigen bestimmt

Natascha Kampusch, das österreichische Mädchen, das acht Jahre lang von einem Entführer gefangen gehalten wurde, hat einen Brief an “Journalisten, Reporter” und die “Weltöffentlichkeit” geschrieben.

Natascha bricht ihr Schweigen / Ihre Erklärung im WortlautAnders als viele andere OnlineMedien dokumentiert Bild.de heute den Brief nicht im Wortlaut, sondern nur in Auszügen.

Und wir dokumentieren die Stellen, die Bild.de wegließ:

Ich möchte Ihnen im Voraus jedoch versichern, dass ich keinerlei Fragen über intime oder persönliche Details beantworten will und werde. Ich werde persönliche Grenzüberschreitungen, von wem auch immer voyeuristisch Grenzen überschritten werden, ahnden. Wer das versucht, kann sich auf etwas gefasst machen. (…)

[Der Raum, in dem ich gelebt habe, ist] nicht für die Öffentlichkeit zum Herzeigen bestimmt. (…)

Botschaft an die Medien: Das einzige, wovor die Presse mich verschonen soll, sind die ewigen Verleumdungen meiner selbst, die Fehlinterpretationen, die Besserwisserei und der mangelnde Respekt mir gegenüber.

Abgesehen von zwei Passagen, in denen Natascha Kampusch sich namentlich bei ihren Betreuern bedankt, sind dies die einzigen Stellen in dem langen Brief, die Bild.de gekürzt hat. Bestimmt nur, weil sie für “Bild”-Leser ja nicht so relevant sind.

Vielen Dank an Martin Z. für den Hinweis!

Nachtrag, 29.8.2006: Nachdem sich die gedruckte “Bild” entschieden hat, den Brief heute im kompletten Wortlaut zu veröffentlichen, steht nun auch bei Bild.de nicht mehr nur die gekürzte Version.

Man wird ja wohl noch antworten dürfen (2)

"Feuer-Anschlag auf Nena geplant?" Nein.
"Sind wir schon wieder knapp einem Terroranschlag entkommen?" Eher nicht.

Soviel zur “Bild” von heute. In einer Polizei-Meldung vom Samstagabend heißt es dazu abschließend:

Konkrete Hinweise auf geplante Straftat haben sich nicht bestätigt

(…) Weder die Durchsuchungen noch die sich anschließenden Ermittlungen konnten den Sachverhalt weiter aufhellen und die Hinweise erhärten. Ebenso blieb ungeklärt, wo und mit welchen Mitteln die vorgenannte Straftat durchgeführt werden sollte.

Und der Radiosender Eins Live ergänzt:

Die Polizei hat (…) erklärt, dass sich diese ganze Sache nicht gegen Nena gerichtet habe. Die Polizei hatte tatsächlich Hinweise, dass in Gelsenkirchen möglicherweise Anschläge geplant worden seien und habe deshalb das Gelände gesichert. Dass Nena dort aber an dem Abend ein Konzert gespielt habe, sei Zufall, so die Polizei gegenüber Eins Live. Im Nachhinein habe sich die Sache sowieso als Fehlalarm erwiesen.

“Bild” hingegen hat sich gegen die Wörter “Zufall” und “Fehlalarm” entschieden und zitiert lieber einen Ermittler mit den (offensichtlich schon lange vorm “Bild”-Redaktionsschluss überholten) Worten:

"Uns fehlen noch handfeste Beweise."

Mit Dank an Ronald M., Fritz, Stefan S., Claudius L., Martin K., Daniel W., Thomas R. für den Telepolis-Link.

Nachtrag, 15.20 Uhr: Inzwischen hat sich auch die Nachrichtenagentur dpa der “Bild”-Story angenommen und verbreitet in einer Meldung u.a. den Satz:

Einen Bericht der “Bild”- Zeitung, wonach die Gruppe einen Anschlag auf ein Konzert der Sängerin Nena geplant habe, wies die Polizei als Spekulation zurück.

Ganz anders Krone.at: Die Online-Ausgabe der österreichischen “Kronen-Zeitung” hat nirgends nachgefragt, sondern die “Bild”-Spekulationen lieber (dezent zugespitzt) als Tatsache weiterverbreitet.

6 vor 9

Der Zauber der permanenten Online-Revolution (nzz.ch)
Die rasch expandierende Blogger-Szene stellt für Chinas Regierung eine riesige Herausforderung dar.

Pimp my Text! (telepolis.de)
Das Zeitalter der Neuen Medien hat die akademische Textproduktion verändert – jetzt laden “Plagiat-Jäger” scharf durch. Eine Qualitätssicherung ist auf diesem Weg jedoch schwer zu haben.

Generation Web 2.0 (eurams.de)
Internet-Nutzer sind nicht mehr alleine online. Web 2.0 heißt das Mitmach-Internet, in dem Millionen ihre Fotos, Videos und Vorlieben präsentieren. Ein Milliardengeschäft für die Werbebranche.

Vorfahrt für das Internet (fr-online.de)
Neue Strategien in der Zeitungsbranche: “web first” und die “Heimdruckerzeitung”.

Der nette Herr Dschihad von nebenan (faz.net)
Was bleibt von meinem Nachbarn, der so gerne ein Massenmörder geworden wäre? Standen wir gemeinsam an der Ampel? Ich dachte an den Feierabend, er an den besten Weg, mich umzubringen.

Die Rote Liste der Deutschen Sprache (detlef-guertler.de)
In der 24. Auflage des Dudens vom Juli 2006 als “veraltend” gekennzeichnete Wörter.