Archiv für August 8th, 2006

Die Opfer, die “Bild” bringt

Am Sonntag fragte die “Bild am Sonntag”:

Wie ausgewogen berichten ARD und ZDF über den Konflikt in Nahost?

Lassen wir mal die Antwort des umstrittenen Instituts “Media Tenor” beiseite — die Frage ist gut!

Und damit zu einem anderen Thema.

Am Sonntag sind im Nahost-Krieg viele Libanesen und Israelis ums Leben gekommen. Die Nachrichtenagentur AP beispielweise fasste die Ereignisse des Tages am Abend so zusammen:

Bei den bislang schwersten Raketenangriffen der Hisbollah-Miliz auf den Norden Israels wurden am Sonntag mindestens 15 Menschen getötet. 14 Menschen kamen bei israelischen Militäraktionen im Südlibanon ums Leben.

In der “Bild”-Zeitung ist am folgenden Tag von libanesischen Opfern nicht die Rede. Sie berichtet ausschließlich von den 15 israelischen Opfern:

Zwölf Soldaten starben gestern bei einem Raketenangriff der Hisbollah. Ihre Leichen liegen zugedeckt in der Stadt Kirjat Schmona (Foto). Am Abend beschossen die Terroristen erneut Haifa. Mindestens drei Israelis wurden getötet, über 100 verletzt

Das könnte aus Platzgründen geschehen sein oder auch aus journalistischen Erwägungen, denn die Raketenangriffe der Hisbollah auf den Norden Israels waren die bisher blutigsten.

Am Montag kamen am Vormittag bei Angriffen der israelischen Armee auf den Süden Libanons nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP “mindestens 33 Libanesen” ums Leben. Weitere Tote wurden am Abend bei einem Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut gemeldet.

Bei einem Raketen-Angriff der Hisbollah auf die israelische Hafenstadt Haifa starben drei Menschen, über 120 wurden verletzt.In der “Bild”-Zeitung ist am folgenden Tag von libanesischen Toten oder Verletzten wieder nicht die Rede. Sie berichtet stattdessen erneut ausschließlich über israelische Opfer (siehe Ausriss rechts).

Aus journalistischen Erwägungen? Aus Platzgründen? Die Toten und Verletzten in der israelischen Hafenstadt Haifa, über die “Bild” am Dienstag berichtet, sind diejenigen Opfer, über die “Bild” schon am Montag berichtet hat.

Vielleicht war das kein Versehen von “Bild”.

Allgemein  

Amtlich in die Irre geführt

In der vergangenen Woche berichtete “Bild” mehrfach über den Tod des Rekruten Michael W. aus der Niederauerbach-Kaserne. Der Mann war nach einem 5.000-Meter-Lauf zusammengebrochen und hatte elf Tage im Koma gelegen, bevor er am 21. Juli starb.

Am 31. Juli schrieb “Bild” über die Vorwürfe des Vaters, dass die Bundeswehr Schuld am Tod des Rekruten sei:

"Die Bundeswehr hat meinen Sohn zu Tode gedrillt"

Im Text gab “Bild” zwei Versionen des Vorfalls wieder. Die, die ein Rekrut dem Vater des Toten erzählt haben soll und die der Bundeswehr.

Am 1. August berichtete “Bild” noch einmal über den Vorfall:
"Rekrut (20) beerdigt -- Ausbilder soll geschrien haben:

Im Text kam ein anonymer Rekrut zu Wort, dessen Version des Vorfalls geringfügig von den vorherigen beiden abwich.

"Amtlich! Junger Rekrut starb an Überanstrengung"Am 4. August berichtete “Bild” wieder über den Tod des Rekruten. Unter einer Überschrift, die korrekt war und die zuvor durch “Bild” verbreiteten Vorwürfe zu bestätigen schien (siehe Ausriss). Im Text hieß es:

Gerichtsmediziner fanden heraus: Der junge Soldat (…) starb an einem multiplen Organversagen aufgrund von Überanstrengung. (…) Michael W. hatte keinen unentdeckten Herzfehler.

Auch das ist zwar korrekt aber gänzlich irreführend. “Bild” lässt nämlich völlig unerwähnt, dass Michael W. laut Obduktionsbericht durchaus zuvor schon ein gesundheitliches Problem hatte. Seine Organe bauten Stoffwechselprodukte nicht ab, die bei körperlicher Anstrengung entstehen. Der zuständige Oberstaatsanwalt Norbert Dexheimer erklärt uns:

Ohne diesen – offenbar sehr seltenen Defekt – wäre der Rekrut sicher nicht gestorben.

Und die “Bild”-Zeitung führte ihre Leser sogar noch weiter in die Irre. Am Ende des “Bild”-Textes hieß es nämlich über Michael W.:

Sein Vater ist überzeugt, dass er zu Tode gedrillt wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Diese beiden Sätze, die “Bild” hier so vielsagend hintereinander schreibt, haben nichts miteinander zu tun. Dexheimer sagt:

Wir ermitteln zwar noch, allerdings geht es nur noch darum, die natürliche Todesursache abschließend zu klären. Hier stehen noch einige Tests aus. Es wird aber kein Ermittlungsverfahren gegen Dritte geben.

Mit Dank auch an Mathias L.

6 vor 9

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