Archiv für August 17th, 2004

Allgemein  

Verdient! II

Die “Bild”-Zeitung hat nach Angaben des FC Bayern zwölf Unterlassungserklärungen abgegeben. Sämtliche Angaben über die Vereins-Mitarbeiter, die das Blatt in seiner Serie mit Listen angeblicher Gehälter veröffentlichte, seien “falsch, die meisten sogar grob falsch” gewesen. Ähnlich vernichtend hatten sich nach dem Bericht andere Vereine über den Bericht geäußert. (Wir berichteten.) Aus dem Online-Auftritt von “Bild” sind die beiden exklusiven “Gehaltslisten” verschwunden.

Existenzgründung mit “Bild”

Dem Übersinnlichen und Unerklärlichen steht “Bild” prinzipiell aufgeschlossen gegenüber, aber das ging jetzt doch zu weit: “Arbeitsamt zahlt Umschulung zur Wahrsagerin”, titelt das Blatt und fragt: “Spinnen die beim Amt?”

Bestimmt. Aber das ist in diesem Fall nicht entscheidend, denn:

1. Zahlt die Bundesagentur für Arbeit “Petra B. (38)” keine “Umschulung”, sondern ein Überbrückungsgeld, weil sie sich als Kartenlegerin selbständig machen will.

2. Mag es zwar sein, dass Petra B., wie “Bild” schreibt, ihren vorherigen Job bei einem Sicherheitsdienst gekündigt hat. Aber dann hätte sie wahrscheinlich nicht sofort das Geld bekommen, weil nach einer freiwilligen Kündigung in der Regel eine bis zu 12-wöchige Sperrzeit für Arbeitslosengeld (und damit auch Überbrückungsgeld) gilt.

3. Ist der Geisteszustand der Beamten ohne Bedeutung, denn wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt sind, besteht seit Anfang des Jahres ein Rechtsanspruch auf Überbrückungsgeld — wenn das Geschäftsmodell erfolgsversprechend ist.

Und das ist es ja wohl. Bundesweite Werbung hat Petra B. (neuerdings “Petra La Bionda”) nun ja schon bekommen.

Nachtrag, 18.08.: Wenn Petra B. clever war (wovon auszugehen ist) und sich von anderslautenden Vorschriften nicht abschrecken ließ, musste sie nach ihrer Kündigung doch keine Sperrzeit in Kauf nehmen, vgl. hier.

Wie “Bild” wirkt

Vergangenen Samstag behauptete “Bild”, die österreichische Boulevardzeitung “Krone” werde zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Das war sicher ein Wunsch, möglicherweise eine Prognose, jedenfalls noch keine Tatsache: Die “Krone” hat zwar, wie berichtet, nach einem Aufruf ihres greisen Herausgebers Dichand eine massive Kampagne gegen die Reform begonnen. Sie hat aber noch nirgends angekündigt, dass sie selbst zur alten Rechtschreibung zurückkehren wird; hinter den Kulissen dürfte darum noch gekämpft werden. Laut Wiener “Presse” von heute ist der Ausgang anscheinend noch offen.

Heute Nachmittag meldet die “Netzeitung” plötzlich Vollzug: Unter der Überschrift “‘Kronen Zeitung’ stellt auf alte Rechtschreibung um” schreibt sie:

Vergangenen Freitag hatte sich “Krone”-Verleger Hans Dichand lediglich heftig über die Rechtschreibreform allgemein empört. Nun berichtet das “Börsenblatt”, dass Dichand der Erregung Taten folgen lassen wird: Dichand soll am Montag die Rückkehr der größten Zeitung Österreichs zu den alten Regeln angekündigt haben.

Soll er? Hat er? Schreibt das “Börsenblatt”? Nicht ganz. Das letzte gedruckte “Börsenblatt” erschien vor der Wortmeldung Dichands, und im Online-Ableger heißt es mit Datum von gestern lediglich:

Die “Kronen Zeitung” kehrt zurück zur alten Rechtschreibung. Die Reform sein “ein großer Fehler”, schreibt der Herausgeber des Blattes, Hans Dechant [sic!].

Das klingt aber überhaupt nicht nach einer Neuigkeit, sondern danach als hätte das “Börsenblatt” lediglich die gewagte Interpretation der “Bild”-Zeitung abgeschrieben. Doch das “Börsenblatt” ist nun die scheinbar seriöse Quelle für die “Netzeitung”. Und der dringende Wunsch einer deutschen Boulevardzeitung wird bei diesem Stille-Post-Spiel zur Tatsache. Und wenn die “Krone” irgendwann wirklich bekannt geben sollte, dass sie zur alten Rechtschreibung zurückkehrt, werden alle sagen, dass das ja ein alter Hut sei und “Bild” es als erste wusste.

Lügt das Bild?

Niemandem kann man mehr trauen heutzutage – nicht mal der Werbung. Das hat „Bild“ herausgefundenen und schreibt auf Seite 7 der Berlin-Ausgabe:

Platzeck wirbt mit falschem Lehrer …für bessere Bildung

Wie das? Nun, auf Wahlwerbeplakaten mit dem Slogan “Gemeinsam für bessere Bildung” ist Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck inmitten von Kindern zu sehen in einem Raum, der aussieht wie ein Klassenzimmer, im Hintergrund steht ein Mann. Doch, so „Bild“:

Auf dem Plakat ist nichts, wie es scheint.

Der Mann ist nämlich gar kein Lehrer, sondern Arbeitsrichter und seit 1982 in der SPD, wie „Bild“ enthüllt. Und:

Auch lernen die Kinder nicht in der Karl-Förster-Schule, in der das Bild entstand.

Und es gibt noch ein anderes Werbeplakat. Der Slogan lautet “Gemeinsam für mehr Arbeit”, und Platzeck scheint sich hier in einem Handwerksbetrieb zu befinden. Rechts von ihm steht ein Mann in einem blauen Kittel, schräg hinter ihm zwei Jugendliche, das Mädchen trägt eine Latzhose. „Bild“ hat wieder nachgefragt und fand heraus:

„Meister“ und „Azubis“ arbeiten hier nicht.

Außerdem soll der Betrieb, in dem das Foto entstand, in den letzten drei Jahren 40 Arbeitsplätze abgebaut haben (von wie vielen steht leider nicht in “Bild”). Diese Enthüllungen geben natürlich zu denken. Wenn schon in der Werbung der Schein trügt, wo dann noch?