Archiv für August 11th, 2004

Hit Me Baby One More Time

Seit einigen Wochen vergeht kaum ein Tag, ohne dass “Bild” Britney Spears diffamiert. In den Artikeln, denen meist jeder Nachrichtenwert fehlt, wird sie in endlosen Wiederholungen so dargestellt: “rauchende, trinkende, feiernde und zügellose Pop-Queen”, “missraten”, im “andauernden Karrieretief”, “unglamourös, heruntergekommen und abgewrackt”, “aufgedunsen, ungeschminkt, verantwortungslos, rücksichtslos”, “Miss Dixie-Klo”, “Tournee-Desaster”, “sexsüchtig, keine Spur mehr von der einstigen Pop-Prinzessin” etc. etc.

Vorläufiger Höhepunkt ist dieser Artikel, der mit der Schlagzeile rechts angekündigt wird und dessen sabbernde Zweideutigkeit sich nicht auf das “Wortspiel” Muschel/Muschi beschränkt. Einziger Anlass ist ein nichtssagendes Bild, das Britney mit ihrem Verlobten im Urlaub zeigt. “Heiß” an den “heißen Fotos” ist ausschließlich die Außentemperatur, die Anzahl der gezeigten “Fotos” beträgt 1 (eins). Dieses genügt der “Bild”, zum x-ten Mal Unfreundliches über Frau Spears zu verbreiten und die Formulierung “Pop-Prinzessin a.D.” einzuführen.

Frau Spears ist aktuell für vier MTV Video Music Awards nominiert, ihre Single “Everytime” war acht Wochen in den deutschen Single-Top-Ten und erreichte Platz 4, in den MTV Euro Charts liegt sie zur Zeit auf Platz 3.

Wir wissen nicht, was Britney der “Bild”-Zeitung getan hat. Vermutlich muss man sich um Frau Spears auch keine Sorgen machen. Merken sollte man sich nur, mit wie wenig Fakten und Anlässen das Blatt auskommt, wenn es jemanden offenkundig vernichten will.

Nachtrag: Den Spott der “Bild” hat sich Britney auch dadurch zugezogen, dass sie in die Muschel hineinpustete:

Hat ihr denn noch niemand erklärt, dass man die Dinger an die Lauscher halten muss, wenn’s rauschen soll?

Jaha, der “Bild”-Redakteur macht sich als Tourist auf Hawaii natürlich zum Affen, indem er in die “Pu” genannten großen Muscheln reinhorcht, statt sie — wie es dort Tradition ist — als Blasinstrument
zu benutzen…

Danke an Jörg für den Hawaii-Muschel-Hinweis!

Wer dagegen ist, ist dafür

Anlässlich der Anti-Rechtschreibreform-Kampagne der “Bild”-Zeitung schreibt heute die “Berliner Zeitung”:

(…) Auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung fand sich gestern unter den 44 mit Namen und Foto aufgeführten Gegnern der Reform auch Uwe Knüpfer, noch Chefredakteur der WAZ. Eingeklemmt zwischen “Ella Kühner (47), Angestellte” und “Rosi Mittermaier (54), zweifache Ski-Goldmedaillengewinnerin” und unter der Überschrift “Überwältigende Mehrheit der Deutschen will zurück zur klassischen Rechtschreibung – Weg mit der Schlechtschreib-Reform!” klagte also Knüpfer, dass die neuen Regeln an den Menschen vorbei durchgepaukt worden seien und forderte: “Wir brauchen einen Schlussstrich”, immerhin mit drei “s” geschrieben. Das wäre nicht weiter schlimm, hätte sich nicht der gesamte WAZ-Verlag gerade gegen eine überstürzte Rückkehr zur alten Schreibweise und für die Beibehaltung der neuen ausgesprochen. (…)

Und siehe da, genau so steht’s heute auch in der FAZ:

(…) Ähnlich sieht dies Uwe Knüpfer, der Chefredakteur der “Westfälischen Allgemeinen Zeitung” (…). “Wir kehren nicht zur alten Rechtschreibung zurück”, sagt er, “und sind der Auffassung, daß Verlage nicht Politik machen sollten, wir sollten Beobachter bleiben.” In der Sache sei es wohl am sinnvollsten, “sich zügig zu bemühen, allzu grobe Unsinnigkeiten der neuen Rechtschreibung aufzuheben und es dann bei dieser zu belassen”.(…)

Aber okay: Könnte ja sein (rein theoretisch), dass der WAZ-Mann der FAZ einfach was komplett anderes als der “Bild”-Zeitung erzählt hat. Andernfalls aber zählt “Bild” sogar Leute mit Sätzen wie “Wir kehren nicht zur alten Rechtschreibung zurück” zu den Reform-Gegnern, weshalb es dann auch endlich kein Rätsel mehr ist, wie das Blatt auf deren angeblich “überwältigende Mehrheit” kommt.

Nachtrag, 11.8.04, 15:05: Fragt man Uwe Knüpfer persönlich, sagt er übrigens, er habe der “Bild”-Zeitung sinngemäß das Gleiche gesagt wie tags drauf der FAZ, die seine Aussage völlig korrekt wiedergegeben habe.