Nachdem wir Cedric, Nicole, Laura, Kevin und Mario (hoffentlich) die Angst genommen haben, dass Herr Hartz ihr Sparschwein schlachtet, weil ihre Eltern lange arbeitslos sind, schauen wir uns etwas genauer an, ob die Berichterstattung von “Bild” über die Kinder als skandalöseste Opfer der Hartz-IV-Reformen wenigstens von der Tendenz stimmt. Die Kollegen des NDR-Medienmagazins “Zapp” haben nachgerechnet und stellen fest: Schon seit vielen Jahren wurden Kindersparbücher auf Sozialhilfe angerechnet, um zu verhindern, dass arbeitslose Eltern ihr Vermögen auf ihre Kinder überschreiben und danach Steuergelder kassieren. Sozialhilfe-Empfänger werden durch Hartz IV besser gestellt: Künftig dürfen Kinder unter 15 Jahren 750 Euro behalten, bisher waren es nur 256 Euro.
“Zapp” (via tagesschau.de) kommt zu diesem Fazit:
Die Schlagzeilen des Boulevards über die Kinder-Sparbücher sind ein Paradebeispiel für eine miese Kampagne mit populistischen Politikern und wehrlosen Kindern.
Und darüber darf man sich aufregen, egal wie man zu Hartz IV steht.
“Ja, es gibt Leben im All!” steht da in großen Lettern auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung. Und hätte “Bild” die Schlagzeile, illustriert mit einem Bild der Erde, nicht im August 2004, sondern ungefähr 4 Milliarden Jahre früher gedruckt, wäre das quasi eine Sensation gewesen. Ungefähr 4 Milliarden Jahre später allerdings, seitdem sich auf einem Planeten in einer “Milchstraße” genannten Galaxie nach den Archaeobakterien allmählich auch komplexere Lebewesen (Delfine, Hyazinthen, “Bild”-Leser u.a.) entwickelt haben, ist die “Bild”-Überschrift natürlich noch immer sehr, sehr wahr. Aber muss sie deshalb derart riesig auf der Titelseite von “Europas größter Tageszeitung” stehen, die doch “den Lesern jeden Tag einen Informationsvorsprung” vermitteln will? (Zumal, ganz nebenbei bemerkt, die Schlagzeile auch mit dem dazugehörigen Artikel auf Seite 10 nichts zu tun hat. Nein, nichts. Der nämlich handelt mehr oder weniger von Günther Hasinger, der auf die anderslautende “Bild”-Frage “Gibt es Leben außerhalb der Erde?” bloß antwortet: “Wahrscheinlich ja.”)
Mit traurigen Kinderaugen und süßen Sparschweinen kämpft “Bild” seit Tagen gegen die Ungerechtigkeit der sogenannten Hartz-IV-Reformen. Die Botschaft ist klar: Kinder von Langzeitarbeitslosen können sich in Zukunft ihr kleines Glück abschminken. “Fünf Kinder sagen: Mein Sparbuch kriegt ihr nicht”, schreibt “Bild”. Die Frage ist nur: Will überhaupt jemand (Herr Eichel? Herr Hartz?) ihre Sparbücher? Gehen wir die Fälle einmal durch:
Der 4-jährige Cedric will einen Fußball und ein Trikot von Rot-Weiß-Erfurt haben. Zugegeben, RWE hat sein erstes Spiel der Saison gewonnen, trotzdem ist zu bezweifeln, dass die Trikots jetzt zu Preisen von über 750 Euro gehandelt werden – und darunter ist dem Staat Cedrics quietschgelbes Spartier egal. (Wenn da mal überhaupt 750 Euro reingehen…).
Nicole will ein Mountain Bike, ein teures, sie spart schon zweieinhalb Jahre. Da Mutter Bärbel laut Text nicht mal so viel Geld wie ihre Tochter auf dem Konto hat, spricht nichts dagegen, das Geld einfach auf Mamas Konto zu überweisen – Sie hat nämlich als 42-jährige einen Vermögensfreibetrag von 8400 Euro. Aber dann hätte man ja nichts, worüber man sich bei der “Bild” beklagen könnte.
Die 4-jährige Laura umklammert ihr grünes Sparschwein ganz fest und sagt: “Ich habe schon 400 Euro auf meinem Sparbuch. Das Geld gebe ich nicht her!” Liebe Laura, hör auf, so eine Schnute zu ziehen! Erstens: Keiner will dein Sparbuch! Zweitens: Selbst wenn du mehr als 750 Euro hättest, würde Mutti immer noch Arbeitslosengeld II bekommen, nur der Kinderzuschlag würde reduziert.
Schließlich die Brüder Kevin (8) und Mario (?). In ihrem gemeinsamen Sparschwein stecken 25 Euro. Kevin spart auf ein Fußball-Trainingslager, Mario auf einen Gameboy. Sagen wir es so, Kevin: Kein Problem, solange du nicht tatsächlich ein eigenes Fußball-Trainingslager haben willst. Sowas ist dann wohl doch teurer als 750 Euro.
Fassen wir zusammen: Ja es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, völlig irreführende Mitleidstexte zu drucken und dafür unschuldige Kinder zu missbrauchen.
Dank an Konrad A. für diesen sachdienlichen Hinweis!