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Nicht gerade “The Best” Recherche

Man würde doch meinen, dass Redaktionen etwas vorsichtig sind und Distanz wahren, wenn bei “Betrugsvorwürfen” und angeblichen “Unregelmäßigkeiten” eine der zentralen Quellen ein Twitter-Account ist, der vor wenigen Tagen noch nicht existierte, der weder vor noch nach dem Tweet, auf dem die aktuelle Aufregung basiert, irgendetwas veröffentlicht hat, dem gerade mal 15 andere Accounts folgen und der nicht offiziell von Twitter verifiziert ist. Würde man meinen.

Sudan-Coach Zdravko Logarusic twitterte ein Foto seines Stimmzettels, auf dem das Erststimmen-Kreuz neben dem Namen des Ägypters Mohamed Salah vom FC Liverpool gesetzt ist. Laut der offiziellen Fifa-Liste ging die Stimme jedoch an Messi.

… schreibt die dpa heute.

Es geht um eine Wahl des Weltfußballverbands FIFA, die am Montag stattfand und bei der Trainer, Spieler, Journalisten und Fans “The Best” wählen konnten. Bei den Männern gewann der Argentinier Lionel Messi. Auch Zdravko Logarusic, Nationaltrainer des Sudan, durfte abstimmen. Laut offizieller FIFA-Liste (PDF) stimmte er mit seiner Erststimme für Messi, mit seiner Zweitstimme für Virgil van Dijk und mit seiner Drittstimme für Sadio Mané.

Vorgestern tauchte allerdings ein Tweet auf, in dem ein Zdravko Logarusic behauptet, gar nicht für Messi, van Dijk und Mané gestimmt zu haben, sondern für Mohamed Salah, Mané und Kylian Mbappé.

Weil viele Redaktionen die Meldungen der dpa automatisch übernehmen, steht die oben zitierte Passage, in der keinerlei Zweifel daran besteht, dass diese Aussage wirklich von Logarusic stammt, nun etwa bei Süddeutsche.de, FAZ.net, NOZ.de und NZZ.ch. Unabhängig von der dpa berichtete “Sport Bild” bereits gestern und berief sich dabei auf den angeblichen Logarusic-Tweet. Und auch Bild.de schreibt über die “Betrugsvorwürfe”:

Screenshot Bild.de - Betrugsvorwürfe von Trainer und Spieler - Hat die FIFA Messi zum Weltfußballer geschummelt?

Zudem wirft Sudan-Trainer Lugarisic dem Weltverband vor, dass sein veröffentlichter Stimmzettel nicht dem entspreche, was er tatsächlich gewählt habe. Auch Lugarisic will Salah auf Platz 1 gewählt haben. Mit einem Foto seines Stimmzettels, das er bei Twitter postete, will er das beweisen. In der Fifa-Auflistung unter seinem Namen auf Platz 1: Lionel Messi.

Es ist zweifelhaft, ob hinter dem Twitter-Account tatsächlich Zdravko Logarusic steckt. Wie bereits erwähnt, ist er erst im September 2019 erstellt worden, offenbar nur für diesen einen Tweet, der nun überall zitiert und eingebettet wird. Schaut man sich das Foto von dem Stimmzettel, das Logarusic getwittert haben soll und das Bild.de auf der Startseite zeigt, etwas genauer an, fallen einem Merkwürdigkeiten auf: Es sieht so aus, als seien in den Kästchen bei Lionel Messi, Virgil van Dijk und Sadio Mané — also bei der offiziellen Erst-, Zweit- und Drittstimme von Logarusic — mal Kreuze gewesen, die wegretuschiert wurden:

Screenshot einer Nahaufnahme des Stimmzettels von Logarusic
(Draufklicken für größere Version.)

Inzwischen haben auch manche Redaktionen mitbekommen, dass mit dem Twitter-Logarusic etwas nicht stimmen könnte. Bei n-tv.de beispielsweise steht nun unter der dpa-Meldung:

In einer früheren Version dieser Meldung haben wir einen vermeintlichen Tweet des Nationaltrainers des Sudans, Zdravko Logarusic, eingebettet. Darin war ein Foto eines Stimmzettels zu sehen, das eine Wahlmanipulation suggerieren sollte. Da weder die Echtheit der Behauptung noch des Fotos bewiesen sind, haben wir uns dazu entschieden, beides zu entfernen. (Anm.d.Red.)

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 28. September: Die dpa hat auf unseren Beitrag reagiert und wie folgt dazu Stellung genommen:

Wir haben unsere Berichterstattung überprüft und berichtigt. Zwar soll der sudanesische Nationaltrainer sich in gleicher Weise auch beim TV-Sender Al Arabija geäußert haben. Es bestehen aber so erhebliche Zweifel an der Echtheit des Accounts, dass wir die Berichterstattung korrigiert haben.

Nachtrag, 29. September: Wir konnten inzwischen Zdravko Logarusic per Telefon erreichen und mit ihm bei WhatsApp schreiben. Auf unsere Frage, ob der Twitter-Account @ZLogarusic sein eigener ist, sagte er: “No, I never use Twitter.”

Über die FIFA-Wahl und seinen Stimmzettel wollte Logarusic noch nicht mit uns sprechen, da es dazu nach seiner Aussage am heutigen Sonntag noch eine Besprechung mit dem sudanesischen Fußballverband geben soll, die er abwarten möchte.

“Bild” und die Kinderporno-Ermittlungen (2)

Das Landgericht (LG) Köln hat die “konkrete identifizierende Verdachtsberichterstattung” der “Bild”-Medien über einen ehemaligen Profifußballer verboten. “Bild” und Bild.de hatten Anfang September exklusiv und riesengroß über einen “Kinderpornografie-Verdacht” berichtet. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

In Ihrem Beschluss hebt die Kammer (…) maßgeblich auf die durch die konkrete Gestaltung der Berichterstattung gegebene Vorverurteilung und den Umstand ab, dass es für eine derartige Verdachtsberichterstattung an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehle, die für die Richtigkeit des vermittelten Verdachts sprechen könnten.

Auch “Bild” berichtet heute online und in der gedruckten Ausgabe über die Gerichtsentscheidung:

Ausriss Bild-Zeitung - Verdacht der Verbreitung kinderpornographischer Schriften - Gericht verbietet Bild Berichte über M.
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Die Redaktion schreibt dazu:

Das Landgericht Köln hat BILD mit einer einstweiligen Verfügung verboten, über die Ermittlungen gegen Ex-Fußball-Nationalspieler [M.] identifizierend zu berichten.

Bei Androhung einer Geldstrafe von bis zu 250 000 Euro — “oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten” — wird es BILD verboten, “über den Antragsteller im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften in einer diesen durch Nennung seines Namens und Veröffentlichung seines Bildnisses identifizierenden Weise zu berichten”.

Aber verstößt “Bild” mit diesem Bericht über die einstweilige Verfügung nicht schon gegen die einstweilige Verfügung? Wir haben bei Medienrechtlern nachgefragt.

Zunächst stelle sich die Frage, ob die einstweilige Verfügung bereits ordnungsgemäß zugestellt wurde, erklärt Lucas Brost von der Kanzlei Höcker, denn erst dann sei sie für “Bild” bindend. Es sei beispielsweise denkbar, dass der Anwalt des früheren Fußballprofis die “Bild”-Redaktion vorab, etwa per E-Mail, über die Verfügung informiert hat, und “Bild” daher die Kenntnis habe. Allerdings, so Brost:

Für eine bereits erfolgte Zustellung könnte sprechen, dass die alten BILD-Beiträge offensichtlich bereits gelöscht wurden und die einstweilige Verfügung ausweislich der Pressemitteilung des LG Köln bereits am 19.09.2019 erlassen wurde.

Tatsächlich sind bei Bild.de alle alten Artikel zum Fall verschwunden.

Der Medienrechtler Dominik Höch sagt zum “Bild”-Bericht von heute:

BILD wird sich darauf berufen, dass es sich um einen Fall der sogenannten referierenden Berichterstattung handelt. Gerichte haben mehrfach entschieden, dass Medien über ein Verbot gegen sie selbst berichten dürfen, ohne gegen die einstweilige Verfügung zu verstoßen. Voraussetzung ist allerdings, dass für den Leser erkennbar ist, dass nur sachlich referiert wird, was nun untersagt wurde. Und: Es darf sich nicht um einen Vorwand handeln, um das Verbot zu umgehen und die Behauptung erneut aufzustellen.

Wäre er der Anwalt des Ex-Fußballers, so Höch, würde er ihm raten, “ein Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung, so diese denn schon formal zugestellt ist, zu beantragen”:

Zwei Gründe: Alleine im Text der BILD wird fünfmal der konkrete Vorwurf (“Verbreitung kinderpornographischer Schriften”) erneut aufgestellt. Dazu kommt die eingeblendete Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Das geht weit über eine sachliche Mitteilung hinaus, was der BILD verboten wurde. Man hat den Eindruck, man wollte dem Antragsteller hier noch mal “einen mitgeben”. Zum Zweiten liefe der Anonymitätsschutz im Ermittlungsverfahren komplett leer, wenn auf diese Weise solche existenzvernichtenden Vorwürfe, deren Mitteilung gerade ein Gericht verboten hat, doch weiter ventiliert werden.

Auch Lucas Brost sieht in dem aktuellen “Bild”-Bericht einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung, “wenn wir die Zustellung annehmen”:

Denn das LG Köln hat in seiner Pressemitteilung festgestellt, dass es für eine identifizierende Berichterstattung an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt, das heißt auf Grund der derzeitigen Sach- und Rechtslage darf Herr [M.] unter Nennung seines Namens und der Ablichtung eines Bildnisses nicht mehr mit den Vorwürfen in Verbindung gebracht werden.

Die “Bild”-Redaktion kündigt in ihrem Bericht von heute an, dass sie gegen die einstweilige Verfügung juristisch vorgehen wolle. Dabei beruft sie sich auch auf eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg, die darin ebenfalls den kompletten Namen des Verdächtigen genannt hatte. “Bild” schreibt:

Dennoch besonders bizarr: BILD wurde nun vom Kölner Landgericht verboten, über den Fall zu berichten, obwohl die Hamburger Staatsanwaltschaft selbst die Öffentlichkeit darüber informiert hatte!

Erstens hat der Bundesgerichtshof längst festgestellt, dass die Mitteilung einer Staatsanwaltschaft nicht einem Persilschein für Redaktionen gleichkommt:

Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf. Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben. (…) Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grundrechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat. Auch das entlastet die Medien allerdings nicht von der Aufgabe der Abwägung und Prüfung, ob im Übrigen nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Namensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist.

Und zweitens ist der zeitliche Ablauf in dem Fall interessant: Die Hamburger Staatsanwaltschaft veröffentlichte ihre Pressemitteilung samt Namen des Verdächtigen im Laufe des 4. September. Da lag die “Bild”-Ausgabe mit Foto und Namen des Verdächtigen auf der Titelseite längst an allen Kiosken Deutschlands. Der erste identifizierende Bericht von Bild.de erschien bereits am Vorabend.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Bild.de erfindet den Rechtsstaat neu

Vor dem Landgericht Neubrandenburg hat heute der Prozess gegen einen Mann begonnen, der seine sechsjährige Stieftochter getötet haben soll. Dem Angeklagten wird Mord durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Der Pflichtverteidiger des Mannes sagt, dass sein Mandant die Tat bestreite.

Auch Bild.de berichtet über den ersten Prozesstag und erfindet dabei gleich mal den Rechtsstaat neu:

Was ist geschehen?

Als die Rettungssanitäter am Abend des 12. Januar eintreffen, liegt Leonie (6) tot in der Wohnung der Familie. Später wird klar: Das Kind starb an schweren Kopfverletzungen. Ihr Stiefvater David H. behauptet es handle sich um einen tragischen Unfall. Das muss er Staatsanwaltschaft und Richtern jetzt vor Gericht beweisen.

So grausam die Taten sein mögen, die David H. vorgeworfen werden, gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung. Nicht er muss “Staatsanwaltschaft und Richtern jetzt vor Gericht beweisen”, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe; die Staatsanwaltschaft muss David H. den Mord nachweisen.

Die Richter aus der Bild.de-Redaktion haben ihr Urteil übrigens schon längst auf der Startseite gesprochen:

Screenshot Bild.de - Kleine Leonie (6) von Stiefvater ermordet - Feiger Kinder-Killer zeigt verzweifeltem Vater den Mittelfinger
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Mit Dank an Harald und @unalternativ für die Hinweise!

Nachtrag, 25. September: Mehrere Leserinnen und Leser haben uns darauf hingewiesen, dass der Mittelfinger, den der Angeklagte laut Bild.de dem Vater gezeigt haben soll, ja auch dem Fotografen gegolten haben könnte, dessen Foto die Redaktion verwendet. Und tatsächlich gibt es solche fragwürdigen Interpretationen, bei denen die “Bild”-Medien einen ausgestreckten Mittelfinger etwa als Verhöhnung des Gerichts auslegen, obwohl er vermutlich dem eigenen Fotografen galt.

In diesem Fall dürfte die “Bild”-Darstellung hingegen stimmen. Jedenfalls zeigt ein Video vom Prozessauftakt, das UM.tv bei Facebook gepostet hat, dass der Angeklagte den Mittelfinger zumindest in jene Richtung streckt, in der der Vater des verstorbenen Mädchens sitzt.

Franz Josef Wagner setzt “Hartz-IV-Familien” vor die Glotze

Bruce Springsteen hat heute Geburtstag, 70 Jahre ist der Musiker nun alt, und ist man so bekannt wie Springsteen, hat man das Pech, dass einem alle möglichen Leute gratulieren:

Ausriss Bild-Zeitung - Post von Wagner - Hi Boss (Bruce Springsteen)

1949, heute vor 70 Jahren, wurden Sie geboren, ein Junge aus New Jersey. Vater Busfahrer, Mutter Sekretärin, Bildungschancen keine, Schule abgebrochen. Für Ihre Eltern war es normal, nicht mehr zu wollen, als vor dem Fernseher zu sitzen.

Heute würden wir sagen, Bruce Springsteen stammt aus einer Hartz-IV-Familie.

Dieser Hartz-IV-Junge ist heute der gefeiertste Rockstar aller Zeiten.

Nun könnte man sicher sehr leidenschaftlich darüber debattieren, ob Springsteen wirklich “der gefeiertste Rockstar aller Zeiten” ist, doch hier soll es um Franz Josef Wagners herablassenden Hartz-IV-Unsinn gehen.

Kaum Bildung, keine Ambitionen und ständig vor der Glotze — das macht für den “Bild”-Briefonkel offenbar eine typische “Hartz-IV-Familie” aus. Diese Vorurteile passen bestens in das verächtliche Bild von faulen “Hartz-IV-Schmarotzern”, das die “Bild”-Redaktion seit Jahren verbreitet. Dass Springsteens Eltern als Busfahrer beziehungsweise Sekretärin beide arbeiteten, schreibt Wagner zwar selbst; dass sie mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienten und wohl kaum Hartz-IV-berechtigt gewesen wären, scheint ihn bei seinem Urteil hingegen nicht weiter zu interessieren.

Wagners Behauptungen zu den fehlenden Bildungschancen und zu Springsteens Schulabbruch sind übrigens schlicht falsch. Bruce Springsteen hatte durchaus Bildungschancen und nutzte diese auch, was ihm 1967 einen High-School-Abschluss brachte. Er soll zwar nicht zur Graduiertenfeier erschienen sein, die Schule hat er aber erfolgreich beendet — im Gegensatz zu Franz Josef Wagner, der seine Abiturprüfung nie bestanden hat.

Mit Dank an Manni für den Hinweis!

Bild.de sollte A$AP korrigieren

Immerhin haben sie nicht geschrieben, dass US-Präsidentin Dolly Parton Karotten-Experte Bugs Bunny zum neuen Sicherheitsberater gemacht hat, aber ansonsten ist an diesem Artikel von Bild.de so gut wie alles falsch:

Screenshot Bild.de - O'Brien befreite Rapper A$AP Rocky - Trumps Geisel-Experte wird Sicherheitsberater

Vielleicht erst einmal zu den involvierten Personen: US-Präsident Donald Trump dürfte bekannt sein. A$AP Rocky ist ein ziemlich erfolgreicher Rapper aus den USA, der im Juli und August mehrere Wochen in Schweden in Untersuchungshaft saß und wegen Körperverletzung dort vor Gericht stand. Und Robert O’Brien ist Jurist, war bisher Trumps Sondergesandter für Entführungsfälle und ist nun eben Nachfolger des gerade erst entlassenen Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton.

Bild.de schreibt:

Robert O’Brien wurde Anfang August zum Helden US-amerikanischer Rap-Fans — nun wird er der Nationale Sicherheitsberater der USA!

Der US-Rapper A$AP Rocky (30) saß in Schwedens Hauptstadt Stockholm wegen einer Schlägerei in Untersuchungshaft. Dann schickte US-Präsident Donald Trump (73) seinen Sondergesandten für Geiselangelegenheiten nach Schweden: Robert O’Brien, der als Sonderbotschafter Diplomaten-Status genießt. (…)

Was Trump jedoch erreichte: Er machte aus einer Gerichtsverhandlung eine diplomatische Angelegenheit — und der Rapper wurde tatsächlich freigesprochen!

A$AP Rocky wurde allerdings gar nicht freigesprochen. Das Gericht in Stockholm hat ihn zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er wurde auch nicht von O’Brien “befreit”, wie Bild.de in der Dachzeile behauptet. Es war eine Entscheidung des zuständigen Gerichts, den Rapper Anfang August, nach den Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung, bis zur Urteilsverkündung aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Und somit “erreichte” auch Donald Trump nichts in diesem Fall, im Gegenteil: Seine wiederholten Interventionsversuche bei Schwedens Regierungschef Stefan Löfven führten nur zu der peinlichen Situation, dass Löfven dem US-Präsidenten mehrfach die Unabhängigkeit der schwedischen Justiz erklären musste.

Die völlig falsche Zusammenfassung, dass Trump gemeinsam mit O’Brien dafür gesorgt habe, dass A$AP Rocky “freigesprochen” und “befreit” wurde, hätte sich die PR-Abteilung des Weißen Hauses nicht besser ausdenken können.

Mit Dank an @GregorxxxSamsa und @cobvl für die Hinweise!

Was kümmert sie ihr Geschwätz vom Absatz zuvor?

Popstar Sam Smith schrieb am vergangenen Freitag bei Twitter:

Screenshot eines Tweets von Sam Smith - Today is a good day so here goes. I’ve decided I am changing my pronouns to THEY/THEM after a lifetime of being at war with my gender I’ve decided to embrace myself for who I am, inside and out

Mit dieser Aussage landete Smith auch bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Weder Mann, noch Frau - Wie Sam Smith ab jetzt genannt werden will

Sam Smith (27) möchte ab sofort nicht mehr mit männlichen Pronomen angesprochen werden, stattdessen wünscht sich Smith ab jetzt eine genderneutrale Ansprache.

Bereits Anfang des Jahres erklärte Sam Smith, non-binär zu sein, sich also weder dem männlichem, noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig zu fühlen. Damals sagte Smith jedoch, er wolle weiter mit “er”, also dem männlichen Pronomen angesprochen werden. Dies hat sich nun geändert.

Dass Sam Smith aus Sam Smiths Sicht “WEDER MANN, NOCH FRAU” ist, wie Bild.de in der Dachzeile schreibt, kann man zumindest bezweifeln. Vor knapp zwei Jahren sagte Smith in einem Interview mit der “Sunday Times”: “I feel just as much woman as I am man”. Aber eigentlich soll es hier sowieso um etwas anderes gehen, nämlich um dieses lobenswerte Versprechen, das die Bild.de-Redaktion im Artikel gibt:

BILD möchte Sam Smiths Wunsch natürlich folgen, daher wird in diesem Artikel nur der Name genutzt.

Was dieses Versprechen wert ist, sieht man allerdings, wenn man den direkt darauffolgenden Absatz liest:

BILD möchte Sam Smiths Wunsch natürlich folgen, daher wird in diesem Artikel nur der Name genutzt.

Smith schreibt auf Twitter, dass er weiß, dass einige Menschen Fehler machen werden, ohne ihm etwas böses zu wollen. Er wünscht sich nur, dass jeder zumindest versucht, seinen Wunsch nachzugehen.

Bei Bild.de kann Smith sich das offenbar noch lange wünschen.

Mit Dank an @HorstHoof für den Hinweis!

Klima und Freiheit lassen sich von “Bild” nicht ausspielen

Gestern fragte “Bild”:

Ausriss Bild-Zeitung - Was ist wichtiger: Klima oder Freiheit?

Und auch Bild.de fragte mit:

Screenshot Bild.de - Die Welt spricht über Joshua Wong und Greta Thunberg - Was ist wichtiger: Klima oder Freiheit?

In unseren Augen ist das ein so billiger und durchsichtiger Versuch der “Bild”-Redaktion, rumpelnd Aufmerksamkeit zu bekommen und zu provozieren, dass wir die Sache hier eigentlich nicht thematisieren wollten. Aber dann gab es heute doch noch eine ganz schöne Pointe. Denn Freiheit und Klima beziehungsweise deren Vertreter Joshua Wong und Greta Thunberg wollten sich offenbar nicht von den “Bild”-Mitarbeitern für deren ekligen Versuch einspannen lassen, zwei wichtige Bewegungen und zwei junge Menschen gegeneinander auszuspielen (an dieser Stelle sei noch einmal an Gertjan Verbeeks “Arschlocher”-Analyse erinnert).

Und so kommentierte Joshua Wong heute einen Tweet Greta Thunbergs:

Screenshot eines Tweets von Joshua Wong - What Greta Thunberg stands up for and her philosophy to advocacy is truly inspiring. Her cause is ours too, as a global citizen. climatestrike FridaysForFuture

Und Thunberg schickte prompt eine Solidaritätsbekundung zurück an Wong:

Screensot eines Tweets von Greta Thunberg - Likewise! We stand with you.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Die Infos liefert “Bild”, Mistgabeln müssen selbst besorgt werden

Nachdem ihr Sohn bei einem Attentat vor einigen Jahren mehrere Menschen getötet hat, änderte sich auch für die Eltern des Täters das Leben komplett: Sie bekamen Morddrohungen, mussten ihren Wohnort verlassen, wurden in ein polizeiliches Schutzprogramm aufgenommen und sollen ins Ausland gezogen sein. So steht es bei Bild.de:

Nach der Tat wurde die Familie ins Opferschutzprogramm der Polizei aufgenommen — verließ später sogar Deutschland angeblich in Richtung Österreich. Grund: Massive Drohungen.

Dieser Satz stammt aus einem Artikel, den Bild.de gestern Abend veröffentlichte und der verkündet, dass die Familie nun wieder in ihrem alten Wohnort lebt:

Screenshot Bild.de - Familie des ... zurück in ...
(Verpixelung durch uns.)

Für ein paar Klicks und das eine oder andere verkaufte Abo — es handelt sich um einen “Bild plus”-Artikel — zerren die “Bild”-Medien eine Familie in die Öffentlichkeit, die “massiven Drohungen” ausgesetzt und auf den Schutz der Polizei angewiesen war. Auf ihrer Startseite erzählte die Bild.de-Redaktion einem Millionenpublikum von dem Umzug; die in dem Ort erhältliche gedruckte “Bild”-Regionalausgabe berichtet heute ebenfalls groß darüber. Der Name der Familie wird sowohl online als auch in der Printverstion genannt. Mistgabeln und Fackeln sind hingegen nicht beigelegt und müssen vom Mob selbst besorgt werden.

Mit Dank an Christian S. für den Hinweis!

Baden gehen in griechischen Quellen

Für besondere Geschichten brauchen Redaktionen besondere Quellen. Und bei Bild.de, da haben sie diese Quellen.

Nachdem die künftige Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen ihre 27 26 Kommissarinnen und Kommissare präsentiert hatte (Bild.de: “Von der Leyen stellt ihre kuriose EU-Truppe vor”), schrieb das “Bild”-Team:

Screenshot Bild.de - Zweite Überraschung: Neben Timmermans und der dänischen Liberale Margrethe Vestager wird der griechische Christdemokrat Valdis Dombrovskis (48, Bereich Wirtschaft und Soziales) eine herausragende Rolle spielen. Bild hatte dies bereits aus griechischen Quellen erfahren und vorab berichtet.

Verständlich, dass die Autoren ihren Vorsprung noch einmal erwähnen wollen. Und es ist ja auch wirklich eine bemerkenswerte Quelle, die einem erzählt, dass der frühere Ministerpräsident Lettlands nun Grieche ist.

Inzwischen scheinen sie jedoch auch bei Bild.de nicht mehr überzeugt zu sein von Dombrovskis überraschendem Nationalitätenwechsel. Nun steht in dem Artikel:

Zweite Überraschung: Neben Timmermans und der dänischen Liberale Margrethe Vestager wird der Lette Valdis Dombrovskis (48, Bereiche Wirtschaft und Soziales) eine herausragende Rolle spielen. Als ditter (sic) geschäftsführender Vizepräsident soll der Christdemokrat künftig “die Arbeiten für die Wirtschaft im Dienste der Menschen koordinieren”.

Die weiteren fünf Vize-Präsidenten, die ressortübergreifend koordinierende Aufgaben wahrnehmen: Der Spanier Josep Borrell (Außenbeauftragter), die Tschechin Vera Jourova (Werte und Transparenz), der Slowake Maros Sefcovic (interinstitutionelle Beziehungen), die Kroatin Dubravka Suica (Demokratie und Demografie) und der Grieche Margaritis Schinas (“Schützen, was Europa ausmacht”). Über dessen Berufung hatte BILD vorab berichtet.

Einen Korrekturhinweis sucht man in dem langen Text vergeblich.

Mit Dank an Jan Niklas S. für den Hinweis!

Korrektur, 13. September: Es sind nicht 27 Kommissarinnen und Kommissare, wie wir zuerst geschrieben haben, sondern 26 Kommissarinnen und Kommissare. Mit Ursula von der Leyen als Präsidentin der Kommission sind es dann 27 Personen.

Mit Dank an @MoDeutschmann für den Hinweis!

Will eine “Grünen-Frau” Luftballons verbieten?

Wenn die Bild.de-Redaktion auf ihrer Startseite sowas hier schreibt …

Screenshot Bild.de - Landeschefin in Niedersachsen - Grünen-Frau will Luftballons verbieten

… dann könnte man ja fast glauben, dass eine “Grünen-Frau” (gemeint ist offenbar eine Politikerin der Grünen) Luftballons verbieten will. So viel schon mal jetzt: Das ist eine kräftig verzerrte Darstellung.

In der “Neuen Osnabrücker Zeitung” wird die Landesvorsitzende der Grünen in Niedersachsen Anne Kura (das ist bei Bild.de die “Grünen-Frau”) heute so zitiert:

Soll das Steigenlassen von Luftballons verboten werden? Die Grünen in Niedersachsen halten einen entsprechenden Beschluss der nordrhein-westfälischen Stadt Gütersloh für nachahmenswert. “Steigen gelassene Luftballons landen in den allermeisten Fällen in der Natur. Vögel und andere Tiere fressen die weichen Ballonreste und verhungern dann mit vollem Magen. Auch Ballons aus Naturlatex sind deswegen keine wirkliche Alternative”, sagte Grünen-Landeschefin Anne Kura unserer Redaktion. Es sei deshalb “begrüßenswert, dass die Stadt Gütersloh mit gutem Beispiel vorangeht und auf das Steigenlassen von Luftballons verzichtet”, ergänzte sie.

Im Artikeleinstieg bei Bild.de klingt das alles dann schon etwas anders:

Luftballons zur Hochzeit steigen lassen, Deko für Kindergeburtstage oder lustige Tierfiguren — das alles könnte schon bald Geschichte sein.

Zumindest wenn es nach den Willen der Grünen aus Niedersachsen geht. Sie sprechen sich für ein Luftballonverbot aus.

Die Bild.de-Redaktion schafft es, drei Beispiele zu nennen — und mit allen drei danebenzuliegen: Die Grünen aus Niedersachsen fordern kein Verbot für “Luftballons zur Hochzeit”, sie fordern kein Verbot für “Deko bei Kindergeburtstagen” und sie fordern auch kein Verbot von “lustigen Tierfiguren”.

Auf Nachfrage sagt uns ein Sprecher der Partei, dass es Anne Kura ausschließlich um gasgefüllte Luftballons geht, die man in die Natur steigen lässt. In Fußgängerzonen könnten gern weiterhin Dackel oder Affen oder andere Tiere aus Luftballons geknotet werden, ganze Hallen sollen weiter mit Luftballons ausgeschmückt werden — alles kein Problem für die Grünen. Und es gibt noch eine Einschränkung zum vermeintlichen allgemeinen Luftballonverbot: Kura bezieht sich auf eine Entscheidung aus Gütersloh. Diese betraf allerdings nicht private Feste wie Hochzeitsfeiern oder Kindergeburtstage, sondern nur städtische Veranstaltungen (was dann natürlich auch für städtische Kindergärten und Schulen gelten würde). Bei privaten Feiern könnte man weiterhin Luftballons aufhängen, sie zum Platzen bringen oder auch gasgefüllte Ballons steigen lassen.

Statt eines generellen Luftballonverbots fordern die Grünen aus Niedersachsen also ein Verbot* fürs Steigenlassen von gasgefüllten Luftballons bei städtischen Veranstaltungen. Für so viel Differenzierung war nicht nur bei Bild.de kein Platz — in den Überschriften vieler anderer Medien klingt es ganz ähnlich verzerrt.

Nachtrag, 14:17 Uhr: Bei der Entscheidung in Gütersloh geht es neben städtischen Veranstaltungen auch um private Feiern auf städtischem Gelände.

Mit Dank an @LeKWiNK für den Hinweis!

Nachtrag, 14:25 Uhr: Bei Bild.de ist inzwischen ein Artikel mit dieser Überschrift erschienen:

Screenshot Bild.de - Luftballon-Debatte - Grüne fordern kein generelles Verbot

Mit Dank an @cbstralsund für den Hinweis!

*Nachtrag, 13. September: Genau genommen fordern die Grünen aus Niedersachsen gar kein Verbot. Die Landesvorsitzende Anne Kura hat gegenüber der “Neuen Osnabrücker Zeitung” lediglich gesagt, dass das (von allen Parteien beschlossene) Verbot im nordrhein-westfälischen Gütersloh begrüßenswert sei. Eine konkrete Forderung nach einem Verbot in Niedersachsen stellte sie hingegen nicht auf.

Mit Dank an Frank O. für den Hinweis!

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