Autoren-Archiv

Eigentum verharmlost

“Das Grundeigentum” ist laut Eigenbeschreibung eine “Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft”, also etwas vereinfacht ausgedrückt: eine Publikation für Vermieterinnen und Vermieter, vor allem für jene aus Berlin. Damit gehört sie inhaltlich nicht unbedingt zu den Medien, über die wir hier im BILDblog schreiben. Mit etwas mehr als 6.000 gedruckten Exemplaren pro Ausgabe (PDF) ist “Das Grundeigentum” auch nicht gerade das reichweitenstärkste Blatt Deutschlands. Doch wenn in der aktuellen Ausgabe ein Text veröffentlicht wird, der einen nur fassungslos zurücklassen kann, ist das auch ein Thema für uns.

Herausgeber Dieter Blümmel schreibt in seinem Kommentar “Vom Rechtsstaat zum Maßnahmenstaat” gleich über mehrere Themen: Er kritisiert die Entscheidung der Bundesregierung, die Vermieter zur Hälfte an den entstehenden CO2-Kosten zu beteiligen, den Beschluss des Bundestages, dass Vermieter künftig die TV-Kabelkosten nicht mehr einfach so auf die Mieter umlegen dürfen, das Baulandmobilisierungsgesetz, das es erschwert, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, den inzwischen gekippten Berliner Mietendeckel, der den Vermietern Höchstgrenzen bei der Miete vorgab, sowie allgemein die Corona-Maßnehmen von Bund und Ländern. So weit, so vorhersehbar.

Aus seinen Beobachtungen folgert Blümmel:

Wir schlittern in ein politisches System hinein, das erschreckende Ähnlichkeiten mit dem von Ernst Fraenkel beschriebenen “Doppelstaat” aufweist. Fraenkel unterscheidet in seiner 1940/41 erschienenen Arbeit den an Normen gebunden Rechtsstaat, dessen Handeln sich an Gesetzen orientiert, vom Maßnahmenstaat, der sich an politischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausrichtet.

Ernst Fraenkel schrieb in “Der Doppelstaat” über den NS-Staat. In seiner Studie geht es vor allem auch um die (fehlenden) Rechte von Juden und deren Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Dieter Blümmel überträgt Fraenkels Analyse auf die heutige Lage der Vermieterinnen und Vermieter in Deutschland. Er sieht sie in einer ganz ähnlichen Situation wie Juden während des Nationalsozialismus:

Das Privateigentum [im NS-Staat] war geschützt – aber nicht das der Juden. Auch in der Bundesrepublik scheint das Privateigentum geschützt – aber nicht jedermanns.

Es ist eine beschämende Relativierung.

Gesehen bei @RonenSteinke.

Mit Freigabe, ohne Verpixelung

Vielleicht könnte es ein Warnsignal für eine Redaktion sein, dass in ihrer (geplanten) Berichterstattung etwas mächtig schiefläuft, wenn sie in einer Bildunterschrift einen Satz einfügen muss, mit dem sie offenbar zeigen will, dass das, was sie da macht, immerhin nicht rechtlich, sondern nur ethisch höchst zweifelhaft ist. “Die Familie hat das Foto freigegeben”, schreibt “Bild” heute extra zu einer Aufnahme, die riesig in der gedruckten Ausgabe und auch auf der Bild.de-Startseite zu sehen ist:

Ausriss Bild-Zeitung - Er ist der einzige Überlebende des Seilbahn-Horrors vom Lago Maggiore - E. (5) weiß noch nicht, dass seine Familie tot ist

Die Unkenntlichmachung haben wir eingefügt – in den “Bild”-Medien sind die vier Personen gänzlich unverpixelt abgebildet, ihre vollen Namen werden genannt. Drei von ihnen, die Mutter, der Vater und das zweijährige Kind, sind am vergangenen Sonntag bei dem Seilbahnunfall in Italien gestorben. Der fünfjährige Sohn hat schwerverletzt überlebt. Seine Urgroßeltern, die auf dem Foto nicht zu sehen sind, sind bei dem Unglück ebenfalls ums Leben gekommen.

Muss eine Redaktion wirklich alles zeigen, was sie zeigen darf? Sollte sie nicht, ob nun aus Rücksichtnahme, aus Respekt vor Persönlichkeitsrechten und Verstorbenen oder schlicht aus Mitgefühl, freiwillig eine Verpixelung einfügen? Wenigstens bei dem Zwei- und dem Fünfjährigen? Wie sehr sollte sie die Freigabe einer Familie ausnutzen, die diese offensichtlich in einer emotionalen Extremsituation ausgesprochen hat? Und entbindet eine solche Freigabe von jeglicher redaktioneller Verantwortung?

Die “Bild”-Medien haben ihre Antworten auf diese Fragen anscheinend gefunden. In einem anderen Artikel zeigt Bild.de ein weiteres Foto des fünfjährigen Jungen, ebenfalls ohne Unkenntlichmachung. Als Quelle gibt die Redaktion an: “Foto: Facebook”. Andere Medien haben sich dazu entschlossen, in ihrer Berichterstattung die Gesichter der Familie zu verpixeln.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Alle Schummelminister sind gleich, aber manche sind “Bild”-Freunde

Wie “Bild” berichtet, hängt in weiten Teilen davon ab, wer Freund der Redaktion ist und wer Feind, wer Gegner und wer Gefährte. Das war schon lange so, bevor Julian Reichelt Chefredakteur wurde; unter ihm hat sich diese Einteilung in Gut und Böse aber wieder verstärkt. Wie unterschiedlich die “Bild”-Medien, je nach Gunst, ähnliches Handeln verschiedener Menschen beurteilen, kann man gut an der aktuellen Berichterstattung über Franziska Giffey beobachten.

“Bild am Sonntag” nennt die wegen der Affäre um ihre Doktorarbeit zurückgetretene Familienministerin bereits nur noch “Schummelministerin”; Bild.de stellt sie gewissermaßen als Abkassiererin dar (“57 000 Euro nach Rücktritt wegen Doktortitel”), obwohl ihr das Geld dem Gesetz zufolge schlicht zusteht; und dann lasse Giffey durch ihren Rücktritt laut “Bild”-Redaktion auch noch “ein wichtiges Ressort im Kampf gegen die Corona-Pandemie und deren Folgen im Stich”. Egal, wie sie es macht: Rücktritt – falsch, kein Rücktritt – ebenfalls falsch.

Am kräftigsten teilt “Bild”-Chefkolumnist Alfred Draxler gegen Franziska Giffey aus:

Screenshot Bild.de - Kommentar zum Giffey-Rücktritt - Sie hat geschummelt, gemogelt und betrogen!

Draxler schreibt:

Jetzt ist die SPD-Politikerin ausgerechnet wegen ihrer Doktorarbeit als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. In ihrer Dissertation liegt an 27 (!) Stellen eine objektive Täuschung vor. Heißt: Sie hat ohne Quellenangaben abgekupfert.

Sie hat geschummelt, gemogelt und betrogen!

Und jetzt will sie auch noch weiter tricksen!

Denn Giffey hält trotz der Plagiatsvorwürfe an ihrem Plan fest, im September Bürgermeisterin von Berlin werden zu wollen. Draxler:

Die großen Berliner Bürgermeister Ernst Reuter, Willy Brandt und Richard von Weizsäcker würden sich bei solch einer Nachfolgerin im Grabe umdrehen.

Zweifelsohne gibt es gute Gründe dafür, Franziska Giffeys Verhalten – sowohl in Bezug auf ihre Doktorarbeit als auch mit Blick auf ihre Berlin-Pläne – ausgesprochen kritisch zu sehen. In einem ähnlichen Fall legte Alfred Draxler allerdings völlig andere Maßstäbe an. Er ließ nicht gleich tote Politik-Größen im Grab rotieren. Im Gegenteil. Er fieberte schon dem Comeback eines Schummelministers (den Draxler und “Bild” natürlich nicht so nannten) entgegen: Im August 2017 sieht er bei einer Wahlkampfveranstaltung eine Rede von Karl-Theodor zu Guttenberg. Und ist hin und weg:

Screenshot Bild.de - Erste Wahlkampfrede bei Bier und Jubel - Guttenberg will's wissen

War da nicht mal was mit einer abgeschriebenen Doktorarbeit? Für Alfred Draxler alles nur eine Klammer wert:

Sechseinhalb Jahre nach seiner Abdankung (wegen teilweise abgeschriebener Doktorarbeit) hat Ex-Wirtschafts- und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (45) gestern Abend in seinem alten Wahlkreis seinen ersten öffentlichen politischen Auftritt.

Bei Franziska Giffey setzt Draxler für die “objektive Täuschung” an 27 Stellen ein Extra-Ausrufezeichen, bei Karl-Theodor zu Guttenberg und dessen 1218 Plagiatsfragmenten reicht ihm ein abschwächendes “teilweise”. Aber bei Guttenberg gab es ja auch diesen tobende Saal, die ständigen “KaTe, KaTe”-Rufe, das “überschäumende Bad im Jubel”. Hach, der Karl-Theodor:

Er in Jeans, blauem Sakko, offenem weißen Hemd, Ein-Tage-Bart. Seine schöne Frau Stephanie an seiner Seite, neben ihr Guttenbergs Vater Enoch. “Klartext” versprachen die Plakate draußen.

Und KT liefert: Klartext

Draxler sieht den Ex-Minister schon zurück in höchsten politischen Ämtern – und Guttenbergs einstiges Schummeln, Mogeln, Betrügen so gar nicht als Hindernis:

Es drängt sich der Eindruck auf: Hier läuft sich einer warm für neue politische Aufgaben. Charismatische Politiker wie KT sind rar. Er hat die Unterstützung von CSU-Chef Seehofer (“Wir können ihn sehr gut gebrauchen.”). Und: Die Basis hat ihm längst vergeben. (…)

Einer wie KT drängt sich nicht auf. Er muss sich in Demut üben – um eines Tages gerufen zu WERDEN. Als Minister? Seine Rede klang wie eine Bewerbung fürs Außenministerium.

Oder für etwas anderes?

Nach dem, was ich gestern Abend in Kulmbach erlebt habe, halte ich nichts mehr für undenkbar …


Unser Buch ist seit dem 11. Mai überall erhältlich, zum Beispiel bei euren lokalen Buchhändlern, bei GeniaLokal, bei Amazon, bei Thalia, bei Hugendubel, bei buch7, bei Osiander oder bei Apple Books. Es ist auch als eBook und Hörbuch erschienen.

Alfred Draxlers Jubel über Karl-Theodor zu Guttenberg ist die konsequente Fortführung einer seit Jahren andauernden “Bild”-Kampagne für den Liebling des Hauses. In unserem kürzlich erschienenen Buch über “Bild” haben wir ein ganzes Kapitel zu den Feind- und Freundbildern der Redaktion geschrieben. Die Berichterstattung über Guttenberg spielt darin eine zentrale Rolle. Hier ein Auszug:

Mit wie viel Energie und Einfallsreichtum “Bild” für Freunde in die Bresche springt, lässt sich seit mehr als zehn Jahren an der Berichterstattung über einen Mann beobachten, mit dem Julian Reichelt eine ganz persönliche Geschichte verbindet: “Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg”, wie “Bild” ihn nach seiner Ernennung zum Wirtschaftsminister groß auf der Titelseite nennt, ohne zu merken, dass einer der Namen frei erfunden ist (Wilhelm; er stammt aus einem manipulierten Wikipedia-Eintrag).1 Solche Nachlässigkeiten sollten der Redaktion in Zukunft aber nicht mehr passieren, denn schnell wird Guttenberg in den “Bild”-Medien zum glänzenden “Einhorn der deutschen Politik”2 erklärt. Ein “Aufklärer und Erneuerer”, “attraktiv, bescheiden, voller Power”3.

Als Verteidigungsminister – “Minister Liebling”4 – wird Guttenberg bei fast jeder seiner Auslandsreisen von “Bild” begleitet, genauer: vom damaligen “Bild”-Reporter Julian Reichelt, der den Kurs des “Klartext-Ministers” immer wieder lobt und sich für die deutschen Soldaten freut, die “nun endlich den Minister” hätten, “den sie verdienen”.5 (Im Sommer 2010 kommt der Verteidigungsminister dann auch persönlich zur Vorstellung von Reichelts neuem Buch.6) Die Inszenierung des Ministers geht so weit, dass “Bild” ein exklusives Foto – Guttenberg in “Top-Gun”-Pose vor einem Kampfjet – fast seitenhoch auf die Titelseite druckt und sogar eine 3D-Brille dazulegt: “Exklusiv in 3D: Minister Guttenberg fliegt im Kampfjet”.7 Immer wieder erscheinen Zeilen wie “Guttenberg auch in China ein Star”8 oder “Karl-Theodor und Stephanie zu Guttenberg: Total verschossen auf der Wiesn!”9 oder “Sind Adelige die besseren Politiker?”10 Ende 2010 träumt Bild schon von Kanzler Guttenberg: “CSU-Chef, Ministerpräsident oder sogar Kanzler … In welches Amt stürmt Guttenberg 2011?”11 Als Guttenbergs “hinreißende Frau Stephanie”12 eine Sendung bei RTL2 moderiert, machen die “Bild”-Medien in großem Stil Werbung dafür, lobpreisen die Show und ihre Macherin – “Deutschlands heimliche First Lady”13 – wochenlang auf allen Kanälen (“Bravo, Stephanie zu Guttenberg!”, “Respekt, Frau zu Guttenberg!”)14, und als sie im Dezember 2010 mit ihrem Mann deutsche Truppen in Afghanistan besucht, erklärt “Bild” auf der Titelseite in großen Lettern: “Wir finden die GUTT! Nörgler, Neider, Niederschreiber: Einfach mal die Klappe halten!”15

Zwei Monate später, an einem Samstagabend, macht es sich der Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano mit einem Glas Rotwein vor seinem Computer gemütlich. Auf dem Monitor vor ihm: die Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg. Er hat die 475 Seiten bereits gelesen, jetzt will er eine Rezension für eine Fachzeitschrift schreiben. Bei einer routinemäßigen Google-Suche merkt er plötzlich, dass einige Passagen der Arbeit wortwörtlich aus anderen Publikationen übernommen wurden.16

Vier Tage später titelt die “Süddeutsche Zeitung”: “Plagiatsvorwurf gegen Guttenberg”.17 Sofort stürzen sich nationale und internationale Medien auf die Enthüllung, nennen Guttenberg den “Lügenbaron”18. Rücktrittsforderungen kommen von allen Seiten. “Bild” aber geht mit voller Kraft in den Verteidigungsministerverteidigungsmodus. “Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor”19, schreibt “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner am Tag nach Bekanntwerden der Vorwürfe (obwohl er knapp zwei Jahre zuvor noch gegen jene “Uni-Luschen” gewettert hatte, die sich einen Doktortitel erkaufen: “Sich ein falsches Gehirn einpflanzen zu lassen, muss per Gesetz bestraft werden. Ein Doktortitel ist kein Busen, kein Facelifting und keine Straffung des Popos”20). Als Guttenberg kurz darauf verkündet, er wolle im Amt bleiben, titelt “Bild”: “GUT! Guttenberg bleibt!” Was hier geschehe, sei eine “Hetzjagd auf den beliebtesten Minister der Republik”.21

“Bild”-Redakteure treten in Talkshows auf, um dem Minister beizuspringen; Nikolaus Blome, damals Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros (dessen Buch der Minister eigentlich auch vorstellen wollte, bis die Plagiatsaffäre dazwischenkam22), wiegelt bei “Hart aber Fair” ab: “Der Untergang des Abendlandes fällt aus, trotz dieser Doktorarbeit.” Bei “Maischberger” ringt eine “Bild-am-Sonntag”-Redakteurin, so beschreibt es der “Spiegel” später, “wie eine Ehefrau um Verständnis für den jungen Familienvater, der in siebenjähriger Nachtarbeit seine Doktorarbeit erstellt, dabei ein paar Fehler gemacht und nun als großartiger Minister Ziel einer Kampagne geworden sei. Aber: ‘Er ist auch ein Mensch.'”23 Der “Spiegel” nennt “Bild” damals die “Leibgarde von Karl-Theodor zu Guttenberg”.24

Kurz darauf startet “Bild” eine große Leseraktion. Auf der Titelseite wird dazu aufgerufen, per Telefon und Fax (kostenpflichtig) darüber abzustimmen, ob Guttenberg Minister bleiben oder zurücktreten solle. Auch online kann man abstimmen. Als sich dort eine Mehrheit gegen den Minister abzeichnet, verschwindet die Umfrage von der Seite. Sie erscheint erst wieder, als Journalisten sich nach dem Ergebnis erkundigen – das da lautet: 56 Prozent wollen den Rücktritt; nur 35 Prozent finden, er mache seinen Job gut.25 Tags darauf titelt “Bild”: “87% Ja-Stimmen beim BILD-Entscheid – ‘Ja, wir stehen zu Guttenberg!'”26 Die Zahl, behauptet die Zeitung, stamme aus dem Telefon- und Fax-Voting; die Online-Umfrage wird gar nicht erwähnt und in den Tiefen der Website versteckt.27

Sogar nach dessen Rücktritt ist “Bild” offenkundig bemüht, Guttenbergs Ansehen zu beschützen: Am Tag nach der Rücktrittserklärung beschreibt Julian Reichelt unter der Überschrift “Ich war mit dem Minister im Krieg” in herzerwärmenden Worten, wie Guttenberg einmal in ein brennendes Flugzeug kletterte, um für seinen Piloten, der Geburtstag hatte, eine Kiste Bier zu holen. Er habe oft von “Pflicht” und “Anstand” gesprochen, und Reichelt könne “bezeugen, dass seine Taten zu seinen Worten passten”.28

Bis heute berichten die “Bild”-Medien (oft exklusiv) über Guttenbergs Projekte29 und Aussagen30, lassen ihn Gastkommentare schreiben31, feiern auf der Wiesn “große Gaudi mit Guttenbergs”32. 2017, gerade mal einen Tag nach seinem ersten öffentlichen politischen Auftritt seit der Plagiatsaffäre, bringen “Bild” und Alfred Draxler ihn schon wieder als Kanzler ins Spiel.33

So behandelt “Bild” Freunde.

Bildblog unterstuetzen

“Wer den toten Willi jetzt zu Geld machen will”

Vor vier Wochen ist der Schauspieler und Sänger Willi Herren gestorben, und laut “Bild” gibt es nun ein “unwürdiges Gezerre um seinen Namen”, einen “NEUEN STREIT”:

BILD erfuhr: Drei Frauen pokern jetzt um die Namensrechte von Willi Herren. Um damit nach seinem Tod weiter Geld zu verdienen?

fragt Bild.de und titelt dazu auf der Startseite:

Screenshot Bild.de - Neuer Streit um Herren - Wer den toten Willi jetzt zu Geld machen will

Praktisch, dass die Redaktion mit dem Symbol ganz unten schon im Teaserbild die Antwort mitliefert. Denn wer das alles erfahren will, muss zahlen: Die Auflösung gibt es nur mit einem “Bild-plus”-Abo.

Das hat bei Texten über Willi Herrens Tod eine gewisse Tradition, wie ein Blick ins Bild.de-Archiv zeigt:

20. April (Herrens Todestag)

JASMIN HERREN – So erfuhr Willis Ehefrau von seinem Tod!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

BESTE FREUNDE ALARMIERTEN DIE POLIZEI – “Willi war 24 Stunden nicht erreichbar”

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

21. April

DER “PROMIS UNTER PALMEN”-VERTRAG! Was jetzt aus Willis Gage wird

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

DROGEN-ABSTÜRZE, LIEBES-TROUBLE UND GANZ VIEL TRASH-TV – Willis wildes Leben!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

TV-STAR WILLI HERREN TOT AUFGEFUNDEN – Beamte fanden eine sehr unaufgeräumte Wohnung vor

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

FREUNDE DES TV-STARS SIND GESCHOCKT – “Willi wollte jetzt bei mir in München übernachten”

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

22. April

KEIN KLINGELSCHILD, AN DER TÜR KEINE NAMEN – In dieser Wohnung wurde Willi Herren gefunden

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

“PROMIS UNTER PALMEN” WIRD NICHT WEITER AUSGESTRAHLT – Was Sat.1 jetzt anstelle von Willi Herren (†45) sendet

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

KURZ NACH SEINEM TOD – Einbruch in Willi Herrens Wohnung!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

23. April

“ER BESTELLTE EINE GROSSE MENGE AN DROGEN” – Wilde Partynacht kurz vor Willi Herrens Tod

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

WILLI HERREN TOT – Das sagen seine besten Freunde zu Absturz-Gerüchten

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

SPENDENAUFRUF DER GESCHWISTER GELÖSCHT – Beerdigung für Willi – Ehefrau Jasmin schaltet sich ein!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

29. April

PAUKENSCHLAG NACH TOD DES TV-STARS – Willis Ehefrau kommt nicht zur Beerdigung!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

30. April

DARUM KOMMT EHEFRAU JASMIN NICHT – Ärger um Beerdigung von Willi Herren

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

3. Mai

WILLI HERRENS (†45) REIBEKUCHEN-TRUCK ABGEBRANNT – 150 000 Euro Schaden! War es ein brennendes Teelicht?

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

5. Mai

TRAUERFEIER HEUTE UM 11.11 UHR IN KÖLN – Willis letzte Reise – so nimmt die Familie Abschied!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

ORDNUNGSAMT, FALSCHE PFERDE UND EIN EINZIGER PROMI – Das war Willis letzte große Party!

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

7. Mai

JASMIN HERREN WEINT AN SEINEM GRAB – Was in ihrer letzten Liebes-Botschaft an Willi steht

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

MIT BESCHÜTZER ANS GRAB – Bodyguard von Willis Witwe ist selbst ein Promi

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

8. Mai

SCHLEIFEN ABGERISSEN – Kranz-Krieg am Grab von Willi Herren

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

TOCHTER ALESSIA ÜBER DEN KRANZ-KRIEG AN WILLI HERRENS GRAB – Darum habe ich Jasmins Schleife entfernt

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

9. Mai

DAS HÄTTE ER ALLES NICHT GEWOLLT! Riesen-Zoff zwischen Willis wichtigsten Frauen

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

10. Mai

HAT WILLI DIESER DRUCK KAPUTT GEMACHT? “Entscheide dich zwischen mir und deiner Familie!”

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

14. Mai

WOHNUNG VERWÜSTET – Hat Willi Herren bis zu seinem Tod gefeiert?

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

15. Mai

WILLIS HERRENS (†45) GUTE FREUNDIN VERRÄT – Reibekuchen-Truck wird zur Fan-Gedenkstätte

Um den Artikel lesen zu können, muss man zahlen.

16. Mai

HIER WURDE ER TOT AUFGEFUNDEN, HIER FEIERTE ER SEINE LETZTE PARTY – Wer Willis Wohnung kurz vor seinem Tod kündigte

Um den Artikel lesen zu können – ja, genau –, muss man zahlen.

Zwei Tage später erzählt die “Bild”-Redaktion also, “wer den toten Willi jetzt zu Geld machen will”.

Mit Dank an und Bernhard K., Tihomir und Björn für die Hinweise!

“Ein Geschenk für Extremisten”

Gestern hat der Bundestag die sogenannte bundesweite Corona-Notbremse beschlossen. Oder wie die “Bild”-Redaktion heute auf Seite 1 titelt:

Ausriss Bild-Titelseite - Beschlossen! Merkels Einsperr-Gesetz - Ab wann Sie abends nicht mehr vor die Tür dürfen - Wie Polizisten kontrollieren - Welche Ausnahmen gelten - Wie Juristen die Sperre noch kippen wollen

Stimmt auch noch der Bundesrat zu, sollen vorerst verschiedene neue Regelungen gelten: Liegt in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, gilt beispielsweise eine nächtliche Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr (alleine joggen oder spazierengehen ist bis 24 Uhr erlaubt). Ab einer Inzidenz von 150 müssen Läden schließen und dürfen nur noch das Abholen vorbestellter Waren anbieten (ausgeschlossen sind Geschäfte des täglichen Bedarfs, etwa Supermärkte). Steigt der Inzidenzwert über 165, müssen Schulen dichtmachen und vom Präsenz- in den Distanzunterricht wechseln.

Laut Julian Reichelt ist das alles ein Geschenk …

Screenshot Bild.de - Kommentar zum Bundes-Lockdown - Ein Geschenk für Extremisten

In seinem Kommentar schreibt der “Bild”-Chef:

An diesen Tag werden wir uns leider noch lange erinnern. Der 21. April wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die demokratisch gewählte Regierung eines freiheitsliebenden Landes beschlossen hat, dass sie die Bürger einsperren kann. (…)

Während in England Menschen vor den Pubs Schlange stehen, sperrt unsere Regierung einen Landkreis mit 50000 Menschen ein, wenn in einer Woche 50 von ihnen positiv auf Corona getestet werden. Das ist nichts anderes als eine Strafmaßnahme gegen die Bevölkerung für eine an vielen Punkten gescheiterte Regierungspolitik.

Dass Reichelt sich die Menschenschlangen vor englischen Pubs als Gegenbeispiel rauspickt, ist etwas grotesk. Es zeigt, dass er entweder keine Ahnung hat, was zuvor in England los war; oder dass er Ahnung davon hat, sich aber absichtlich dumm stellt. In England galt wochenlang ein strikter Lockdown. Nun sind die Corona-Maßnahmen in verschiedenen Ländern nicht bis ins letzte Detail zu vergleichen, weil verschiedene Regierungen verschiedene Schwerpunkte setzen. Aber in wichtigen, grundlegenden Punkten war der Lockdown in England deutlich härter als die gestern im Bundestag beschlossene Notbremse: In England wurde nicht unterschieden zwischen verschiedenen Regionen oder Landkreisen – der Lockdown galt landesweit. Eine Ausgangssperre galt nicht nur nachts, sondern auch tagsüber. Geschäfte, die nicht für den täglichen Bedarf nötig sind, mussten dichtmachen – unabhängig vom regionalen Inzidenzwert. Die Schulen wurden geschlossen – ebenfalls unabhängig von der lokal vorherrschenden Inzidenz. Die “FAZ” zitierte Premierminister Boris Johnson, der bei der Verkündung der Maßnahmen Anfang Januar sagte:

“Sie dürfen Ihr Haus nur aus begrenzten, gesetzlich festgeschriebenen Gründen verlassen, etwa um das Notwendigste einzukaufen, um zur Arbeit zu gehen, wenn Sie auf keinen Fall von zuhause aus arbeiten können, um sich körperlich zu betätigen, um zum Arzt zu gehen oder um sich einer gewaltvollen Situation zuhause zu entziehen.” Die Maßnahmen sollen überwacht und Verletzungen mit Bußgeldern geahndet werden.

Nachdem der Inzidenzwert in England – wohl auch dank der strikten Lockdown-Maßnahmen neben der gut laufenden Impf-Kampagne – deutlich gesunken ist, werden diese Regeln nun Stück für Stück gelockert. Unter anderem dürfen Pubs wieder ausschenken. Wenn Julian Reichelt also England als Gegenbeispiel nennt und die Möglichkeit, vor Pubs/Eckkneipen ein Bier zu trinken, offenbar als Ziel sieht – plädiert er dann nicht eigentlich für härtere Maßnahmen nach englischem Vorbild?

Auf jeden Fall liegt er mit seiner Überschrift “Ein Geschenk für Extremisten” nicht falsch – bezogen auf seinen eigenen Kommentar. Der wird in den Sozialen Netzwerken reichlich rumgereicht. Die Accounts und Gruppen, die ihn teilen, heißen unter anderem: “AfD-FanCLUB”, “AfD bürgernah, aktuell zum Mitreden”, “AfD 51% – das ist unser Ziel !!!”, “Freunde der AfD!”, “AfD – Kreisverband Reutlingen”, “Unterstützer der AfD!”, “AfD jetzt erst recht !”.

Bildblog unterstuetzen

NichtSelbstverständlich, Prinzip Trial & Error, Konsolen-Hilfe

1. “Katastrophaler Notstand”: Joko und Klaas geben Pflegekräften eine Stimme
(rnd.de, Sebastian Heintz)
Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf durften mal wieder das Abendprogramm bei ProSieben gestalten – diesmal aber nicht für die gewöhnlichen 15 Minuten, sondern für mehrere Stunden. Sie nutzten die Zeit, um auf die Situation von Pflegekräften und den “katastrophalen Pflegenotstand” aufmerksam zu machen. Anders als sonst war ProSieben eingeweiht. Dank zweier Sponsoren war der komplette Abend werbefrei. Auch die Konkurrenz reagierte begeistert: Arte schrieb von einem “Stück deutscher Fernsehgeschichte”, RTL gratulierte: “starke Aktion”.

2. ZAPP spezial: Lehren aus “Lovemobil”
(ndr.de, Annette Leiterer, Video: 46:10 Minuten)
Die nötige Aufarbeitung des “Lovemobil”-Debakels geht beim NDR in die nächste Runde. Der Sender hatte den Dokumentarfilm “Lovemobil”, der sich inzwischen als alles andere als rein dokumentarisch entpuppte, mitfinanziert. In einer Spezialausgabe des Medienmagazins “Zapp” spricht Annette Leiterer mit Susanne Binninger, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, mit Doku-Autor Stephan Lamby sowie mit Anja Reschke, die beim NDR die Abteilung Kultur und Dokumentationen leitet. In der Diskussion geht es unter anderem um die Grenzen des Dokumentarfilms und die Frage, wie groß der Schaden nun ist. Sehenswert, auch weil informative Einspielfilme rund um die Problematiken der Dokumentarfilm-Szene gezeigt werden.

3. Abschied in Freundschaft
(faz.net, Michael Hanfeld)
Die Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel verlässt nach vielen Jahren den Verlag Gruner + Jahr (G+J). Michael Hanfeld wirft einen Blick darauf, was Jäkel dort bewegt hat.
Weiterer Lesehinweis: Der “Spiegel” geht der Frage nach, ob Jäkels G+J-Abschied der Vorbote einer Fusion mit RTL ist: Raus aus dem Dschungelcamp (spiegel.de, Isabell Hülsen & Anton Rainer & Alexander Kühn).

Bildblog unterstuetzen

4. Corona, deine Bilder
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
“Jede Krise produziert ihre eigenen ikonographischen Bilder”, schreibt Adrian Lobe. Die Corona-Krise habe aus seiner Sicht “bisher wenige, aber drastische Bildikonen” geschaffen. Lobe plädiert für einen “reflektierten und verantwortungsvollen Umgang der Medien mit solchen Motiven in einer ansonsten bilderarmen Krise”. Nur: “Das gelingt nicht immer.”

5. ARD und ZDF bei YouTube: Das Prinzip Trial & Error
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Auch fernab von ihrem jungen Netzwerk “Funk” seien ARD und ZDF bei Youtube recht umtriebig, schreibt Timo Niemeier bei “DWDL”. Eine allgemeingültige Strategie gebe es aber keine, “teilweise gibt es nicht einmal innerhalb eines Senders die gleiche Vorgehensweise.” Niemeier hat sich angeschaut und umgehört, wie die öffentlich-rechtlichen Sender mit der Videoplattform umgehen.

6. Der 88-Jährige, der einen Aushang machte, um beim Videospielen weiterzukommen
(spiegel.de, Matthias Kreienbrink)
100 Plakate druckte ein älterer Herr und verteilte sie in seiner Nachbarschaft in Berlin-Spandau: “Wer hat Erfahrung mit Playstation-4 ? Ich (88-jährig) möchte gerne das Spiel Skyrim – The Elder Scrolls V spielen, komme aber – an manchen Stellen einfach nicht weiter !/? Wer kann Mir hierbei eine Hilfestellung geben ?” Ein Foto des Aufrufs wurde zum Social-Media-Hit, der Mann bekam die ersehnte Unterstützung an der Konsole. Matthias Kreienbrink hat ihn besucht und erzählt dessen bemerkenswerte Lebensgeschichte.

“Bild”-Experte Marcel Reif ist “kein großer Gewaltanhänger”, aber …

In der “Bild TV”-Sendung “Reif ist live”, in der zwischen zwei Gläsern Müllermilch auch über Fußball gesprochen wird, ging es gestern unter anderem um Breel Embolo. Der Stürmer von Bundesligist Borussia Mönchengladbach soll Gast einer (in Corona-Zeiten) illegalen Party mit 23 Personen gewesen sein. Embolo bestreitet das. Er habe sich lediglich in einer angrenzenden Wohnung eines Freundes aufgehalten, so der Fußballer. Die Polizei sagt hingegen, Embolo sei von der Party über ein Dach in diese Wohnung geflüchtet.

“Bild”-Experte Marcel Reif findet, Breel Embolo sollte für den Besuch der Party mal ordentlich verprügelt werden. In seiner “Bild”-Sendung sagt er zu Moderator Walter M. Straten:

Wissen Sie, was mir gefallen würde? Wenn die in der Kabine in Gladbach, und ich könnte mir gut vorstellen, dass das so ist, also zu meiner Zeit, als ich ein bisschen gekickt habe, war das noch so, es gab so eine bestimmte innere Hygiene, um es mal sehr vorsichtig und sehr freundlich auszudrücken, in der Kabine. Also nach dem Motto: Trainer, könnten Sie mal kurz rausgehen? Wir brauchen mal fünf Minuten. Und dann macht man ein bisschen die Musik laut. Und dann wurde demjenigen mitgeteilt mit relativ klaren, auch nonverbalen Mitteln, was geht und was nicht geht.

Und wie reagiert “Bild”-Sportchef Walter M. Straten? Ist er empört, dass Marcel Reif zu Gewalt in der Gladbacher Kabine aufruft? Wundert er sich wenigstens, was Reif da so vorschlägt? Nee. Straten findet’s “spannend”:

Hui, das klingt ja spannend. Nonverbale Mittel. Also Gladbach äh …

Reif unterbricht ihn:

Ja, Körpersprache.

Wieder Straten:

Klassenkeile hat man in der Schule gesagt.

Marcel Reif versucht anschließend noch, seine Aussage wieder etwas einzufangen. Auf einmal geht es nicht mehr um laute Musik in der Kabine und um “nonverbale Mittel”, sondern eher um eine lustige Schneeballschlacht. Ein “großer Gewaltanhänger” sei er ja sowieso nicht, sagt Reif:

Also das könnte ich mir gut vorstellen. Ehrlich gesagt, ich bin kein großer Gewaltanhänger und kein Gewalttäter im Inneren, aber so eine kleine Abreibung, draußen liegt Schnee, so mal richtig einseifen und sagen: “Sag mal, hallo? Hallo, wach? Wie wär’s?” Nicht verkehrt.

Mit Dank an @tobylix für den Hinweis!

Bildblog unterstuetzen

“Bild” findet heraus: Menschen schlafen nachts

Mit drei Fotos will die “Bild”-Redaktion zeigen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) entgegen anderslautender Versprechen gar nicht “rund um die Uhr” arbeiten, obwohl sie doch über die Zulassung des Corona-Impfstoffs in der EU entscheiden müssen. Gestern Abend auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Angeblich arbeitet die EU-Arzneiaufsicht rund um die Uhr - Licht aus bei der EMA! Behörde ist für die Zulassung des Corona-Impfstoffs zuständig

Und auch heute in der Zeitung kann man den Versuch beobachten, eine Institution zu diskreditieren und Verunsicherung zu verbreiten:

Ausriss Bild-Zeitung - Impfstoff-Zulassung - Licht aus bei der EMA - Dabei arbeitet sie angeblich rund um die Uhr

Weil auf den Fotos die meisten Büros, die um 21 Uhr noch hell erleuchtet waren, um 23 Uhr dunkel sind, urteilt die “Bild”-Redaktion: “‘Rund um die Uhr’ ist dann doch etwas anderes …”. Dass Menschen, die derart bedeutende und weitreichende Entscheidungen treffen müssen und von denen viele offenbar mindestens von 8 Uhr morgens bis 21 Uhr abends arbeiten, auch mal schlafen sollten, zählt offenbar nicht. Dass manche von ihnen sich Arbeit mit nach Hause genommen haben könnten oder sich gänzlich im Homeoffice befinden (schon vor der Corona-Pandemie fand bei der EMA ein beachtlicher Teil der jeweiligen Zualssungsverfahren per Videokonferenzen statt), zählt offenbar auch nicht. Stattdessen:

Am Dienstagabend brannte bis kurz vor 23 Uhr noch in einigen Büros Licht. Dann war alles dunkel. Die letzten Mitarbeiter offenbar auch zu Hause. Um 7 Uhr morgens kehrten die ersten zurück in die Büros. “Rund um die Uhr” ist dann doch etwas anderes …

Es stimmt natürlich nicht, dass “alles dunkel” war, und “die letzten Mitarbeiter offenbar auch zu Hause” waren. Man sieht auf der 23-Uhr-Aufnahme schließlich noch Licht in manchen Büros. Bild.de änderte den Absatz später klammheimlich in:

Am Dienstagabend brannte bis kurz vor 23 Uhr noch in einigen Büros Licht. Dann sind fast alle Lichter aus. Ab 7 Uhr gehen in vielen Büros die Lichter wieder an. Und es wird weiter an der Zulassung des Corona-Impfstoffs gearbeitet…

Ralf Schuler, Leiter des “Bild”-Parlamentsbüros, findet, die EMA-“Entscheider” sollten sich ein Beispiel an den “Autobahn-Bauern” nehmen: “Autobahn-Bauer arbeiten nachts, die Entscheider in der Krise nicht”, schreibt Schuler bei Twitter. Nun sind die Autoahn-Bauer, die nachts arbeiten, ja in der Regel nicht dieselben, die auch schon tagsüber gearbeitet haben. Auch diese Nachtarbeiter haben mal Pause und dürfen irgendwann mal schlafen. Und allein das Einführen eines Schichtbetriebs mit beispielsweise zwei Schichten bringt nicht von selbst eine Verdoppelung der Arbeitsleistung. Wenn die eine Hälfte tagsüber zwölf Stunden arbeitet, und die andere Hälfte nachts zwölf Stunden arbeitet, dann ist zwar die ganze Zeit das Gebäude erleuchtet, und “Bild” könnte nicht polemisieren, am Ende haben aber immer noch alle zwölf Stunden gearbeitet. Man müsste schon die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen, um auch die Arbeitsleistung zu erhöhen.

Außerdem haben eine ganze Reihe von Abteilungen der EMA überhaupt nichts mit der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs zu tun. Oder sollte aus “Bild”-Sicht etwa auch der Ausschuss für Tierarzneimittel in der aktuellen Lage besser nachts die Stellung im Büro halten?

Aber zurück zu den Fotos vom EMA-Gebäude. Die Perspektive, die die “Bild”-Medien gewählt haben, zeigt die Ostseite des sogenannten Vivaldi Buildings. Neben einer schmaleren Nord- und einer schmaleren Südseite gibt es natürlich auch noch eine Westseite, die bei “Bild” nicht zu sehen ist. Sie ist größer als die Ostseite, denn um das Gebäude herum liegt eine Art Hufeisen – allerdings nur auf der Westseite. Dort befinden sich laut Grundriss (PDF) beispielsweise auch alle großen Konferenzräume. Ob auf der Westseite am Dienstag um 23 Uhr noch die Lichter brannten, wissen wir selbstverständlich auch nicht. Es zeigt sich aber, wie unvollständig das Bild ist, das die “Bild”-Medien für ihre Artikel nutzen.

Hinzu kommt: Bei der 23-Uhr-Aufnahme, die auf der Bild.de-Startseite zu sehen war, hat die Redaktion getrickst, damit das Gebäude noch dunkler aussieht. In den unteren Stockwerken brannte durchaus großflächig Licht. Das ist im Bild.de-Artikel klar zu erkennen. Bei der Version auf der Startseite hat die Redaktion offenbar selbst nachgedunkelt. Hier der Vergleich:

Screenshot Bild.de - zu sehen sind zwei Aufnahmen des EMA-Gebäudes um 23 Uhr, eine von der Bild.de-Startseite, eine aus dem Bild.de-Artikel.
(links von der Bild.de-Startseite, rechts aus dem Bild.de-Artikel)

Bei einem Foto, bei dem es ausschließlich darum geht, wie viele Büros erleuchtet sind und wie viele dunkel, selbst per Photoshop Büros abzudunkeln – den Willen, auf so eine Idee zu kommen, muss man erstmal haben.

Mit Dank an Moritz K. für den Hinweis!

Bildblog unterstuetzen

B.Z., Bild  

Die peinliche Präsentkorb-Frechheit von “Bild” und “B.Z.”

Sie brauchen nicht viel. Den Redaktionen von “Bild” und “B.Z.” reicht schon ein gelöschter Tweet eines gelöschten, anonymen Accounts, um ordentlich auszuteilen:

Ausriss BZ - Kondome, Warnweste, Slipeinlage ... Diese absurden Überraschungen sollen Ärzte und Schwestern bekommen haben - Der peinliche Präsentkorb der Charite

… berichtet die “B.Z.” gestern fast auf einer kompletten Seite. Und bei den Springer-Kollegen der “Bild”-Zeitung heißt es in der Berlin-Ausgabe:

Ausriss Bild-Zeitung - Kondom, Warnweste, Slipeinalge - Das Weihnachts-Goodie-Bag der Charite ist eine Frechheit

Der Autor (in beiden Blättern derselbe) schreibt:

Slipeinlage, Kondom, Motivations-Tipps … Haben Sie sich das auch als Weihnachtsgeschenk gewünscht? Nein? Die Ärzteschaft auf den Intensivstationen der Charié sicher auch nicht!

Und trotzdem sollen die Mediziner, die täglich bis an die Belastungsgrenzen gehen, um Menschenleben zu retten, von der Charité mit solch einem Peinlich-Präsent beglückt worden sein.

Das zumindest behauptet auf Twitter ein Nutzer namens “Doc Bab”. Zum geposteten Foto mit dem angeblichen Charité-Mitgebsel heißt es (inklusive Rechtschreibfehler): “Das ist der einzige Coronabonus der Charité für uns ÄrztInnen auf den Intensivstationen – nicht mal Weihnachtsgeld gibt im größten Uniklinikum Europas für die Belegschaft!”

Inzwischen ist der Tweet gelöscht.

Man hätte sich natürlich schon mal fragen können, warum die Charité ausgerechnet eine Ausgabe des Hochschulmagazins “Unicum” in das “Peinlich-Präsent” für die Intensivmediziner gelegt haben soll. Und dann hätte man mal auf der “Unicum”-Website nachschauen können und wäre auf die sogenannten “Wundertüten” gestoßen, die das Magazin jedes Semester an Universitäten verteilt und die ziemlich genau aus den Werbeartikeln bestehen, die auf dem Foto zu sehen sind. Und dann hätte man mal die “Unicum”-Facebookseite besuchen können und hätte dort gesehen, dass es erst vor wenigen Tagen eine Verteilaktion mit diesen “Wundertüten” vor “dem ein oder anderen Universitätsklinikum” gegeben hat: “Nicht nur das STUDENTISCHE PERSONAL hat sich sehr über unsere Wundertüten gefreut!”

Oder kurz gesagt: “Slipeinlage, Kondom, Motivations-Tipps …” haben nichts mit irgendeinem “PRÄSENTKORB DER CHARITÉ” zu tun. Was besonders traurig ist: Der “B.Z.”-und-“Bild”-Autor wusste das alles, zumindest so halb. In seinen Artikeln zitiert er einen weiteren Twitter-Nutzer:

Aber es gibt auch andere Töne. “Was man da sieht, ist nicht von der Charité ausgegeben worden”, schreibt ein Personalrat des Klinikums. Die Charité habe im Frühjahr eine Prämie gezahlt, “einfach so, als alle noch redeten”, schreibt er. “Und es gab Jahressonderzahlung und TVÖD-Prämie im Dezember.”

Doch was ist mit Slipeinlage, Kondom und Co.? Auch darauf hat der User eine Antwort. Das seien Tüten des Hochschulmagazin “Unicum” gewesen, die sonst immer direkt an Studenten ausgegeben worden seien.

Auf der einen Seite ein anonymer Twitterer, der böswillig Lügen verbreitet und seinen Poltertweet sowie seinen ganzen Account löscht. Auf der anderen ein Personalrat der Charité, der seinen kompletten Namen nennt und Fakten liefert. Dass “Bild” und “B.Z.” diese Artikel überhaupt gebracht haben, und dann noch mit den gewählten Überschriften, zeigt, wem die Redaktionen auf ihrer Suche nach Krawallgeschichten mehr Glauben schenken wollen.

Nachtrag, 16. Dezember: Sowohl die “B.Z” als auch die Berlin-Ausgabe der “Bild”-Zeitung haben heute Richtigstellungen veröffentlicht:

Ausriss BZ - Richtigstellung - Am Montag, den 14. Dezember, berichteten wir unter der Überschrift Der peinliche Präsentkorb der Charite über Kritik an einer Präsenttütet für Klinikpersonal. Der Artikel vermittelte fälschlicherweise den Eindruck, der Absender der abgebildeten Präsentsammlung sei das Klinikum Charite. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. Ausriss Bild-Zeitung - Richtigstellung - Am Montag, den 14. Dezember, berichteten wir in der Berliner Regionalausgabe der Bild unter der Überschrift Kondom, Warnweste, Slipeinlage. Das Weihnachts-Goodie-Bag der Charite ist eine Frechheit über Kritik an einer Präsenttüte für Klinikpersonal. Der Artikel vermittelte fälschlicherweise den Eindruck, der Absender der angeblichen Präsentsammlung sei das Klinikum Charite. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Bildblog unterstuetzen

Kooperiert man mit “Bild”, wächst das Kleid

Wenn Helene Fischer in einer Fernsehshow aufklärt, dass sie auf dem Foto, das auf dem Cover ihres neuen Albums zu sehen ist, sehr wohl eine Unterhose getragen hat, wählt die “Bild”-Redaktion aus den vielen, vielen Helene-Fischer-Fotos, die man bei Agenturen finden kann, eine Unter-den-Rock-guck-Aufnahme zur Illustration der Geschichte (was sicher nichts damit zu tun hat, dass die “Bild”-Redaktion ein paar Tage zuvor eine Gegendarstellung von Fischer auf der Titelseite drucken musste):

Screenshot Bild.de - Schlüppilos durch die Nacht? Helene Fischer - zu sehen ist ein Foto von Helene Fischer bei einem Auftritt. Das Kleid ist im Schritt so hochgerutscht, dass man ihre Unterwäsche sehen kann
(Die Unkenntlichmachung stammt von uns.)

Wenn Helene Fischer bei der “Bild”-Charity-Aktion “Ein Herz für Kinder” mitmacht, wählt die Redaktion das gleiche Foto – allerdings ist das Kleid der Sängerin wie durch Photoshop von Zauberhand an einer entscheidenden Stelle gewachsen:

Screenshot Bild.de - Ein Herz für Kinder - Diese Stars sitzen heute für Sie am Spendentelefon - zu sehen ist das gleiche Foto vom Fischer-Auftritt. Nun bedeckt das Kleid allerdings den Bereich, an dem zuvor die Unterwäsche zu sehen war

Mit Dank an @rock_galore!

Bildblog unterstuetzen

Blättern:  1 ... 14 15 16 ... 111