Autoren-Archiv

NichtSelbstverständlich, Prinzip Trial & Error, Konsolen-Hilfe

1. “Katastrophaler Notstand”: Joko und Klaas geben Pflegekräften eine Stimme
(rnd.de, Sebastian Heintz)
Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf durften mal wieder das Abendprogramm bei ProSieben gestalten – diesmal aber nicht für die gewöhnlichen 15 Minuten, sondern für mehrere Stunden. Sie nutzten die Zeit, um auf die Situation von Pflegekräften und den “katastrophalen Pflegenotstand” aufmerksam zu machen. Anders als sonst war ProSieben eingeweiht. Dank zweier Sponsoren war der komplette Abend werbefrei. Auch die Konkurrenz reagierte begeistert: Arte schrieb von einem “Stück deutscher Fernsehgeschichte”, RTL gratulierte: “starke Aktion”.

2. ZAPP spezial: Lehren aus “Lovemobil”
(ndr.de, Annette Leiterer, Video: 46:10 Minuten)
Die nötige Aufarbeitung des “Lovemobil”-Debakels geht beim NDR in die nächste Runde. Der Sender hatte den Dokumentarfilm “Lovemobil”, der sich inzwischen als alles andere als rein dokumentarisch entpuppte, mitfinanziert. In einer Spezialausgabe des Medienmagazins “Zapp” spricht Annette Leiterer mit Susanne Binninger, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, mit Doku-Autor Stephan Lamby sowie mit Anja Reschke, die beim NDR die Abteilung Kultur und Dokumentationen leitet. In der Diskussion geht es unter anderem um die Grenzen des Dokumentarfilms und die Frage, wie groß der Schaden nun ist. Sehenswert, auch weil informative Einspielfilme rund um die Problematiken der Dokumentarfilm-Szene gezeigt werden.

3. Abschied in Freundschaft
(faz.net, Michael Hanfeld)
Die Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel verlässt nach vielen Jahren den Verlag Gruner + Jahr (G+J). Michael Hanfeld wirft einen Blick darauf, was Jäkel dort bewegt hat.
Weiterer Lesehinweis: Der “Spiegel” geht der Frage nach, ob Jäkels G+J-Abschied der Vorbote einer Fusion mit RTL ist: Raus aus dem Dschungelcamp (spiegel.de, Isabell Hülsen & Anton Rainer & Alexander Kühn).

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4. Corona, deine Bilder
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
“Jede Krise produziert ihre eigenen ikonographischen Bilder”, schreibt Adrian Lobe. Die Corona-Krise habe aus seiner Sicht “bisher wenige, aber drastische Bildikonen” geschaffen. Lobe plädiert für einen “reflektierten und verantwortungsvollen Umgang der Medien mit solchen Motiven in einer ansonsten bilderarmen Krise”. Nur: “Das gelingt nicht immer.”

5. ARD und ZDF bei YouTube: Das Prinzip Trial & Error
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Auch fernab von ihrem jungen Netzwerk “Funk” seien ARD und ZDF bei Youtube recht umtriebig, schreibt Timo Niemeier bei “DWDL”. Eine allgemeingültige Strategie gebe es aber keine, “teilweise gibt es nicht einmal innerhalb eines Senders die gleiche Vorgehensweise.” Niemeier hat sich angeschaut und umgehört, wie die öffentlich-rechtlichen Sender mit der Videoplattform umgehen.

6. Der 88-Jährige, der einen Aushang machte, um beim Videospielen weiterzukommen
(spiegel.de, Matthias Kreienbrink)
100 Plakate druckte ein älterer Herr und verteilte sie in seiner Nachbarschaft in Berlin-Spandau: “Wer hat Erfahrung mit Playstation-4 ? Ich (88-jährig) möchte gerne das Spiel Skyrim – The Elder Scrolls V spielen, komme aber – an manchen Stellen einfach nicht weiter !/? Wer kann Mir hierbei eine Hilfestellung geben ?” Ein Foto des Aufrufs wurde zum Social-Media-Hit, der Mann bekam die ersehnte Unterstützung an der Konsole. Matthias Kreienbrink hat ihn besucht und erzählt dessen bemerkenswerte Lebensgeschichte.

“Bild”-Experte Marcel Reif ist “kein großer Gewaltanhänger”, aber …

In der “Bild TV”-Sendung “Reif ist live”, in der zwischen zwei Gläsern Müllermilch auch über Fußball gesprochen wird, ging es gestern unter anderem um Breel Embolo. Der Stürmer von Bundesligist Borussia Mönchengladbach soll Gast einer (in Corona-Zeiten) illegalen Party mit 23 Personen gewesen sein. Embolo bestreitet das. Er habe sich lediglich in einer angrenzenden Wohnung eines Freundes aufgehalten, so der Fußballer. Die Polizei sagt hingegen, Embolo sei von der Party über ein Dach in diese Wohnung geflüchtet.

“Bild”-Experte Marcel Reif findet, Breel Embolo sollte für den Besuch der Party mal ordentlich verprügelt werden. In seiner “Bild”-Sendung sagt er zu Moderator Walter M. Straten:

Wissen Sie, was mir gefallen würde? Wenn die in der Kabine in Gladbach, und ich könnte mir gut vorstellen, dass das so ist, also zu meiner Zeit, als ich ein bisschen gekickt habe, war das noch so, es gab so eine bestimmte innere Hygiene, um es mal sehr vorsichtig und sehr freundlich auszudrücken, in der Kabine. Also nach dem Motto: Trainer, könnten Sie mal kurz rausgehen? Wir brauchen mal fünf Minuten. Und dann macht man ein bisschen die Musik laut. Und dann wurde demjenigen mitgeteilt mit relativ klaren, auch nonverbalen Mitteln, was geht und was nicht geht.

Und wie reagiert “Bild”-Sportchef Walter M. Straten? Ist er empört, dass Marcel Reif zu Gewalt in der Gladbacher Kabine aufruft? Wundert er sich wenigstens, was Reif da so vorschlägt? Nee. Straten findet’s “spannend”:

Hui, das klingt ja spannend. Nonverbale Mittel. Also Gladbach äh …

Reif unterbricht ihn:

Ja, Körpersprache.

Wieder Straten:

Klassenkeile hat man in der Schule gesagt.

Marcel Reif versucht anschließend noch, seine Aussage wieder etwas einzufangen. Auf einmal geht es nicht mehr um laute Musik in der Kabine und um “nonverbale Mittel”, sondern eher um eine lustige Schneeballschlacht. Ein “großer Gewaltanhänger” sei er ja sowieso nicht, sagt Reif:

Also das könnte ich mir gut vorstellen. Ehrlich gesagt, ich bin kein großer Gewaltanhänger und kein Gewalttäter im Inneren, aber so eine kleine Abreibung, draußen liegt Schnee, so mal richtig einseifen und sagen: “Sag mal, hallo? Hallo, wach? Wie wär’s?” Nicht verkehrt.

Mit Dank an @tobylix für den Hinweis!

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“Bild” findet heraus: Menschen schlafen nachts

Mit drei Fotos will die “Bild”-Redaktion zeigen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) entgegen anderslautender Versprechen gar nicht “rund um die Uhr” arbeiten, obwohl sie doch über die Zulassung des Corona-Impfstoffs in der EU entscheiden müssen. Gestern Abend auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Angeblich arbeitet die EU-Arzneiaufsicht rund um die Uhr - Licht aus bei der EMA! Behörde ist für die Zulassung des Corona-Impfstoffs zuständig

Und auch heute in der Zeitung kann man den Versuch beobachten, eine Institution zu diskreditieren und Verunsicherung zu verbreiten:

Ausriss Bild-Zeitung - Impfstoff-Zulassung - Licht aus bei der EMA - Dabei arbeitet sie angeblich rund um die Uhr

Weil auf den Fotos die meisten Büros, die um 21 Uhr noch hell erleuchtet waren, um 23 Uhr dunkel sind, urteilt die “Bild”-Redaktion: “‘Rund um die Uhr’ ist dann doch etwas anderes …”. Dass Menschen, die derart bedeutende und weitreichende Entscheidungen treffen müssen und von denen viele offenbar mindestens von 8 Uhr morgens bis 21 Uhr abends arbeiten, auch mal schlafen sollten, zählt offenbar nicht. Dass manche von ihnen sich Arbeit mit nach Hause genommen haben könnten oder sich gänzlich im Homeoffice befinden (schon vor der Corona-Pandemie fand bei der EMA ein beachtlicher Teil der jeweiligen Zualssungsverfahren per Videokonferenzen statt), zählt offenbar auch nicht. Stattdessen:

Am Dienstagabend brannte bis kurz vor 23 Uhr noch in einigen Büros Licht. Dann war alles dunkel. Die letzten Mitarbeiter offenbar auch zu Hause. Um 7 Uhr morgens kehrten die ersten zurück in die Büros. “Rund um die Uhr” ist dann doch etwas anderes …

Es stimmt natürlich nicht, dass “alles dunkel” war, und “die letzten Mitarbeiter offenbar auch zu Hause” waren. Man sieht auf der 23-Uhr-Aufnahme schließlich noch Licht in manchen Büros. Bild.de änderte den Absatz später klammheimlich in:

Am Dienstagabend brannte bis kurz vor 23 Uhr noch in einigen Büros Licht. Dann sind fast alle Lichter aus. Ab 7 Uhr gehen in vielen Büros die Lichter wieder an. Und es wird weiter an der Zulassung des Corona-Impfstoffs gearbeitet…

Ralf Schuler, Leiter des “Bild”-Parlamentsbüros, findet, die EMA-“Entscheider” sollten sich ein Beispiel an den “Autobahn-Bauern” nehmen: “Autobahn-Bauer arbeiten nachts, die Entscheider in der Krise nicht”, schreibt Schuler bei Twitter. Nun sind die Autoahn-Bauer, die nachts arbeiten, ja in der Regel nicht dieselben, die auch schon tagsüber gearbeitet haben. Auch diese Nachtarbeiter haben mal Pause und dürfen irgendwann mal schlafen. Und allein das Einführen eines Schichtbetriebs mit beispielsweise zwei Schichten bringt nicht von selbst eine Verdoppelung der Arbeitsleistung. Wenn die eine Hälfte tagsüber zwölf Stunden arbeitet, und die andere Hälfte nachts zwölf Stunden arbeitet, dann ist zwar die ganze Zeit das Gebäude erleuchtet, und “Bild” könnte nicht polemisieren, am Ende haben aber immer noch alle zwölf Stunden gearbeitet. Man müsste schon die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen, um auch die Arbeitsleistung zu erhöhen.

Außerdem haben eine ganze Reihe von Abteilungen der EMA überhaupt nichts mit der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs zu tun. Oder sollte aus “Bild”-Sicht etwa auch der Ausschuss für Tierarzneimittel in der aktuellen Lage besser nachts die Stellung im Büro halten?

Aber zurück zu den Fotos vom EMA-Gebäude. Die Perspektive, die die “Bild”-Medien gewählt haben, zeigt die Ostseite des sogenannten Vivaldi Buildings. Neben einer schmaleren Nord- und einer schmaleren Südseite gibt es natürlich auch noch eine Westseite, die bei “Bild” nicht zu sehen ist. Sie ist größer als die Ostseite, denn um das Gebäude herum liegt eine Art Hufeisen – allerdings nur auf der Westseite. Dort befinden sich laut Grundriss (PDF) beispielsweise auch alle großen Konferenzräume. Ob auf der Westseite am Dienstag um 23 Uhr noch die Lichter brannten, wissen wir selbstverständlich auch nicht. Es zeigt sich aber, wie unvollständig das Bild ist, das die “Bild”-Medien für ihre Artikel nutzen.

Hinzu kommt: Bei der 23-Uhr-Aufnahme, die auf der Bild.de-Startseite zu sehen war, hat die Redaktion getrickst, damit das Gebäude noch dunkler aussieht. In den unteren Stockwerken brannte durchaus großflächig Licht. Das ist im Bild.de-Artikel klar zu erkennen. Bei der Version auf der Startseite hat die Redaktion offenbar selbst nachgedunkelt. Hier der Vergleich:

Screenshot Bild.de - zu sehen sind zwei Aufnahmen des EMA-Gebäudes um 23 Uhr, eine von der Bild.de-Startseite, eine aus dem Bild.de-Artikel.
(links von der Bild.de-Startseite, rechts aus dem Bild.de-Artikel)

Bei einem Foto, bei dem es ausschließlich darum geht, wie viele Büros erleuchtet sind und wie viele dunkel, selbst per Photoshop Büros abzudunkeln – den Willen, auf so eine Idee zu kommen, muss man erstmal haben.

Mit Dank an Moritz K. für den Hinweis!

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B.Z., Bild  

Die peinliche Präsentkorb-Frechheit von “Bild” und “B.Z.”

Sie brauchen nicht viel. Den Redaktionen von “Bild” und “B.Z.” reicht schon ein gelöschter Tweet eines gelöschten, anonymen Accounts, um ordentlich auszuteilen:

Ausriss BZ - Kondome, Warnweste, Slipeinlage ... Diese absurden Überraschungen sollen Ärzte und Schwestern bekommen haben - Der peinliche Präsentkorb der Charite

… berichtet die “B.Z.” gestern fast auf einer kompletten Seite. Und bei den Springer-Kollegen der “Bild”-Zeitung heißt es in der Berlin-Ausgabe:

Ausriss Bild-Zeitung - Kondom, Warnweste, Slipeinalge - Das Weihnachts-Goodie-Bag der Charite ist eine Frechheit

Der Autor (in beiden Blättern derselbe) schreibt:

Slipeinlage, Kondom, Motivations-Tipps … Haben Sie sich das auch als Weihnachtsgeschenk gewünscht? Nein? Die Ärzteschaft auf den Intensivstationen der Charié sicher auch nicht!

Und trotzdem sollen die Mediziner, die täglich bis an die Belastungsgrenzen gehen, um Menschenleben zu retten, von der Charité mit solch einem Peinlich-Präsent beglückt worden sein.

Das zumindest behauptet auf Twitter ein Nutzer namens “Doc Bab”. Zum geposteten Foto mit dem angeblichen Charité-Mitgebsel heißt es (inklusive Rechtschreibfehler): “Das ist der einzige Coronabonus der Charité für uns ÄrztInnen auf den Intensivstationen – nicht mal Weihnachtsgeld gibt im größten Uniklinikum Europas für die Belegschaft!”

Inzwischen ist der Tweet gelöscht.

Man hätte sich natürlich schon mal fragen können, warum die Charité ausgerechnet eine Ausgabe des Hochschulmagazins “Unicum” in das “Peinlich-Präsent” für die Intensivmediziner gelegt haben soll. Und dann hätte man mal auf der “Unicum”-Website nachschauen können und wäre auf die sogenannten “Wundertüten” gestoßen, die das Magazin jedes Semester an Universitäten verteilt und die ziemlich genau aus den Werbeartikeln bestehen, die auf dem Foto zu sehen sind. Und dann hätte man mal die “Unicum”-Facebookseite besuchen können und hätte dort gesehen, dass es erst vor wenigen Tagen eine Verteilaktion mit diesen “Wundertüten” vor “dem ein oder anderen Universitätsklinikum” gegeben hat: “Nicht nur das STUDENTISCHE PERSONAL hat sich sehr über unsere Wundertüten gefreut!”

Oder kurz gesagt: “Slipeinlage, Kondom, Motivations-Tipps …” haben nichts mit irgendeinem “PRÄSENTKORB DER CHARITÉ” zu tun. Was besonders traurig ist: Der “B.Z.”-und-“Bild”-Autor wusste das alles, zumindest so halb. In seinen Artikeln zitiert er einen weiteren Twitter-Nutzer:

Aber es gibt auch andere Töne. “Was man da sieht, ist nicht von der Charité ausgegeben worden”, schreibt ein Personalrat des Klinikums. Die Charité habe im Frühjahr eine Prämie gezahlt, “einfach so, als alle noch redeten”, schreibt er. “Und es gab Jahressonderzahlung und TVÖD-Prämie im Dezember.”

Doch was ist mit Slipeinlage, Kondom und Co.? Auch darauf hat der User eine Antwort. Das seien Tüten des Hochschulmagazin “Unicum” gewesen, die sonst immer direkt an Studenten ausgegeben worden seien.

Auf der einen Seite ein anonymer Twitterer, der böswillig Lügen verbreitet und seinen Poltertweet sowie seinen ganzen Account löscht. Auf der anderen ein Personalrat der Charité, der seinen kompletten Namen nennt und Fakten liefert. Dass “Bild” und “B.Z.” diese Artikel überhaupt gebracht haben, und dann noch mit den gewählten Überschriften, zeigt, wem die Redaktionen auf ihrer Suche nach Krawallgeschichten mehr Glauben schenken wollen.

Nachtrag, 16. Dezember: Sowohl die “B.Z” als auch die Berlin-Ausgabe der “Bild”-Zeitung haben heute Richtigstellungen veröffentlicht:

Ausriss BZ - Richtigstellung - Am Montag, den 14. Dezember, berichteten wir unter der Überschrift Der peinliche Präsentkorb der Charite über Kritik an einer Präsenttütet für Klinikpersonal. Der Artikel vermittelte fälschlicherweise den Eindruck, der Absender der abgebildeten Präsentsammlung sei das Klinikum Charite. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. Ausriss Bild-Zeitung - Richtigstellung - Am Montag, den 14. Dezember, berichteten wir in der Berliner Regionalausgabe der Bild unter der Überschrift Kondom, Warnweste, Slipeinlage. Das Weihnachts-Goodie-Bag der Charite ist eine Frechheit über Kritik an einer Präsenttüte für Klinikpersonal. Der Artikel vermittelte fälschlicherweise den Eindruck, der Absender der angeblichen Präsentsammlung sei das Klinikum Charite. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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Kooperiert man mit “Bild”, wächst das Kleid

Wenn Helene Fischer in einer Fernsehshow aufklärt, dass sie auf dem Foto, das auf dem Cover ihres neuen Albums zu sehen ist, sehr wohl eine Unterhose getragen hat, wählt die “Bild”-Redaktion aus den vielen, vielen Helene-Fischer-Fotos, die man bei Agenturen finden kann, eine Unter-den-Rock-guck-Aufnahme zur Illustration der Geschichte (was sicher nichts damit zu tun hat, dass die “Bild”-Redaktion ein paar Tage zuvor eine Gegendarstellung von Fischer auf der Titelseite drucken musste):

Screenshot Bild.de - Schlüppilos durch die Nacht? Helene Fischer - zu sehen ist ein Foto von Helene Fischer bei einem Auftritt. Das Kleid ist im Schritt so hochgerutscht, dass man ihre Unterwäsche sehen kann
(Die Unkenntlichmachung stammt von uns.)

Wenn Helene Fischer bei der “Bild”-Charity-Aktion “Ein Herz für Kinder” mitmacht, wählt die Redaktion das gleiche Foto – allerdings ist das Kleid der Sängerin wie durch Photoshop von Zauberhand an einer entscheidenden Stelle gewachsen:

Screenshot Bild.de - Ein Herz für Kinder - Diese Stars sitzen heute für Sie am Spendentelefon - zu sehen ist das gleiche Foto vom Fischer-Auftritt. Nun bedeckt das Kleid allerdings den Bereich, an dem zuvor die Unterwäsche zu sehen war

Mit Dank an @rock_galore!

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So brachte “Bild” die Hisbollah in Zusammenhang mit den Explosionen in Beirut (mit falscher Recherche) (2)

Vor gut einem Monat ist im “Spiegel” ein großer Artikel über “Die perfekte Bombe” erschienen (online nur mit Abo lesbar, als englische Übersetzung auch ohne Abo lesbar). Die Autoren Uwe Buse, Christoph Reuter und Thore Schröder rekonstruieren darin, wie es im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut zu der riesigen Explosion kommen konnte, die Anfang August mehr als 200 Menschen tötete und weite Teile Beiruts verwüstete.

Der “Spiegel” hat Dokumente zusammengetragen, mit vielen Leuten vor Ort gesprochen und den Weg der 2750 Tonnen Ammoniumnitrat nachgezeichnet, die für die Explosion sorgten. Das Ergebnis dieser Recherche widerspricht Behauptungen der “Bild”-Medien in entscheidenden Punkten.

Zur Erinnerung: Keine 48 Stunden nach der Explosion stand für die “Bild”-Autoren Julian Röpcke und Mohammad Rabie schon fest, wer Schuld hat. Sie hatten ihre grobe Freund-Feind-Schablone über das Thema gehalten – und siehe da:

Screenshot Bild.de - So brachte die Hisbollah den Sprengstoff nach Beirut - Und dieser windige Russe half den Terroristen dabei

Das war dann vielleicht doch etwas zu flott formuliert. Bild.de änderte die Überschrift und fügte immerhin ein Fragezeichen hinzu:

Screenshot Bild.de - Russischer Geschäftmann bekam eine Million Dollar für den Transport - Brachte die Hisbollah den Sprengstoff nach Beirut?

Schon einen Tag zuvor schrieben dieselben “Bild”-Autoren über eine mögliche Rolle der Hisbollah:

Screenshot Bild.de - Gerichtsdokumente warnten beireits 2016 - Dieses Schiff brachte den Tod nach Beirut - Einmischung der Hisbollah könnte den Abtransport des Ammoniumnitrats verhindert haben

Unterlagen oder Aussagen, die belegen, dass die Terrormiliz Hisbollah etwas mit dem Ammoniumnitrat im Beiruter Hafen zu tun hatte, sind bis heute nicht bekannt. Röpcke und Rabie ließen sich davon allerdings nicht beeindrucken und schrieben am 6. August:

BILD-Recherchen zeigen: Die Terrororganisation Hisbollah trägt zumindest eine Mitverantwortung, wenn nicht gar die alleinige Schuld an der Tragödie [in Beirut].

Ihr “Verdacht”: Das Ammoniumnitrat sollte gar nicht, wie offiziell angegeben, nach Mosambik geliefert, sondern im Beiruter Hafen “in Hisbollah-Reichweite” gebracht werden. Und es wird …

Es wird noch irrer: Die libanesische Firma “Majid Shammas & CO.”, fast gleichnamig mit der 1967 von Israel eroberten Stadt “Majdal Shams” im Golan, bietet Anfang 2014 an, die knapp 3000 Tonnen Sprengstoff zu kaufen. Die Firma hatte bereits 2013 heimlich Sprengstoff an Syrien-Diktator Assad verkauft – einen der engsten Verbündeten der Hisbollah.

Das ist die Verbindung, die Röpcke und Rabie zwischen dem Ammoniumnitrat und der Hisbollah herstellen und auf der der Schuldspruch der “Bild”-Redaktion fußt: Die Firma “Majid Shammas”, die Hisbollah-nah sein soll:

Unterlagen des Zolls, die BILD vorliegen, enthüllen: Zwei Zolldirektoren drängen im August 2016 und Juni 2017 ein libanesisches Gericht, dem Kauf durch die offenbar der Hisbollah nahe Firma zuzustimmen. Erstens handele es sich um “gefährliche Materialien”, die “unter unangemessenen Außenbedingungen im Lager aufbewahrt” würden. Zweitens könne “die Fracht auch, wie von der Armee empfohlen, an das libanesische Sprengstoff-Unternehmen ‘Majid Shammas’ verkauft werden”.

(Die Episode, in der Julian Röpcke und Mohammad Rabie anfangs den Namen des Unternehmens falsch mit “Majdal Shams” übersetzt und daraus eine ziemlich wilde Spekulationskette entwickelt haben, lassen wir in diesem Beitrag mal komplett weg – man kann sie detailliert hier nachlesen.)

In der ausführlichen “Spiegel”-Rekonstruktion geht es auch um den Vorschlag der libanesischen Armee, das Ammoniumnitrat an eine Sprengstofffirma zu verkaufen:

Die zwischenzeitlich angefragte libanesische Armee teilte mit, sie habe keinen Bedarf an 2750 Tonnen Ammoniumnitrat. Stattdessen schlug sie vor, die Säcke an einen Sprengstoffhändler zu verkaufen. Der lehnte ebenfalls ab: Er sei nicht interessiert an Ammoniumnitrat unklarer Herkunft und Qualität.

Christoph Reuter, einer der “Spiegel”-Autoren, sagte uns auf Nachfrage, dass es sich bei diesem Sprengstoffhändler um die Firma “Majid Shammas” handelt. Es liege ein Schreiben der Firma vor, aus dem klar hervorgehe, dass sie kein Interesse an dem Ammoniumnitrat im Beiruter Hafen habe.

Das heißt: Die angeblich Hisbollah-nahe Firma, die laut “Bild” endlich dafür sorgen sollte, dass das Ammoniumnitrat in die Hände der Hisbollah gelangen kann, wollte das Ammoniumnitrat gar nicht haben und lehnte einen Kauf ab.

Auch die Mutmaßung von Röpcke und Rabie, warum der Richter den Bitten der Zolldirektoren nicht nachkam, basiert auf einer falschen Grundannahme. Die “Bild”-Autoren schrieben:

Doch der Richter bleibt stur. Aus bislang unklaren Gründen antwortet er weder mit Ja noch mit Nein. Ein Insider zu BILD: Dies könnte ein Akt zivilen Ungehorsams gewesen sein, um die Terror-Organisation Hisbollah davon abzuhalten, in Besitz des Sprengstoffs zu kommen.

Im “Spiegel” steht:

Zollchef Shafiq Merhi will die Ladung offenbar nicht entsorgen. Im Gegenteil: Beim Eilgericht beantragt er, das Schiff beschlagnahmen und versteigern zu dürfen. Das Schiff, argumentiert er, könne jederzeit sinken, es stelle eine Gefahr für den Hafen dar.

Da das Eilgericht nur für Notfälle zuständig ist, ordnet der Richter am 27. Juni 2014 lediglich an, die Ladung “an einen sicheren Ort zu bringen” und das Schiff anschließend aus dem Hafenbecken zu ziehen. (…)

Ende Oktober 2014 werden die 2750 Säcke ausgeladen und in die Halle 12 gefahren, eine Art Resterampe für Gefahrgüter aller Art. Zuständig für diese Art von gefährlichen Gütern: Shafiq Merhi, der Zollchef, und Badri Daher, beim Zoll verantwortlich für die Ladungskontrolle.

Dass die beiden nicht wussten, dass das Eilgericht für Eigentumsfragen gar nicht zuständig war, ist unwahrscheinlich. Vermutlich wollten sie nur dokumentieren, wie sie ihrer Verantwortung gerecht wurden – ohne dass sich etwas änderte. Noch drei Jahre lang werden sie denselben Antrag immer wieder an dasselbe Gericht stellen und immer dieselbe Antwort erhalten: dass dieses Gericht die Eigentumsverhältnisse der Ladung nicht klären und folglich auch keinen Verkauf genehmigen könne.

Anders als von “Bild” behauptet, hat das Gericht also durchaus geantwortet: dass es nicht zuständig ist. Es handelte sich damit nicht, wie “Bild” schreibt, um einen “Akt zivilen Ungehorsams”, “um die Terror-Organisation Hisbollah davon abzuhalten, in Besitz des Sprengstoffs zu kommen.”

Im “Spiegel”-Artikel spielt die Hisbollah generell keine Rolle, sie wird nicht einmal erwähnt. Christoph Reuter sagte uns, dass er und seine Kollegen bei der Recherche auf keine nennenswerten Verbindungen zur Miliz gestoßen seien. Und Reuter steht nun wahrlich nicht im Verdacht, rücksichtsvoll mit der Hisbollah umzugehen: Im September erst schrieb er in einem “Spiegel”-Artikel über die düsteren Machenschaften der Terrororganisation.

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Wieder Clan-Krieg bei “Bild”

In der Nacht von Samstag auf Sonntag hat im Berliner Stadtteil Charlottenburg ein Fußgänger auf mehrere Männer geschossen, die kurz zuvor aus verschiedenen Autos ausgestiegen waren und sich begrüßt hatten. Der Täter konnte flüchten.

In der Nacht von Sonntag auf Montag stellte sich ein 26-Jähriger auf einer Polizeiwache in Hamburg – er habe die Schüsse in Berlin abgefeuert. Der Mann wurde festgenommen. Nach einer Durchsuchung seiner Wohnung hätten sich neue Anhaltspunkte ergeben, so die Hamburger Polizei. Man gehe inzwischen von einem rassistischen Motiv aus. Der Polizeiliche Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen.

Als von all dem noch überhaupt nichts klar war, erschien am Sonntagmorgen bei Bild.de dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - In der Nähe vom Kurfürstendamm - Schüsse in Berlin - wieder Streit unter Clans?

Schüsse? Berlin? Das kann doch nur …

In der Nacht zu Sonntag soll es in Berlin erneut zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Clans gekommen sein.

… schreibt Bild.de, ohne irgendwelche Belege dafür zu liefern. In der offiziellen Polizeimeldung steht nichts von Clans. Eine Polizeisprecherin konnte die Information auf rbb-Nachfrage auch nicht bestätigen:

Informationen, nach denen es sich bei den Wageninsassen um Angehörige eines bekannten Clans handelte, konnte die Polizeisprecherin nicht bestätigen.

Aber Bild.de bringt die Clans ins Spiel. Am Montag (der rbb veröffentlichte die Aussage der Polizeisprecherin am Sonntagmittag) berichtete auch die “Bild”-Bundesausgabe groß:

Ausriss Bild-Zeitung - Schüsse am feinen KaDeWe - Unbekannter feuert auf Männer in Luxus-Autos

Und wieder: die Clans:

Es war 0.45 Uhr in der Nacht zu Sonntag in einer Parallelstraße des Nobel-Kaufhauses, als Schüsse fielen: Ein Unbekannter feuert auf mehrere Männer!

Ist es wieder eine Tat im berüchtigten Berliner Clan-Milieu?

Am späten Montagnachmittag vermeldete dann auch Bild.de:

Screenshot Bild.de - POLIZEI PRÜFT AUSLÄNDERFEINDLICHEN HINTERGRUND - Schütze vom KaDeWe stellt sich in Hamburg

Der mutmaßliche Schütze vom KaDeWe hat sich nun nach BILD-Informationen bei der Hamburger Polizei gestellt.

Offiziell sagt die Polizei Hamburg nichts – Berlin ist zuständig. Aber nach BILD-Informationen hat sich Montagnacht gegen 0.30 Uhr ein Mann an der Davidwache gemeldet und behauptet, er habe etwas mit den Schüssen auf das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in Berlin zu tun. (…)

Aus Ermittlerkreisen erfuhr BILD, dass ein ausländerfeindlicher Hintergrund der Tat geprüft wird.

Da war das falsche Clan-Gerücht, das die “Bild”-Redaktion verbreitet hat, schon über 30 Stunden in der Welt. Und das ist es immer noch: Der Bild.de-Artikel, der am Sonntagmorgen Clans als falsche Tatverdächtige nannte, ist unverändert online, ohne irgendeinen Hinweis zu den aktuellen Entwicklungen. In der “Bild”-Zeitung gibt es heute nur in einzelnen Regionalausgaben einen kleinen Artikel, der vom geständigen Täter mit dem möglichen rassistischen Motiv berichtet. Im Bild.de-Artikel zur Festnahme des Mannes ist ein Video eingebettet, das mit der Überschrift “WIEDER CLAN-KRIEG IN BERLIN? Schüsse am KaDeWe in Charlottenburg” versehen ist. Es scheint der “Bild”-Redaktion nicht besonders wichtig zu sein, die falschen Spekulationen aus der Welt zu schaffen.

Andere Medien haben die “Bild”-Mutmaßungen einfach abgeschrieben. t-online.de meldete beispielsweise: “Laut der ‘Bild’ könnte es sich um einen Clinch zwischen Clans handeln. Die Insassen der Fahrzeuge sollen laut Informationen der Zeitung einer arabischen Großfamilie angehören.” (t-online.de hat die Stelle inzwischen geändert.) Und der “Tagesspiegel” schreibt: “Mehrere Berliner Medien spekulieren, dass es sich erneut um einen Streit im Clanmilieu gehandelt haben könnte.” Die Redaktionen tun so, als wäre “Bild” eine seriöse Quelle.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Bringt Julian Reichelt die Familien der Bundesliga-Mitarbeiter in Gefahr?

Was haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fußball-Bundesligaklubs FC Bayern München, Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, RB Leipzig und Hertha BSC gemeinsam? Ihre Familien sind seit dieser Woche in Gefahr – jedenfalls nach Logik von Julian Reichelt.

Als das Medienmagazin “kress” 2017 Reichelts Gehalt schätzen wollte, sagte der “Bild”-Chef, dass er das nicht wolle, weil – so schrieb “kress” – “eine Schätzung seines Gehalts das Risiko finanziell motivierter Straftaten gegen seine Familie erhöhen würde”.

Doch was laut Julian Reichelt für Julian Reichelt gilt, muss aus Sicht von Julian Reichelt ja nicht für andere Menschen gelten. Und so gibt es seit Montag eine neue “Bild”-Serie: “DIE GEHEIMEN GEHÄLTER DER BUNDESLIGA”. Bisher waren die fünf oben genannten Klubs dran. “Bild” verrät, was die Team-Managerin des FC Bayern München oder der Stadionsprecher von Hertha BSC oder der Jugendkoordinator des BVB oder der Busfahrer von RB Leipzig oder der Chef-Greenkeeper von Borussia Mönchengladbach pro Monat “nach BILD-Informationen” so verdienen:

Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Bei welchem Job man neben den Stars schläft - Wie viel Team-Managerin Kathleen Krüger bekommt - In welchem Bereich Ex-Soldaten für zwölf Euro arbeiten - Das verdient man bei Bayern!
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Für welchen Job es 11000 Euro gibt - Wer mit 70 noch 8000 Euro kriegt - 6500 Euro für ein Sprach-Wunder - Was Lars Ricken bekommt - Das verdient man beim BVB
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Was der Stadionsprecher kassiert - Wofür man 7000 Euro im Monat kriegt - Was 24 Euro für 90 Minuten gibt - Das verdient man bei Gladbach!
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Das kriegen Physio, Busfahrer und Zeugwart - In welchem Bereich die Gehälter gekappt wurden - Welche ungewöhnliche Mitarbeiter-Prämie es gab - Das verdient man bei RB Leipzig!
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Was die Stadionsprecher pro Spiel kriegen - Welches Urgestein knapp 5000 Euro kassiert - Wieviel man schon als U9-Trainer bekommt - Das verdient man bei Hertha!

Bei den übrigen 13 Bundesligaklubs gibt es noch reichlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Familien die “Bild”-Redaktion nach Logik ihres eigenen Chefs in den kommenden Tagen in Gefahr bringen kann.

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Wen Julian Reichelt nach Julian-Reichelt-Logik sonst noch in Gefahr gebracht haben könnte:

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Franz Josef Wagner fährt mit Jogi Löw Achterbahn in der Pampa

“Bild”-Briefonkel Franz Josef Wagner hat einen Helden: Bundestrainer Jogi Löw. Und Helden …

Helden schicken wir nicht einfach so in die Pampa.

Soll heißen: Wagner findet, dass Löw nach der 0:6-Niederlage der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Spanien bitte, bitte nicht zurücktreten soll. In seinem heutigen Brief schreibt er:

Ausriss Bild-Zeitung - Post von Wagner - Lieber Jogi Löw - viele erwarten, dass Sie aufgeben nach dem Spanien-Debakel. Bitte geben Sie nicht auf!

Lieber Jogi Löw,

viele erwarten, dass Sie aufgeben nach dem Spanien-Debakel. Bitte geben Sie nicht auf! Was für ein Leben wäre es für Sie, wenn Sie aufgeben? Ein Leben der Leere. Ein Einsamkeitsgrauen. Ein Leben von Gott und den Menschen verlassen.

Ein Mensch, der aufgibt, ist verloren. Ich bin verliebt in Sieger, noch mehr verliebt bin ich in Nicht-Aufgeber.

Wenn Jogi Löw sich nicht aufgibt, dann kann vielleicht die Nationalelf wieder siegen.

Jogi Löw war ein Held. Helden schicken wir nicht einfach so in die Pampa.

Herzlichst
Franz Josef Wagner

Vor gut einem Monat, am 13. Oktober, schreibt Franz Josef Wagner ebenfalls an Jogi Löw. Auch da bestimmt im Ton, inhaltlich aber etwas anders:

Wie schnell das Licht erlischt, das einmal brannte. Jogi Löw, der Weltmeister. Jogi Löw, die Stilikone im weißen, taillierten Hemd. Populärer war kein Bundestrainer.

Leider, lieber Joachim Löw, gibt es keinen Ewigkeitsruhm. Ihre Mannschaft spielt schlecht. Sie stellen schlecht auf, sie wechseln schlecht aus. (…)

Wenn mich jemand fragt, ob ich einen neuen Bundestrainer will, dann sage ich Ja.

Die Verbindung Wagner-Löw ist wie eine Achterbahnfahrt. Im März 2019 schreibt Wagner an den Nationaltrainer und über die Spieler Serge Gnabry und Leroy Sané:

Warum hat Jogi Löw die jungen tollen Spieler nicht mit zur WM 2018 nach Russland genommen?

Sein Fehler war, dass er nicht an die Jugend glaubte. Jogi Löw ist 59. Es fällt ihm schwer, alt zu sein.

Die Spieler haben ihm seine Jugend wiedergegeben. Sie sind sein zweiter Frühling.

… was aus rein biologischer Sicht ein kleines Wunder darstellt, schließlich war der Zweite-Frühling-Jogi laut Wagner eigentlich schon längst “verwelkt”. Vier Monate vor der Löw-Auferstehung, im November 2018, schreibt der “Bild”-Kolumnist:

Lieber Joachim (Jogi) Löw,

ich muss die Natur bemühen, um Sie zu beschreiben. Es gibt die Zeit, wo die Natur erblüht, und die Zeit, wo sie verwelkt. Sie befinden sich in der Zeit des Welkens. (…)

Was mich wundert, ist, dass Sie immer noch Bundestrainer sind. Eigentlich geben nach Misserfolgen Männer, Frauen ihr Amt auf. Ich mag Joachim Löw persönlich sehr. Er ist ein netter, unterhaltsamer Mann. Aber er ist eine verwelkte Blume.

Wagners aktuelle Löw-Verteidigung ist auch deshalb eine überraschende Wendung (gut, bei Wagner vielleicht nicht so ganz überraschend), weil seine Ansage im Oktober 2018 nicht klarer hätte sein können:

Jogi Löw, das ist das Ende des Traums. Wachen Sie auf und treten Sie zurück.

Und auch im Juni 2018 klang es bei Wagner so, als könnte man Helden doch “einfach so in die Pampa” schicken:

Lieber Jogi Löw,

wenn ich jetzt schreibe, dass Sie zurücktreten sollen, dann ist mein Motiv nicht Rache, Vergeltung. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie Sie jetzt weitermachen wollen. Sie sind ein geschlagener Mann.

Mit Dank an Andreas W. für den Hinweis!

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