In Potsdam sieht es derzeit so aus, wie in vielen anderen Städten und Gemeinden: Die Verwaltung sucht dringend nach möglichem Wohnraum für Geflüchtete. Bei der durchaus schwierigen Suche nach freien Plätzen hat die Stadt Potsdam auch beim örtlichen Kulturzentrum “freiLand” nachgefragt. Und das hat in einem offenen Brief geantwortet:
Am Montag dem 14.09.2015 erreichte uns über eine Arbeitsgruppe der Stadt Potsdam die Anfrage, ob auf dem freiLand-Gelände über einen längeren Zeitraum Unterkünfte für Geflüchtete aufgestellt werden könnten. Längerer Zeitraum bedeutet hier eine Unterbringung von Flüchtlingen über mehrere Jahre und nicht ein vorübergehendes Provisorium.
Die Pläne sähen vor, “zwei Container mit Stoffdächern” aufzustellen, die “jeweils 48 Geflüchteten Platz bieten sollen.” In diesen Containern befänden sich lediglich Schlafplätze, “Sanitäreinrichtungen würden zusätzlich auf dem Gelände installiert werden.” Gemeinschaftsräume und Küchen seien nicht vorgesehen, die Beheizung solle per Heißluftgebläse erfolgen.
Das ist nach Meinung des Kulturzentrums keine angemessene Lösung:
Aus unserer Sicht ist diese Form der massenhaften Unterbringung von Geflüchteten über Monate und Jahre hinweg unzumutbar. Sie nimmt den Menschen die letzten Möglichkeiten, selbstbestimmt zu leben und zu handeln.
Das “freiLand”, nach eigenen Angaben recht aktiv in der Flüchtlingshilfe vor Ort, schreibt aber auch, dass es “absolut bereit” sei, “Menschen einen Zufluchtsort — auf bestimmte oder unbestimmte Zeit — zu bieten.”
Also: Ein Angebot, Flüchtlingen einen Platz zu bieten, gleichzeitig die Forderung nach einer würdevollen Unterbringung — müsste doch eigentlich was für die “Wir Helfer” der “Bild”-Zeitung sein. Oder?
Mal abgesehen von der Verkürzung, der Verdrehung und der einseitigen Auslegung des offenen Briefes: Einer Einrichtung, die sich für eine würdevolle Unterbringung von Geflüchteten stark macht, vorzuwerfen, sie sei “richtig herzlos”, ist so, als würde man dem FC St. Pauli vorwerfen, er hätte “Kein Herz für Flüchtlinge”.
Auch wenn der VfL Osnabrück und Preußen Münster in der 3. Liga nicht auf der ganz großen Fußballbühne spielen — bei den Derbys zwischen beiden Vereinen ist immer richtig was los. Pyrotechnik, Stadionverbote, Strafen durch den Verband.
Gestern war es wieder soweit, Preußen Münster kam zum Duell nach Osnabrück. Und erneut ging es hoch her: 2:1-Führungstreffer in der 90. Minute für die Münsteraner. Großer Jubel. In der Nachspielzeit der 2:2-Ausgleich für Osnabrück. Noch größerer Jubel. In all dem Drunter und Drüber läuft auch Tom Merkens aufs Spielfeld. Merkens ist Profi beim VfL Osnabrück, nach einem Knöchelbruch im Derby gegen Preußen Münster vor eineinhalb Jahren aber kaum noch einsatzfähig. Seit der Verletzung und der anschließenden Operationen kam er lediglich auf zwei Kurzeinsätze. Auch gestern sitzt er nur auf der Tribüne.
Merkens läuft also in Jeans und VfL-Jacke aufs Spielfeld, erst zum 2:2-Torschützen, dann zu Münsters Amaury Bischoff. Bischoff war es, der Merkens im März 2014 so hart foulte, dass dessen Knöchel brach. Im Handgemenge gestern geht Amaury Bischoff zu Boden, nachdem Tom Merkens ihn geschubst hat.
“Bild” hat die Situation so interpretiert:
Eklat in der 3. Liga: Direkt nach dem Spiel Osnabrück gegen Münster (2:2) stürmt ein Zuschauer aufs Spielfeld, rennt direkt auf Münsters Spielmacher Amaury Bischoff (28) zu und streckt ihn mit einem Handschlag nieder. […] Der “Amok-Läufer” ist Tom Merkens
Und in der Bildunterschrift heißt es:
Osnabrücks Merkens stürmt in Zivil den Platz und schlägt Münsters Bischoff zu Boden
Der NDR hat das Spiel gestern im Internet live übertragen. Einen Großteil der zusammengeschnittenen Höhepunkte machen die Tumulte am Ende des Spiels aus (ab Minuten 1:50). Und da ist von einem “Handschlag” rein gar nichts zu sehen. Von “Faust-Rache” kann keine Rede sein. Und auch nicht davon, dass Tom Merkens Amaury Bischoff zu Boden schlägt.
Online hat “Bild” den Artikel inzwischen unauffällig entschärft, und auch die Überschrift geändert:
Nur beim “‘Amok-Läufer'” bleibt die Redaktion.
Die Print-Geschichte ließ sich naturgemäß nicht mehr ändern und klingt damit nach wie vor wie ein aufgebauschter Fanbericht aus dem Preußen-Lager. Joachim Schuth, der Autor des Artikels, hat übrigens eine “ganz besondere Leidenschaft”: Preußen Münster.
Edward Snowden hat sich vergangenen Freitag mal wieder zu Wort gemeldet. Bei seinem Gastauftritt in der “Star Talk Radio Show” des US-Astrophysikers Neil deGrasse Tyson ging es aber nicht um Enthüllung rund um die NSA, sondern — Gastgeber und Name des Podcasts lassen es erahnen — ums Weltall.
Snowden sprach unter anderem über SETI, Search for Extraterrestrial Intelligence, also die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, wie sie auch von der Nasa betrieben wird. Er habe Zweifel daran, dass das Forschen nach Signalen fremder Zivilisationen im All erfolgreich sein werde. Das Problem sei laut Snowden eine mögliche Verschlüsselung dieser Signale:
Wenn man eine außerirdische Zivilisation hat, die nach anderen Zivilisationen sucht — oder umgekehrt –, dann gibt es nur einen kleinen Zeitraum in deren Entwicklung, in der die komplette Kommunikation auf primitivste und ungeschützte Art übertragen wird.
Bei einer weiter entwickelten Spezies, so Snowden, würde man die Übertragungen aufgrund von Verschlüsselungen nicht als solche erkennen können und lediglich für kosmische Hintergrundstrahlung halten: “Man kann ordentlich verschlüsselte Kommunikation nicht von zufälligen Signalen unterscheiden.”
Also, zusammengefasst: Edward Snowden sagt, dass es für die Wissenschaft ziemlich schwierig sein dürfte, Signale anderer Zivilisationen zu entdecken.
Gefunden und abgeschrieben hat die Redaktion diesen Quatsch beim britischen “Mirror”. Auf einen besonders abstrusen Vorwurf in Richtung Snowden ist sie dann aber noch selber gekommen:
In einem Podcast äußerte sich Snowden nun zu außerirdischem Leben und stellte fest: Aliens versuchen derzeit, mit der Menschheit in Kontakt zu treten. […] Einen Beweis für außerirdisches Leben bleibt Snowden dann allerdings schuldig.
Und die Redaktion bleibt weiterhin einen Beweis schuldig, dass es sich bei “Focus Online” um Journalismus handelt. Mit Dank an Carsten und Lutz!
Nachtrag, 24. September, 11:02 Uhr: Ist so eine Unsinnsmeldung erst einmal in der Welt, bekommt man sie da kaum noch weg. Im Gegenteil: Meist wird sie weiterverbreitet, so auch bei der Snowden-Alien-Geschichte. Denn sowohl Chip.de als auch News.de berichten, dass Edward Snowden von Aliens gesprochen habe, die versuchen sollen, mit der Menschheit Kontakt aufzunehmen. Beide Redaktionen haben die Meldung ungeprüft von “Focus Online” übernommen.
Gestern Abend stellte auch noch “TV Total” (ab Minute 1:15) die Geschichte als korrekt dar. Hätte das Team von Stefan Raab mal besser bei den “Pro Sieben”-Kollegen von “Galileo” nachgelesen. Die sind der Frage nachgegangen, ob Edward Snowden wirklich behauptet, “dass Außerirdische mit uns kommunizieren”. Und kommen zu dem Schluss: Nee, er “stellt dazu lediglich eine Theorie auf.”
Eine andere Passage im “Galileo”-Text ist hingegen ebenfalls problematisch:
Nach dem Motto: Sollte es intelligentes außerirdisches Leben geben, dann könnte es sein, dass wir ihre Kontaktversuche aufgrund von Verschlüsslung nicht einmal wahrnehmen.
Warum sollte eine andere Spezies bei dem Versuch, mit uns Kontakt aufzunehmen, ihre Nachricht so verschlüsseln, dass wir sie nicht verstehen können?
Mit Dank an Gregor M. und Timo L.
Nachtrag, 14:16 Uhr: Das Team von “Galileo” hat die kritisierte Passage inzwischen erweitert und spricht nun von “Verschlüsselung oder Codierung”, die ein Erkennen der Kontaktversuche von Außerirdischen unmöglich machen könnten.
Der VfL Bochum ist Tabellenführer in der 2. Fußballbundesliga. Nun sind gerade einmal sieben von 34 Spieltagen absolviert, aber laut Ruhrgebiets-“Bild” und Bild.de steht das Saisonziel für VfL-Trainer Gertjan Verbeek schon fest:
Klartext nach 1:1 gegen Fortuna. Verbeek spricht vom Meister-Titel!
Im Interview mit SPORT1 stellte der Holländer bereits klar: “Wir sind angetreten, um Meister zu werden!”
Hoppla! Der ehrgeizige Coach legt die Latte selbst hoch, sagt weiter: “Die Ambition muss immer sein: Raus aus der 2. Liga und aufsteigen in die Bundesliga. Aber das wird schwer.”
Morgen steht bereits das nächste Spiel auf dem Programm, die Bochumer treten in Bielefeld an. Daher gab es heute beim VfL die übliche Vor-dem-Spiel-Pressekonferenz. Großes Thema dort: die “Bild”-Schlagzeile und Verbeeks vermeintlicher Titeltraum.
Ein Reporter der “Ruhr Nachrichten” fragt:
Herr Verbeek, ich habe gelesen und gehört, dass Sie den Meistertitel jetzt als Ziel ausgegeben haben. Ist das so?
Gertjan Verbeek ist offenbar klar, wo der Reporter das gelesen hat. Er antwortet:
Das ist so unglaublich kindisch von “Bild”, immer wieder so zu schreiben. […] Die Ambition hier beim VfL ist, den Aufstieg zu machen. Das kann man erreichen, um Meister zu werden, Zweiter zu werden oder Dritter zu werden. Und wir wollen kein Ziel ausgeben. Und das ärgert die “Bild”. Und darum schreiben sie so. Weil ich habe nicht gesagt, dass wir Meister werden. Jeder sieht, dass wir die Qualität nicht haben, um Meister zu werden in der 2. Liga. […] Also was wollt ihr, “Bild”?
Ein Zwischenruf, vermutlich vom anwesenden “Bild”-Reporter:
Nö, gar nichts.
Dann wieder Verbeek:
Nee. Warum schreibt ihr dann immer solche Scheiße? Warum spielt ihr immer zwei Parteien gegeneinander aus? Selbst mit Flüchtlingen dazwischen. Ihr seid ja Arschlocher. Das seid ihr.
Wieder ein schwer zu verstehender Zwischenruf, irgendwas mit:
Das geht an die Berliner Adresse. Den Schuh zieh’ ich mir nicht an.
Darauf Verbeek:
Du arbeitest für “Bild”, oder nicht? Du sitzt hier für “Bild”. Und du schreibst immer falsch. Ja, ja, ja, ja, ja. Jetzt sind auch die Fans schon. Du bist unglaublich, immer wieder. Immer wieder willst du gerne zwei Parteien haben, die gegenüber einander stehen. Immer. Und ihr lügt auch noch. Das ist die “Bild”.
Zwischenfrage:
Hat “Sport 1” gelogen? Das steht auf der Homepage.
Verbeek:
Ja, dasselbe. Hör mal zu, was ich vor der Kamera gesagt habe. Die Ambition des VfL ist, Aufstieg zu machen. […] Man muss die Ambition haben, und das erkläre ich dir noch mal, schlechten Lehrlingen muss man immer viele Male dasselbe gesagt haben: Wir wollen gerne den Aufstieg machen. Wir haben die Ambition, den Aufstieg zu machen. Aber das Ziel ist nicht, den Aufstieg zu machen. Das ist ganz was anderes.
Die Pressekonferenz widmet sich anschließend einem Definitionsversuch der Worte Ambition und Ziel, bis die Themen Aufsichtsratssitzung und eine dort mögliche Vertragsverlängerung angesprochen werden. Und auch da ist Gertjan Verbeek nicht glücklich — mit der Berichterstattung im Allgemeinen und konkret mit der von “Bild”:
Ich verstehe nicht, dass ihr wisst, was besprochen wird, weil ich das selber noch gar nicht weiß. […] Es ist mir sehr fremd, dass ihr wisst, dass es heute Abend um meine Kontraktverlängerung geht. Ich habe gerade verlängert, im Mai habe ich gesagt, ich bleibe noch ein Jahr. Und jetzt sind wir vier Monate weiter und ich muss wieder reden über eine Verlängerung von meinem Kontrakt? Das hat “Bild” auch schon geschrieben. Das war letzte Saison im Mai. Haben die auch wieder falsch.
So langsam beruhigt sich die Lage. Es werden noch ein paar Personalien für das anstehende Spiel in Bielefeld besprochen. Dann aber doch noch einmal Gertjan Verbeek:
Und dann noch eine falsche Aussage: Letztes Mal war Piotr Cwielong nicht dabei, weil ich ihn nicht in den Kader gestellt habe, er war verletzt. Also kann er nicht im Kader sein. […] Der Trainer konnte ihn nicht fragen und er war verletzt. “Bild”, schreibst du mit?
Antwort vom “Bild”-Reporter:
Hier hat gerade eine Legende angerufen. Das war wichtiger.
Verbeek:
Ja, das ist wichtiger, natürlich. Wir können auch ohne Pressekonferenz, ohne “Bild”.
Hier die gesamte Pressekonferenz (um “Bild” geht’s ab Minute 2:20):
Mit Dank an Christian H. und Matthias S. Nachtrag, 22. September, 13:47 Uhr: Der Vorstand des VfL Bochum hat sich heute in einer Stellungnahme zu den Aussagen von Trainer Gertjan Verbeek geäußert: “Fußball lebt von Emotionen, die manchmal in Aussagen gipfeln, die zwar Anklang und Nachhall finden, zuweilen in der Tonalität aber daneben liegen.” Man habe mit Verbeek gesprochen, der sich für die Kraftausdrücke entschuldige. Christian Hochstätter und Wilken Engelbracht sagen allerdings auch:
Die Kernaussagen bleiben davon aber unberührt und in dieser Sache hat Gertjan Verbeek unserer Meinung nach vollkommen Recht
Dass Fans des Hamburger SV dem FC St. Pauli Respekt zollen und sich wünschen, ihr Verein würde genauso handeln wie der Kiezklub, kommt nicht häufig vor. Auch nicht, dass Anhänger des FC Schalke 04 und von Borussia Dortmund voller Neid auf die kleineren Nachbarn VfL Bochum und MSV Duisburg schauen. “Bild”-Chef Kai Diekmann hat mit seinen zwei Pöbeltweets zu St. Paulis Entscheidung, sich nicht als Werbetransmitter der “Wir helfen”-Aktion benutzen zu lassen, also das geschafft, was sonst nur Reizthemen wie Stadionverbote oder zu hohe Ticketpreise schaffen: Er hat Fans vereint, die sich sonst nicht besonders leiden können, mitunter sogar regelrecht bekriegen.
Und ihr Protest hatte Wirkung: Bis zum Ende des vergangenen Spieltags in der 1. und 2. Bundesliga hatten sich zehn Vereine dem FC St. Pauli angeschlossen. Manche verzichteten ebenfalls komplett auf das “Wir helfen”-Logo, andere klebten nur das darin beinhaltete “Bild”-Logo ab; alle elf spielen in der 2. Liga, damit gab es lediglich sieben Zweitligisten, die sich der “Bild”-Aktion komplett angeschlossen haben. In der 1. Liga waren es alle 18 Klubs.
Unabhängig davon, ob ihr Verein mit oder ohne “Wir helfen”-Aufnäher auf dem Spielfeld stand, haben viele Fangruppen ihren Protest aus dem Internet auf die Stadionränge getragen. In Nürnberg zum Beispiel …
… oder beim SC Freiburg, wo die Heimfans Transparente mit “Refugees welcome — Bild nicht” und “Erst die Hetze angefacht — wird’s mit Fußball wieder gut gemacht?” hochhielten …
(Danke an Fotografin Friederike Bauer und @HulaLena)
In Dortmund gab es bereits beim Spiel in der Europa League am Donnerstagabend Proteste gegen “Bild”. Die Fans auf der legendären Südtribüne hatten zahlreiche Banner gespannt:
Damit stellten sich genau die Fans mit Zitaten aus der neuen “Bild”-Imagekampagne gegen das Blatt, die noch vor wenigen Tagen von “Bild” für die neue Imagekampagne instrumentalisiert wurden:
Nun liest man derzeit immer wieder, dass Kai Diekmann genau das wollte: Aufmerksamkeit, für sich, für “Bild”, für die “Wir helfen”-Aktion.
Klar, mit seiner Twitterei zum FC St. Pauli dürfte er genau darauf ausgewesen sein. Jedenfalls wären so seine unsinnig-steilen Thesen zum Kiezklub zu erklären (weitere Erklärungsversuche: Warnschuss für mögliche Wackelkandidaten, bloß nicht auch noch abzuspringen; spezielles Weltbild: Wer nicht mit “Bild” kooperiert, kann nicht ganz sauber sein). Aber dieses Mal scheint der Aufmerksamkeitsprofi Diekmann die Folgen falsch eingeschätzt zu haben. Die Heftigkeit und die Vielfältigkeit der Reaktionen dürften auch für ihn überraschend gewesen sein. UnzähligeMedienberichteten, kleinereBlogs, diegroßenOnlineportale, selbstdie“Tagesthemen”. Und bei so gut wie allen Beiträgen konnte man das Unverständnis über die Äußerungen des “Bild”-Chefs herauslesen und -hören. In Interviews durften Sprecher von Faninitiativen ihren Ärger darüber äußern, dass ihr Verein möglicherweise mit Diekmanns Blatt paktiert, und sich über den scheinheiligen Wandelder“Bild” beim Thema Flüchtlinge auslassen.
Der sonst so tweetselige Diekmann wurde in der Folge auffallend still und twitterte stundenlang überhaupt nichts. Auch dem “Spiegel” wollte er nichts sagen. Gut möglich, dass er mit nur zwei Kurznachrichten eine ganze Menge zerstört hat — nicht nur beim Verhältniszu den Fußballvereinen, sondern auch am mühsam aufgebauten Image der freundlichen “Bild”.
Damit sich der Schaden einigermaßen in Grenzen hält, schwenkte die Redaktion in ihrer Berichterstattung schnell um: Während sie am Donnerstag noch vorwurfsvoll-beleidigt meldete …
Wir helfen — das haben alle Vereine bereits vorher schon mit zahlreichen Aktionen und Projekten bewiesen. Die Bundesliga ist Meister im Helfen. […] Beispiel St. Pauli: Sach- und Geldspenden des Vereins, seiner Mitarbeiter und Fans. Aktionen beim Test gegen Dortmund. Die Warmmach-T-Shirts und Refugees-Welcome-Banner werden versteigert. Profis besuchen Flüchtlingslager. Es gibt Trainingsangebote für die Kinder.
Nur zur Erinnerung: Das schreibt das Blatt, dessen Chefredakteur zwei Tag zuvor noch polterte, beim FC St. Pauli seien “#refugeesnotwelcome”, und den Verein in die Nähe der AfD rückte.
Wie heuchlerisch dieser neue “Bild”-Ton vom Freitag ist, zeigt auch ein Blick in die anderen Regionalausgaben:
Einen Tag später, als bei einigen Klubs noch nicht endgültig feststand, ob sie sich an der “Wir helfen”-Kampagne beteiligen oder nicht, ging das Gutwettermachen auf der Titelseite weiter:
Und das Erstligaduell am Freitagabend zwischen dem FSV Mainz 05 und der TSG Hoffenheim nutzte die Redaktion für ihre Samstagsausgabe so:
Also alles wie gehabt: Die Bundesliga steht im Mittelpunkt, genauso die “Bild” selbst mit ihrer “Wir helfen”-Aktion. Die Flüchtlinge, um die es eigentlich gehen soll, bleiben eine Randerscheinung.
Eine Überraschung gab es dann aber doch noch: Die “Bild am Sonntag” titelte im Sportteil mit Blick auf die Spiele in Liga eins und zwei:
Dabei klopfte sie ganz sicher auch sich selbst und ihrem Schwesterblatt auf die Schultern. Aber immerhin: Die Flüchtlinge haben es in die Überschrift geschafft.
Damit war heute allerdings direkt wieder Schluss, als Kai Diekmann das redaktionelle Sagen zurück hatte — bei “Bild am Sonntag” ist er lediglich Herausgeber –, und seine “Wir helfen”-Aktion wieder die wichtigste Rolle in diesem Schmierentheater bekam:
Mit Dank an alle Fotografen für die Bilder aus den Stadien!
Nachtrag, 22. September, 13:29 Uhr: Auch die Fans des FC Schalke 04 haben sich am Wochenende per Banner zur “Bild”-Aktion geäußert …
Da hatte die “B.Z.” für ihre Titelseite am Mittwoch aber eine freche Idee:
(Unkenntlichmachung des Gesichts im Original, zusätzliche Unkenntlichmachung von uns.)
Die angekündigte Gegendarstellung gab es dann auf Seite 6:
Gegendarstellung
In der B.Z. vom 22.05.2015 verbreiten Sie auf S. 6 unter der Überschrift “Berlins Unterwelt trauert um ihre Paten” unter Bezugnahme auf einen Polizeibeamten: “… Mohammed A. sei ein bekannter Zuhälter von der Kurfürstenstraße.“
Hierzu stelle ich fest: Ich bin kein Zuhälter und war es auch noch nie.
Berlin, den 30.05.2015 – Mohamad Aref
Der “B.Z.”-Clou mit der Titelseite: Die Rechtsanwältin und ihren Mandanten ärgern, gleichzeitig aber der Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung nachkommen. Oder wie Chefredakteur Peter Huth in der heutigen Ausgabe schreibt:
Die ungewöhnliche Titelseite vom 16. September sollte einerseits den rechtlichen Anspruch von Aref erfüllen, ihn aber auch in Relation zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft bringen. Wenn wir das nicht getan hätten, wären wir schlechte Journalisten.
Und das sind sie bei der “B.Z.” ja nicht. Aber: Huth schreibt zu der Titelseitenaktion auch:
Das gab (erwartungsgemäß) Ärger — daher musste die Gegendarstellung in der gestrigen Ausgabe noch einmal gedruckt werden.
Also, gestern in der “B.Z.” — dieses Mal mit der “Anmerkung der Redaktion”, dass Aref recht habe:
Gegendarstellung
In der B.Z. vom 22.05.2015 verbreiten Sie auf S. 6 unter der Überschrift “Berlins Unterwelt trauert um ihre Paten” unter Bezugnahme auf einen Polizeibeamten: “… Mohammed A. sei ein bekannter Zuhälter von der Kurfürstenstraße.“
Hierzu stelle ich fest: Ich bin kein Zuhälter und war es auch noch nie.
Berlin, den 30.05.2015 – Mohamad Aref – Anmerkung der Redaktion: Mohamad Aref hat recht.
Damit war die Gegendarstellung abgehakt — die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Denn auf der Titelseite am Mittwoch war der Abgebildete nicht nur “KEIN Zuhälter”, sondern auch nicht Mohamad Aref.
Daher sieht die heutige “B.Z.”-Ausgabe so aus:
Und Chefredakteur Peter Huth muss erklären:
WIR HABEN EINEN FEHLER GEMACHT.
Ein Leser und dann auch Frau Bezzenberger wiesen uns darauf hin, dass die Person, die wir gezeigt haben, nicht Aref ist.
Wie konnte das passieren?
Die BZ erreichen täglich Hunderte Fotos von Fotografen. Diese zu archivieren, erfordert eine hohes Maß an Konzentration und Arbeit. Dabei kam es zu einer Verwechslung, für die wir uns bei der gezeigten Person ausdrücklich entschuldigen wollen. Der auf der Titelseite gezeigte Mann hat nichts mit der aktuellen Anklage gegen Mohamad Aref und den Vorwürfen zu tun.
Gestern forderte uns Rechtsanwältin Bezzenberger im Namen ihres Mandanten auf, den Sachverhalt mit der Fotoverwechslung richtigzustellen. Dieser Bitte kommen wir natürlich nach.
“Bild”-Chef Kai Diekmann polterte daraufhin bei Twitter los, behauptete, am Millerntor seien “#refugeesnotwelcome”, und rückte den Verein in die Nähe der AfD. Seine “Bild”-Kumpels fanden das gut, vieleandereehernicht. Im Blog des DJV schreibt Hendrik Zörner heute, Diekmanns Verhalten sei “eine ausgemachte Sauerei”, und fordert ihn auf, Flüchtlinge nicht zu instrumentalisieren. Und selbst der Kai-Diekmann-Fanklub “Meedia” spricht von “offenkundig ungerechtfertigten Vorwürfe[n]” in Richtung FC St. Pauli.
Wie falsch der “Bild”-Chef mit seinem Angriff liegt, zeigt ein Blick in seine eigene Zeitung. Die Hamburg-Ausgabe berichtete am vorletzten Mittwoch, nach St. Paulis Freundschaftsspiel gegen den BVB, das der Klub unter das Motto “Refugees welcome” gestellt hatte, so:
Und auch Bild.de erkannte, dass beim FC St. Pauli “REFUGEES WELCOME” sind:
Immerhin: In der heutigen Printausgabe gibt es nicht den großen publizistischen Gegenschlag der “Bild”. Zur Weigerung des FC St. Pauli findet man lediglich eine kleine Überschrift …
… und diese vier Sätze:
Schade nur, dass einer der 36 Klubs aus der Solidaritäts-Aktion ausschert.
Der FC St. Pauli macht nicht mit bei „Wir helfen“ und wird stattdessen mit den normalen Firmenzeichen des Logistik-Unternehmens spielen. Das teilte der Hamburger Zweitligist den Beteiligten mit. Man tue schon genug für Flüchtlinge.
Der letzte Satz lässt sich allerdings als eine ziemlich böse Interpretation dessen verstehen, was St. Paulis kaufmännischer Geschäftsleiter Andreas Rettig gestern zu Diekmanns Vorwürfen sagte:
Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. […] Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Clubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen.
“Bild” macht daraus eine beleidigt klingende Absage, als wollte Rettig sagen: “Irgendwann ist auch mal gut hier mit der ganzen Hilfe für diese Flüchtlinge.”
Im Gegensatz zu dieser vermeintlichen Haltung steht für die “Bild”-Leute ihre “Wir helfen”-Aktion. Doch wohlgemerkt: Wofür sich das Blatt (und auch die Deutsche Fußball Liga) seit Tagen feiert, ist nicht etwa die komplette Umbenennung des Bundesligaspieltags oder der Verzicht aller Trikot-Hauptsponsoren zugunsten eines großen “Refugees welcome”-Schriftzugs auf der Brust der Mannschaften (wie zum Beispiel beim Zweitligisten MSV Duisburg), sondern ein ein paar Quadratzentimeter großer Badge, bei dem optisch diejenigen im Mittelpunkt stehen, die helfen, und die Flüchtlinge wortwörtlich zur Randerscheinung werden.
Schon möglich, dass am Wochenende einige Fußballfans vor dem Fernseher sitzen, den Aufnäher sehen und denken werden: “Boah, toll, was mein Verein und die ‘Bild’ und Hermes und die Bundesliga so für Flüchtlinge machen.” Spätestens dann ist Kai Diekmanns Werbeplan aufgegangen. Mit Dank an Michael P.
*Nachtrag, 19:41 Uhr: Nicht nur der 1. FC Union Berlin schließt sich dem FC St. Pauli an, sondern mindestens zwei weitere Zweitligaklubs: der SC Freiburg und der VfL Bochum.
Für uns ist klar, dass es vor allem das glaubwürdige Engagement vieler lokaler Initiativen ist, das Flüchtlingen jetzt in enger Absprache mit örtlichen Behörden und überregionalen Hilfswerken ganz konkret hilft. Wir haben uns entschieden, morgen ohne den veränderten Ärmel-Aufnäher „Wir helfen” gegen die Bielefelder Arminia auf den Platz zu gehen.
Die VfL-Vorstände Christian Hochstätter und Wilken Engelbracht erklären hierzu: „Gegen Engagement ist nichts einzuwenden, im Gegenteil: Der VfL Bochum 1848 begrüßt sämtliche Hilfsmaßnahmen, die in Not geratene Menschen unterstützen. Wenn es also um die Sache gegangen wäre, wären wir kompromissbereit gewesen und hätten eine Aktion, die von der BILD mitgetragen wird, unterstützt. Allerdings hat uns die scharfe Reaktion seitens der BILD-Chefredaktion ob der Absage eines anderen Clubs an die Aktion dazu gebracht, sich mit diesem Verein solidarisch zu zeigen. Es darf unserer Ansicht nach nicht sein, dass jemand einem Verein die Solidarität mit Flüchtlingen abspricht, nur weil dieser nicht bereit ist, eine u.a. von der BILD initiierte Aktion zu unterstützen.
Ähnlich argumentiert auch ein fünfter Zweitligist, der 1. FC Nürnberg. Aus der Vereinsmitteilung wird unserer Meinung nach allerdings nicht zu 100 Prozent klar, ob die Mannschaft nun mit oder ohne “Wr helfen”-Aufnäher spielen wird:
Der 1. FC Nürnberg begrüßt die ligaweite Aktion für Flüchtlinge. Sie ist sinnvoll und unterstützenswert. Weil der 1. FC Nürnberg aber den Umgang mit den Vereinen, die an der freiwilligen Aktion nicht teilnehmen, für unangebracht hält, wird der Club auf eine besondere Promotion des Medienpartners verzichten.
Damit haben schon mal die drei aktuell besten Vereine der 2. Bundesliga der “Bild”-Werbeaktion abgesagt. Was noch fehlt ist der erste Erstligist. Ein bisschen Zeit ist ja aber noch.
Nachtrag, 18. September, 11:15 Uhr: Der Zweitligist MSV Duisburg sagt mit Blick auf die eigenen geplanten Aktionen der “Bild” ebenfalls ab:
Wir Zebras möchten den Einsatz der Menschen in Duisburg, unserer Fans und des Vereins für Flüchtlinge in den Vordergrund stellen. Angesichts der tief entbrannten und kontrovers geführten Diskussion um die Aktion “Wir helfen” befürchten wir einen Schatten über die von uns vorbereiteten Aktionen am Sonntag und in den kommenden Wochen. Das wollen wir vermeiden, deshalb verzichten wir auf das angebotene Aktions-Badge auf dem Trikotärmel.
Nachtrag, 17:26 Uhr: Im morgigen Zweitligaspiel zwischen dem TSV 1860 München und dem 1. FC Kaiserslautern wird kein “Bild” auf den Trikots zu sehen geben. 1860 wird zwar mit dem “Wir helfen”-Badge auf dem Ärmel auflaufen, aber das “Bild”-Logo mit einem weißen Herz überkleben. Kaiserslautern verzichtet komplett auf den Werbeaufnäher:
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen mussten die Verantwortlichen des FCK feststellen, dass es in dieser Sache inzwischen leider nicht mehr um das Thema Hilfe für Flüchtlinge geht, sondern nur noch um die Haltung der Vereine zu einzelnen Medien. Daher hat sich der 1. FC Kaiserslautern nun entschlossen, nicht wie ursprünglich geplant mit dem entsprechenden Badge, sondern mit dem klassischen Logo des Partners Hermes aufzulaufen. Der FCK reagiert damit auf die Tatsache, dass durch die öffentliche Diskussion die eigentliche Botschaft in den Hintergrund gerückt ist.
Nachtrag, 18:56 Uhr: Fortuna Düsseldorf macht es wie 1860 München und klebt das “Bild”-Logo ab:
Damit ist auch das Spiel zwischen dem VfL Bochum und der Fortuna frei von “Bild”-Werbung auf den Trikots der Mannschaften.
Nachtrag, 19. September, 00:11 Uhr: Die “Braunschweiger Zeitung” meldet, dass Eintracht Braunschweig ebenfalls nicht an der “Wir helfen”-Aktion teilnehmen wird, und zitiert Eintracht-Präsident Sebastian Ebel:
“Im Vordergrund stehen die Motive und was Vereine für Flüchtlinge tun. Das sollte bewertet werden”, sagte Eintracht-Präsident Sebastian Ebel.
Nachtrag, 20. September, 14:59 Uhr: Zweitligist Greuther Fürth ist beim Auswärtsspiel bei Union Berlin — etwas überraschend — ohne die “Wir helfen”-Werbung der “Bild” aufgelaufen. Eine Anküdigung des Vereins gab es im Vorfeld nicht.
Auf die Frage, wie man Flüchtlinge in Deutschland willkommen heißen kann, hat Kai Diekmann eine ziemlich klare Antwort: Man schließt sich der “Bild”-Kampagne “Wir helfen” an. Derjenige, der das nicht tut, kann im Diekmann’schen Umkehrschluss nur gegen Flüchtlinge sein:
Hintergrund ist der kommende Spieltag in der ersten und zweiten Fußballbundesliga. Normalerweise laufen die 36 Profiklubs mit einem Hermes-Werbeaufnäher auf dem Trikotärmel auf. Dieses Wochenende wird stattdessen das “Wir helfen”-Logo der “Bild” hundertfach zu sehen sein. Für diesen werbetechnischen Coup beweihräuchern sich Diekmann und seine Mitarbeiter fleißig selbst, Hermes-Chef Hanjo Schneider bekam heute als Lohn den Titel “Gewinner des Tages” in der “Bild”-Zeitung verliehen.
Nur der FC St. Pauli, als Zweitligist ebenfalls betroffen von der Hermes-“Bild”-Bundesliga-Kooperation, will bei dem ganzen Bohei laut Bild.de nicht mitmachen.
Auf dieser Verweigerung basiert nun offenbar Kai Diekmanns steile Twitterthese, beim FC St. Pauli seien “#refugeesnotwelcome”. Gerade dem Kiezklub aus Hamburg vorzuwerfen, sie würden Flüchtlinge nicht willkommen heißen, ist selbst für Diekmannverhältnisse ausgesprochen dreist.
Fans des FC St. Pauli standen schon mit “Refugees welcome”-Aufnähern und -Transparenten im Stadion, als “Bild” und Bild.de noch gegen Ausländerund Asylbewerberzündelten. Und auch der Verein ist aktiv. Nur zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: Das Freundschaftsspiel vor rund einer Woche gegen den BVB stand unter dem Motto “Refugees welcome”, der Verein lud dazu 1000 Flüchtlinge ins Millerntor ein; und vor der Zweitligapartie am Montag sammelte der Klub Hygieneartikel für Geflüchtete. Über das Engagement hat vor Kurzem erst die “New York Times” berichtet.
Für Kai Diekmann reicht das alles anscheinend nicht. Solidarität mit Flüchtlingen bedeutet für ihn, sich seinem Blatt zu beugen. Mit Dank an all die Hinweisgeber!
Nachtrag, 15:50 Uhr: Inzwischen hat sich auch der FC St. Pauli geäußert. Man wundere sich, “dass das vertrauliche Schreiben an die Bild-Zeitung von dieser genutzt wurde, die Absage des FC St. Pauli negativ in der Öffentlichkeit darzustellen.” Der kaufmännische Geschäftsleiter Andreas Rettig zu den Vorwürfen der “Bild”:
Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. Unser Testspiel gegen Borussia Dortmund, das private Engagement unserer Spieler sowie verschiedenste Aktionen unserer Fans und Abteilungen für die Flüchtlinge in Hamburg sind Beleg dafür. Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Clubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen. Hierüber haben wir vorab alle Beteiligten informiert. Der FC St. Pauli steht für eine Willkommenskultur und wir handeln damit auf eine Art und Weise, die unseren Club schon seit Jahrzehnten ausmacht. Wir leisten ganz praktische und direkte Hilfe dort, wo sie gebraucht wird.
Helge Schneider hat für seine Zivilcourage mal ordentlich Prügel kassiert. Das hat er vergangenen Woche in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” (mit Bezahlschranke) erzählt:
Aber viele Künstler sind sehr verliebt in die Regel: Die Politik ist hilflos, wir müssen jetzt ran.
Wenn einem etwas direkt im Alltag begegnet, muss man schon ran. Das nennt man Zivilcourage, hab’ ich auch schon mal gemacht.
Was war passiert?
Das waren zwei Typen, die wollten einen Perser verkloppen. Da bin ich dazwischengegangen. Der konnte wegrennen. Dann hab’ ich das abgekriegt.
Wurden Sie verletzt?
Es hielt sich im Rahmen. Ich hatte den Kiefer angebrochen. […]
Schneider, Schlägerei, angebrochener Kiefer — klar, dass das auch andere Medien aufgreifen. Zum Beispiel “Spiegel Online” …
Und auch “Focus Online”. Doch dort klingt die Geschichte schon in der Überschrift etwas anders:
Und Helge Schneider erzählt auf einmal eine ganz neue Version des Vorfalls:
“Das waren zwei Typen, die wollten einen Penner verkloppen. Da bin ich dazwischengegangen”, erzählte der Komiker und Musiker der “Süddeutschen Zeitung” vom Samstag.
Der Protagonistenwechsel dürfte durch eine fehlerhafte dpa-Meldung entstanden sein. Die Nachrichtenagentur hatte am Samstagmittag den “Penner” ins Spiel gebracht und erst vier Stunden später eine Korrektur verschickt, mit dem Hinweis: “Berichtigung: Wort im zweiten Satz berichtigt”.
Das interessierte offenbar weder “Focus Online” noch morgenpost.de: Ihre falschen Artikel veröffentlichten beide Redaktionen erst, als die dpa-Korrektur schon Stunden raus war.
Dass ein Medium durchaus auf Agentur-Berichtigungen reagieren — und das auch noch der Leserschaft transparent präsentieren — kann, beweist diepresse.com:
Anmerkung der Redaktion: Quelle dieses Artikels ist die Nachrichtenagentur DPA. Diese hat in einer ersten Meldung von einem “Penner” geschrieben, später allerdings auf “Perser” korrigiert. Wir bedauern den Irrtum.
Na, na, na, “1Live”! Einfach so am Sonntagvormittag im Radio über Sex reden und dann auch noch einen Pornodarsteller erzählen lassen, wie man den Orgasmus herauszögern kann?
Klar, dass die frommen “Bild”-Redakteure da einschreiten müssen:
Nun gut, das Durchschnittshöreralter “des WDR-Jugendsenders ‘1Live'” liegt bei 32 Jahren. Aber sonst: Ganz genau, “in die Schmuddelecke” gehört sowas. Dorthin, wo die ganzen standhaften Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de zu Fachleuten für “Masturbationsübungen”, “Orgasmus-Training” und “Schnellschießer” geworden sind.