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Mumienfledderei

Nehmen wir mal an, irgendwo in Niedersachsen findet plötzlich jemand auf seinem Dachboden eine ägyptische Mumie. Mit Sarkophag und Hieroglyphen, das volle Programm. Und nehmen wir mal an, Sie arbeiten bei Bild.de. Wie gehen Sie vor, um möglichst lange von dieser Geschichte zu zehren?

Wir hätten da ein paar Vorschläge.

Zunächst einmal: Erzählen Sie, was passiert ist. Sie können ruhig ein bisschen rumalbern, ist ja schließlich eine total verrückte Geschichte.

Keine Leiche im Keller - Er hat eine Mumie auf dem Dachboden!

Beim Heiligen Ramses, einstmals größter Herrscher der Ägypter: Was ruht denn da unter einem Diepholzer Dach?

Unglaublich: Zahnarzt Dr. Lutz Wolfgang Kettler (53) aus der Kreisstadt entdeckte – eine Mumie!

Fassen Sie die Geschichte in aller Ruhe zusammen. Erwähnen Sie am Ende auf jeden Fall, dass die Mumie schon bald durchleuchtet werden soll, das eignet sich super als Cliffhanger.

Zwischenzeitlich sollten Sie sich schon mal einen Spitznamen für die Entdeckung überlegen, am besten etwas, in dem die Begriffe “Dachboden” und “Mumie” vorkommen, dann wissen die Leute gleich, worum es geht. Zum Beispiel “Dachboden-Mumie”.

Bevor die Dachboden-Mumie dann durchleuchtet wird, kündigen Sie an, dass die Dachboden-Mumie durchleuchtet wird:

Jetzt ermittelt die Polizei - Dachboden-Mumie wird durchleuchtet

Betonen Sie auch, dass jetzt die Polizei ermittelt. Das verleiht dem Ganzen einen wunderbar kriminellen Beigeschmack. Aber schreiben Sie lieber “Fachkommissariat für Tötungsdelikte”, das klingt noch besser.

Wenn die Untersuchung der Mumie dann abgeschlossen ist, durchforsten Sie die Ergebnisse nach brauchbarem Material für eine Schlagzeile.

Schau’n wir doch mal. Es hat sich herausgestellt, “dass alle von außen an der Mumie verwendeten Materialien einschließlich Kleber, Produkte des 20. Jahrhunderts sind”? Hm. Die Bandagen “bestehen zwar aus Naturwollen, sind jedoch maschinell gewebt“? Hm. Die Hieroglyphen auf dem Sarkophag “ergaben keinen Sinn”? Hm. Im linken Auge “steckt ein spitzer Gegenstand”? Bingo!

Dachboden-Mumie hat einen Pfeil im Kopf - Ist der Junge ein Mordopfer?

Spekulieren Sie einfach ein bisschen drauf los. Und beenden Sie den Artikel mit

Es bleibt spannend …

Wenn dann erst mal nichts Neues passiert, können Sie die Sache mit dem Kleber ja doch noch aufgreifen. Und bauen Sie Wörter mit “Grusel” und “Rätsel” ein.

Gruselfund auf Dachboden in Niedersachsen - Löst der Klebstoff das Mumien-Rätsel? - Experte: Bandagen aus dem 20. Jahrhundert

Und, wichtig: Stellen Sie Fragen! Am besten gleich mehrere hintereinander. Das gibt Ihrem Artikel etwas Detektivisches.

Schlummerte ein jahrtausendealtes Rätsel auf einem deutschen Dachboden? Lagerte dort, wo andere Möbel abstellen, eine Mumie aus dem alten Ägypten? Ist sie das Zeugnis eines neuzeitlichen Mordes?

Erwähnen Sie am Ende auf jeden Fall, dass die Mumie schon bald von der Gerichtsmedizin untersucht werden soll — das eignet sich super als Cliffhanger.

Beenden Sie den Artikel mit

Es bleibt spannend..

Bevor die Gerichtsmedizin die Mumie vom Dachboden dann untersucht, kündigen Sie an, dass die Gerichtsmedizin die Mumie vom Dachboden untersucht:

7 Theorien - Gerichtsmedizin untersucht Mumie vom Dachboden

Die Zeit bis zu den Untersuchungsergebnissen können Sie ohne viel Aufwand überbrücken, indem Sie sich ein paar Schauergeschichten ausdenken, die Sie dann “Theorien” nennen und auflisten. Zum Beispiel so:

Ein Bestattungsritual: In der ägyptischen Mythologie raubte Seth seinem Bruder Horus im Streit das Augenlicht. […] Ist der Pfeil im Auge ein Bestattungsritual zu Ehren Horus’?

Ein Mord im alten Ägypten: Sollte ein unehelicher Sohn aus dem Weg geräumt werden, um die Thronfolge nicht zu gefährden?

Ein Jagdunfall: Die ägyptischen Bogenschützen sind legendär. Möglicherweise geriet der Junge in die Schusslinie.

Sie können auch “Mystery-Experte Erich von Däniken (78)” zu Rate ziehen. Der weiß nämlich zu berichten, dass “auch im alten Ägypten […] Kinder mit Pfeil und Bogen” spielten (das untermauert dann die Theorie “verunglückter Kindergeburtstag”).

Sie müssen diesmal auch gar nicht auf die endgültigen Untersuchungsergebnisse warten, denn irgendwer hat gesagt, dass die Mumie unter Umständen möglicherweise 2000 Jahre alt sein könnte. Zack:

Erste Ergebnisse der Staatsanwaltschaft - Dachboden-Mumie soll 2000 Jahre alt sein!

Erwähnen Sie am Ende auf jeden Fall, dass die Mumie schon bald von externen Experten untersucht werden soll – das eignet sich super als Cliffhanger.

Überbrücken Sie die Zeit bis dahin mit Artikeln, in denen Sie noch mal das wiedergeben, was bisher geschehen ist:

Knochen, Hieroglyphen, Bandagen - Sieben Fakten zum Gruselfund des Jahres

Starten Sie eine Serie mit Mumien-Content:

BILD-Serie "Das Geheimnis der deutschen Mumien", Teil 1 - Der faszinierende Grusel des Bremer Bleikellers

BILD-Serie "Das Geheimnis der deutschen Mumien", Teil 2 - Die schaurige Legende um den Ritter von Kahlbutz

3. Teil der Serie - Die unsterblichen Superstars unter den Mumien - Von den Nedlitzer Mumien über Ötzi bis zur Moorleiche von Windeby

Und stellen Sie weitere Fragen:

Mumie vom Dachboden - Liegt in diesen Bananen-Kisten die Wahrheit?

Illegal in Deutschland? - Muss die Mumie vom Dachboden jetzt zurück nach Ägypten?

Rufen Sie noch mal bei Erich von Däniken an und lassen Sie ihn seltsame Dinge sagen.

Die Kinder-Mumie vom Dachboden - Erich von Däniken sicher: "Es ist ein Mischwesen"

Und damit herzlichen Glückwunsch! 13 Artikel in sechs Wochen, obwohl eigentlich noch gar nichts passiert ist. Das soll Ihnen mal jemand nachmachen.

Kurz darauf (genauer: am 25. September) wird es allerdings heikel, denn blöderweise bereitet die Rechtsmedizin dem Rätselraten ein vorläufiges Ende. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Mumie gar keine Mumie ist. Das Skelett ist aus Plastik und die Pfeilspitze ein Kinderspielzeug. Der Schädel ist zwar echt, diente aber offenbar als Übungsmittel für Medizinstudenten.

Aber lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Tun Sie einfach so, als käme die Sache jetzt erst so richtig in Fahrt:

Die Mumie vom Dachboden - Kopf echt, Körper aus Plastik - Rätsel immer größer

Und stellen Sie noch ein paar blöde Fragen:

Der Gruselfund vom Dachboden - Lacht uns die Mumie alle aus?
Verflucht! - Wurde unsere schöne Mumie zerhackt?

Lassen Sie die Geschichte dann zwei Wochen ruhen und fassen Sie schließlich alles noch mal in einem finalen Artikel zusammen. Gerne auch mit Unterstützung der Print-Kollegen:

Die Wahrheit über die Mumie vom Dachboden

Nennen Sie die Mumie “(SCH)MUMIE” und betonen Sie, dass auch die Anderen nicht ganz unschuldig sind:

Deutschlandweit berichteten Zeitungen (u. a. Süddeutsche, FAZ, Die WELT) über den sensationellen Mumienfund auf einem Diepholzer Dachboden

Erwähnen Sie am Ende auf jeden Fall, dass die Staatsanwaltschaft immer noch ermittelt, woher der Schädel stammt. Das eignet sich super als Cliffhanger.

Mit Dank auch an Petra O.

Das gottverdammte Gottesteilchen

Hurra, es gibt wieder Nobelpreisträger in Physik! Wie heute verkündet wurde, sind es diesmal der Belgier François Englert und der Brite Peter Higgs, die vor allem mit der Entdeckung eines neuen Elementarteilchens Bekanntheit erlangten. “Higgs-Boson” wird dieses Teilchen genannt, zumindest von denen, die sich damit auskennen. Journalisten nennen es viel lieber das “Gottesteilchen”.

... aber was haben diese Teilchen eigentlich mit Gott zu tun?

fragte Bild.de heute und gab auch gleich eine Antwort:

Jahrzehntelang fahndeten Physiker nach dem “Gottesteilchen”. Es spielte nach der Teilchentheorie eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Universums nach dem Urknall. Deshalb auch der Name – Gottesteilchen.

Ah ja.

Die tatsächliche Entstehungsgeschichte des Begriffes liest sich, wenn man sich denn die Mühe macht, allerdings ein wenig anders. Und weil Sie dem “Gottesteilchen” in diesen Tagen wahrscheinlich wieder öfter begegnen werden — zum Beispiel bei Tagesspiegel.de, “Focus Online”, Stern.de, den Online-Auftritten von n-tvMDR“manager magazin”, “Handelsblatt”, “Berliner Zeitung”, “FAZ” und so weiter — wollen wir die Geschichte mal kurz zusammenfassen.

Gewissermaßen erfunden wurde der Begriff von dem Physiker Leon Lederman, der ihn in seinem 1993 veröffentlichten Buch “The God Particle: If the Universe ist the Answer, what is the Question?” erstmals benutzte.

Dort schreibt er:

Dieses Boson ist so bedeutend für die heutige Phsyik, so wesentlich für unser Verständnis von der Struktur der Materie und doch so schwer fassbar, darum habe ich ihm einen Spitznamen gegeben: das Gottesteilchen. Warum Gottesteilchen? Zwei Gründe. Erstens, weil der Verleger uns nicht erlaubt hat, es das Gottverdammte Teilchen zu nennen – obwohl das ein viel passenderer Name wäre, angesichts seines niederträchtigen Wesens und des Aufwands, den es verursacht. Und zweitens, weil es da eine Art Verbindung gibt zu einem anderen Buch, einem viel älteren …

(Übersetzung von uns.)

Die Medien finden den Namen auf jeden Fall auch heute noch total super. Die Wissenschafts-Kollegen und die Kirche dagegen eher so mittel.

Und dem frisch nobelbepreisten Peter Higgs ist es inzwischen sogar “peinlich”, dass sich der Begriff so eingebürgert hat. “Ich glaube nicht an Gott”, sagt er, “aber ich habe immer gedacht, dass dieser flapsige Begriff einige Menschen beleidigen könnte.”

Lederman, der mit der Einführung des Begriffs den ganzen Schlamassel erst ausgelöst hat, sieht es aber gelassen. 2006 schrieb er in einer neuen Auflage des Buches:

Was den Titel angeht – The God Particle – , so hat mein Co-Autor Dick Teresi zugestimmt, die Schuld auf sich zu nehmen (ich habe ihn ausbezahlt). Ich habe den Begriff einmal als Scherz in einer Rede benutzt. Er erinnerte sich daran und benutzte ihn als Arbeitstitel für das Buch. “Keine Sorge”, sagte er, “kein Verleger benutzt jemals den Arbeitstitel für das fertige Buch”. Der Rest ist Geschichte. Der Titel verärgerte letztlich zwei Gruppen: 1) die, die an Gott glauben und 2) die, die es nicht tun. Von jenen in der Mitte wurden wir herzlich empfangen.

Aber damit müssen wir leben. Ein Teil der Physikergemeinschaft hat den Namen aufgegriffen, und sowohl die Los Angeles Times als auch der Christian Science Monitor haben das Higgs-Boson als “Gottesteilchen” bezeichnet. Das erhöht unsere Hoffnung auf eine Verfilmung.

Mit Dank an ex00r und Bernd H.

Anschlussverwendung: Augenarzt

Für die Fraktions-Mitglieder der FDP brechen schwere Zeiten an. Nach dem verpassten Einzug in den Bundestag müssen einige von ihnen wohl auf Jobsuche gehen. Nur gut, dass die meisten vor ihrer politischen Karriere noch einen anständigen Beruf gelernt haben.

Philipp Rösler zum Beispiel ist Arzt. Genauer gesagt:

Augenarzt

(Abendblatt.de, 24.10.2009)

Augenarzt

(“Rheinische Post”, 24.10.2009)

Augenarzt

(“Rheinische Post”, 27.10.2009)

Augenarzt

(“FAZ”, 29.10.2009)

Augenarzt

(“Stuttgarter Zeitung”, 03.02.2010)

Augenarzt

(“Focus”, 08.03.2010)

Augenarzt

(“Stuttgarter Zeitung”, 07.04.2010)

Augenarzt

(“Badische Zeitung”, 18.06.2010)

Augenarzt

(“Stuttgarter Zeitung”, 18.06.2010)

Augenarzt

(“Süddeutsche Zeitung”, 07.10.2010)

Augenarzt

(“Der Spiegel”, 11.10.2010)

Augenarzt

(“FAZ”, 22.01.2011)

Augenarzt

(“Financial Times Deutschland”, 04.04.2011)

promovierter Mediziner, Fachrichtung Augenheilkunde

(“Kölnische Rundschau”, 06.04.2011)

Augenarzt

(“Badische Zeitung”, 02.09.2011)

Augenarzt

(“Abendzeitung”, 14.12.2011)

Augenarzt

(“taz”, 10.02.2012)

Augenarzt

(“Financial Times Deutschland”, 26.07.2012)

Augenarzt

(Faz.net, 19.10.2012)

Ex-Augenarzt

(“Aachener Nachrichten”, 06.03.2013)

Augenarzt

(“FAZ”, 02.08.2013)

Augenarzt

(“Die Welt”, 12.09.2013)

Augenarzt

(“B.Z.”, 24.09.2013)

Dementsprechend weiß “Spiegel Online” auch ganz genau, wie es für Rösler nach der Wahlschlappe beruflich weitergehen könnte:FDP-Spitzenpolitiker: Dann halt Augenarzt
Rösler gehöre zu jenen FDP-Politikern, “die wohl die größten Chancen haben, noch einmal neu anzufangen”, schreibt “Spiegel Online”. Denn er verfüge “über eine medizinische Ausbildung, auch wenn er seinen Facharzt für Augenheilkunde einst seiner politischen Karriere opferte.”

Sollte es mit der Politik jetzt nichts mehr werden, kann Rösler also immer noch … Moment mal kurz. Er “opferte” seine Facharztausbildung seiner politischen Karriere? Heißt das etwa: Rösler ist gar kein Augenarzt?

ACHTUNG, wichtiger Hinweis: Entgegen vielerlei Presseartikeln und Berichten bin ich NICHT Facharzt für Augenheilkunde, sondern von Beruf einfach Arzt.

Diese Mitteilung stammt von Philipp Rösler selbst. Er hat sie auf seiner Internetseite veröffentlicht – vor vier Jahren. Und trotzdem sind viele Journalisten immer noch fest davon überzeugt, Rösler sei gelernter Augenarzt. Die Beispiele reichen bis ins Jahr 2003 zurück. Selbst die “New York Times” bezeichnete Rösler vor wenigen Monaten als “ophthalmologist”, korrigierte den Fehler aber, nachdem wir sie darauf aufmerksam gemacht hatten.

Auch hier im Blog haben wir auf den Augenarzt-Irrtum hingewiesen, das erste Mal vor vier Jahren. Vor zwei Jahren dann erneut. Und dieses Jahr schon wieder. Aber: nix zu machen.

Auch wenn Philipp Röslers Tage als FDP-Chef vorerst gezählt sind — eines wird er immer bleiben.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Damit Angela Merkel Kanzlerin bleibt

In der “Bild zur Wahl”, die am Samstag millionenfach ungefragt in deutschen Briefkästen landete, durften die Parteien keine Werbung schalten. Das hatte der Axel Springer-Verlag von vornherein ausgeschlossen. Die Ausgabe sollte “parteipolitisch streng neutral” sein, kündigte Springer-Chef Döpfner schon vor Monaten an. Und in einer Mitteilung des Verlags hieß es:

Aus Neutralitätsgründen hat BILD entschieden, grundsätzlich keine Parteienwerbung in der Sonderausgabe zu drucken.

So kam es dann auch.

Bei Bild.de hingegen war von irgendwelchen “Neutralitätsgründen” nicht allzu viel zu spüren. Am Tag der Wahl sah die Startseite nämlich so aus:

[Startseite von Bild.de am Tag der Wahl. In einer großen Anzeige wird Werbung für die CDU gemacht.]

Mit Dank an Marcus.

Nachtrag, 18.32 Uhr: Einige BILDblog-Leser haben uns darauf hingewiesen, dass auf Bild.de am Wahlsonntag auch eine Anzeige der SPD zu sehen gewesen sei. Bei uns war im Laufe des Tages immer nur die CDU-Anzeige erschienen. Vielen Dank also für den Hinweis!

Rügen-Schock: Schach und Regenbogen

Der Deutsche Presserat hat vergangene Woche zehn öffentliche Rügen, 13 Missbilligungen und 23 Hinweise ausgesprochen.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Die “Bild”-Zeitung erhielt eine Rüge, weil sie in ihrer Thüringer Ausgabe das Foto eines Mannes abgedruckt hatte, der gestanden hatte, sein eigenes Kind getötet zu haben. Der Beschwerdeausschuss befand, dass an dem Gerichtsprozess und der Tat an sich zwar ein öffentliches Interesse bestehe, nicht aber an der identifizierenden Abbildung des Täters (Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex).

Für ähnliche Verstöße erhielt die Online-Ausgabe der “B.Z.” gleich zwei Rügen. Sie hatte über einen psychisch kranken Mann berichtet, der nackt und mit einem Messer bewaffnet in den Brunnen am Berliner Alexanderplatz gestiegen und später von der Polizei erschossen worden war. “B.Z. Online” veröffentlichte zahlreiche persönliche Details, durch die der Mann “für einen weiten Personenkreis identifizierbar wurde”, urteilte der Presserat:

Für den zweiten Artikel hatte der Autor offenbar die Wohnung des Toten aufgesucht und den Inhalt von dort gefundenen Dokumenten veröffentlicht. Der Beschwerdeausschuss sah in der Berichterstattung einen Verstoß gegen die Richtlinien 8.1 und 8.6 des Pressekodex. Über den psychisch kranken und möglicherweise schuldunfähigen Mann hätte nur anonymisiert und in zurückhaltender Weise berichtet werden dürfen.

Auch die Schach-Zeitschrift “Rochade Europa” kassierte eine Rüge. Sie hatte den Sieger eines Turniers, einen älteren Mann, ganzseitig auf dem Titelblatt gezeigt; auf seiner Hose war ein großer nasser Fleck zu sehen. Der Presserat befand:

Dadurch entstand der Eindruck, dass er sich eingenässt haben könnte. Der Ausschuss sah darin einen Verstoß gegen die Ziffern 1 und 9 des Pressekodex. Danach achtet die Presse Würde und Ehre des Menschen. Die Redaktion hätte das Foto des Mannes nicht veröffentlichen dürfen, auch wenn es — wie die Zeitschrift mitteilte — mit seinem Einverständnis gemacht wurde.

Gerügt wurde auch der Online-Auftritt der “Augsburger Allgemeinen”. Das Portal hatte Spekulationen über eine außereheliche Affäre eines Lokalpolitikers wiedergegeben, die ein Parteikollege bei Facebook veröffentlicht hatte. Darin erkannte der Presserat einen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit (Ziffer 8).

Insgesamt fünf weitere Rügen gingen an Zeitschriften der Regenbogenpresse.

Eine davon bekam die “Frau aktuell”. Das Blatt hatte auf der Titelseite eine “pikante Enthüllung” über Volksmusiker Stefan Mross angekündigt. Im Innenteil lautete die Überschrift: “Alkohol-Schock! Stefan Mross – Wer kann ihm jetzt noch helfen?” Im Text ging es dann aber lediglich um Folgendes: Wenn man bei Google “Stefan Mross” eingibt, erscheint als Suchvorschlag manchmal “Stefan Mross Alkohol”. Der Presserat erkannte daher eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht (Ziffer 2) und des Persönlichkeitsschutzes (Ziffer 8).

Ebenfalls gegen die Sorgfaltspflicht verstieß nach Ansicht des Pressrats die “Freizeit Express”, weil sie getitelt hatte: “Kate & William – Sensationelle Baby-Fotos! Es nuckelt schon am Daumen…” In Wirklichkeit handelte es sich dabei jedoch um Symbolfotos. Als solche hätten sie nach Ansicht des Presserats auch gekennzeichnet werden müssen.

Unter der Überschrift “Angela Merkel – Verheimlichte Scheidungstragödie” versprach die “Meine Freizeit” im April auf der Titelseite “Alles über die unbekannte Vergangenheit der Kanzlerin”.  Im Innenteil wurden dann aber lediglich ein paar banale und seit Jahren bekannte Fakten aus dem Leben Angela Merkels mitgeteilt. Die Schlagzeilen beurteilte der Presserat daher als grobe Irreführung der Leser.

Um eine andere angebliche Scheidungstragödie ging es in der Zeitschrift “Das neue Blatt”. Auf dem Cover hieß es über das “Bauer sucht Frau”-Pärchen Josef und Narumol: “Scheidungs-Schock! – Dabei war es doch die ganz große Liebe”. Erst im Artikel wurde klar, dass sich nicht Bauer Josef, sondern ein anderer Bauer aus der RTL-Sendung hatte scheiden lassen. Auch hier stellte der Presserat Verstöße gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex fest. Die Schlagzeilen seien grob irreführend.

Die “Promi Welt”, die neuerdings “Woche exklusiv” heißt, kassierte schließlich eine Rüge für einen Artikel über Steffi Graf. Die hatte zu Jahresbeginn die Leser ihres Blogs um Rat gefragt, wie man “das Leben allgemein einen Gang herunterschalten könnte”. Die “Promi Welt” sprach daraufhin gleich von einem “verzweifelten Hilferuf” und bescheinigte Steffi Graf einen “Absturz in die Lebenskrise”. Das Blatt nahm den Blogeintrag sogar noch zum Anlass, über eine mögliche Krebserkrankung von Steffi Grafs Mutter zu spekulieren. Der Presserat bewertete den Artikel als “eine unwahrhaftige Berichterstattung, bei der jegliche Sorgfaltspflichtaspekte außer Acht gelassen wurden.”

Hinter dem Radar

Die “Alternative für Deutschland” (AfD) brüstet sich derzeit gerne damit, dass sie — Prognosen zufolge — bei der Bundestagswahl in zwei Wochen die Fünf-Prozent-Hürde knacken werde.

So sagt AfD-Chef Bernd Lucke im aktuellen “Focus”, für den Einzug in den Bundestag werde es “locker reichen”. Dabei bezieht er sich aber nicht auf die Prognosen der großen Umfrageinstitute, sondern auf eine andere Quelle:

Das Wahl-Radar sieht uns bei sieben bis acht Prozent.

Auch die “Main Post” beruft sich auf dieses “Wahl-Radar” und erklärt:

Dabei handelt es sich um einen Informationsdienst einer Düsseldorfer Agentur, die sowohl die klassischen Umfrage-basierten Prognosen der bekannten Meinungsforschungsinstitute als auch die auf der Auswertung von Social Media und Wahlbörsen basierenden Prognosen einbezieht. Dem Wahl-Radar zufolge kommt die Alternative für Deutschland auf rund sieben Prozent.

Die Überschrift lautet:"Wir schaffen bis zu acht Prozent" - In Würzburg präsentierte sich die Alternative für Deutschland optimistisch

Der “Trierische Volksfreund” schreibt:

Der Informationsdienst Wahl-Radar fasst wöchentlich die Ergebnisse aller öffentlichen Wahlprognosen zusammen. Das aktuelle Ergebnis sagt 7,6 Prozent für die Alternative für Deutschland voraus – mehr als doppelt so viel wie die Piraten, deutlich mehr als die FDP, knapp mehr als die Linke.

Fast acht Prozent also. Bei anderen Umfragen, etwa von Allensbach oder Forsa, liegt die AfD momentan lediglich bei drei, maximal vier Prozent.

Diese krassen Unterschiede kommen dadurch zustande, dass das “Wahl-Radar” auch so Dinge einbezieht wie die “Wahlwette” von “Spiegel Online” oder die “Prognosebörse” des “Handelsblatts”.

Es fließen vor allem aber auch die Zahlen des “Wahl-O-Meters” ein, das zählt, wie oft eine Partei und ihre Politiker auf Twitter erwähnt werden. Darin schneidet die AfD regelmäßig derart gut ab, dass sie auch im “Wahl-Radar” immer deutlich über fünf Prozent liegt.

Und es ist wohl kein Zufall, dass das “Wahl-Radar” ausgerechnet diese Methode anwendet, um seine Prognosen zu berechnen. Denn hinter dem “Wahl-Radar” — und das hat leider keines der oben genannten Medien geschrieben — steckt ein AfD-Mann.

Die “Düsseldorfer Agentur”, die den Dienst betreibt, gehört Wolfgang Osinski. Der war mal Pressesprecher von RTL, hat bei “Bild” gearbeitet und ist heute Vorstandsmitglied der AfD in Düsseldorf. Zum dreiköpfigen “Wahl-Radar Team” gehört außerdem Ulrich Wlecke — er ist Bundestagskandidat der AfD.

Das hätten die Journalisten mit einer kurzen Google-Suche auch selbst herausfinden können. Oder mit einer einfachen Nachfrage. So wie die “Stuttgarter Nachrichten”, die sich nicht einfach blind auf das Acht-Prozent-Gerede verlassen haben:

[…] eine Nachfrage unserer Zeitung bei der Agentur ergab: Osinski ist selbst AfD-Mitglied. Er gibt zu: ‘Ich spreche pro domo’. Das heißt Werbung in eigener Sache.

Und so wundert es dann auch nicht, dass Osinski und Wlecke in der aktuellen Ausgabe des “Wahl-Radars” (PDF) eines nicht oft genug betonen können:

[Die AfD] hat gute Aussichten, die 5%-Hürde zu überspringen.

Ein Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde sei “durchaus drin”. Die AfD sei “vorraussichtlich im Bundestag”. Ein Nichteinzug der AfD sei “sehr unwahrscheinlich”. Und so weiter.

Dass die Betreiber des “Wahl-Radars” selbst zur AfD gehören, wird an keiner Stelle erwähnt.

Mit Dank an Thomas H.

Nachtrag, 12. September, 11 Uhr: Der “Volksfreund” hat den Artikel gestern transparent überarbeitet und einen Nachtrag veröffentlicht.

Vermummte Propaganda

Im August wurde der Vorsitzende der Partei “Alternative für Deutschland” (AfD) bei einer Wahlkampfveranstaltung angegriffen. In den Medien las sich der Vorfall anschließend so:

Bild.de:

Drei Festnahmen, 16 Verletzte - Messer-Angriff auf AfD-Chef Lucke!

Focus.de:

Mit Reizgas und Messer bewaffnet - Acht Vermummte attackieren AfD-Parteichef Bernd Lucke

abendblatt.de:

Vermummte mit Messer und Reizgas greifen AfD-Chef an

“Spiegel Online”:

Wahlkampfrede von Bernd Lucke: Vermummte greifen AfD-Veranstaltung an

“B.Z.” online:

Vermummte in Bremen - Pfefferspray-Angriff auf AfD-Chef Bernd Lucke

Süddeutsche.de:

afd13

“Bild”:

16 Verletzte! Linke Chaoten attackieren Chef der AfD

In fast allen Artikeln ist von mindestens 20 teilweise vermummten Personen die Rede, von denen acht auf die Bühne gelangt seien. Die “vermutlich dem linksextremen Lager zuzuordnende[n] Angreifer” hätten Pfefferspray benutzt, außerdem sei ein AfD-Helfer mit einem Messer angegriffen und verletzt worden. Insgesamt habe es 15 Verletzte gegeben, drei Personen seien festgenommen worden.

All diese Informationen stammten aus einer Pressemitteilung der Polizei Bremen, die sich so ziemlich mit dem deckte, was auch die AfD selbst mitgeteilt hatte.

Auf einem Video, das noch am selben Tag bei Youtube auftauchte, spielt sich der Vorfall allerdings ein bisschen anders ab. Darin ist zu sehen, wie lediglich zwei Männer auf die Bühne rennen und Bernd Lucke einfach nur umstoßen. Dann schmeißt einer der Männer etwas von der Bühne, danach liegt offenbar Pfefferspray in der Luft.

Viele Medien verlinkten dieses Video, sie schienen sich aber nicht weiter daran zu stören, dass darauf etwas anderes zu sehen ist als das, was Polizei und AfD geschildert hatten. Nur wenige Journalisten meldeten nach Betrachten des Videos Zweifel an. Das Handelsblatt etwa schrieb mit Blick auf die Aufnahmen, von einem “brutalen Angriff” könne “nicht die Rede sein”.

Der AfD jedenfalls kam die bundesweite Aufregung nur allzu gelegen. Plötzlich hatte die Partei die volle Aufmerksamkeit der Medien. Mitten im Wahlkampf. Und das wusste sie zu nutzen:

“Zeit Online”:

Attacke bei Walkampfrede - AfD-Chef verlangt schärferes Vorgehen gegen Linksextreme

Focus.de:

AfD-Chef nach Angriff - Bernd Lucke: "Geduld mit Linksextremen aufgeben"

Hinsichtlich des Angriffs gibt es inzwischen aber Neuigkeiten. Wie die “taz” und “NWZonline” heute berichten, ist die Polizei von ihrer ursprünglichen Darstellung abgerückt. Polizeipräsident Lutz Müller habe gestern zugegeben, dass die Erstmeldung “auf den Angaben der Veranstalter” fußte. Er habe außerdem klargestellt, dass keineswegs ein Messer im Spiel gewesen sei.

Auch die Anzahl der Vermummten muss Müller zu Folge deutlich korrigiert werden. Gesichert sei lediglich, dass zwei Störer maskiert waren. Das zeige ein Video. Allerdings seien noch nicht alle Aufnahmen ausgewertet worden. Müller schätzt: “Vielleicht waren acht bis zehn Personen vermummt.” Auf die Bühne wiederum seien nur drei bis vier Protestierer gelangt, die Lucke hinunter schubsten. Im Übrigen, so Müller, habe bislang lediglich einer der Festgenommenen ins linke Spektrum eingeordnet werden können.

Anderen Medien ist diese Entwicklung nicht mal eine Meldung wert.

Mit Dank an Kris R.

Zwei-Klassen-Verpixelung

Die “Bild”-Zeitung hat noch nie viel davon gehalten, Menschen, die vor Gericht stehen, irgendwelche Rechte einzuräumen. Fotos von Angeklagten oder Verdächtigen werden daher auch nur in Ausnahmefällen anonymisiert. Das hier ist keiner davon:Sie misshandelte und beschimpfte eine alte Dame - Nur Geldstrafe für Horror-Pflegerin

Die Pflegerin stand diese Woche in Bremen vor Gericht, weil sie eine Heimbewohnerin missshandelt hatte. Eine versteckte Kamera hatte sie dabei gefilmt.

“Bild” zeigte das Gesicht der Frau am Donnerstag ohne jede Anonymisierung groß in der Bundesausgabe – obwohl das Gericht zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen hatte …

[…], dass Bildaufnahmen der Angeklagten nur im deutlich anonymisierten (etwa gut “verpixelten”) Zustand veröffentlicht werden dürfen.

(Hervorhebung im Original.)

Daran hat sich zumindest Bild.de gehalten. In der Online-Version des Artikel wurde allerdings nicht das Gesicht der Angeklagten verpixelt — sondern das ihrer Anwältin:Misshandlungs-Urteil - Horror-Pflegerin darf weiter arbeiten! - Die Horror-Pflegerin Silke T. (r.). Sie hat eine Seniorin im Heim misshandelt

Auf eine Anonymisierung der Angeklagten hat Bild.de verzichtet.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Man lebt nur zweimal

Endlich mal eine gute Nachricht:Die Agentin des Schauspielers dementiert die Gerüchte - Sean Connery nicht an Alzheimer erkrankt

Schauspieler Sean Connery (83) ist nicht an Alzheimer erkrankt! Seine Agentin Nancy Seltzer widerspricht den Gerüchten um eine Demenzkrankheit vehement: “Das ist wirklich verrückt und totaler Unsinn.”

Das Gerücht war Anfang dieser Woche um die Welt gegangen. Es beruhte auf angeblichen Aussagen des Schauspielers Michael Caine, der gut mit Sean Connery befreundet ist.

Im Artikel räumt Bild.de ein, dass auch die “Bild am Sonntag” darauf reingefallen sei:

BILD am SONNTAG zitierte den britischen Schauspieler [Michael Caine] ebenfalls mit den Worten: “Er ist nicht mehr Herr seiner Sinne.”

Das klingt zwar schuldbewusst und transparent, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn die “Bild am Sonntag” hat dieses Gerücht nicht “ebenfalls” verbreitet, sie hat es überhaupt erst in die Welt gesetzt. Alle anderen haben nur von ihr abgeschrieben.

ALZHEIMER-SORGEN - Sean Connery vergisst sein Leben

In dem Artikel heißt es, der Schauspieler lebe “zurückgezogen in Spanien oder in seiner New Yorker Wahlheimat”. Und er verliere “zunehmend sein Erinnerungsvermögen”.

Nur noch Vertraute wie Kollege Michael Caine, 80, haben Zugang zu ihm. “Er ist nicht mehr Herr seiner Sinne”, sagte Caine zu BILD am SONNTAG. Der einst so smarte Schotte […] sei nur noch ein Schatten seiner selbst. Caine: “Man muss sich ernste Sorgen machen.”

Das taten die Medien dann auch. Überall auf der Welt. Und zwar immer nur unter Berufung auf die “Bild am Sonntag”.

Die Geschichte schlug derart hohe Wellen, dass sich Connerys Agentin gezwungen sah, die Sache offiziell klarzustellen: Der Artikel sei “lächerlich” und “totaler Unsinn”, teilte sie am Dienstag mit. Es stimme ja nicht einmal die Behauptung, dass Connery in Spanien lebe.

Am selben Tag sagte Michael Caine, auf dessen angeblichen Zitaten die Geschichte hauptsächlich beruhte, der “Bild am Sonntag”-Artikel sei “völlig absurder Bullshit”. Er wisse nicht, wo die Zeitung ihre Informationen herhabe. Man habe seine Aussagen entweder verdreht oder falsch verstanden. In Wirklichkeit gehe es Sean Connery prächtig, er habe erst diese Woche noch mit ihm gesprochen.

Mit Dank an Kim B., Rüdiger S., JJ und Daniel.

B.Z., Bild  

Gericht untersagt “Lolita”-Berichterstattung

Das Sabbern hat ein Ende: Die Springer-Blätter “B.Z.” und “Bild” dürfen nicht mehr über den angeblichen “Lolita-Skandal” berichten. Per einstweiliger Verfügung wurde ihnen gestern untersagt, wesentliche Teile ihrer Berichterstattung weiter zu verbreiten.

Vergangenen Donnerstag hatte die “B.Z.” eine Titelgeschichte veröffentlicht, in der die Boulevardzeitung behauptete, mehrere Spieler von Hertha BSC hätten sich eine 16-jährige Geliebte geteilt. Kronzeugin der Geschichte war das Mädchen selbst. Das Blatt nannte sie “die Hertha-Lolita” und fotografierte sie, passend zum Thema, in Hotpants.

Von dort zog die Geschichte ihre Kreise, allen voran die “Bild”-Zeitung interessierte sich für die intimen Details aus dem Kinderzimmer. Am Freitag, einen Tag nach dem “B.Z.”-Artikel war der “Lolita-Skandal” also auch bei “Bild” Titelthema, Hotpants inklusive.

Doch schon am Donnerstagabend hatte die “Berliner Morgenpost” in ihrer Online-Ausgabe berichtet, dass das Mädchen gelogen habe:

[In einer eidesstattlichen Erklärung des Mädchens] heißt es, sie hätte deren Eltern von dem Interviewtermin mit der Zeitung erzählt. Die Eltern hätten ihr die Teilnahme verboten. Darauf habe sie den Reportern eine gefälschte Unterschrift ihrer Eltern vorgelegt. […]

Außerdem versicherte die Schülerin auch schriftlich, sie hätte die “BZ”-Reporter belogen. Sie habe nie Geschlechtsverkehr mit einem Hertha-Profi gehabt […].

Dennoch legte die “B.Z.” am Freitag nach: Neue Titelgeschichte, neue Hotpants. “Wie ich zum Spielball der Hertha-Profis wurde”.

Am Samstag noch eine Titelgeschichte. Am Sonntag noch eine.

Doch seit gestern Nacht sind sämtlich Artikel zum “Lolita-Skandal” aus den Online-Portalen von “B.Z.” und “Bild” verschwunden. Auf Anfrage teilte uns der Anwalt der Eltern des Mädchens mit, dass er eine einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung erwirkt habe. Insbesondere die vermeintlichen Schilderungen, Auszüge aus Protokollen und die Fotos des Mädchens dürfen nicht mehr verbreitet werden. Das Landgericht Berlin folgte der Argumentation des Anwalts, dass keine Genehmigung der Eltern vorlag. Das allein sei schon ein grober Verstoß gegen das Presserecht.

Übrigens hatte das Mädchen laut “Spiegel” 5000 Euro von der “B.Z.” bekommen. Inzwischen habe sie das Geld an Springer zurückgezahlt.

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