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Meteorit auf Weltreise

Es ist eine sensationelle Geschichte, die die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung” (“WAZ”) da vor zwei Wochen im Essener Lokalteil versteckt hatte: die eines Jungen, neben dem ein Meteorit einschlug, als er auf dem Weg zur Schule war.

Auf Fotos zeigte der 14-jährige Gerrit in der “WAZ” den etwa erbsgroßen Meteoriten; den Krater, den dieser beim Aufprall in der Asphaltdecke hinterließ, und eine Brandnarbe auf dem Handrücken, die er selbst beim Einschlag davongetragen hat.

Ob die Geschichte tatsächlich stimmt, lässt sich schwer sagen: Sie klingt sehr unwahrscheinlich, ist aber nicht unmöglich. Experten sind sehr skeptisch, sich aber auch uneins. Wir haben mit den Eltern des Jungen Kontakt aufgenommen, aber die möchten mit keinem Medienvertreter mehr sprechen.

Andere Medien haben offenbar nicht einmal den Versuch unternommen, der Geschichte auf den Grund zu gehen, und schrieben lieber munter ab, was woanders stand: “Bild” fasste den “WAZ”-Artikel kurz zusammen, hielt sich dabei aber noch an die bisher bekannten Fakten und übertrieb es lediglich bei der Überschrift:

All-Attacke auf Gerrit (14): Ein Meteorit hat mir die Hand verbrannt

Dann kam “Central European News” ins Spiel, eine in Wien ansässige Nachrichtenagentur, die sich offenbar darauf spezialisiert hat, deutschsprachige Meldungen ein bisschen aufgeplustert nach Großbritannien zu verkaufen (wie im vergangenen Jahr die Geschichte von Josef Fritzl und seiner Hautcreme).

Britische Medien berichteten anschließend so über den Fall:

Schoolboy survives direct hit by meteorite travelling at 30,000mph
(“Daily Mail”)

14-year-old hit by 30,000 mph space meteorite. A schoolboy has survived a direct hit by a meteorite after it fell to earth at 30,000mph.
(“Daily Telegraph”)

Wie man auf die Zahl von 30.000 Meilen pro Stunde (48.280 km/h) kommt, ist schwer nachvollziehbar: Beim Eintritt in die Atmosphäre sind Geschwindigkeiten von bis zu 260.000 km/h denkbar, unten auf der Erde würde ein Meteorit aber nur noch mit Fallgeschwindigkeit (etwa 200 km/h) ankommen, wie der Scienceblogger Phil Plait anmerkt.

Der “Daily Telegraph” wusste aber sowieso mehr als alle anderen:

[Gerrit] said: “At first I just saw a large ball of light, and then I suddenly felt a pain in my hand.

“Then a split second after that there was an enormous bang like a crash of thunder.”

“The noise that came after the flash of light was so loud that my ears were ringing for hours afterwards.

“When it hit me it knocked me flying and then was still going fast enough to bury itself into the road,” he explained.

Damit wissen wir immerhin, wie viel Energie so ein Aufprall auf dem Weg von Essen nach England aufnimmt, denn in der “WAZ” war der Junge noch so zitiert worden:

“Erst habe ich nur einen großen, weißen Lichtkegel gesehen. Meine Hand hat weh getan, dann hat es geknallt.” […]

“Nachdem ich das weiße Licht gesehen habe, habe ich an meiner Hand etwas gespürt. Ich denke, dass mich der Meteorit gestreift hat. Vielleicht war es aber auch nur die Hitze”, berichtet er und zeigt den Rücken seiner linken Hand. Die rund zehn Zentimeter lange Brandwunde überdeckt bereits eine Kruste. “Das Geräusch, das folgte, klang wie das Reißen einer Steinplatte und war ziemlich laut”, erinnert sich Gerrit und deutet auf den kleinen Kreis aufgeplatzten Asphalts zu seinen Füßen.

Die “WAZ” hatte in einem weiteren Artikel Ansgar Korte von der Essener Walter-Hohmann-Sternwarte erklären lassen, wie man herausfinden könne, ob es sich tatsächlich um einen Meteoriten handele. Korte sagte uns auf Anfrage, er habe zum Zeitpunkt des Interviews nichts von dem konkreten Fall gewusst und halte diesen im Nachhinein auch nicht für glaubwürdig.

Entsprechend vorsichtig hatte sich der Experte auch in der “WAZ” geäußert:

“Ist es tatsächlich ein echter Meteorit, dann hat das Exemplar sogar einen gewissen Wert für Sammler und Mineralogen.”

Oder auf … ähm, Englisch:

Ansgar Kortem, director of Germany’s Walter Hohmann Observatory, said: “It’s a real meteorite, therefore it is very valuable to collectors and scientists.”

Auch sonst war der “Telegraph” sehr früh allen anderen voraus:

Chemical tests on the rock have proved it had fallen from space.

Dabei wird der Stein nach unseren Informationen zur Zeit zwar in München untersucht. Ein Ergebnis steht aber noch aus.

Der Artikel im durchaus renommierten “Daily Telegraph” war der Startschuss für eine internationale Karriere der Meldung: Amerikanische Medien bezogen sich auf den “Telegraph”-Artikel, die Geschichte erreichte u.a. Rumänien, die Türkei, Brasilien, Vietnam und die Ukraine. “Sky News” verbreitete die gleichen falschen Zitate, woraufhin die australische Nachrichtenseite news.com.au aufschrieb, was Korte “Sky News” erzählt haben soll.

Und nachdem sich erst kaum jemand in Deutschland für Gerrit und den Meteoriten interessiert hatte, näherte sich die Geschichte letzte Woche dann wieder ihrem Ursprungsort.

Zunächst machte sie einen kurzen Zwischenstopp beim österreichischen “Standard”, der mit dieser beeindruckenden Quellenangabe aufwartete:

Doch was nach reiner Fiktion klingt, hat sich tatsächlich so zugetragen, berichtet die britische Zeitung Telegraph.

Merkur-online.de:

“Die Chance, diesen Vorfall zu überleben, steht eins zu einer Million. Gerrit Blank aus Essen hat seine Chance genutzt – und die ganze Welt reißt sich um die Geschichte.
Bald schrieben Zeitungen über die Attacke aus dem All. Die Geschichte schwappte über die Landesgrenzen, nach Großbritannien und in die Türkei. Sogar ein australisches Nachrichtenmagazin schreibt über Gerrit Blank, der sich derzeit von seiner Verletzung erholt. (…)”

In erstaunlicher Meta-Form (siehe Kasten) schlug die Geschichte vergangenen Montag schließlich im Online-Auftritt des “Münchner Merkurs”, der “Allgemeinen Zeitung” und anderen* auf, wo man sich sogleich an eine Rückübersetzung einzelner Zitate machte:

“Meine Ohren haben noch Stunden danach geklingelt”, beschreibt der Schüler.

*) Der wortgleiche Text, der ursprünglich auch im Online-Angebot der “Hessisch-Niedersächsichen Allgemeinen” gestanden hatte, ist dort inzwischen verschwunden.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Aufsteigergeschichten, Emoji-Sprache der Rechten, Suche nach Rechnung

1. “Medien lieben Aufsteigergeschichten”
(taz.de, Timo Stukenberg)
Klassismus bezeichnet laut Wikipedia “Vorurteile oder Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder der sozialen Position und richtet sich überwiegend gegen Angehörige einer ‘niedrigeren’ sozialen Klasse”. Die Autorin Brigitte Theißl beschäftigt sich in ihrem Buch unter anderem mit klassistischen Narrativen in den Medien: “Medien lieben Aufsteigergeschichten, also die klassischen Hollywoodgeschichten. Diese Geschichten handeln von individuellen Anstrengungen und Erfolgen, aber es werden selten Geschichten erzählt über die Hürden und warum man es nicht oder trotzdem geschafft hat. Klassismus ist eine strukturelle Diskriminierungsform, die ganz individuelle Auswirkungen hat, auf Lebenserwartung, Bildungsabschlüsse oder Gesundheit.” Im “taz”-Interview geht es unter anderem darum, wie eine diskriminierungsfreie und respektvolle Berichterstattung aussehen könnte.

2. Welche Emojis sind bei Nazis, Rechtsradikalen, Rassist*innen beliebt?
(belltower.news, Simone Rafael)
Simone Rafael ist studierte Publizistin und Kunsthistorikerin und hat deshalb vielleicht ein besonderes Auge für die Bildsprache der extremen Rechten. In ihrem Beitrag beschreibt sie, wie Abwertung durch Emojis funktioniert und welche der Piktogramme sich bei Nazis, Rechtsradikalen und Rassisten besonderer Beliebtheit erfreuen.

3. 10 Jahre Atomkatastrophe Fukushima: ARD-Reporter blickt zurück
(br.de, Konstantin König)
Als es vor zehn Jahren zur Atomkatastrophe im japanischen Fukushima kam, war Peter Kujath als ARD-Korrespondent vor Ort. Im BR-Interview erinnert er sich an das Unglück: “Als ARD-Korrespondent war ich für alle Radio-Programme zuständig und es riefen alle Sender an. Ich war nur noch mit Telefongesprächen beschäftigt. Gleichzeitig haben wir überlegt, wie wir – meine Frau, die Mitarbeiterinnen und ich in dem kleinen Studio – mit der Katastrophe umgehen.”

Bildblog unterstuetzen

4. Klimajournalismus neu denken
(deutschlandfunk.de, Mike Herbstreuth & Brigitte Baetz, Audio: 6:52 Minuten)
Zur Klima-Thematik gibt es bereits verschiedene journalistische Angebote (einige davon sind im Artikel verlinkt), ein weiteres stammt von Lorenz Matzat, dem Macher des neuen “Klimajournalismus”-Newsletters. Im Interview mit dem Deutschlandfunk weist Matzat auf die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel hin: “Wenn wir wüssten, dass in 20, 30 Jahren regelmäßig ein Schwarm von Meteoriten auf der Erde einschlagen würde, dann wäre wahrscheinlich einiges mehr los in der aktuellen Berichterstattung: Wie gehen wir damit um? Wie bereiten wir uns vor? Und den Eindruck habe ich beim Thema ‘Klimawandel’ nicht wirklich.”

5. Habe ich das Kind mit dir gezeugt?: Fast 80 Journalistinnen beklagen Sexismus und Einschüchterungen bei Tamedia
(kress.de, Marc Bartl)
Bei Tamedia handelt es sich um ein großes Schweizer Medienhaus, das zahlreiche Zeitungen verlegt (unter anderem den “Tages-Anzeiger”) und Druckereien besitzt. In einem Brief an Geschäftsleitung und Chefredaktion beklagen sich 78 Journalistinnen über Einschüchterungen und Sexismus und stellten konkrete Forderungen. Mittlerweile liegt auch ein Solidaritätsschreiben von Männern aus der Tamedia-Redaktion vor.

6. »Wo finde ich denn die Rechnungen?«
(twitter.com, Tim Pritlove)
Nur am Rande ein Medienthema, aber es zeigt exemplarisch, wie ausbaufähig das Verhältnis vieler Medien zu ihren Nutzern und Nutzerinnen ist: Tim Pritlove besitzt ein “Spiegel+”-Premium-Abo und steigert sich auf der Suche nach den Rechnungen in einen unterhaltsamen Rant: “Wenn man Eure Dienste nutzen soll, dann müsst ihr das EINFACH und ATTRAKTIV machen. Aber ich habe einfach keine Lust, für jedes mir rechtlich zustehende Dokument einmal zu Kafka und zurück zu reisen.”

7. Victim Blaming und Julian Reichelt: Vorwürfe gegen Bild-Chef erreichen Politik
(berliner-zeitung.de, Philippe Debionne)
Als siebter und damit zusätzlicher Link, weil unter anderem auch der “6 vor 9”-Kurator im Artikel vorkommt: “Peter Altmaier, CDU-Politiker und Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, werden Victim Blaming und Sexismus in Zusammenhang mit den Anschuldigungen gegen Reichelt vorgeworfen. Auslöser des Shitstorms ist ein Tweet von Minister Altmaier. In diesem zitiert der Politiker aus der Lore-Ley von Heinrich Heine aus dem Jahre 1824.”

Für Sie geklickt (13)

Kurz vor dem Wochenende haben wir unserer Clickbait-Taskforce noch einmal losgeschickt, um nachzuschauen, was hinter den vollmundigen Ankündigungen in Teasern und verlockenden Schlagzeilen steckt. Durch diesen Einsatz können Sie Lebenszeit und Gehirnzellen sparen und sind trotzdem bestens informiert.

Heute: die vergangenen Tage bei der “Huffington Post”.

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Schafen oder Aliens.

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Yoga.

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Seine Freundin fing plötzlich an zu schweben. Könnte aber auch nur ein Fake sein.

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115.

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Hinter ihr schwamm ein Hai.

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Auf dem Zettel lädt das Restaurant alle obdachlosen und älteren Menschen zu einem Drei-Gänge-Menü ein, damit sie an Weihnachten nicht alleine essen müssen.

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“Industrieschnee”, der entstehe, wenn Wasserdampf aus Schornsteinen von Industrieanlagen bei niedrigen Temperaturen aufsteigt.

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Ein Meteorit ist in die Erdatmosphäre eingedrungen und verglüht.

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“Weightless” von “Marconi Union”.

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Starke Führungspersönlichkeiten.

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1. “Du durftest nicht ins Internet, wenn Deine Mutter einen wichtigen Anruf erwartet hat.”
2. “Du hast die Telefonrechnung gesprengt, weil Du zu lange in Chatrooms unterwegs warst.”
3. “Das originale ‘Tamagotchi’ war ausverkauft, deshalb hast Du nur die Billigkopie bekommen.”
4. “Du hast einen Film aus der Videothek ausgeliehen und musstest ihn erstmal zurückspulen.”
5. “Dabei hattest Du doch gar keine Zeit, denn Du musstest den Film am Samstag vor 0 Uhr zurückgeben, sonst musstest Du die Leihgebühr bis Montag zahlen.”

… ach, schenken wir uns den Rest.

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Hat Spaß gemacht, wäre aber nichts auf die Dauer.

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Sie müssen bis zu 119 Euro zahlen, wenn sie in einem Auto rauchen, in dem auch Kinder sitzen.

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Auf dem Foto sitzt ein Kojote neben dem Jungen. Der war aber nur per Photoshop eingefügt.

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Ein anderer Junge plant dort einen Amoklauf. Ist allerdings nur ein Aufklärungsvideo.

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1. “Sie denken schneller”.
2. “Bei Entscheidungen bewerten Linkshänder Informationen auf der linken Seite positiver”.
3. “In einigen Sportarten sind Linkshänder besser als Rechtshänder”.
4. “Die Gehirne von Linkshändern ordnen Gefühle auf andere Weise”.
5. “Linkshänder sind häufig die kreativeren Denker”.

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Verkleidete Menschen.

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Goldbarren und Münzen im Wert von 250.000 Euro.

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Erst beängstigend, dann gut.

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Beten.

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Lieber zu Hause bleiben.

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Na, warum wohl?!

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Bitte. Keine Ursache.

Verwirung bei den Hauptstadtjournalisten

Wenn die Autoren von Bild.de vom kollektiven “wir” sprechen, meinen sie meist nicht nur sich und ihren Sitznachbarn in der Redaktion, sondern eher ganz Deutschland oder im Zweifel gleich die ganze Menschheit.

Bei der heutigen Ausgabe der täglich traurigen “Zehn um zehn”-Liste dürfte das “wir” hingegen nur einen begrenzten Personenkreis umfassen:

Im zehnteiligen Quiz geht’s schon bei der ersten Frage gut los:

Nun ja, ganz so eindeutig ist es nicht. Bern ist zwar “Bundesstadt”, de jure gibt es aber keine schweizerische Hauptstadt.*

Nächste Frage:

Die Stadt Sidney gibt es zwar einmal in Kanada und mehrmals in den USA; in Australien gibt es aber nur die Stadt Sydney, die fälschlicherweise oft anstelle von Canberra als Hauptstadt genannt wird (immerhin diesen Bock hat Bild.de nicht geschossen).

Zwei Fragen weiter will Bild.de folgendes wissen:

Pretoria ist tatsächlich Südafrikas Hauptstadt. Aber nur eine von dreien: Die Regierung sitzt in Pretoria, das Parlament in Kapstadt und das Oberste Berufungsgericht in Bloemfontein.

Weiter:

“Neu Dehli” wird eigentlich “Neu-Delhi” geschrieben, aber gut. Vollends verstrickt sich die Redaktion im Hauptstadt-Wirrwarr bei Frage neun. Da macht sie das Emirat Schardscha (auf Englisch: “Sharjah”, auf Bild.de: “Scharjah”) zur Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate:

Richtig wäre Abu Dhabi.

Einige Bild.de-Leser haben die Schnitzer bereits bemerkt und in den Kommentaren bemängelt. Das “wir” bezieht sich in diesem Fall also tatsächlich nur auf die, die es geschrieben haben.

Mit Dank an Marvin!

*Korrektur, 18.15 Uhr: Statt “de jure” hatten wir zuerst “de facto” geschrieben. Sorry!

Weit daneben ist auch vorbei

Das war’s dann also. Der Asteroid “2012 DA14” hat unseren Planeten gestern Abend planmäßig passiert. Höchste Zeit für die Medien, mal rückblickend festzuhalten, wie verdammt knapp wir da einer kosmischen Katastrophe entkommen sind.

Bild.de jubelt:

Wir leben noch! Der Asteroid “2012 DA 14” ist an der Erde vorbei gerast, verschwindet jetzt wieder in der Tiefe des Alls.

Um 20.24 Uhr am Freitagabend erreichte der Himmelskörper seinen erdnächsten Punkt: In 27 357 Kilometern Entfernung sauste er an uns vorbei. (…)

Zu sehen war er allerdings nur mit guten Ferngläsern. Dennoch ist in der Geschichte der modernen Astronomie noch kein Himmelskörper der Erde so nahe gekommen wie “2012 DA14”.

Dass uns noch nie zuvor ein Asteroid so nahe gekommen sei, hatten auch einige Agenturen vermeldet. Viele Medien übernahmen die Info, einige hübschten sie im Sinne der Knalligkeit auch gleich noch ein wenig auf:

“Spiegel Online”:

So dicht wie nie zuvor in der Geschichte der Astronomie ist ein Himmelskörper an der Erde vorbeigerast.

Focus.de:

Zu sehen war er allerdings nur mit guten Ferngläsern. Dennoch war in der Geschichte der modernen Astronomie noch kein Himmelskörper der Erde so nahe gekommen wie “2012 DA14”.

“RP Online”:

Dichter als je ein anderer vorhergesagter Himmelsbrocken ist ein Asteroid an der Erde vorbeigepfiffen.

Handelsblatt.com:

Der Asteroid kam der Erde zwar so nahe wie noch nie ein vorhergesagter Himmelskörper zuvor.

BR.de:

Dass der Meteorit in Russland am selben Tag einschlug an dem ein Asteroid der Erde so nahe kommen sollte, wie kein anderer zuvor, ist Zufall.

“Welt Online”:

Der Himmelskörper bewegte sich um 20.24 Uhr deutscher Zeit in 27.357 Metern Abstand an unserem Planeten vorbei, wie die Nasa am Freitag mitteilte. Dies war soweit bekannt die bisher kürzeste Distanz eines Asteroiden zur Erde.

Tagesspiegel.de:

Wahrscheinlich werden da draußen und auf dem Boulevard der Hysteriker Entfernungen anders gemessen, tatsächlich kommt 2012 DA14 der Erde nur so nahe wie noch kein anderer Himmelskörper zuvor, nahe, das sind in diesem Fall 27 500 Kilometer.

Stern.de:

So dicht wie nie zuvor in der Geschichte der Astronomie ist ein Himmelskörper an der Erde vorbeigerast.

Um es kurz zu machen: Das ist falsch.

Wie etwa die “Near Earth Object”-Datenbank der NASA belegt, war “2012 DA14” bei weitem nicht der erste vorhergesagte Asteroid, der uns so nahe gekommen ist. “2011 MD” zum Beispiel war zwar deutlich kleiner, doch er rauschte — mit einer Distanz von knapp 12.000 Kilometern — viel dichter an unserem Planeten vorbei. Und nur der Vollständigkeit halber: Die Behauptung, “kein anderer Himmelskörper” sei der Erde jemals so nahe gekommen, ist natürlich der völlige Unsinn.

Ach, und dann war da noch “Die Welt”:2012 DA14-Rekordflug - Asteroid war der Erde elf Kilometer näher als Baumgartner

Nun ja. Immerhin haben sie es selbst eingesehen und den Artikel (mehr oder weniger) transparent korrigiert.

Mit Dank an Alexander, Marco R., Pascal J. und Peter W.

Siehe auch:

Leimgänger unter sich

“Spiegel Online” macht sich heute per Video mal ein bisschen über das russische Staatsfernsehen lustig:Meteorit im russischen TV: Staatsfernsehen zeigt falschen Krater

In der Beschreibung heißt es:

Das russische Staatsfernsehen ist in der Berichterstattung zu dem Meteoriten-Hagel im Ural offenbar einem betagten Internetvideo auf den Leim gegangen.

Die Off-Sprecherin ergänzt in süffisant-seriösem Ton:

Der Moderator sagt in der aktuellen Berichterstattung: “Sie sehen hier den Krater, der sich dort gebildet hat.” Dann werden Bilder gezeigt, die erstmals vermutlich schon 2007 ins Netz gestellt wurden. Für den TV-Sender hagelt es nun Spott. Denn mit dem aktuellen Meteoritenphänomen hat diese Einschlagsstelle nichts zu tun.

Gut erkannt, “Spiegel Online”! Mit dem aktuellen Meteoritenphänomen hat diese Einschlagsstelle nichts zu tun.

Sie hat sogar mit überhaupt keinem Meteoritenphänomen zu tun. Es ist nämlich gar keine Einschlagsstelle. Das Video zeigt vielmehr den als “Tor zur Hölle” bekannten Krater in Turkmenistan, der 1971 bei der Suche nach Erdgas entstanden ist.

Wenn da mal nicht jemand einem betagten Internetvideo auf den Leim gegangen ist.

Mit Dank an Lukas.

Nachtrag, 16.27 Uhr: Das ging schnell: “Spiegel Online” hat das Video gelöscht.

Nachtrag, 16.31 Uhr: Hier ist es aber noch zu sehen.

Hupen im Stadtverkehr

Kaum wird es draußen endlich wärmer, passieren solche Geschichten:

Nackte Frau auf Motorrad: Sie bekam ein Knöllchen für oben ohne Helm. Fahren oben ohne ist keine Ordnungswidrigkeit. Fahren ganz oben ohne schon. Auch in Rumänien herrscht Helmpflicht auf dem Motorrad. Und daher erhielt diese leichtsinnige Frau von der Polizei in Constanta in Südost-Rumänien ein saftiges Knöllchen. Sofort bezahlen konnte sie die Strafe vermutlich nicht. Fassen Sie mal einer nackten Frau in die Tasche . . .

Laut Fotocredit hat “Bild am Sonntag” diese Geschichte von “Central European News”, einer in Wien ansässigen Möchtegern-Nachrichtenagentur, die sich auf den Verkauf von Trash-Nachrichten aus dem zentraleuropäischen Raum nach Großbritannien spezialisiert hat.

Und in Großbritannien lief die Geschichte von der nackten Motorradfahrerin aus Rumänien letzte Woche schon ganz gut.

Der “Daily Mirror” hatte gar ein paar zusätzliche Insiderinformationen:

“Der Beamte war ein Verkehrspolizist und der einzige Verstoß, den sie begangen hat, war, keinen Helm zu tragen”, erklärte ein Zeuge heute den rumänischen Medien.

“Also gab er ihr eine Verwarnung und einen Strafzettel und wies sie und ihren Begleiter an, fortzufahren”, hieß es weiter.

(Übersetzung von uns.)

Alles an dieser Geschichte ist zweifelhaft: Die Fotos sind mitnichten von letzter Woche, sondern stehen mindestens seit dem 31. Oktober 2007 online — hochgeladen von einem Fotografen, der sich auf das Ablichten von nackten Frauen in der Öffentlichkeit spezialisiert zu haben scheint.

Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass die Bilder tatsächlich im rumänischen Constanta entstanden sind: Straßen- und Nummernschilder sind eindeutig aus Tschechien.

All solche Details sind – mal wieder – egal, solange es nur um Brüste geht. Das größere Rätsel ist, warum sich Medien ernsthaft auf Central European News als Quelle verlassen:

Mit Dank an Pascal S. und Alexander K.

Meteor, Mailbox, Lobo

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Meteoritenhoax auf Spiegel Online”
(scilogs.de, Jan Hattenbach)
“Spiegel Online” berichtet über ein “spektakuläres Naturschauspiel” am Himmel und kommt zum Schluß: “Es handelt sich offenbar um einen abstürzenden Meteoriten.” Jan Hattenbach sieht das anders: “Da hat wohl jemand in Peru einen Kondensstreifen für einen Meteor (nicht Meteorit) gehalten. Man ersetze ‘Peru’ durch ‘China’ und ‘Kondensstreifen’ durch ‘Sack Reis’, und erhalte ungefähr den Nachrichtenwert dieser Meldung.” Auf den Nachrichtenportalen sueddeutsche.de, faz.net, welt.de und focus.de ist nach wie vor ein Video zu sehen, in dem es heisst: “Dieser mutmaßliche Meteorit steuert geradewegs auf Peru zu.”

2. “Der Inzest-Opa und die Journalisten-Richter-Henker-Meute”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Hans Kirchmeyr erinnert daran, dass gegen einen in Österreich wegen Inzestverdacht festgenommenen Mann kein Gerichtsurteil, noch nicht mal eine offizielle Anklage vorliegt.

3. “‘Gooool!’ aus zweiter Hand”
(sueddeutsche.de, Javier Càceres)
Spanische Radioreporter erhalten im Fußballstadion keine kostenfreie Akkreditierungen mehr.

4. “Making of…”
(cab-log.blogspot.com, Klaus)
Taxifahrer Klaus beobachtet ein Foto-Shooting für die extragroße “Bild”: “Der Kollege schlug dann schließlich ein Honorar von 5 Euro raus. Die Kollegin bekam große Augen: ‘Ich habe nichts gekriegt.'”

5. “How to hack like a News of the World reporter”
(reuters.com, Video, englisch)
Kevin Mitnick erklärt, wie man eine Handy-Mailbox abhört. Und wie man sich dagegen schützt: “You go into your voicemail options and you enable to prompt for a password always.”

6. “Lobo, der Wolf vom Zentralplatz”
(rhein-zeitung.de, Hartmut Wagner)
Lobo trinkt vor allem Bier und Boonekamp, verzichtet auf eine Wohnung, die ihm zusteht, erhält monatlich 370 Euro Grundsicherung, ohne damit ein moralisches Problem zu haben und setzt sich mit einem Becher an die Straße, wenn das nicht ausreicht (Artikel als PDF-Datei, Kommentar des Chefredakteurs).

Von Aliens und anderen Kometen

Schon seit geraumer Zeit gönnt man sich bei Bild.de einen für ein, nun ja, Nachrichtenportal ungewöhnlichen Luxus: Die Sensationsberichte aus dem seit jeher beliebten Bereich “Ufos, Aliens, 2012 und Übersinnliches” haben ein eigenes Online-Ressort erhalten: “Mystery”. Hier schreibt vornehmlich der einschlägig bekannte Attila Albert über alles, was ihm mysteriös genug erscheint — vom baldigen Weltuntergang über Vampirhunde bis hin zum knuffigen Alien-Baby. Das hat nicht nur den Vorteil, dass interessierte (und leichtgläubige) Leser durch die Bündelung von “Mystery”-Nachrichten in eine Parallelwelt des Übersinnlichen eintauchen können. Gleichzeitig gelingt es “Bild”, den wohl selbst in der eigenen Redaktion etwas verrufenen Verschwörungsschmuddelkram, vom seriösen — oder sagen wir besser: anders unseriösen — Teil der Inhalts-Produktion zu trennen.

Die Einteilung einer Nachrichtenseite in offensichtlichen und nicht offensichtlichen Unfug birgt aber auch Schwierigkeiten: Wann genau ist eine Nachricht blödsinnig genug, um ins Mystery-Ressort verbannt zu werden? Was passiert mit tatsächlichen Geschehnissen, in die man jedoch das Walten übersinnlicher Kräfte hineininterpretiert? Die Ergebnisse dieser ständigen Abwägungen sind bisweilen durchaus amüsant. So ist ein angeblicher Schädel auf dem Mars unter “News” eingeordnet, während ein Alien-Fingerabdruck als “Mystery” behandelt wird, und das obwohl noch im selben Artikel aufgelöst wurde, dass es sich bei dem “Fingerabdruck” um ein mehrere tausend Quadratkilometer großes Gangsystem handelt.

Noch anschaulicher wird die ewige Frage nach Mystery oder Nicht-Mystery, wenn man die Berichterstattung zu einem Ereignis in der vergangenen Woche betrachtet.

Als am Dienstagabend vergangener Woche mehrere Menschen bei verschiedenen Behörden anriefen, weil sie eine Lichtkugel am Himmel sahen, konnte das bei Bild.de nur eine Konsequenz haben: UFO-Alarm! Damit lag das Ereignis klar im Aufgabenbereich von “Mystery”, wo auch der erste hysterische Artikel zum Thema erschien (mittlerweile deutlich entschärft, aber noch in der URL erkennbar):

ufo-alarm-norddeutschland/lichtkugel-erschreckt-menschen-alien-meteorit.html

Als sich irgendwann nicht mehr verleugnen ließ, dass die Erscheinung auf einen Meteoriten zurückzuführen war und die von “Bild” ersehnte Alien-Invasion einmal mehr ausblieb, schob man drei weitere Artikel nach, die im Gegensatz zum ersten als “News” gekennzeichnet waren.

Sollte wirklich eines Tages eine Alien-Invasion bevorstehen, würde dank “Bild” bestimmt niemand mehr auch nur zum Himmel blicken. Schwierige Frage übrigens: Wären echte Aliens eigentlich noch “Mystery” oder doch schon wieder “News”?

  

Beklebte “Bild”-Plakate in Bremen

Mit Dank an Michael D. für die Fotos!

P.S.: Bei einer ähnlichen Beklebe-Aktion hatte die Polizei Fulda laut osthessen-news.de erklärt, dass es natürlich verboten sei, fremdes Eigentum zu zerstören (wir berichteten). Allerdings hätten die vorliegenden Fällen einen geringen Strafcharakter gehabt: Wenn beim Entfernen nichts kaputt gehe, handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne — andernfalls um leichte Sachbeschädigung. Ermittelt werde aber nur, wenn sich der Eigentümer gestört sehe und einen entsprechenden Antrag einreiche.

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