Okay, machen wir es kurz — wir haben hier schließlich schon oft genug drauf hingewiesen: Der “Europäische Gerichtshof für Menschenrechte” (“EGMR”) ist kein “EU-Gericht”!
Nein, er ist KEIN “EU-Gericht”. Er hat zwar gestern entschieden, dass muslimische Schülerinnen zur Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen verpflichtet werden können. Aber: Der “EGMR” ist kein “EU-Gericht”.
Er ist kein “EU-Gericht”!
Er ist kein “EU-Gericht”!
Er ist kein…
Okay, wir geben’s auf. Sie werden es nie lernen.
Verbockt hat es in diesem Fall anscheinend übrigens nicht die AFP (die Überschrift lautet im Original: “Menschenrechtsgericht verurteilt Polen wegen Haft in CIA-Gefängnis”), sondern die Redaktion von Stern.de. Auch die “Süddeutsche” hatte online aus dem “Menschenrechtsgericht” zunächst ein “EU-Gericht” gemacht, bemerkte den Fehler aber selbst.
Der mit Abstand, sagen wir: kreativste Beitrag kommt diesmal aber von der Online-Redaktion von Heute.de.
Im Text ist konsequent vom “EuGH” die Rede. Das ist aber die Abkürzung des Europäischen Gerichtshofs. Der wäre dann auch, wie es – natürlich – in der Überschrift heißt: ein “EU-Gericht”. Er sitzt allerdings nicht, wie unter dem Bild behauptet, in Straßburg, sondern in Luxemburg. In Straßburg sitzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (um den es ja auch tatsächlich geht), der wird aber eigentlich mit “EGMR” abgekürzt. Und den
gibt es überhaupt nicht. Das ist in etwa so, als würde man vom “Bundesverfassungsgerichtshof” sprechen.
Aber hey: Am Foto gibt’s nichts auszusetzen! Ist ja schon mal ein Anfang.
Manchmal werden wir gefragt, ob die ständige Auseinandersetzung mit anderer Leute Fehler nicht auch Auswirkungen auf die eigene geistige Gesundheit habe. Die Antwort lautet: leider ja.
So saß ich gestern mit ein paar Freunden in einem Café zusammen, das Gespräch kam auf den Relaunch der “Westdeutschen Allgemeinen Zeitung” (“WAZ”), die seit letzter Woche ein sechsspaltiges Layout hat, kein siebenspaltiges wie zuvor. Jemand griff nach einer ausliegenden “WAZ” und blätterte sie eilig durch, um den Bochumer Lokalteil genauer unter die Lupe zu nehmen.
“Gib mir noch mal den Mantel”, sagte ich, denn mir war, als hätte ich aus dem Augenwinkel für den Bruchteil einer Sekunde etwas gesehen, das nicht richtig sein konnte.
Den Unterschied zwischen Europäischer Union (EU) und Europarat haben wir schon ein paar Mal zu erklären versucht, wenn es um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ging, der ein Organ des Europarats ist und kein “EU-Gericht”.
Die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) hat gestern einen Bericht veröffentlicht, in dem sie bemängelt, dass die deutschen Regeln bei der Korruptionsbekämpfung und den Parteifinanzen noch weit von den europäischen Vorgaben entfernt sind.
Die Deutsche Presseagentur (dpa, wir werden diese ganzen Abkürzungen irgendwann abfragen) hat dazu gestern eine kleine Meldung veröffentlicht, die sie einigermaßen klar mit “Europarat kritisiert Berlin wegen Korruption und Parteifinanzen” überschrieb.
n-tv.de hat diese Meldung gestern beinahe unbearbeitet übernommen. Die Redakteure haben zwei Wörter geändert, einmal “Geco” statt “GRECO” geschrieben und sich eine eigene Überschrift und einen Vorspann ausgedacht:
Mit Dank an Alex B.
Nachtrag, 4. April: n-tv.de hat den Artikel überarbeitet.
Der inzwischen verstaatlichte russische Ölkonzern Yukos hatte gegen seine “versteckte Enteignung” geklagt und von der russischen Regierung Schadenersatz in Höhe von 70 Milliarden Euro gefordert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte Prozessfehler fest und erklärte, die russischen Behörden hätten gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen.
Zwar hat es Klaus-Helge Donath, Russland-Korrespondent der “taz” geschafft, in seinem Kommentar den EGMR an keiner Stelle als “EU-Gericht” zu bezeichnen. Doch beim Finale verheddert er sich dafür um so gekonnter:
Die EU – Recht hin oder her – will es sich mit Russland nicht verscherzen. Moskau hat schon oft über einen Rückzug aus dem Europarat nachgedacht. Ein Schuldspruch hätte diese Entscheidung forciert, mit fatalen Folgen: Zwei Drittel der Fälle des EMGR stammen aus Russland. Der einfache Bürger hätte dann gar keine Chance mehr, sich gegen den Unrechtsstaat zu wehren.
Ja, der EGMR ist eine Institution des Europarats. Ja, Russland ist Mitglied im Europarat. Und womöglich wollen es sich weder der Europarat noch die Europäische Union (EU) mit Russland “verscherzen” — aber im Falle der EU ist das im konkreten Fall völlig unerheblich. Der Europarat und damit auch der EGMR ist von ihr nämlich unabhängig.
Die Leserkommentare, die seit gestern Abend bei taz.de zu diesem Thema aufgelaufen sind, sind bisher folgenlos geblieben.
Als wir hörten, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) heute im Fall einer gekündigten Berliner Altenpflegerin entscheiden wird, wussten wir, es würde heute Arbeit geben. Denn: Zu viele Journalisten glauben immer noch, der EGMR hätte irgendetwas mit der Europäischen Union zu tun, was bekanntlich nicht der Fall ist.
Vorgelegt hatte bereits die “Berliner Morgenpost”, die in ihrer heutigen Ausgabe vor dem Urteil schreibt:
Auf EU-Ebene wird im Fall Heinisch entschieden, ob die Entlassung nicht doch ein Verstoß gegen das Recht auf Meinungsfreiheit ist.
Auf morgenpost.de ist dann auch noch die Überschrift falsch:
Nachtrag, 21.20 Uhr:“Welt online” hat sich unauffällig korrigiert. morgenpost.de hat den eigenen Artikel korrigiert, den übernommenen Print-Artikel aber unangetastet gelassen.
Unterdessen gibt es zwei Neuzugänge im Wettbewerb “Deutschlands begriffsstutzigste Journalisten”zu vermelden.
Irgendwann wird vielleicht auch der letzte Journalist verstanden haben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kein “EU-Gericht” ist.
So stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EuGH) fest, dass die britische Polizei mit ihrer DNA-Datenbank das Grundrecht auf Datenschutz sehr weitgehend verletzt hat.
Der Fehler liegt hier im Detail, genauer in der Abkürzung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird kurz mit “EGMR” bezeichnet, “EuGH” ist der Europäische Gerichtshof, der im Gegensatz zum EGMR auch ein EU-Organ ist.
Besonders peinlich, dass der Satz (inkl. falscher Abkürzung) offenbar fast wörtlich aus einem offenen Brief der Kampagne “DNA-Sammelwut stoppen!” und der Piratenpartei kopiert wurde.
Klassisch dagegen dieser Fehler in der “Express”-Berichterstattung über den EGMR:
Mit Dank an Jan T. und Tomek.
Nachtrag, 24. Mai: “Telepolis” hat den Fehler transparent korrigiert, der offene Brief im Wiki der Piratenpartei kürzt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jetzt ebenfalls korrekt mit “EGMR” ab und express.de hat aus dem “EU-Gericht” ein schlichtes “Gericht” gemacht.
Nein, nein und nochmals nein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist und bleibt kein “EU-Gericht” und kann daher auch kein “EU-Urteil” fällen.
Aber das ist für Journalisten bekanntlich nicht so leicht zu verstehen.