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“Bild” übersieht KZ

Wenn das Fernduell zwischen den britischen Tageszeitungen und der “Bild”-Zeitung über den “deutschen Papst” weiter so eskaliert, müssen wir damit rechnen, dass nächste Woche eine englische Zeitung behaupten wird, dass Kardinal Ratzinger Hitler war, und “Bild” antworten wird, dass es Hitler nie gegeben hat.

Alles begann am Mittwoch. Während die “Bild”-Zeitung groß berichtete, dass Ratzingers Eltern Maria und Joseph “waren” (nicht hießen), fanden die britischen Zeitungen die Jugend Ratzingers im Dritten Reich ungleich spannender. “Bild” antwortete mit einer verwirrenden doppelten Verteidigungsstrategie. Einerseits sei es eine ungeheure Beleidigung, zu schreiben, dass Ratzinger in der Hitler-Jugend gewesen sei. Andererseits sei es überhaupt nicht ehrenrührig, in der Hitler-Jugend gewesen zu sein.

Heute nun ruft “Bild” den britischen Zeitungen zu:

Shut endlich up!

Die “Papst-Hetze” der Engländer werde “immer geschmackloser”. “Allen voran” hetze die “sonst so seriöse Tageszeitung ‘The Independent'”. Als Beleg dient “Bild” dieser gestern erschienene Artikel. Der Reporter berichtet darin aus Traunstein über die Massaker, die dort im Dritten Reich verübt wurden, und kritisiert, dass der Papst darauf in seiner Auto-Biographie nicht eingehe.

“Bild” zitiert aus dem “Independent”: “In seiner Biographie erwähnt er [Ratzinger] Todesmarsch und Massaker nicht. Dabei dürfte es gerade in dieser Gegend schwierig gewesen sein, vom KZ in der Nähe Traunsteins nichts mitzubekommen.”

“Bild” kommentiert:

In der Nähe Traunsteins gab es gar kein KZ, Ratzinger (damals 18) war desertiert, zu der Zeit untergetaucht.

Das ist falsch. In der Nähe Traunsteins gab es eine Außenstelle des KZ Dachau, und zwar in Trostberg, rund 20 Kilometer von Traunstein entfernt.

Oder wie der “Independent” schreibt:

Trostberg was among several Dachau sub-camps set up towards the end of the war to evade Allied bombing.

An den Anfang ihres Artikels stellt die “Bild”-Zeitung ein Zitat aus dem “Independent”, wohl, weil sie es für besonders bemerkenswert hält. Es lautet:

“In der Heimatstadt des Papstes wurden Nazi-Greuel gegen Juden verübt.”

Wenn “Bild” schon mit der Formulierung dieser Tatsache ein Problem hat, dann hat “Bild” wirklich ein Problem.

Die und wir

Am Sonntag haben über 20.000 überwiegend türkischstämmige Muslime gegen Terror und islamistisch motivierte Gewalt demonstriert. Die “Bild”-Zeitung nimmt dies zum Anlass für einen Kommentar. Peter Boenisch ruft darin scheinbar zum Miteinander auf. Zum Miteinander von… — und da wird es kompliziert: zum Miteinander von Deutschen und Moslems? Von Deutschen und Türken? Von Christen und Moslems?

Schwer zu sagen. Jedenfalls: von uns und ihnen.

In dem “Bild”-Kommentar heißt es (Hervorhebungen von uns):

(…) Schön, daß das auch andere, die in unserer freiheitlichen Gesellschaft mit uns leben, genau so sehen.

Die Muslime, die sich für ein friedliches Miteinander mit uns auf den Straßen Kölns versammelt haben, sind ein Zeichen der Hoffnung.

Mit ihrer Demo wollen die Muslime darauf aufmerksam machen, daß sie gerne hier sind.

Auch viele von uns haben gelernt, sie zu schätzen. Bricht eines unserer Kinder auf dem Eis ein, ist es oft ein Türke, der als erster den Sprung wagt, um das Kind zu retten.

Fährt einer von uns zur Frühschicht, stapeln schon die orientalischen Obsthändler ihre frische Ware zum appetitlichen Angebot. Die Fremden sind uns nicht nur fremd, sondern oft auch sehr nützlich.

Jetzt zeigen sie offen Sympathien für ihr Gastland.

Der “Bild”-Text wirft viele Fragen auf. Zum Beispiel die, warum die Türken, die es in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Rhetorik immerhin zum “Mitbürger” geschafft haben, nun wieder nur “Gast” in unserem Land sind. Oder die, wie angenehm es für einen Moslem/Türken sein muss, zu wissen, dass er “uns” zwar “fremd”, aber auch “sehr nützlich” ist.

Herr Boenisch kann natürlich meinen, was er will. Beunruhigend an seinem Kommentar ist jedoch eine Diskrepanz: Er tut so, als wolle er versöhnen statt spalten. Es gibt bei seinen vielen “Wir”s aber kein einziges, das Deutsche und Türken (Christen und Muslime?) ausdrücklich gemeinsam umfasst.

Der “Bild”-Text schließt:

Ihre Demo ist ein Anfang, ein öffentliches Bekenntnis: “Wir lassen uns nicht von Fundamentalisten aufeinanderhetzen.”

Wir auch nicht.

Von Fundamentalisten also nicht. Aber von der “Bild”-Zeitung?

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